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Veröffentlicht am 17.06.2019

Schwache Umsetzung einer packenden Idee

Vox
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„Vox“ ist das Romandebüt der amerikanischen Linguistin Christina Dalcher. Doch noch mehr als von der Stimme handelt die Geschichte vom Schweigen, was das einen Frauenmund verbergende „x“ auf dem Cover ...

„Vox“ ist das Romandebüt der amerikanischen Linguistin Christina Dalcher. Doch noch mehr als von der Stimme handelt die Geschichte vom Schweigen, was das einen Frauenmund verbergende „x“ auf dem Cover perfekt illustriert. Der dystopische Roman ist in unserer Gegenwart angesiedelt: Der erste farbige Präsident der USA ist Geschichte, sein Amtsnachfolger – nicht Trump, sondern Präsident Myers – ein Vollidiot, der von der einflussreichen „Bewegung der Reinen“ wie eine Marionette gesteuert wird. Diese Bewegung propagiert, dass das moderne Leben die Wurzel allen Übels ist und Zucht und Ordnung wiederhergestellt werden müssen, indem längst überwundene Rollenbilder reaktiviert werden. Doch wie dreht man den Lauf der Welt zurück? Der Plan ist so perfide wie wirkungsvoll: Der männlichen Hälfte der Bevölkerung wird eingeredet, als Krone der Schöpfung Gott gewollte Dominanz zu besitzen. Und die weibliche Hälfte wird zum Schweigen gebracht – mittels eines Wortzählers, der sich fest um das Handgelenk jedes Mädchens und jeder Frau schließt und zählt, wie viele Wörter sie an einem Tag ausspricht. Sind es mehr als 100, gibt es Stromstöße.

Dalcher entwirft ein ziemlich verstörendes Szenario, das mehrere große Themen streift: dass der Gedanke „sowas ist doch bei uns nicht möglich“ stets fahrlässig ist, man Bürgerrechte wahrnehmen sollte und Kommunikation den Menschen ausmacht. Die Kernaussagen von „Vox“ kannte ich dann auch schon, bevor ich überhaupt zu diesem Buch griff – durch die die Veröffentlichung begleitende Werbekampagne und den Medienhype. Worauf ich allerdings nicht gefasst war: „Vox“ ist schlecht geschrieben. Die Figuren sind holzschnittartig zusammengezimmert, Dialoge oft platt und ein Klischee jagt das nächste. Zudem hat die Autorin absolut kein Händchen dafür, Spannung aufzubauen oder irgendeine Atmosphäre zu schaffen. Die Romanhandlung entwickelt sich auf eine so komplett unlogische Art und Weise, das ich spätestens während des letzten Buchdrittels nur noch hoffte, schnell fertig zu werden. Danach las ich in einigen anderen Rezensionen, dass manche Leser „Vox“ als einen Abklatsch von Margaret Atwoods „Report einer Magd“ empfunden haben. Da ich dieses Buch jedoch nicht gelesen habe, kann ich das nicht selbst beurteilen.

„Vox“ hätte ein gutes, wichtiges Buch sein können, doch die mangelhafte Umsetzung hat aus der eigentlich packenden dystopischen Idee komplett die Luft rausgelassen. Das aus dem vorhandenen Potential so wenig gemacht wurde, ist in meinen Augen noch schlimmer, als wenn das Buch dieses gar nicht erst gehabt hätte.

Veröffentlicht am 25.10.2018

Enttäuscht trotz guter Ansätze und Twists

Believe Me - Spiel Dein Spiel. Ich spiel es besser.
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JP Delaneys 2017 erschienener Thriller „The Girl Before“ ist ein spannend klingender Bestseller, von dem ich bereits gehört hatte. Daher habe ich mich sehr über die Gelegenheit gefreut, ein Rezensionsexemplar ...

JP Delaneys 2017 erschienener Thriller „The Girl Before“ ist ein spannend klingender Bestseller, von dem ich bereits gehört hatte. Daher habe ich mich sehr über die Gelegenheit gefreut, ein Rezensionsexemplar von „Believe Me“ zu lesen, dem neuesten Buch des Autors, das gleichzeitig ein früheres Werk von ihm ist, mit dem Delaney jedoch nicht zufrieden war. In seiner Danksagung am Ende des Buches schreibt er, dass er durch den Erfolg von „The Girl Before“ „die Chance einer Neuauflage“ von „Believe Me“ bekam, die Urversion jedoch stark verändert hat, weil er mit ihr schon nach Erscheinen nicht mehr zufrieden war: „Ich hatte das Gefühl eine interessante Idee verschwendet zu haben, weil das Buch nicht gut genug gelungen war.“ Tja.

