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Veröffentlicht am 21.02.2018

Ungewöhnliches aus dem hohen Norden

Dinge, die vom Himmel fallen
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In der Familie der kleinen Saara geschehen Dinge, die so ungewöhnlich sind, dass andere Menschen sie nur vom Hörensagen kennen: die Tante knackt zweimal im Abstand von wenigen Jahren einen Lottojackpot ...

In der Familie der kleinen Saara geschehen Dinge, die so ungewöhnlich sind, dass andere Menschen sie nur vom Hörensagen kennen: die Tante knackt zweimal im Abstand von wenigen Jahren einen Lottojackpot in astronomischer Höhe und Saaras noch junge, lebensfrohe Mutter Hannele wird von einem herabfallenden Eiszapfen auf überaus brutale Weise getötet - gespaltet gewissermaßen. Saaras Vater Pekka vermag es nicht, seiner kleinen Tochter eine Stütze zu sein und so ziehen die beiden zur Tante - Annu, die von ihrem ersten Lottogewinn einen riesigen Gutshof gekauft hat - dort kann sich im Prinzip jeder entfalten und Annu ist auf ihre eigene, ungewöhnliche Art durchaus für Saara da.

Bis zum zweiten Lottogewinn, nach dem Annu sich verliert, Pekka eine neue Lebensgefährtin findet und für Saara eine neue Zeit mit Stiefmutter beginnt.

Ein Buch, das an Skurrilität kaum zu überbieten ist, auch nicht an ungewöhnlichen Stilmitteln. Es wird aus unterschiedlichen Perspektiven erzählt, teilweise wird das Buch sogar zum Briefroman. Klare, rationale Ereignisse vermengen sich mit dem Unerklärlichen, Unfassbaren - ein Phänomen, das sich durch den ganzen Roman zieht.

Und neben den Figuren sind es auch zwei Häuser: Das Sägemehlhaus, wie Saaras Elternhaus genannt wird und Annus Gutshof, die mit ihrer Atmosphäre und Präsenz eine nicht unbeträchtliche Rolle spielen und die ohnehin schon ungeheure Dichte des kurzen Romans noch vertiefen.

Ich habe mich stellenweise irritiert und verwirrt gefühlt, doch bin ich der Ansicht, dass die Autorin dadurch die Empfindungen der Protagonisten, nicht nur von Saara, auf den Leser übertragen und ihm dadurch ihre Lage umso näher bringen will. In meinem Fall ist ihr das gelungen: auch wenn dies kein Roman ist, der mich begeistert, hat er doch definitiv etwas in mir berührt.

Definitiv keine leichte Kost, kein Roman, den man zur Zerstreuung oder Entspannung liest, doch wer Ungewöhnliches und Skurriles, ja Morbides mag, der wird möglicherweise Gefallen daran finden.

Veröffentlicht am 21.02.2018

Ost und West gesellt sich gern?

Sammlung der Leidenschaften
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Naja, manchmal: und einfach ist es auch nicht immer. Dass Olessja eine Au-Pair-Stelle im Badischen bekommt, ist ein Glückstreffer, dass sie diese auch noch bei einer protestantischen Familie kriegt, die ...

Naja, manchmal: und einfach ist es auch nicht immer. Dass Olessja eine Au-Pair-Stelle im Badischen bekommt, ist ein Glückstreffer, dass sie diese auch noch bei einer protestantischen Familie kriegt, die Bildung nicht nur für die eigenen Kreise großschreibt, ist ein Glücksfall.

Dabei ist es gar nicht so, dass Olessja auf Gedeih und Verderb in den Westen wollte, nein, über ihre Sozialisierung im heimischen Lemberg erfahren wir zunächst so einiges - bspw. dass die Mädchen dort mehr als behütet aufwachsen - zumindest in den besseren Kreisen, aus denen auch Olessja stammt - aber dennoch so ihre eigenen Wege gehen, wenn es darum geht, das Leben an sich mit allem Zipp und Zapp - also auch dem anderen Geschlecht zu erkunden.

Aber so schräg wie in Süddeutschland geht es da nicht zu, denn nachdem Olessja ihre behütete Aupair-Rolle verlässt und ein Studium aufnimmt, macht sie die Erfahrung, dass ukrainische Frauen offenbar als Freiwild gelten: ihre genau so gemeinte Zimmersuche wird als etwas ganz anderes verstanden und auch sonst hat sie es nicht gerade leicht.

