Profilbild von Wordworld_Sophia

Wordworld_Sophia

Lesejury Star
offline

Wordworld_Sophia ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit Wordworld_Sophia über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 24.03.2018

"Irgendwas ist da unten. Und es will raus."

Das dunkle Herz
0

Allgemeines:

Titel: Das dunkle Herz
Autor: Lukas Hainer
Verlag: ivi (1. März 2018)
Genre: Fantasy
ISBN-10: 3492704727
ISBN-13: 978-3492704724
ASIN: B077BVCJ9C
Preis: 12,99€ (Kindle-Edition)
16€ (Gebundene ...

Allgemeines:

Titel: Das dunkle Herz
Autor: Lukas Hainer
Verlag: ivi (1. März 2018)
Genre: Fantasy
ISBN-10: 3492704727
ISBN-13: 978-3492704724
ASIN: B077BVCJ9C
Preis: 12,99€ (Kindle-Edition)
16€ (Gebundene Ausgabe)
Seitenzahl: 384 Seiten



Inhalt:

Während einer Gedenkfeier für ihren verschwundenen Bruder wird Anna schwarz vor Augen, und sie erwacht am Rande einer verlassenen Wüstenstadt. Als alle Versuche scheitern, Kontakt zu ihren Eltern aufzunehmen, sucht sie in der Stadt nach Antworten und stößt auf weitere Ankömmlinge, unter ihnen der junge Nick. Bald entbrennt ein Kampf ums Überleben, sowohl mit ihrer unwirtlichen Umgebung als auch unter den Gestrandeten selbst. Während die Spannungen eskalieren und es sogar zu Toten kommt, findet Anna plötzlich Hinweise auf ihren Bruder – ist es möglich, dass er noch lebt? Als sie der Spur folgen, stoßen Nick und sie auf ein furchtbares Geheimnis, das dieser Ort und seine Bewohner hüten: das dunkle Herz. Und plötzlich geht es um weit mehr als nur um ihr eigenes Schicksal.


Bewertung:

Als ich diese Geschichte in der Verlagsvorschau des Piper Verlages gefunden und vom dunklen Herz gelesen habe, hatte ich mich sofort auf ein spannendes Mystery-Abenteuer gefreut. Nach etwa 30 Seiten musste ich jedoch feststellen, dass sich diese Geschichte in eine ganz andere Geschichte entwickelt und mehr zu einem Abenteuer über einen Haufen Kinder in einer verlassenen Wüstenstadt wird, die um Zusammenhalt und Vertrauen ringen.

Das Cover ist sehr ansprechend gestaltet. Das verwaschene Grau gibt einen unruhigen, düsteren Hintergrund, welcher in Kombination mit dem schwarzen, dynamischen Fleck im Zentrum des Bildes und den ebenfalls schwarzen Naturmotiven, den Bäumen und Vögel, ein geheimnisvolles und stimmiges Gesamtbild ergibt. Der Titel ist in einem blassen Bronzeton gehalten, welcher auch das Lesebändchen schmückt und gleichzeitig das einzige Fleckchen Farbe in dem sonstigen Grau-Schwarzen Bild darstellt. Besonders schön sind die verwaschenen Cover - Motive, die die Innenseiten der Buchdeckel zieren und die schwarzen Flecken, die den Hintergrund für die jeweilige Kapitelüberschrift bilden. Auch wenn die gesamte Gestaltung auf eine viel düsterere und magischere Geschichte hindeutet, passt das Gesamtbild sehr gut und sieht darüber hinaus wunderschön aus. Einzig das helle Orange auf der Innenseite der Klapplaschen des Covers passt meines Erachtens nicht so ganz.

Erster Satz: "Der alte Mann schritt durch die staubigen Straßen der Stadt."

Aus der Sicht des alten Mannes beginnt die Geschichte mit einem vielversprechenden, mysteriösen Prolog. Während diese geheimnisvolle Person über alte Zeiten und die Zukunft nachsinnt, entstehen schon Bilder im Kopf des Lesers und es klingt an, wie sich die Geschichte entwickeln könnte. Dass die Erzählung dann gleich weiter nach Deutschland in eine Kirche während einer Trauerfeier zur 14jährigen Anna springt, ist ein starker Kontrast. Mit Ausnahme ihres seit 10 Jahren vermissten Bruders Ben ist bei der Familie Engel alles gewöhnlich und zuerst kann man keine Parallele zur staubigen Wüstenstadt aus dem Prolog erkennen. Als dann jedoch wie jedes Jahr die Trauerglocken für den verschwundenen Sohn läuten, wird Anna schwarz vor den Augen und sie erwacht in glühender Hitze unter einem orangenen Horizont wieder. Zusammen mit einigen anderen Menschen aller Altersgruppen und Nationalitäten ist sie an einem Ort gestrandet, der außerhalb jeglicher Realität zu liegen scheint. Ganz fremd und irgendwie falsch kommt er ihr vor, was auch an den Resten der Zivilisation liegt, die überall zu sehen sind. Als sie auf eine andere Gruppe und schließlich auf eine organisierte Gesellschaft aus Ankömmlingen trifft, scheint ihr Schicksal erstmal weniger aussichtslos zu sein. Doch was verbirgt der gnadenlose Anführer Álvaro? Wohin sind all die Menschen verschwunden, die an diesem Ort gelebt haben? Was hat es mit der grauenvollen Kälte auf sich, die die Kinder manchmal spüren? Und wie können sie wieder nachhause gelangen? Als Anna zusammen mit ihren neuen Freunden den Fragen nachgeht, trifft sie auf ein tief verborgenes, gut gehütetes, dunkles Geheimnis...


"Hast du das auch gespürt?", fragte sie in, als er bei ihr angekommen war und legte sich die Hand auf die Brust, wo die Beklemmung am Schlimmsten gewesen war. Er nickte. "Irgendwas ist da unten. Und es will raus."


Während die Charaktere in der sengenden Hitze umher irren baut die meiste Spannung eigentlich auf den Fragen rund um den geheimnisvollen Ort auf. Da aber kaum Lösungen der Fragen und weitere Entwicklungen rund um die Grundidee in Aussicht gestellt werden, legt sich im Laufe der Geschichte diese erzeugte Spannung immer weiter und die eigentliche Handlung muss die ganze Last der Story tragen. Während unsere Protagonisten also durch die Wüste irren, nach Wasser, Essen und nicht zuletzt ihrer Freiheit suchen, rückt das Geheimnis um das dunkle Herz immer weiter in den Hintergrund, bis es nur eine schemenhafte Bedrohung wird, in die Ecke gedrängt und absolut nebensächlich. Leider schafft dieses es auch nicht im Laufe der Seiten aus dieser Ecke herauszukommen und eine zentrale Rolle einzunehmen.

So bleibt die Handlung leider sehr eindimensional und stellt in erster Linie den Überlebenskampf und die Machtstrukturen innerhalb der Gruppen dar. Dazu wäre jedoch auch jedes andere Setting genügend gewesen, hier leidet die Story eher darunter, dass das Setting nicht wirklich lebendig wird. Über den Großteil der Handlung sind die Protagonisten viel zu sehr mit sich selbst und ihren Streitigkeiten beschäftigt, um den Ort, an dem sie gestrandet sind und die Gefahren, vor denen sie stehen wirklich erkunden zu können, weshalb diese auch für den Leser sehr unspektakulär bleiben. Natürlich werden immer wieder neue Dinge aufgeführt, einzelne Entdeckungen werden jedoch immer nur am Rande behandelt und schnell als selbstverständlich abgetan. Das ging so weit, dass einige Details der Handlung plötzlich fehl am Platz wirkten. Annas wieder auferstehender Bruder oder die wild bewachsenen Hallen mit einer Horde an unabhängig lebenden Kindern sind ebensolche Faktoren, bei denen ich nicht genau weiß, wie ich ihnen gegenüberstehen soll. Keiner der Protagonisten scheint an irgendetwas zu zweifeln, das fantastische Setting bringt alle dazu, seltsame Dinge zu akzeptieren, was ich leider nicht konnte. Durch die fehlenden Informationen und Entwicklungen rund um die Grundidee der fantastischen Wüstenstadt, ist mein Interesse an dieser Idee langsam zurückgegangen, woran auch der angenehme Schreibstil nicht mehr viel ändern konnte. Auch wenn relativ plastisch beschrieben wird, wird das Potential des Geheimnisses rund um das dunkle Herz nicht genutzt.


"Etwas tat sich unter der Erde, der Alte hatte es gespürt. Etwas war dort in Aufruhr geraten und das war neu. Er glaubte nicht, dass es das dunkle Herz war. Das schwarze Böse schlummerte dort unten, denn noch waren die Fesselnd strak, die es seit so langer Zeit an diesem Ort hielten. Nein, was sich dort regte, fühlte sich anders an und der Alte konnte nur Vermutungen anstellen, was geschehen war."