„Believe Me“ beginnt durchaus interessant. Die Engländerin Claire Wright besucht eine Schauspielschule in New York. Sie ist so begabt, dass sie ein Stipendium bekommen hat, das ihre Lebenshaltungskosten jedoch nicht abdeckt. Eine Arbeitserlaubnis erhält sie als Ausländerin allerdings nicht und arbeitet schließlich gegen Cash als Treuetesterin, die verheirateten Männern im Auftrag von deren Ehefrauen Avancen macht. Dabei ist sie sehr erfolgreich – außer beim Universitätsprofessor Patrick Fogler, der sie abblitzen lässt. Am nächsten Morgen wird seine Ehefrau ermordet aufgefunden. Sowohl er als auch Claire stehen zunächst unter Verdacht. Und als die Polizei der jungen Schauspielschülerin ein Angebot macht, kann sie quasi nicht ablehnen, gerät aber zunehmend in einen Interessenskonflikt, weil sie Patrick Fogler immer attraktiver findet …

Das Verhalten der Figuren erschien mir relativ bald nicht mehr besonders schlüssig. Irgendwann kam es dann jedoch zu einem Twist, der mich extrem überrascht hat. Überraschende Wendungen sind ein Markenzeichen von guten Thrillern, aber so richtig glaubwürdig erschienen mir die Geschehnisse auch danach nicht. Die Figuren wirkten zum Teil komplett verquer oder blieben plötzlich merkwürdig blass. Ereignisse, die jeden normalen Menschen extrem irritiert hätten, wurden von ihnen schnell vergessen oder abgetan. Überdies fehlte mir ein anderes Markenzeichen von guten Thrillern: Spannung. Nicht, dass es mich nicht mehr interessiert hätte, wer die Ehefrau von Patrick Fogler ermordet hat, aber den Figuren schien es zum Teil egal und ich hatte auch nicht das Gefühl, dass sie noch an einer Beantwortung dieser Frage interessiert waren.
Ein drittes Markenzeichen von guten Thrillern: die Auflösung. Ich finde, damit steht und fällt ein Buch dieses Genres und erwartete nach dem langen, müden Dahinplätschern der Handlung eine Überraschung – die auch kam und auf der ich nach wie vor herumdenke, da sie einige Geschehnisse in einem anderen Licht beleuchtet. Ich fand die Auflösung nicht schlecht und das Verhalten mancher Protagonisten erscheint mir im Nachhinein schlüssiger. Doch es ändert nichts daran, dass sich das Leseerlebnis eher belanglos gestaltete. „Believe Me“ enthielt einige faszinierende Elemente – Baudelaires Skandal-Gedichtband „Le Fleurs Du Mal“ spielt eine große Rolle, auch die Einblicke in Claires Schauspielunterricht und -verständnis fand ich gelungen. Aus dem ganzen Stoff hätte man mehr rausholen können, glaube ich – wie es wohl auch der Autor dachte, als er seine Geschichte nochmal überarbeitete. Aber in meinen Augen ist es ihm immer noch nicht gelungen. „Believe me“ ist trotz vielversprechender Ansätze nicht komplett stimmig und erst recht nicht spannend, das Gesamtkonzept krankt. Schade, ich hatte mir mehr versprochen.

Veröffentlicht am 05.02.2018

Dramatische, für mich nicht komplett nachvollziehbare Geschichte mit Südafrika-Flair

Cape Town Kisses
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Vorab: Ich hätte mir dieses Buch vermutlich nicht gekauft. Das Cover mit dem knackigen Männeroberkörper ist mir zu kitschig, das Gleiche trifft auf den Untertitel „Zwischen Liebe und Schmerz“ zu. Ich gehöre ...

Vorab: Ich hätte mir dieses Buch vermutlich nicht gekauft. Das Cover mit dem knackigen Männeroberkörper ist mir zu kitschig, das Gleiche trifft auf den Untertitel „Zwischen Liebe und Schmerz“ zu. Ich gehöre daher offensichtlich nicht zur Kernzielgruppe dieses Romans. Aber ich bin ein großer Südafrika-Fan und ich liebe Kapstadt – von daher musste ich mich einfach für die „Cape Town Kisses“-Leserunde auf einem anderen Portal bewerben. Und was das südafrikanische Flair anging, wurde ich auch nicht enttäuscht: Detaillierte Beschreibungen der V&A Waterfront, von Kleinigkeiten wie Rock Shandys und Biltong sowie einer Walking-Safari lassen sich finden. Auch wenn mir die Fülle der Tiersichtungen etwas übertrieben schien, war sonst alles realitätsnah und hat mir ein bisschen Kapstadt- und Südafrika-Feeling auf meinen E-Book-Reader gebracht.

