Psychologische Punktlandung
Der Rache GlanzCléo steht auf der Bühne und nimmt die vier Awards für ihr drittes Album entgegen. Sie hält ihre tränenreiche Rede, erwähnt das Publikum, ohne dass sie … Schwachsinn, den ganzen Ruhm hat sie allein sich ...
Cléo steht auf der Bühne und nimmt die vier Awards für ihr drittes Album entgegen. Sie hält ihre tränenreiche Rede, erwähnt das Publikum, ohne dass sie … Schwachsinn, den ganzen Ruhm hat sie allein sich selbst zu verdanken, lobt ihr gesamtes Team, das immer hinter ihr steht, dafür werden sie mehr als angemessen bezahlt und verweist auf einige Namen, die keinem etwas sagen. Nach ihrem glorreichen Auftritt blickt sie sich im Raum um und sieht Natalie Holmes an der Bar. Nachdem sie sich ziemlich klar die Feindschaft erklärt hatten, rechnet Cléo damit, dass die Holmes ihren Blick meiden würde, falsch gedacht. Sie kommt sogar auf sie zu und beginnt zu plaudern. Lieber wäre sie jetzt überall, als hier mit einer ihrer Erzfeindinnen zu plänkeln. Sie unterdrückt ein Gähnen, während sie nach den richtigen Abschiedsworten sucht, als die Holmes vertraulich ihre Hand auf ihre legt. Sie habe da einen gigantischen Geheimtipp. Ein Retreat in einem verwunschenen Atoll mitten im Pazifik, sehr kostspielig sicher aber eine Offenbarung. Weißer Sand, Meer, eine Hütte, sonst nichts. Ihr habe der Aufenthalt den Sinn ihres Daseins gezeigt.
Mitten in einer Werbekampagne für ihr drittes Album, sie hatte nur mit Dumpfbacken gearbeitet, macht sich ein Klima der Angst breit, es liegt an ihrer Unausstehlichkeit und das erschöpft sie. Ein paar Tage Auszeit werden ihre Kreativität wieder in Schwung bringen. Sie ruft die ominöse Nummer an, um einen Termin für die Insel zu vereinbaren.
Nun hat sie einige Züge im Ozean getan. Die Gefahr, von der Strömung ins offene Meer gesaugt zu werden oder mit den Stacheln giftiger Fische in Berührung zu kommen, ist der Thrill, der dazu gehört. Danach geht sie in den Verschlag hinter der Hütte und duscht mit lauwarmem Regenwasser. Während sie eine Sandburg baut, herrlich nutzloser Zeitvertreib, bei dem man nicht brillieren muss, greift sie nach ihrem Handy. Da fällt ihr ein, dass sie es abgegeben hat. Keine elektrischen Geräte, so ist der Deal.
Fazit: Maud Ventura hat nach ihrem gefeierten Debüt „Mein Mann“ wieder eine psychologische Punktlandung hingelegt. Ihre Protagonistin wiegt sich, seit sie acht Jahre alt ist in der Gewissheit berühmt, also unvergesslich zu werden. Sie bereitet sich zehn Jahre auf ihre große Karriere als Popsängerin vor. Wenn mir jemand gesagt hätte, dass ich ein 450 Seiten starkes Buch über eine Psychopathin mit narzisstischer Persönlichkeitsstörung lesen soll, hätte ich dankend abgelehnt. Aber Maud Venturas Schreibstil ist so fesselnd, dass ich die Geschichte inhaliert habe. Die Autorin zeigt von Anfang bis Ende präzise, wie ihre Protagonistin ihr Ziel mit allergrößtem Ehrgeiz verfolgt. Die kluge französische Schönheit komponiert, singt und begleitet sich am Klavier und auf der Gitarre. Sie verzweifelt darüber, dass der Durchbruch nicht gelingen will, bis sie die richtigen Leute trifft. Heimlich bestraft sie sich mit Rasierklingenschnitten und basht sich für jede Fehlleistung. Ein großes Lable protegiert sie und nimmt ihr alles aus der Hand. Ein Koch, ein Bodyguard, eine Yogalehrerin, eine Assistentin, eine Modeausstatterin, ein Choreograf, ein Produzent und das Management sorgen für jede Annehmlichkeit. Einzig ein Mann an ihrer Seite scheint noch zu fehlen, um die Leere zu vertreiben, aber nicht irgendeiner. Die begabte Musikerin gibt Gas. Die Erfolge erfüllen sie nur kurzzeitig, da muss noch mehr drin sein. Menschen berühren sie nicht. Ihre Ungeduld mit allem und jedem, einschließlich sich selbst, nimmt abartige Formen an. Die Autorin peitscht ihre Hauptdarstellerin gnadenlos durch die Erzählung und ich lese staunend, kopfschüttelnd, kurzatmig und wundere mich, wie es möglich ist in jedem Kapitel noch eine Schüppe draufzulegen. Jetzt kann ich mir vorstellen, wie es „da oben“ riecht und schmeckt. Das hat mich so so gut unterhalten. Chapeau!