Dass die Fantasy-Komponente dieser Geschichte geradezu armselig ist hat mich natürlich enttäuscht. Sehr spannend wiederum ist aber, dass diese Lücke platz lässt für Gruppendynamik und genauen Studien von Machtstrukturen. Während der alte Mann und die dunkle Macht unter der Stadt eher am Rande bleiben zeigt sich, dass der Mensch sich wieder einmal selbst der größte Feind ist. Habgier, Machtzwang und Unterdrückung drohen die Gestrandeten zu entzweien und fordern viele unnötige Opfer. Bald findet Anna heraus, dass die einzige Möglichkeit zur Flucht in einem Bündnis liegt. Zusammen mit ihren Freunden muss sie es schaffen, alle Streitigkeiten beizulegen und die gesamte Gruppe vereint vors dunkle Herz zu führen. Eine nahezu unmögliche Aufgabe angesichts des angestauten Hasses... doch die einzige Chance um dem Albtraum zu entfliehen.


"Der Alte spürte den Wind und hörte auf die Geräusche der neuen Bewohner, die er brachte. Da war das Zirpen und Rascheln von Insekten, en flatternder Flügelschlag, irgendwo ein erschöpftes Grunzen. In der Ferne konnte er zwei Schemen auf der Mauer erkennen, Wachen, die sie aufgestellt hatten. Bald würde die Dunkelheit sie verschlucken..."


Genau wie die Geschichte bleiben auch die Charaktere leider sehr eindimensional. Der große Fehler hier ist die schiere Masse an Protagonisten, die alle kurz angerissen werden, die aber keinerlei Tiefe besitzen. Selbst von Anna, die aus der personalen Erzählperspektive erzählt und bei der die Innensicht uns auch in Gefühle und Gedanken einweiht, konnte ich mir im Laufe der Handlung nur ein grobes Bild machen und keine wirkliche Beziehung zu ihr aufbauen. Interessant ist einzig und allein ihre Beziehung zu ihrem großen Bruder, von dem sie sich nie wirklich verabschieden konnte, da er einfach verschwunden ist und in dessen Verschwinden einen dunklen Schatten über ihre Familie geworfen hat, in dem sie 10 Jahre leben musste, ohne sich wirklich an ihn erinnern zu können. Durch ihren Aufenthalt in der Stadt bekommt sie endlich die Möglichkeit mit den Gefühlen in sich aufzuräumen und ihn richtig loszulassen.

Die anderen Charaktere wie Nick, Jelena, Lev, Álvaro, Eric, Peter, Sinan, Kyle oder Poppin - um nur mal einen Bruchteil aller Namen zu nennen, mit deren Auseinanderhaltung wir konfrontiert werden - werden einfach grob nach ihrer Stellung in der Gruppe und ein oder zwei vagen Charakterzügen charakterisiert. Auch wenn natürlich klar ist, dass auf 380 Seiten kein vollständiges Bild von 10 Personen entstehen kann, fand ich die Charakterzeichnung gerade für ein Jugendbuch, das von so etwas immer besonders stark lebt, etwas flach. Der unnötigste Punkt ist jedoch wieder wie so oft die hastig dazu gedichtete Liebesgeschichte zwischen Anna und Nick, die die Geschichte absolut nicht gebraucht hätte.


"Álvaro knetete wieder seine Handschuhe, wie bei den Reden vor der Versammlung. "Wir sind nicht die ersten Bewohner hier, bei Weitem nicht, und wir müssen zusehen, dass von uns mehr übrig bleibt als von all den anderen! Was immer mit uns geschehen ist, wie müssen überleben. Egal, was es kostet!"


Trotz der ganzen Kritik will ich dem Buch gar nicht seine Originalität und die Spannung absprechen, die gerade gegen Ende nochmals aufleben darf. Am Ende ist jedoch die Umsetzung der Grundidee leider ein wenig unrund und die Lösung des Problems wird auf einen eventuell nächsten Band vertröstet.



Fazit:

Ein interessantes Abenteuer über eine Ansammlung an Menschen verschiedener Nationalitäten und Gesinnungen, die in einer verlassenen Wüstenstadt um Zusammenhalt und Vertrauen ringen. Leider wird das Potential der Grundidee und des Settings nicht ausgeschöpft und auch die Charaktere bleiben ein wenig blass.

Veröffentlicht am 24.03.2018

"Irgendwas ist da unten. Und es will raus."

Das dunkle Herz
0

Allgemeines:

Titel: Das dunkle Herz
Autor: Lukas Hainer
Verlag: ivi (1. März 2018)
Genre: Fantasy
ISBN-10: 3492704727
ISBN-13: 978-3492704724
ASIN: B077BVCJ9C
Preis: 12,99€ (Kindle-Edition)
16€ (Gebundene ...

Allgemeines:

Titel: Das dunkle Herz
Autor: Lukas Hainer
Verlag: ivi (1. März 2018)
Genre: Fantasy
ISBN-10: 3492704727
ISBN-13: 978-3492704724
ASIN: B077BVCJ9C
Preis: 12,99€ (Kindle-Edition)
16€ (Gebundene Ausgabe)
Seitenzahl: 384 Seiten



Inhalt:

Während einer Gedenkfeier für ihren verschwundenen Bruder wird Anna schwarz vor Augen, und sie erwacht am Rande einer verlassenen Wüstenstadt. Als alle Versuche scheitern, Kontakt zu ihren Eltern aufzunehmen, sucht sie in der Stadt nach Antworten und stößt auf weitere Ankömmlinge, unter ihnen der junge Nick. Bald entbrennt ein Kampf ums Überleben, sowohl mit ihrer unwirtlichen Umgebung als auch unter den Gestrandeten selbst. Während die Spannungen eskalieren und es sogar zu Toten kommt, findet Anna plötzlich Hinweise auf ihren Bruder – ist es möglich, dass er noch lebt? Als sie der Spur folgen, stoßen Nick und sie auf ein furchtbares Geheimnis, das dieser Ort und seine Bewohner hüten: das dunkle Herz. Und plötzlich geht es um weit mehr als nur um ihr eigenes Schicksal.


Bewertung:

Als ich diese Geschichte in der Verlagsvorschau des Piper Verlages gefunden und vom dunklen Herz gelesen habe, hatte ich mich sofort auf ein spannendes Mystery-Abenteuer gefreut. Nach etwa 30 Seiten musste ich jedoch feststellen, dass sich diese Geschichte in eine ganz andere Geschichte entwickelt und mehr zu einem Abenteuer über einen Haufen Kinder in einer verlassenen Wüstenstadt wird, die um Zusammenhalt und Vertrauen ringen.

Das Cover ist sehr ansprechend gestaltet. Das verwaschene Grau gibt einen unruhigen, düsteren Hintergrund, welcher in Kombination mit dem schwarzen, dynamischen Fleck im Zentrum des Bildes und den ebenfalls schwarzen Naturmotiven, den Bäumen und Vögel, ein geheimnisvolles und stimmiges Gesamtbild ergibt. Der Titel ist in einem blassen Bronzeton gehalten, welcher auch das Lesebändchen schmückt und gleichzeitig das einzige Fleckchen Farbe in dem sonstigen Grau-Schwarzen Bild darstellt. Besonders schön sind die verwaschenen Cover - Motive, die die Innenseiten der Buchdeckel zieren und die schwarzen Flecken, die den Hintergrund für die jeweilige Kapitelüberschrift bilden. Auch wenn die gesamte Gestaltung auf eine viel düsterere und magischere Geschichte hindeutet, passt das Gesamtbild sehr gut und sieht darüber hinaus wunderschön aus. Einzig das helle Orange auf der Innenseite der Klapplaschen des Covers passt meines Erachtens nicht so ganz.

Erster Satz: "Der alte Mann schritt durch die staubigen Straßen der Stadt."