Aber Olessja geht mit wachen Augen durchs Leben und ist zudem mit einer gehörigen Portion Humor und auch Mut gesegnet: was ihren Aufenthalt mehr als erträglich und dieses Buch lesenswert macht. Wenngleich man sich bei der Lektüre ab und an ein wenig wundert, um dann beim genaueren Hinsehen zu erfahren, dass es sich hier um ein Buch handelt, dass 2001 erstmals aufgelegt wurde. Also, die ganzen Dramen, die sich jetzt so in der Ukraine abspielen, sind noch in weiter Ferne und auch die EU-Grenze ist noch nicht so weit in den Osten gerückt.

Aber einiges hat sich kein bisschen geändert - der Mensch und seine Leidenschaften nämlich, die sich hier sammeln.

Veröffentlicht am 21.02.2018

Wild und gefährlich

Mein Herz ist ein wilder Tiger
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ist das Leben der Zirkusartistin Elly Simon. Beziehungsweise war es das für lange Zeit, denn inzwischen lebt sie fast hundertjährig in einem Pflegeheim in Berlin und wartet auf ihren Tod, im Gepäck schillernde ...

ist das Leben der Zirkusartistin Elly Simon. Beziehungsweise war es das für lange Zeit, denn inzwischen lebt sie fast hundertjährig in einem Pflegeheim in Berlin und wartet auf ihren Tod, im Gepäck schillernde und abenteuerliche Erlebnisse vergangener Zeiten.

Wild und gefährlich ist auch das Leben von John Mbete, einem Flüchtling aus Somalia, schillernd allerdings würde es niemand nennen - voller unglücklicher Erlebnisse und Traumata ist es. Er trifft im Heim auf Elly - als ihr Pfleger, sie erzählt ihm aus ihrem Leben und findet bei ihm Gehör, Verständnis und auch Zuneigung.

Weit herumgekommen ist die alte Dame, viel gesehen hat sie, auch in ihrem Leben gab es viel Trauer, es war von Verlusten geprägt, ebenso wie das noch recht Kurze von John. Für eine kurze Zeit sind sie einander Halt und Zuflucht, doch droht John bereits der nächste Verlust, denn es ist klar, dass Elly nicht mehr lange leben wird.

Eine Geschichte voller Liebe, Achtung und Zuversicht, die mich dennoch nicht in ihrer Gänze erreicht hat. Ich bin ein großer Fan von Tanja Weber, habe viele ihrer Bücher gelesen und mich für fast alle begeistern können, hier allerdings scheint mir die Geschichte nicht ganz rund zu sein. Mit ihren Schilderungen um die Suche nach einer Zuflucht, einem Zuhause hat sie mich nicht ganz erreichen können.

Auch wenn es auf jeden Fall der richtige Schritt war, gerade in diesen Zeiten den Themen Flucht und Vertreibung gerade auch ein Format, eine Präsenz auf literarischer Ebene zu verleihen. Und wie man es von der Autorin nicht anders kennt, nähert sie sich dem Thema behutsam und voller Achtung, wobei sie mutig die unterschiedlichsten Aspekte anspricht. Schwarz und weiß gibt es bei ihr definitiv nicht, auch nicht als Hautfarben, alles verbindet sich, alles ist vielschichtig und nicht so, wie es zunächst scheint. Ach, wie gerne hätte ich mich völlig begeistert in dieses Buch "geworfen", doch irgendwie hat es mich nicht ganz gepackt. Anderen mag es anders ergehen und ich möchte interessierte auf jeden Fall dazu ermutigen, sich an dieses Buch zu wagen.

Veröffentlicht am 21.02.2018

Einen eigenen Kopf

Die Reformatorin von Köln
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hat die Kölner Brauerstochter Jonata von Menden schon in jungen Jahren - sie hat schon längst mit ihrem Vater geklärt, dass sie Mitspracherecht bei der Wahl ihres Ehemannes haben will. Umso fassungsloser ...

hat die Kölner Brauerstochter Jonata von Menden schon in jungen Jahren - sie hat schon längst mit ihrem Vater geklärt, dass sie Mitspracherecht bei der Wahl ihres Ehemannes haben will. Umso fassungsloser ist sie, als ihr nach dem Tode des geliebten Bruders Lukas der Brauerssohn Sebalt - um einiges älter und ein richtig ekliger Typ, zumindest aus Jonatas Sicht als Heiratskandidat präsentiert wird. Und da lässt ihr Vater - sonst durchaus verständnisvoll - überhaupt nicht mit sich reden.

Klar, dass Jonatas anderer Bruder Enderlin, ein Kirchenmann, dort seine Hände mit im Spiel hat. Er präsentiert die alten Werte, die Inquisition und den Klerus als Machtapparat.