Mit der eigentlichen Geschichte konnte ich mich allerdings nicht komplett anfreunden. „Cape Town Kisses“ handelt von der in London lebenden, alleinerziehenden Mutter Angela Riley, die wegen eines Hirntumors nur noch kurze Zeit zu leben hat. In Sorge um ihren 12-jährigen Sohn Jasper beschließt sie, dessen Vater ausfindig zu machen – einen One-Night-Stand namens Mojo, den sie vor 13 Jahren in einer Kapstädter Bar kennenlernte. Seitdem hatte sie keinerlei Kontakt zu Mojo, auch von seiner Vaterschaft weiß er nicht. Angela begibt sich auf die Suche …

Und diese Suche hat mich mehr und mehr irritiert. Angela versucht nicht, Mojo erstmal online zu finden, damit sie überhaupt weiß, wo sie suchen soll. Sie kennt den Mann eigentlich auch gar nicht. Trotzdem ist sie der festen Überzeugung, dass es für ihren Sohn das Beste sein wird, beim unbekannten Vater aufzuwachsen, nachdem sie verstorben ist. Auch, als sie herausfindet, dass Mojo unter ärmlichen Bedingungen in einem Township zu leben scheint, hält sie stoisch an dem Plan fest („Väterliche Liebe war ohnehin mehr wert als alles Geld dieser Welt.“) – mir erschien das schon fahrlässig blauäugig. Und ziemlich unrealistisch. Welche Mutter würde ihren Sohn auf einen anderen Kontinent zu einem quasi Fremden schicken und ihn so von allem trennen, was er kennt? Freunden, Onkel, Schule, der vertrauten Umgebung und Kultur?
Allerdings wird Angela dann vorübergehend von ihrer Suche abgelenkt, als sie George kennenlernt, der mit seinem Vater eine Game Farm leitet. Und mir wiederum zu perfekt war.

Die Geschichte war also nicht unbedingt mein Fall: Dadurch, dass ich Angelas Verhalten oftmals als wahnsinnig naiv empfand, habe ich auch nicht so sehr mit ihr mitfühlen können. Das Ganze war mir inhaltlich etwas dünn und auch der Ausgang schien mir bald absehbar. Dennoch habe ich das Buch schnell ausgelesen, bin mühelos in die Geschichte reingekommen und habe die meisten Südafrika-Beschreibungen durchaus genossen.

Veröffentlicht am 08.04.2024

Starker Anfang, schwaches Ende

Das Resort
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Sarah Goodwins Lieblingsthema scheinen Frauen in Extremsituationen zu sein – zumindest handeln ihre beiden auf Deutsch übersetzten Thriller „Das Resort“ und „Stranded“ davon. In beiden Geschichten ist ...

Sarah Goodwins Lieblingsthema scheinen Frauen in Extremsituationen zu sein – zumindest handeln ihre beiden auf Deutsch übersetzten Thriller „Das Resort“ und „Stranded“ davon. In beiden Geschichten ist eine Frau mehr oder weniger plötzlich auf sich alleine gestellt und muss zusehen, wie sie irgendwo im Nirgendwo klarkommt. Und obwohl ihre Bücher zu größeren Teilen One-Woman-Shows sind, sind sie trotzdem spannend und haben mich nachhaltig beschäftigt.

Und jetzt kommt das Aber.
Im Gegensatz zum Spannungsaufbau ist Logik keine große Stärke dieser Autorin. Wenn ein Thriller fesselnd ist, sehe ich gerne über kleinere Ungereimtheiten hinweg; hier war das jedoch beim besten Willen nicht möglich. „Das Resort“ ist auch noch ausgerechnet in Bayern angesiedelt – bei einem mir unbekannteren Schauplatz wie z.B. der kanadischen Wildnis wäre ich wohl noch etwas nachsichtiger gewesen. Kurz zum Inhalt: Hauptfigur Mila und ihr Ehemann Ethan wollen eigentlich die Hochzeit von Milas Schwester in einem bayerischen Luxusresort besuchen, finden sich nach einer Autopanne jedoch fernab der Zivilisation in der Nähe einer verlassenen Hüttenansammlung wieder. Nachdem Ethan in der ersten Nacht auf unerklärliche Art verschwindet, ist Mila auf sich gestellt und mit verstauchtem Knöchel sowie großer Angst vor Bären und Wölfen einem Schneesturm nach dem anderen ausgesetzt. Allerdings zweifelt sie bald daran, wirklich alleine zu sein, denn irgendjemand – oder irgendetwas – scheint ihr übel mitzuspielen …
Für Mila beginnt ein Überlebenskampf – gegen Kälte, Hunger, Angst. Hier kommt immer wieder Spannung auf und die Verzweiflung der Protagonistin ist durchaus nachvollziehbar und hat mich auch mitfiebern lassen. Doch ein Thriller steht und fällt mit seiner Auflösung und diese hier ist haarsträubend – sie macht einfach wenig Sinn. Das hat zumindest mir das gesamte Buch im Nachhinein verleidet. Wie schade!

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