Aus der Sicht des alten Mannes beginnt die Geschichte mit einem vielversprechenden, mysteriösen Prolog. Während diese geheimnisvolle Person über alte Zeiten und die Zukunft nachsinnt, entstehen schon Bilder im Kopf des Lesers und es klingt an, wie sich die Geschichte entwickeln könnte. Dass die Erzählung dann gleich weiter nach Deutschland in eine Kirche während einer Trauerfeier zur 14jährigen Anna springt, ist ein starker Kontrast. Mit Ausnahme ihres seit 10 Jahren vermissten Bruders Ben ist bei der Familie Engel alles gewöhnlich und zuerst kann man keine Parallele zur staubigen Wüstenstadt aus dem Prolog erkennen. Als dann jedoch wie jedes Jahr die Trauerglocken für den verschwundenen Sohn läuten, wird Anna schwarz vor den Augen und sie erwacht in glühender Hitze unter einem orangenen Horizont wieder. Zusammen mit einigen anderen Menschen aller Altersgruppen und Nationalitäten ist sie an einem Ort gestrandet, der außerhalb jeglicher Realität zu liegen scheint. Ganz fremd und irgendwie falsch kommt er ihr vor, was auch an den Resten der Zivilisation liegt, die überall zu sehen sind. Als sie auf eine andere Gruppe und schließlich auf eine organisierte Gesellschaft aus Ankömmlingen trifft, scheint ihr Schicksal erstmal weniger aussichtslos zu sein. Doch was verbirgt der gnadenlose Anführer Álvaro? Wohin sind all die Menschen verschwunden, die an diesem Ort gelebt haben? Was hat es mit der grauenvollen Kälte auf sich, die die Kinder manchmal spüren? Und wie können sie wieder nachhause gelangen? Als Anna zusammen mit ihren neuen Freunden den Fragen nachgeht, trifft sie auf ein tief verborgenes, gut gehütetes, dunkles Geheimnis...


"Hast du das auch gespürt?", fragte sie in, als er bei ihr angekommen war und legte sich die Hand auf die Brust, wo die Beklemmung am Schlimmsten gewesen war. Er nickte. "Irgendwas ist da unten. Und es will raus."


Während die Charaktere in der sengenden Hitze umher irren baut die meiste Spannung eigentlich auf den Fragen rund um den geheimnisvollen Ort auf. Da aber kaum Lösungen der Fragen und weitere Entwicklungen rund um die Grundidee in Aussicht gestellt werden, legt sich im Laufe der Geschichte diese erzeugte Spannung immer weiter und die eigentliche Handlung muss die ganze Last der Story tragen. Während unsere Protagonisten also durch die Wüste irren, nach Wasser, Essen und nicht zuletzt ihrer Freiheit suchen, rückt das Geheimnis um das dunkle Herz immer weiter in den Hintergrund, bis es nur eine schemenhafte Bedrohung wird, in die Ecke gedrängt und absolut nebensächlich. Leider schafft dieses es auch nicht im Laufe der Seiten aus dieser Ecke herauszukommen und eine zentrale Rolle einzunehmen.

So bleibt die Handlung leider sehr eindimensional und stellt in erster Linie den Überlebenskampf und die Machtstrukturen innerhalb der Gruppen dar. Dazu wäre jedoch auch jedes andere Setting genügend gewesen, hier leidet die Story eher darunter, dass das Setting nicht wirklich lebendig wird. Über den Großteil der Handlung sind die Protagonisten viel zu sehr mit sich selbst und ihren Streitigkeiten beschäftigt, um den Ort, an dem sie gestrandet sind und die Gefahren, vor denen sie stehen wirklich erkunden zu können, weshalb diese auch für den Leser sehr unspektakulär bleiben. Natürlich werden immer wieder neue Dinge aufgeführt, einzelne Entdeckungen werden jedoch immer nur am Rande behandelt und schnell als selbstverständlich abgetan. Das ging so weit, dass einige Details der Handlung plötzlich fehl am Platz wirkten. Annas wieder auferstehender Bruder oder die wild bewachsenen Hallen mit einer Horde an unabhängig lebenden Kindern sind ebensolche Faktoren, bei denen ich nicht genau weiß, wie ich ihnen gegenüberstehen soll. Keiner der Protagonisten scheint an irgendetwas zu zweifeln, das fantastische Setting bringt alle dazu, seltsame Dinge zu akzeptieren, was ich leider nicht konnte. Durch die fehlenden Informationen und Entwicklungen rund um die Grundidee der fantastischen Wüstenstadt, ist mein Interesse an dieser Idee langsam zurückgegangen, woran auch der angenehme Schreibstil nicht mehr viel ändern konnte. Auch wenn relativ plastisch beschrieben wird, wird das Potential des Geheimnisses rund um das dunkle Herz nicht genutzt.


"Etwas tat sich unter der Erde, der Alte hatte es gespürt. Etwas war dort in Aufruhr geraten und das war neu. Er glaubte nicht, dass es das dunkle Herz war. Das schwarze Böse schlummerte dort unten, denn noch waren die Fesselnd strak, die es seit so langer Zeit an diesem Ort hielten. Nein, was sich dort regte, fühlte sich anders an und der Alte konnte nur Vermutungen anstellen, was geschehen war."


Dass die Fantasy-Komponente dieser Geschichte geradezu armselig ist hat mich natürlich enttäuscht. Sehr spannend wiederum ist aber, dass diese Lücke platz lässt für Gruppendynamik und genauen Studien von Machtstrukturen. Während der alte Mann und die dunkle Macht unter der Stadt eher am Rande bleiben zeigt sich, dass der Mensch sich wieder einmal selbst der größte Feind ist. Habgier, Machtzwang und Unterdrückung drohen die Gestrandeten zu entzweien und fordern viele unnötige Opfer. Bald findet Anna heraus, dass die einzige Möglichkeit zur Flucht in einem Bündnis liegt. Zusammen mit ihren Freunden muss sie es schaffen, alle Streitigkeiten beizulegen und die gesamte Gruppe vereint vors dunkle Herz zu führen. Eine nahezu unmögliche Aufgabe angesichts des angestauten Hasses... doch die einzige Chance um dem Albtraum zu entfliehen.


"Der Alte spürte den Wind und hörte auf die Geräusche der neuen Bewohner, die er brachte. Da war das Zirpen und Rascheln von Insekten, en flatternder Flügelschlag, irgendwo ein erschöpftes Grunzen. In der Ferne konnte er zwei Schemen auf der Mauer erkennen, Wachen, die sie aufgestellt hatten. Bald würde die Dunkelheit sie verschlucken..."


Genau wie die Geschichte bleiben auch die Charaktere leider sehr eindimensional. Der große Fehler hier ist die schiere Masse an Protagonisten, die alle kurz angerissen werden, die aber keinerlei Tiefe besitzen. Selbst von Anna, die aus der personalen Erzählperspektive erzählt und bei der die Innensicht uns auch in Gefühle und Gedanken einweiht, konnte ich mir im Laufe der Handlung nur ein grobes Bild machen und keine wirkliche Beziehung zu ihr aufbauen. Interessant ist einzig und allein ihre Beziehung zu ihrem großen Bruder, von dem sie sich nie wirklich verabschieden konnte, da er einfach verschwunden ist und in dessen Verschwinden einen dunklen Schatten über ihre Familie geworfen hat, in dem sie 10 Jahre leben musste, ohne sich wirklich an ihn erinnern zu können. Durch ihren Aufenthalt in der Stadt bekommt sie endlich die Möglichkeit mit den Gefühlen in sich aufzuräumen und ihn richtig loszulassen.

Die anderen Charaktere wie Nick, Jelena, Lev, Álvaro, Eric, Peter, Sinan, Kyle oder Poppin - um nur mal einen Bruchteil aller Namen zu nennen, mit deren Auseinanderhaltung wir konfrontiert werden - werden einfach grob nach ihrer Stellung in der Gruppe und ein oder zwei vagen Charakterzügen charakterisiert. Auch wenn natürlich klar ist, dass auf 380 Seiten kein vollständiges Bild von 10 Personen entstehen kann, fand ich die Charakterzeichnung gerade für ein Jugendbuch, das von so etwas immer besonders stark lebt, etwas flach. Der unnötigste Punkt ist jedoch wieder wie so oft die hastig dazu gedichtete Liebesgeschichte zwischen Anna und Nick, die die Geschichte absolut nicht gebraucht hätte.


"Álvaro knetete wieder seine Handschuhe, wie bei den Reden vor der Versammlung. "Wir sind nicht die ersten Bewohner hier, bei Weitem nicht, und wir müssen zusehen, dass von uns mehr übrig bleibt als von all den anderen! Was immer mit uns geschehen ist, wie müssen überleben. Egal, was es kostet!"


Trotz der ganzen Kritik will ich dem Buch gar nicht seine Originalität und die Spannung absprechen, die gerade gegen Ende nochmals aufleben darf. Am Ende ist jedoch die Umsetzung der Grundidee leider ein wenig unrund und die Lösung des Problems wird auf einen eventuell nächsten Band vertröstet.



Fazit:

Ein interessantes Abenteuer über eine Ansammlung an Menschen verschiedener Nationalitäten und Gesinnungen, die in einer verlassenen Wüstenstadt um Zusammenhalt und Vertrauen ringen. Leider wird das Potential der Grundidee und des Settings nicht ausgeschöpft und auch die Charaktere bleiben ein wenig blass.

Veröffentlicht am 24.02.2018

Nicht besonders "Special"-mäßig...

