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Veröffentlicht am 26.05.2018

Ein eher mittelmäßiger Thriller

Girl on the Train
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Allgemeines:

Titel: Girl on the Train - Du kennst sie nicht, aber sie kennt dich
Autor: Paula Hawkins
Genre: Thriller
Verlag: Blanvalet (15. Juni 2015)
ISBN-10: 3734100518
ISBN-13: 978-3734100512
ASIN: ...

Allgemeines:

Titel: Girl on the Train - Du kennst sie nicht, aber sie kennt dich
Autor: Paula Hawkins
Genre: Thriller
Verlag: Blanvalet (15. Juni 2015)
ISBN-10: 3734100518
ISBN-13: 978-3734100512
ASIN: B00TOFDJTG
Originaltitel: The Girl on the Train
Seitenzahl: 464 Seiten
Preis: 9,99€ (Kindle-Edition)
12,99€ (Taschenbuch)



Inhalt:


Jeden Morgen pendelt Rachel mit dem Zug in die Stadt, und jeden Morgen hält der Zug an der gleichen Stelle auf der Strecke an. Rachel blickt in die Gärten der umliegenden Häuser, beobachtet ihre Bewohner. Oft sieht sie ein junges Paar: Jess und Jason nennt Rachel die beiden. Sie führen – wie es scheint – ein perfektes Leben. Ein Leben, wie Rachel es sich wünscht.
Eines Tages beobachtet sie etwas Schockierendes. Kurz darauf liest sie in der Zeitung vom Verschwinden einer Frau – daneben ein Foto von »Jess«. Rachel meldet ihre Beobachtung der Polizei und verstrickt sich damit unentrinnbar in die folgenden Ereignisse ...


Bewertung:

Aufgrund des Hypes, der sich nach der Veröffentlichung um diese Geschichte ergeben hat, habe ich mir ein gebrauchtes Exemplar dieses Buches vor einiger Zeit auf einem Flohmarkt zugelegt und bin nun im Urlaub endlich dazu gekommen es zu lesen. Doch obwohl ich geringe Erwartungen, viel Zeit und entspannte Geduld mitgebracht habe, konnte ich mit diesem Buch einfach nicht warm werden. Aufgrund des Klapptextes und der ganzen, kursierenden Werbung hatte ich einen rasanten Thriller erwartet. Was auf mich zukam war jedoch ein träger, gefühlsduseliger und unreflektierter Lebensbericht über die dramatischen und weniger dramatischen Probleme dreier Frauen und deren kleinkarierten Verstrickungen als eine von ihnen verschwindet. Ich kann schon verstehen, dass viele Leser diese Geschichte mögen können und will ihr gerade für das Ende auch nicht die Spannung absprechen - mich konnte sie jedoch einfach nicht überzeugen.

Das Cover ist ... passend. Das ist das erste Adjektiv, dass mir zur Gestaltung einfallen ist. Nicht etwa wunderschön oder mystisch oder interesseweckend, kein besonderer Eye-Catcher, aber auch nicht langweilig - mit dem Titel im Verwischt-Look und den Andeutungen eines fahrenden Zuges ist es thematisch einfach passend. Der Titel ist ebenfalls stimmig gewählt, für mich ist jedoch der Untertitel viel zu reißerisch für die Geschichte, genau wie der Klapptext, der es schafft in sieben Zeilen einfach gar nichts über die Geschichte zu verraten, sodass ich mit völlig falschen Erwartungen an die Geschichte gegangen bin.

Erster Satz: "Da liegt ein Kleiderhaufen an den Gleisen."