Nicht Jonatas Sache, hat sie doch auf einer Reise nach Sachsen - ja, sonst ist ihr Vater durchaus modern und lässt sie Geschäfte tätigen - Martin Luther predigen hören und konnte auch mit ihm sprechen - und seitdem ergibt vieles für sie einen ganz neuen Sinn.

Zumal in Köln der Druckerssohn Simon ihre Gedanken mehr und mehr vereinnahmt - aber angesichts des väterlichen Willens hat sie keine Chance. Wird es für Jonata und Simon und nicht zuletzt für ihren Glauben eine Möglichkeit zum Bestehen geben?

Die Autorin Bettina Lausen schreibt unterhaltsam und spannend, hätte aber durchaus noch ein wenig mehr kölsches Lokalkolorit hereinbringen können. Das frühneuzeitliche Setting insgesamt jedoch ist liebevoll und sorgfältig dargestellt, die Charaktere klar und mit Wiedererkennungswert ausgearbeitet. Da habe ich gern über die stellenweise unlogischen Entwicklungen hinweggesehen.

Eine Lektüre, die gerade im Lutherjahr viel Freude macht und zum Weiterdenken anregt. Für alle, die gern mal was Historisches lesen und auch an Religionsgeschichte interessiert sind!

Veröffentlicht am 19.02.2018

Eine Familie der anderen Art

Die erstaunliche Familie Telemachus
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Das sind die Telemachus' auf jeden Fall, denn bei ihnen ticken die Uhren ein bisschen anders: ein jeder - Vater Teddy, Tochter Irene, die Söhne Frankie und Buddy sowie Enkel Matty - hat seine ganz eigene ...

Das sind die Telemachus' auf jeden Fall, denn bei ihnen ticken die Uhren ein bisschen anders: ein jeder - Vater Teddy, Tochter Irene, die Söhne Frankie und Buddy sowie Enkel Matty - hat seine ganz eigene übersinnliche Begabung, die allerdings auch unterschiedlich stark ausgeprägt ist. Sehr, sehr unterschiedlich - bei dem ein oder anderen scheint es eher Hochstapelei zu sein anstelle von medialen Fähigkeiten. Oder?

Wobei diejenige mit der stärksten Begabung, nämlich Mutter Maureen, schon längst nicht mehr unter den Lebenden weilt. Trotz eines sehr, sehr traurigen Abgangs ist sie jedoch immer noch in aller Munde, lebt quasi durch ihre Familie weiter, denn in den Gedanken und auch in den Worten eines jeden ist sie immer präsent.

Besonders eindringlich kommt dies rüber, da abwechselnd aus der Perspektive eines jeden Familienmitglieds berichtet wird. Teddy und Frankie, die Gauner, Irene, die Verantwortung für die ganze Familie übernimmt und dabei gelegentlich sich selbst vergisst, Buddy, der irgendwie nicht von dieser Welt ist und Matty, der erst dabei ist, seinen Platz zu finden. Aber: sind sie das nicht eigentlich alle? Bei näherem Hinsehen wird klar, dass die ordnende Struktur von Maureen ausging, die nun umso mehr Tag für Tag schmerzlich vermisst wird.

Die "Übriggebliebenen" sind seit Jahren damit beschäftigt, einander zu nerven, auf der anderen Seite jedoch auch nicht ohne die anderen zu können. Sind sie ein Haufen von Betrügern, von denen jeder unterschiedliche Methoden gebraucht?

Auf jeden Fall ein Roman für Leser, die offene Enden hassen: Einen so abgerundeten Roman habe ich selten gelesen, hier werden wirklich alle Enden zusammengezogen. Dennoch bin ich nicht restlos glücklich - vieles ging mir zu sehr ins Detail, erschwerte mir das Lesen, die ein oder andere Wendung empfand ich als unglaublich anstrengend. Dennoch hat der Autor Daryl Gregory auf seine Art und Weise sicher ein Meisterwerk geschaffen, aber eines, das nur gewisse Leserschaften anspricht: solche, die es mögen, wenn alles an- und ausgesprochen wird und vor allem: solche, die nicht nachtragend sind. Einige der Figuren schreien förmlich danach, dass ihnen verziehen wird - wieder und wieder. Ich lese so etwas ausgesprochen ungern, wobei das natürlich eine sehr subjektive Sicht der Dinge ist. Dennoch - ich nehme mir heraus, nicht begeistert zu sein, obwohl ich die Leistung des Autors durchaus wertschätze.

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