Ugly – Pretty – Special 3: Special - Zeig dein wahres Gesicht
0

Allgemeines:

Titel: Special - Zeig dein wahres Gesicht
Autor: Scott Westerfeld
Verlag: Carlsen (Februar 2011)
Genre: Dystopie
Seitenzahl: 384 Seiten
ISBN-10: 3551310084
ISBN-13: 978-3551310088
ASIN: ...

Allgemeines:

Titel: Special - Zeig dein wahres Gesicht
Autor: Scott Westerfeld
Verlag: Carlsen (Februar 2011)
Genre: Dystopie
Seitenzahl: 384 Seiten
ISBN-10: 3551310084
ISBN-13: 978-3551310088
ASIN: B01EHV1WCC
Vom Hersteller empfohlenes Alter: 12 - 15 Jahre
Preis: 7,99€ (Kindle-Edition)
8,99€ (Taschenbuch)
Weitere Bände: Ugly - Verlier nicht dein Gesicht;
Pretty - Erkenne dein Gesicht


Inhalt:

Eine neue Operation hat Tally endgültig zu etwas Besonderem gemacht. Jetzt ist sie beängstigend schön, gefährlich stark, pfeilschnell - eine Special, geschaffen, um die Uglies und Pretties unter Kontrolle zu halten. Als Rebellen aus Smoke in der Stadt auftauchen, soll Tally ihre Loyalität beweisen und den Unterschlupf der Smokies aufspüren. Doch der Weg dorthin steckt voller Überraschungen und Erinnerungen. Denn einst war Tally selbst eine Smokey...


Bewertung:

Nach dem enttäuschenden zweiten Teil war ich schon kurz davor, die Reihe ganz aufzugeben, dieser letzte Teil konnte mich im aller letzten Moment dann doch noch ein wenig überzeugen. Kein Meisterwerk der Literatur, das steht außer Frage, dennoch würde ich die Geschichte nach diesem Teil nun doch teilweise weiterempfehlen.

Das Cover zeigt ebenso wie das des ersten und des zweiten Teiles ein Mädchengesicht in Zoomaufnahme. Nachdem das Ugly-Gesicht des ersten Teiles einem Püppchen-Aussehen mit großen Augen, glatter Haut und perfekter Symmetrie gewichen ist, stellt dieses Cover nun Tallys Äußeres als Special da. Auch wenn ich mir diese noch ein wenig besonderer und furchteinflößender vorgestellt hatte, finde ich dass die präsentierten Elemente ganz wunderbar passen. Die dunklen, mit Kajalstift umrundeten Augen, die Tätowierungen, der stechende Blick, all das zeigt, dass Tally nun über ihr Pretty-Dasein hinweggekommen ist. Im Nachhinein betrachtet finde ich auch die Farbgebung der einzelnen Coverbilder sehr interessant. Trotz dass sie eigentlich immer ein ähnliches Motiv zeigen unterscheiden sie sich durch den Farbstich vollkommen in der Atmosphäre. Der grünliche Ton des ersten Bandes lässt das Gesicht hässlicher werden, der Pink-Stich des zweiten verkörpert die zarten Prettys und das eisige Blau hier zeigt die schonungslose Gefühlskälte der Specials, mit der wir hier konfrontiert werden. Insgesamt passen also alle Cover und natürlich auch die Titel wunderbar zusammen - von einer Jugendbuchreihe kann man eigentlich fast nicht mehr erwarten.


Erster Satz: "Die sechs Hubbretter bewegten sich zwischen den Bäumen mit der blitzenden Eleganz von Spielkarten, die flach und wirbelnd über den Tisch geworfen wurden."


Nachdem sich Tally durch viel Schmerz und Mühe von ihrem Pretty-Denken befreit hat und wieder ganz sie selbst geworden ist, macht eine erneute Operation ihre neue Selbstbeherrschung gleich wieder zunichte. Abermals unter dem Messer gelandet wacht sie als Special auf: eine lebendige Monster-Maschine mit Zähnen und Fingernägeln, die härter sind wie Stahl, super leichten und unzerstörbaren Keramikknochen, gestählte Muskeln aus flexiblen Fasern, perfekt geschärften Sinnen und allerlei technischen Spielereien wie Microchips und Hautantennen - sie ist eine menschliche Waffe. Als Teil der Schlitzer-Clique, der unter anderem auch Shay und Fausto angehören, ihre ehemaligen Krim-Freunde, steht sie nun unter dem Kommando der "besonderen Umstände", geleitet von Antagonistin Dr. Cable und kennt nur ein Ziel: New Smoke zu finden und zu zerstören. Das einzige, was Tallys neuen, eiskalten Schleier durchbricht, den die Operation durch erneute Gehirnpfuschs über ihre Realität gelegt hat, ist ihre Sorge um Zane, welcher nach seinem Gehirnschaden ständig in Gefahr schweben zu droht. Doch gerade als Zane sich mit einigen anderen auf den Weg nach New Smoke macht, muss Tally sich wieder fragen, wem ihre Loyalität gehört und auf dem beschwerlichen Weg durch die Wildnis muss sie sich einmal mehr fragen, was sie ist und wer sie sein will...


"Blut um Blut" Als der Schmerz sie durchjagte, spürte Tally, wie zum ersten Mal an diesem Tag ihr Denken eisig wurde. Sie konnte ihre Zukunft sehen, einen geraden Pfad ohne weitere Umkehrungen oder Verwirrungen. Sie hatte dagegen gekämpft, Ugly zu sein, und sie hatte sich dagegen gewehrt, Pretty zu sein, aber das war jetzt vorbei - von nun an wollte sie nur noch Special sein."


Zu Beginn habe ich mir mal wieder maßlos aufgeregt, weil auch die Handlung dieses Teiles wie eine exakte Neuauflage des vorangegangenen Plots zu sein schien: wieder eine manipulative Operation, darauffolgend eine lange Periode des Alltags im neuen Zustand, dicht gefolgt von einer beschwerlichen Reise durch die Wildnis, natürlich sogar wieder auf einem Hubbrett. Sehr lahm ist auch, dass sich Tally erst an die neue Operation gewöhnen muss und mit dem Special-Dasein eine neue grausame Form der Gehirnwäsche einhergeht, die ihren Blick auf die Realität abermals verfälscht, sodass sie einige dumme Entscheidungen trifft und die Nerven des Leser mal wieder stark strapaziert. Auf den ersten 100 Seiten hatte ich das Gefühl einfach noch einmal genau dasselbe zu lesen, was mir die Reihe zuvor schon vorgesetzt hatte. Wie eine Art vorgekauter, halbverdauter Brei, den ich jetzt nochmals essen musste, kam mir die Handlung vor, um das mal bildlich auszudrücken. Obwohl eigentlich immer etwas passiert, floss das Geschehen einfach so an mir vorbei und konnte mich einfach nicht erreichen.


"Das hier war besser als prickelnd zu sein, genauso wie Dr. Cable es ihr einst versprochen hatte. Tallys Sinne standen in Flammen, aber ihr Denken blieb davon unberührt und beobachtete ihre Empfindungen, ohne sich von ihnen überwältigen zu lassen. Sie war nicht Zufall, sie war überdurchschnittlich... fasst nicht mehr menschlich. Und sie war erschaffen worden, um die Welt zu retten."


Zum Glück schaffte es das Buch dann aber nach etwa der Hälfte der Seiten doch endlich, die Fesseln der Langweile zu zerreißen, indem sie endlich den schon zuvor gesteckten Rahmen verlässt und eine andere Stadt, ein Krieg und die Zukunft der ganzen Menschheit mit einfließen. Als Tallys Kampfgeist endlich wieder geweckt wird, verliert der pure Actionstreifen endlich die spielerische Seite und es kommt ein wenig Ernst auf, mit dem sich die Atmosphäre von naivem Rebellionsgeist endlich in eine dunklere, düster-bedrohlichere Stimmung ändert. Das politische System zeigt endlich offen die gnadenlose Präzision, mit der es ohne die geringste Achtung vor Persönlichkeitsrechten und Individualität gegen alles vorgeht, was nicht in ihr Raster passt.

Auch wenn ich mir diese Entwicklung schon viel früher gewünscht hätte und sie ein wenig plötzlich so im letzten Sechstel der ganzen Reihe auftrat, konnte mich die Handlung durch etliche Wendungen und Gänsehautmomenten nochmal richtig fesseln. Endlich wird das durchschaubare Muster unterbrochen und wir Leser müssen wirklich mit bangen. Auch das Gefühlschaos, das Tally durchlebt, fügt sich hier viel logsicher und besser ausgearbeitet in die Handlung mit ein und einige neue Ideen lassen die originelle Seite dieser dystopischen Welt noch einmal hervorblitzen.


"Salzgeschmack fand seinen Weg auf Tallys Lippen, eine Erinnerung an den letzten bitteren Kuss am Meeresufer. [...] Das letzte Mal das sie mit ihm gesprochen hatte, der Test bei dem sie versagt, bei dem sie ihn zurückgestoßen hatte. [...] Langsam und wunderschön kam ihr die Erinnerung vor - als hätte sie diesen Kuss einfach dauern und dauern lassen ..."


Einzig der Schreibstil, der auch hier wieder schlicht und oberflächlich ist, konnte mich selbst hier nicht mehr überzeugen. Wieder haben mir hirnlose Wortwiederholungen den letzten Nerv geraubt. Wo vorher in Pretty-Sprach ständig von "prickelnd" und "verpfuscht" die Rede war, zeigen hier neue Modewörter und eintönige Ausdrücke, dass auch die Specials eigentlich nur besonders starke Pretties sind, deren Denken ebenfalls beeinflusst ist. Wer würde sonst in fast jeden Satz die Worte "eisig", "Zufall", "Blubberkopf" oder "besonders" mit einfädeln, auch wenn es eigentlich gar keinen Sinn macht? Ich hoffe doch wirklich, dass das von der Übersetzung herrührt und der Autor selbst das nicht so beabsichtigt hat...


"Die Menge sprang im Rhythmus der Musik auf und ab. Tally spürte, wie ihr Herz schneller schlug, sie staunte darüber, wie mühelos Shay alle mitgerissen hatte. (...) Das war nicht wir ihre dummen Streiche zu Ugly-Zeiten, das hier war Magie. Die Magie der Specials. (...) Es kam nicht darauf an, wie jemand aussah. Was zählte war die Haltung, das Selbstbild. Stärke und Reflexe machten nur einen Teil davon aus - Shay wusste einfach, dass sie etwas Besonderes war, also war sie das auch."


Tallys Charakterentwickelung hat mir hier ebenfalls viel besser gefallen als zuvor. Man kann sehr gut mit verfolgen wie sie kämpft, gegen sich selbst, gegen die ganze Welt. Auf der einen Seite ist da die emotionslose Kaltblütigkeit der Specials, die ihr mehr oder weniger durch die Adern fließt, die sie euphorisch, leicht reizbar, risikofreudig und psychotisch labil macht. Immer wieder scheinen jedoch Überbleibsel ihrer Gefühle, die sie in ihren anderen Daseinszuständen zuvor geprägt haben, durch. Ich fand es sehr authentisch, wie sie immer wieder Rückfälle hat, sich dann aber schließlich doch wieder freikämpfen kann. Denn das ist das wirklich Besondere an ihr. Nicht ihr Aussehen oder ihre Special-Fähigkeiten: das sensible Mädchen, das in ihren wechselnden Hüllen steckt und das versucht, trotz ständiger Seitenwechsel, Operationen und Gehirnwäsche, sie selbst zu bleiben!


"Ich muss nicht geheilt werden. So wenig wie ich mich schneiden muss, um zu fühlen oder zu denken. Von jetzt an wird niemand außer mir mein Denken umpolen."


Andere Charaktere gehen hier wieder sehr unter, sodass sich positive wie negative Aspekte ungefähr die Wage halten. Sehr spannend fand ich die seltsame Hassliebe zwischen Shay und Tally, die eigentlich immer recht undurchsichtig bleibt während die beiden von Freundinnen zu Feindinnen werden und dabei jede erdenkliche Konstellation ausschöpfen: Verräterin, Chefin, Jägerin, Verbündete. Irgendwie wird nie wirklich klar, was mit den beiden wirklich los ist und das hat mir sehr gut gefallen. Wie sich die im letzten Teil zwanghaft aufgebaute Dreiecksbeziehung auflöst, war meiner Meinung nach jedoch wirklich kläglich. Allein die bloße Existenz dieser seltsamen David-Tally-Zane-Konstellation war eigentlich schon unnötig. Entweder der Autor hätte David im ersten Teil einfach nur ein guter Freund werden lassen, oder die seltsame Pretty-Romanze mit Zane hätte schneller abgetan werden sollen. Schlussendlich macht es sich der Autor sehr leicht und wählt einen Ausgang für die Geschichte, bei dem sich Tally in keinster Weise entscheiden muss. Das hätte man eleganter regeln können.


"Du bringst alle in Ordnung" (...) Er lächelte. "Die Welt ändert sich, Tally. Und dafür hast du gesorgt." Sie riss sich los und schwieg für eine Weile. (...) Für Tally Youngblood war der Krieg schon gekommen und gegangen und hatte eine rauchende Ruine hinterlassen. Sie konnte nicht alles in Ordnung bringen, ganz einfach weil der einzige Mensch, der ihr wichtig war, nicht mehr in Ordnung gebracht werden konnte."



Sowieso beruht das ganze Ende auf einer Menge Zufälle und erscheint im Allgemeinen recht schnell und konstruiert. Da ich aber schon gar nicht mehr mit einem nur halbwegs epischen Abschluss gerechnet hatte, war ich eigentlich ganz zufrieden mit dem Schluss, auf den er Autor die Geschichte gebracht hat. Auch wenn die Moral mal wieder wie mit dem Vorschlaghammer rüber gebracht wird und wie auch zuvor immer sehr plump erscheint, werden eigentlich alle wichtigen Handlungsstränge zu einem akzeptablen Ende geführt, sodass die Geschichte hier abgeschlossen ist. Einige wenige offene Fragen können ja im Extraband "Extra- Wer kennt dein Gesicht " geklärt werden, welchen ich aber bestimmt nicht lesen werde, da er eine neue Protagonistin verfolgt.



Fazit:

Besonders "Special"-mäßig ist dieses Finale nicht, aber dennoch ein würdiger Abschluss einer recht unterhaltsamen aber doch recht oberflächlichen Trilogie, die sehr viel Potential verschenkt hat!

Veröffentlicht am 24.02.2018

Nicht besonders "Special"-mäßig...

Ugly – Pretty – Special 3: Special - Zeig dein wahres Gesicht
0

Allgemeines:

Titel: Special - Zeig dein wahres Gesicht
Autor: Scott Westerfeld
Verlag: Carlsen (Februar 2011)
Genre: Dystopie
Seitenzahl: 384 Seiten
ISBN-10: 3551310084
ISBN-13: 978-3551310088
ASIN: ...

Allgemeines:

Titel: Special - Zeig dein wahres Gesicht
Autor: Scott Westerfeld
Verlag: Carlsen (Februar 2011)
Genre: Dystopie
Seitenzahl: 384 Seiten
ISBN-10: 3551310084
ISBN-13: 978-3551310088
ASIN: B01EHV1WCC
Vom Hersteller empfohlenes Alter: 12 - 15 Jahre
Preis: 7,99€ (Kindle-Edition)
8,99€ (Taschenbuch)
Weitere Bände: Ugly - Verlier nicht dein Gesicht;
Pretty - Erkenne dein Gesicht


Inhalt:

Eine neue Operation hat Tally endgültig zu etwas Besonderem gemacht. Jetzt ist sie beängstigend schön, gefährlich stark, pfeilschnell - eine Special, geschaffen, um die Uglies und Pretties unter Kontrolle zu halten. Als Rebellen aus Smoke in der Stadt auftauchen, soll Tally ihre Loyalität beweisen und den Unterschlupf der Smokies aufspüren. Doch der Weg dorthin steckt voller Überraschungen und Erinnerungen. Denn einst war Tally selbst eine Smokey...


Bewertung:

Nach dem enttäuschenden zweiten Teil war ich schon kurz davor, die Reihe ganz aufzugeben, dieser letzte Teil konnte mich im aller letzten Moment dann doch noch ein wenig überzeugen. Kein Meisterwerk der Literatur, das steht außer Frage, dennoch würde ich die Geschichte nach diesem Teil nun doch teilweise weiterempfehlen.

Das Cover zeigt ebenso wie das des ersten und des zweiten Teiles ein Mädchengesicht in Zoomaufnahme. Nachdem das Ugly-Gesicht des ersten Teiles einem Püppchen-Aussehen mit großen Augen, glatter Haut und perfekter Symmetrie gewichen ist, stellt dieses Cover nun Tallys Äußeres als Special da. Auch wenn ich mir diese noch ein wenig besonderer und furchteinflößender vorgestellt hatte, finde ich dass die präsentierten Elemente ganz wunderbar passen. Die dunklen, mit Kajalstift umrundeten Augen, die Tätowierungen, der stechende Blick, all das zeigt, dass Tally nun über ihr Pretty-Dasein hinweggekommen ist. Im Nachhinein betrachtet finde ich auch die Farbgebung der einzelnen Coverbilder sehr interessant. Trotz dass sie eigentlich immer ein ähnliches Motiv zeigen unterscheiden sie sich durch den Farbstich vollkommen in der Atmosphäre. Der grünliche Ton des ersten Bandes lässt das Gesicht hässlicher werden, der Pink-Stich des zweiten verkörpert die zarten Prettys und das eisige Blau hier zeigt die schonungslose Gefühlskälte der Specials, mit der wir hier konfrontiert werden. Insgesamt passen also alle Cover und natürlich auch die Titel wunderbar zusammen - von einer Jugendbuchreihe kann man eigentlich fast nicht mehr erwarten.


Erster Satz: "Die sechs Hubbretter bewegten sich zwischen den Bäumen mit der blitzenden Eleganz von Spielkarten, die flach und wirbelnd über den Tisch geworfen wurden."


Nachdem sich Tally durch viel Schmerz und Mühe von ihrem Pretty-Denken befreit hat und wieder ganz sie selbst geworden ist, macht eine erneute Operation ihre neue Selbstbeherrschung gleich wieder zunichte. Abermals unter dem Messer gelandet wacht sie als Special auf: eine lebendige Monster-Maschine mit Zähnen und Fingernägeln, die härter sind wie Stahl, super leichten und unzerstörbaren Keramikknochen, gestählte Muskeln aus flexiblen Fasern, perfekt geschärften Sinnen und allerlei technischen Spielereien wie Microchips und Hautantennen - sie ist eine menschliche Waffe. Als Teil der Schlitzer-Clique, der unter anderem auch Shay und Fausto angehören, ihre ehemaligen Krim-Freunde, steht sie nun unter dem Kommando der "besonderen Umstände", geleitet von Antagonistin Dr. Cable und kennt nur ein Ziel: New Smoke zu finden und zu zerstören. Das einzige, was Tallys neuen, eiskalten Schleier durchbricht, den die Operation durch erneute Gehirnpfuschs über ihre Realität gelegt hat, ist ihre Sorge um Zane, welcher nach seinem Gehirnschaden ständig in Gefahr schweben zu droht. Doch gerade als Zane sich mit einigen anderen auf den Weg nach New Smoke macht, muss Tally sich wieder fragen, wem ihre Loyalität gehört und auf dem beschwerlichen Weg durch die Wildnis muss sie sich einmal mehr fragen, was sie ist und wer sie sein will...


"Blut um Blut" Als der Schmerz sie durchjagte, spürte Tally, wie zum ersten Mal an diesem Tag ihr Denken eisig wurde. Sie konnte ihre Zukunft sehen, einen geraden Pfad ohne weitere Umkehrungen oder Verwirrungen. Sie hatte dagegen gekämpft, Ugly zu sein, und sie hatte sich dagegen gewehrt, Pretty zu sein, aber das war jetzt vorbei - von nun an wollte sie nur noch Special sein."


Zu Beginn habe ich mir mal wieder maßlos aufgeregt, weil auch die Handlung dieses Teiles wie eine exakte Neuauflage des vorangegangenen Plots zu sein schien: wieder eine manipulative Operation, darauffolgend eine lange Periode des Alltags im neuen Zustand, dicht gefolgt von einer beschwerlichen Reise durch die Wildnis, natürlich sogar wieder auf einem Hubbrett. Sehr lahm ist auch, dass sich Tally erst an die neue Operation gewöhnen muss und mit dem Special-Dasein eine neue grausame Form der Gehirnwäsche einhergeht, die ihren Blick auf die Realität abermals verfälscht, sodass sie einige dumme Entscheidungen trifft und die Nerven des Leser mal wieder stark strapaziert. Auf den ersten 100 Seiten hatte ich das Gefühl einfach noch einmal genau dasselbe zu lesen, was mir die Reihe zuvor schon vorgesetzt hatte. Wie eine Art vorgekauter, halbverdauter Brei, den ich jetzt nochmals essen musste, kam mir die Handlung vor, um das mal bildlich auszudrücken. Obwohl eigentlich immer etwas passiert, floss das Geschehen einfach so an mir vorbei und konnte mich einfach nicht erreichen.


"Das hier war besser als prickelnd zu sein, genauso wie Dr. Cable es ihr einst versprochen hatte. Tallys Sinne standen in Flammen, aber ihr Denken blieb davon unberührt und beobachtete ihre Empfindungen, ohne sich von ihnen überwältigen zu lassen. Sie war nicht Zufall, sie war überdurchschnittlich... fasst nicht mehr menschlich. Und sie war erschaffen worden, um die Welt zu retten."


Zum Glück schaffte es das Buch dann aber nach etwa der Hälfte der Seiten doch endlich, die Fesseln der Langweile zu zerreißen, indem sie endlich den schon zuvor gesteckten Rahmen verlässt und eine andere Stadt, ein Krieg und die Zukunft der ganzen Menschheit mit einfließen. Als Tallys Kampfgeist endlich wieder geweckt wird, verliert der pure Actionstreifen endlich die spielerische Seite und es kommt ein wenig Ernst auf, mit dem sich die Atmosphäre von naivem Rebellionsgeist endlich in eine dunklere, düster-bedrohlichere Stimmung ändert. Das politische System zeigt endlich offen die gnadenlose Präzision, mit der es ohne die geringste Achtung vor Persönlichkeitsrechten und Individualität gegen alles vorgeht, was nicht in ihr Raster passt.

Auch wenn ich mir diese Entwicklung schon viel früher gewünscht hätte und sie ein wenig plötzlich so im letzten Sechstel der ganzen Reihe auftrat, konnte mich die Handlung durch etliche Wendungen und Gänsehautmomenten nochmal richtig fesseln. Endlich wird das durchschaubare Muster unterbrochen und wir Leser müssen wirklich mit bangen. Auch das Gefühlschaos, das Tally durchlebt, fügt sich hier viel logsicher und besser ausgearbeitet in die Handlung mit ein und einige neue Ideen lassen die originelle Seite dieser dystopischen Welt noch einmal hervorblitzen.


"Salzgeschmack fand seinen Weg auf Tallys Lippen, eine Erinnerung an den letzten bitteren Kuss am Meeresufer. [...] Das letzte Mal das sie mit ihm gesprochen hatte, der Test bei dem sie versagt, bei dem sie ihn zurückgestoßen hatte. [...] Langsam und wunderschön kam ihr die Erinnerung vor - als hätte sie diesen Kuss einfach dauern und dauern lassen ..."


Einzig der Schreibstil, der auch hier wieder schlicht und oberflächlich ist, konnte mich selbst hier nicht mehr überzeugen. Wieder haben mir hirnlose Wortwiederholungen den letzten Nerv geraubt. Wo vorher in Pretty-Sprach ständig von "prickelnd" und "verpfuscht" die Rede war, zeigen hier neue Modewörter und eintönige Ausdrücke, dass auch die Specials eigentlich nur besonders starke Pretties sind, deren Denken ebenfalls beeinflusst ist. Wer würde sonst in fast jeden Satz die Worte "eisig", "Zufall", "Blubberkopf" oder "besonders" mit einfädeln, auch wenn es eigentlich gar keinen Sinn macht? Ich hoffe doch wirklich, dass das von der Übersetzung herrührt und der Autor selbst das nicht so beabsichtigt hat...


"Die Menge sprang im Rhythmus der Musik auf und ab. Tally spürte, wie ihr Herz schneller schlug, sie staunte darüber, wie mühelos Shay alle mitgerissen hatte. (...) Das war nicht wir ihre dummen Streiche zu Ugly-Zeiten, das hier war Magie. Die Magie der Specials. (...) Es kam nicht darauf an, wie jemand aussah. Was zählte war die Haltung, das Selbstbild. Stärke und Reflexe machten nur einen Teil davon aus - Shay wusste einfach, dass sie etwas Besonderes war, also war sie das auch."


Tallys Charakterentwickelung hat mir hier ebenfalls viel besser gefallen als zuvor. Man kann sehr gut mit verfolgen wie sie kämpft, gegen sich selbst, gegen die ganze Welt. Auf der einen Seite ist da die emotionslose Kaltblütigkeit der Specials, die ihr mehr oder weniger durch die Adern fließt, die sie euphorisch, leicht reizbar, risikofreudig und psychotisch labil macht. Immer wieder scheinen jedoch Überbleibsel ihrer Gefühle, die sie in ihren anderen Daseinszuständen zuvor geprägt haben, durch. Ich fand es sehr authentisch, wie sie immer wieder Rückfälle hat, sich dann aber schließlich doch wieder freikämpfen kann. Denn das ist das wirklich Besondere an ihr. Nicht ihr Aussehen oder ihre Special-Fähigkeiten: das sensible Mädchen, das in ihren wechselnden Hüllen steckt und das versucht, trotz ständiger Seitenwechsel, Operationen und Gehirnwäsche, sie selbst zu bleiben!


"Ich muss nicht geheilt werden. So wenig wie ich mich schneiden muss, um zu fühlen oder zu denken. Von jetzt an wird niemand außer mir mein Denken umpolen."


Andere Charaktere gehen hier wieder sehr unter, sodass sich positive wie negative Aspekte ungefähr die Wage halten. Sehr spannend fand ich die seltsame Hassliebe zwischen Shay und Tally, die eigentlich immer recht undurchsichtig bleibt während die beiden von Freundinnen zu Feindinnen werden und dabei jede erdenkliche Konstellation ausschöpfen: Verräterin, Chefin, Jägerin, Verbündete. Irgendwie wird nie wirklich klar, was mit den beiden wirklich los ist und das hat mir sehr gut gefallen. Wie sich die im letzten Teil zwanghaft aufgebaute Dreiecksbeziehung auflöst, war meiner Meinung nach jedoch wirklich kläglich. Allein die bloße Existenz dieser seltsamen David-Tally-Zane-Konstellation war eigentlich schon unnötig. Entweder der Autor hätte David im ersten Teil einfach nur ein guter Freund werden lassen, oder die seltsame Pretty-Romanze mit Zane hätte schneller abgetan werden sollen. Schlussendlich macht es sich der Autor sehr leicht und wählt einen Ausgang für die Geschichte, bei dem sich Tally in keinster Weise entscheiden muss. Das hätte man eleganter regeln können.


"Du bringst alle in Ordnung" (...) Er lächelte. "Die Welt ändert sich, Tally. Und dafür hast du gesorgt." Sie riss sich los und schwieg für eine Weile. (...) Für Tally Youngblood war der Krieg schon gekommen und gegangen und hatte eine rauchende Ruine hinterlassen. Sie konnte nicht alles in Ordnung bringen, ganz einfach weil der einzige Mensch, der ihr wichtig war, nicht mehr in Ordnung gebracht werden konnte."



Sowieso beruht das ganze Ende auf einer Menge Zufälle und erscheint im Allgemeinen recht schnell und konstruiert. Da ich aber schon gar nicht mehr mit einem nur halbwegs epischen Abschluss gerechnet hatte, war ich eigentlich ganz zufrieden mit dem Schluss, auf den er Autor die Geschichte gebracht hat. Auch wenn die Moral mal wieder wie mit dem Vorschlaghammer rüber gebracht wird und wie auch zuvor immer sehr plump erscheint, werden eigentlich alle wichtigen Handlungsstränge zu einem akzeptablen Ende geführt, sodass die Geschichte hier abgeschlossen ist. Einige wenige offene Fragen können ja im Extraband "Extra- Wer kennt dein Gesicht " geklärt werden, welchen ich aber bestimmt nicht lesen werde, da er eine neue Protagonistin verfolgt.



Fazit:

Besonders "Special"-mäßig ist dieses Finale nicht, aber dennoch ein würdiger Abschluss einer recht unterhaltsamen aber doch recht oberflächlichen Trilogie, die sehr viel Potential verschenkt hat!

Veröffentlicht am 14.02.2018

Was ist Schönheit?

Ugly – Pretty – Special 1: Ugly - Verlier nicht dein Gesicht
0

Allgemeines:

Titel: Ugly
Autor: Scott Westerfeld
Verlag: Carlsen (29. September 2016)
Genre: Dystopie
ISBN-10: 3551315876
ISBN-13: 978-3551315878
ASIN: B01EHV1WCW
Seitenzahl: 432 Seiten
Vom Hersteller ...

Allgemeines:

Titel: Ugly
Autor: Scott Westerfeld
Verlag: Carlsen (29. September 2016)
Genre: Dystopie
ISBN-10: 3551315876
ISBN-13: 978-3551315878
ASIN: B01EHV1WCW
Seitenzahl: 432 Seiten
Vom Hersteller empfohlenes Alter: 12 - 16 Jahre
Originaltitel: Uglies
Preis: 5,99€ (Kindle-Edition)
12,90€ (Taschenbuch)
Weitere Bände: Pretty, Special



Inhalt:

"Vielleicht war die logische Folge der Tatsache, dass alle gleich aussahen, dass eben auch alle gleich dachten?"

Tally kann ihren 16. Geburtstag kaum erwarten, denn dann steht die für alle vorgesehene Schönheitsoperation an. Sie wird von einer Ugly zur Pretty werden, in New Pretty Town leben und alle Sorgen los sein. Tallys Freundin Shay dagegen sträubt sich gegen die Operation. Sie will nicht, dass andere über sie bestimmen. Als Shay flüchtet, lernt auch Tally die hässliche Seite der Pretty-Welt kennen. Denn die Behörden stellen sie vor eine furchtbare Wahl...


Bewertung:

Auch wenn ich aus meiner Dystopie-Phase schon eine ganze Weile wieder raus bin, musste ich diesen Auftakt zur "Ugly-Pretty-Special"-Reihe unbedingt auch mal lesen, nachdem ja seit der Veröffentlichung ziemlich kontrovers darüber diskutiert wurde. Viele Leser klagen das Buch an, zu plakativ und einfach gestrickt zu sein. Ich finde die Story sehr interessant und es -eben verpackt in einem Jugendbuch- durchaus legitim, ein wenig den Finger zu heben und einfach versuchen etwas zu vermitteln.


"Sie berührte die Narbe in ihrer Handfläche, die noch immer zu sehen war, im Gegensatz zu Peris´. Er griff nach ihrer Hand. "Freunde fürs Leben, Tally." Sie wusste, wenn setzt in seine Augen schaute, dann würde alles vorbei sein. Ein Blick, und ihre Widerstandskraft wäre verflogen. "Freunde fürs Leben?", fragte sie.
"Fürs Leben."


Das Cover zeigt ein Mädchengesicht in Zoomaufnahme, auf dem Linien und Pfeile anzeigen, wie eine Operation bestimmte Merkmale verändern würde, um es der Norm anzugleichen. Natürlich passt dieses Motiv wunderbar zum Thema: Schönheitsoperationen. Hier finde ich es sogar gerechtfertigt, ein Gesicht auf ein Cover zu drucken, da wir beim Lesen, während sich Tally immer wieder als hässlich bezeichnet, auf das Cover linsen können um nachzuvollziehen, was sie an sich selbst bemängelt. Eine etwas zu breite Nase, zu weit beieinanderstehende Augen, ungleiche Augenbrauen, kurze Wimpern - na und. Aus meiner Sicht ist das Gesicht auf keinen Fall hässlich, doch das kann jeder Leser anders bewerten. So beginnt schon auf dem Cover die Frage, was denn Schönheit nun überhaupt ist. Natürlich passen Titel und Untertitel ebenfalls gut. Einzig die seltsam verrückte Gestaltung des hinteren Buchdeckels gefällt mir gar nicht, ansonsten bekommt das Cover einen Daumen nach oben.


Erster Satz: "Der Frühsommerhimmel hatte die Farbe von Katzenkotze."


So beginnt die Geschichte, die in einer übersichtlichen, verständlichen und doch spannenden Weise von dem Teenager Tally erzählt, die ihren Geburtstag nicht abwarten kann, an dem sie sich einer Schönheitsoperation unterziehen wird, die allen Sechzehnjährigen vorbehalten ist. Drei Monate und zwei Tage jünger als ihr bester Freund Peris blieb sie allein zurück in Uglyville, während er bereits ein Pretty ist und das ausschweifende und wilde Leben eines jungen Pretties lebt - Partys und Spaß ohne Ende. Um sich die Zeit zu vertreiben, spielt Tally allerhand Streiche, bei denen sie fast auffliegt. Als sie auf spektakuläre Art und Weise von einer Party aus New Prettytown flieht, begegnet sie der jungen Shay, einem Mädchen, das am gleichen Tag wie sie geboren wurde und das auch als einzige aus ihrem Freundeskreis noch eine Ugly ist. Gemeinsam erleben sie einen spaßigen Sommer und vertreiben sich die Zeit mit Ausflügen auf dem Hubbrett und dem Erkunden von alten Ruinen, doch während Tally sich den Tag entgegensehnt, an dem sie endlich auch eine Pretty wird, sträubt sie Shay dagegen, ihr Gesicht aufzugeben und auszusehen wie jeder andere auch - hübsch oder nicht. Als Shay Tally dann kurz vor ihrem 16. Geburtstag offenbart, dass sie weglaufen will um an einem Ort namens "Smoke" der Operation zu entgehen und ein ganz normales Leben zu leben, wird Tally vor eine allesentscheidende Wahl gestellt. Ein geheimes, angsteinflößendes Ministerium taucht auf und setzt die junge Ugly unter Druck: entweder sie folgt Shay und sucht für die Pretties nach "Smoke", oder sie wird niemals hübsch werden. Als Tally sich dann wirklich auf den Weg ins Unbekannte aufmacht und dort einige neue Leute kennenlernt, muss sie feststellen, dass es jenseits der Optik auch noch andere Dinge gibt, die entscheidend sind...


"Die großen Augen und Lippen sagten: Ich bin jung und verletzlich, ich kann dir nichts tun und du möchtest mich beschützen.
Und der Rest sagte: Ich bin gesund, ich werde dich nicht anstecken.
Und egal, was man für eine hübsche Person empfand, es gab einen Teil von einem selbst, der dachte: Wenn wir Kinder hätten, würden die auch gesund sein. Ich will diese hübsche Person...
Es war die Biologie, das hatten wir in der Schule gelernt."


Das 400seitige Buch erstreckt sich grob gesagt über den Zeitraum eines Sommers und umfasst jede Menge Handlung, Veränderung und Entwicklung in Tallys Leben. Zu Beginn werden wir langsam in die Geschichte eingeführt und lernen eine Zukunftsvision kennen, die ebenso hübsch wie unheimlich erscheint: in nur 300 Jahren Entfernung lebt eine Gesellschaft, die sich aus dem Staub der "Rusties", also unserer Zivilisation, erhob und eine Welt ohne Krieg, Hunger und Hass aufbaute. Eine Gesellschaft, in der alle Winzlinge, also Kinder, von ihren schönen Eltern in Wohnheime in Uglyville gegeben werden, wo sie leben bis sie 16 Jahre alt sind - alt genug um sich der Schönheitsoperation zu unterziehen, die alle zu Pretties macht.


"Tally dachte an Peris und versuchte sich daran zu erinnern, wie er ausgesehen hatte. "Ich wüsste gern, warum sie nie zurückkommen", sagte Shay. "Einfach zu Besuch." Tally schluckte. "Weil wir so hässlich sind, Skelett, deshalb."


Die Idee, die Evolution und die Gleichheit aller Menschen als gute Begründung für übergreifende Schönheitsoperationen anzusetzen, gefällt mir sehr gut, genau wie die interessante Umsetzung in New Prettytown und Uglyville. In diesem Anfangsband wird die präsentierte Gesellschaft zwar nur recht lückenhaft angerissen, man bekommt aber einen ganz guten Überblick über die Lebensweise der Menschen, den Luxusproblemen und der Oberflächlichkeit, die überhand nimmt, wenn jegliche Individualität verloren geht. Zudem fand ich die Idee, wie die "Rusties", also wir, untergegangen sind sehr spannend, mal etwas anderes als eine Epidemie oder ein Atomkrieg. Auch wenn sich einige Logiklücken eingeschlichen haben, die vielleicht in den Folgebänden beantwortet werden, fand ich das Grundsetting sehr spannend gesetzt.


"Noch ein paar Wochen und dann hängen wir hinter dem Fluss fest. Hübsch und langweilig." Tally schnaubte. "Ich glaube nicht, dass das so langweilig wird, Shay."
"Das zu tun, was von uns erwartet wird, ist immer langweilig. Ich kann mir nichts Schlimmeres vorstellen, als Spaß haben zu müssen.
"Ich schon", erwiderte Tally leise. "Niemals Spaß zu haben."


Die Story nimmt zu Beginn nur langsam an Fahrt auf und quillt auch im späteren Verlauf nicht gerade über vor Action, trotzdem hat es die Geschichte geschafft, mich beständig mitzureißen. Der Schreibstil ist sehr einfach und auffällig schlicht. Für einen Jugendroman, der für 12 bis 16-Jährige empfohlen wird, ist das meiner Meinung nach aber in Ordnung. Für den Umfang der Handlung, das Format des Settings und die Charaktere reicht der Anspruch aus, weshalb ich nicht verstehe, warum die Umsetzung dieser Geschichte so oft angekreidet wird. Natürlich wird kein hohes sprachliches Niveau erreicht und auch die Gesellschaftskritik ist sehr plump und offensichtlich gezeichnet, aber immerhin gibt es eine klare Message: "So wie ihr seid, seid ihr schön! Lasst euch das weder ausreden noch kaputt machen!" Und ich finde das ist, gerade gegenüber Teenagern, eine durchaus berechtigte Aussage, weshalb die Geschichte, so plakativ und überzogen sie auch sein mag meines Erachtens eine Daseinsberechtigung hat.


"Shay! Hör doch auf. Das ist doch nur zum Spaß."
"Dafür zu sorgen, dass wir uns hässlich fühlen, ist kein Spaß."
"Wir sind aber hässlich."
"Dieses ganze Spiel hat nur den Zweck, dass wir uns selbst hassen."


Vor allem ist bemerkenswert, dass ein männlicher Autor diese Geschichte aufrollt, die man eher einer Autorin zugetraut hätte. Mit erstaunlich kühlem Blick blickt er auf den Schönheitswahn der Gesellschaft, der natürlich alle Geschlechter miteinschließt und erschafft hier eine weibliche Protagonistin, die es in sich hat. Durch eine personale Erzählperspektive um Tally, die an manchen Stellen aber sehr distanziert und fast schon auktorial wirkt, bleiben wir nah genug am Geschehen dran, um mitfühlen, aber weit genug entfernt um kritisch über Tallys Verhalten auf ihrem Weg zum Erwachsen werden nachdenken zu können.


"Das ist das Schlimmste, was sie euch antun, euch allen. Egal, was diese Gehirnläsionen verursachen, der schlimmste Schaden entsteht schon, bevor sie überhaupt zum Messer greifen. Euch wird eingetrichtert, dass ihr hässlich seid."


Tally Youngblood ist eine vielfältige Person, die in verschiedenen Szenen versucht, jemand anderes zu sein: naive Bürgerin, gewitzte Rebellin, besorgte Freundin, Spionin, Heldin? Egal was sie anstellt ist sie im Grunde genommen aber ein einfacher Teenager mit naiven Wünschen, Ängsten, unnachvollziehbaren Gedankengängen, Trotzphasen und Höhenflügen. Ich kann verstehen wenn sich einige Leser an ihr gestört haben sollten, mir hat ihre ehrliche Authentizität aber sehr gut gefallen. Zu Beginn ist sie einsam und will daher sie nichts sehnlicher, als endlich wieder dazu zu gehören und auch eine Pretty zu werden - koste es, was es wolle.

"Sie dachte an die Orchideen, die sich unten in der Ebene ausbreiteten und das Leben aus den anderen pflanzen herauswürgten, sogar aus dem Boden, selbstsüchtig und unaufhaltsam. Tally Youngblood war ein Unkraut. Und anders als die Orchideen nicht einmal ein hübsches."


Sie nimmt es billigend in Kauf, einheitlich langweilig zu sein und dafür dazu zugehören, als individuell am Rand der Gesellschaft stehen. Mit dieser Einstellung ist sie gar nicht so weit weg vom realen Verhalten von Jugendlichen. Erst durch die aufgeweckte Shay und später durch den unkonventionellen David erkennt sie, dass auch sie schön ist und schafft es, durch ihr steigendes Selbstvertrauen aus der Abhängigkeit zum Regime zu entfliehen.


"Du bist anders als die meisten. Du siehst die Welt klar, auch wenn du bisher verwöhnt worden bist. Deshalb..." Tally blickte in seine Augen und sah, dass ein Gesicht wieder glühte und dass es sie schon wieder berührte. "Deshalb bist du schön, Tally"


Auch die Nebencharaktere sind grundsätzlich interessant, meiner Meinung aber leider eher flach und schwach ausgearbeitet. So kommt es, dass neben Tally, Shay und David eigentlich kaum eine andere Person eine wirklich wichtige Rolle spielt. Vor allem die Antagonisten haben mich enttäuscht. Mit Dr. Cable bekommt das "böse" Regime zwar ein Gesicht, jedoch keinen wirklichen Gegenspieler. Sie bleibt charakterlos und ohne eigenständige Persönlichkeit, auch wenn sie als Special eigentlich interessant wäre. Schade!


"Ein orange- und gelbfarbener Streifen ließ den Himmel entflammen, strahlend und unerwartet, so spektakulär wie Feuerwerk aber sanft fließend in seinem Farbenspiel. So war es hier draußen in der Wildnis, das lernte sie jetzt. Gefährlich oder schön. Oder beides."


Das Ende bringt dann nochmal einen Cliffhanger, der mich wirklich neugierig macht, weshalb ich denke, dass der nächste Teil bei mir bald einziehen darf.



Fazit:

Kein literarisches Meisterwerk aber dennoch eine unterhaltsame Dystopie mit spannendem Hintergrund und eindringlicher Botschaft. Ein solider Auftakt!