Nach zwei kurzen, vorgeschobenen Szenenausschnitten, die bei mir jedoch mehr für Verwirrung als für angenehmes Gruseln gesorgt haben, steigen wir in das klägliche Leben der ausgelaugten Rachel ein, die auf ihren alltäglichen Zugfahrten nach London und wieder zurück stets ein ganz bestimmtes Haus an den Bahngleisen beobachtet. Das junge Paar, das dort lebt, stellt sie sich schwerverliebt und voller Harmonie vor - und ist geschockt, als sie eines Tages die Frau in zärtlicher Umarmung mit einem anderen Mann sieht. Kurz darauf ist die Frau verschwunden. Rachel ahnt Böses und nimmt Ermittlungen auf. Für die junge Alkoholikerin, der nach Scheidung und Jobverlust, geplagt von Gedächtnisverlusten und ihrem unkontrollierten Verhalten im Suff ein Ziel im Leben fehlt, ergibt sich so das Gefühl, endlich mal wieder gebraucht zu werden und an etwas beteiligt zu sein. Wie sehr sie selbst und ihr Exmann mitsamt neuer Familie in das tragische Schicksal des jungen Paares verstrickt sind, ahnt sie zu dem Zeitpunkt noch nicht. Doch als sie bei ihren Nachforschungen hinter etliche dunkle Geheimnisse kommt, werden in ihr längst vergessene Erinnerungen wach - unter anderem auch welche der Nacht, in der die junge Megan verschwand...

Die Geschichte wird von Anfang an aus zwei Perspektiven erzählt: Rachel erzählt aus der Ich-Perspektive von ihrem verkorksten Leben und wie sich dieses nach dem Verschwind von Megan ändert, während wir zeitgleich aus der Sicht Megans geschildert bekommen, was vor ihrem Verschwinden geschah. Nach einem guten Drittel der Geschichte kommt dann als weiterer erzählender Handlungsstrang noch Anna, die neue Frau von Rachels Exmann Tom, hinzu. Zu Beginn hatte ich große Probleme damit, in die Geschichte reinzukommen, da wir hier drei scheinbar langweilige Vorstadtleben charakterisiert bekommen und die Protagonistin einem echt auf die Nerven gehen kann. Mir ist schon bewusst, dass ich das der Autorin nicht vorwerfen kann, immerhin ist Rachel -genau wie die anderen Frauen auch- nicht als Sympathieträgerin angelegt. Mich in die Geschichte einzufinden, in der eigentlich außer endlose Zugfahrten und zwanghaft wiederholte Handlungen nichts passiert, erleichterte diese Erkenntnis jedoch keineswegs.


"Manchmal ertappe ich mich dabei, wie ich mich zu erinnern versuche, wann mich zuletzt ein Mensch berührt hat und sei es nur ein Umarmung oder ein vom Herzen kommender Händedruck, und dann krampft sich mein Herz zusammen."


Verwirrend sind auch die Zeitwechsel und Zeitsprünge. Während Anna und Rachel in der Gegenwart erzählen, liegen Megans Handlungen immer einige Monate zurück. Schwierig wird das erst, wenn sich die Handlungen überschneiden und man sich bei Schlüsselszenen aus Megans Erzählperspektive plötzlich zum Verständnis an scheinbare Belanglosigkeiten aus Rachels Perspektive von ganz am Anfang erinnern muss. Zudem ist der Thriller episodenhaft erzählt und lehnt sich in der Szenenauswahl an die Fahrtzeit Rachels Züge an: morgens und abends. Was dazwischen geschieht verschwindet - sofern nicht später kurz nacherzählt - im Nebel.

Ein zusätzlich erschwerender Punkt ist, dass diese Geschichte ganz eindeutig auf ein weibliches Publikum ausgelegt ist. Die wichtigsten Krisenthemen, aus denen dieser Thriller seine Spannung schöpft sind unerfüllte Kinderwünsche, der Stress eine gute Mutter zu sein, Kindersterblichkeit, Ehekrisen, Affären, häusliche Gewalt, Arbeitslosigkeit und Alkoholismus. Dabei liegt ein wichtiger Schwerpunkt auf den Gefühlen der einzelnen Frauen - die Männer bleiben bessere Lückenfüller. Da ich mich jedoch mit keiner der Frauen identifizieren konnte, fand ich die Gefühlsduselei etwas zu dick aufgetragen und blieb während des Lesens ein eher kritischer Beobachter, der sich einfach nicht so recht auf die Geschichte einlassen konnte. Immer wieder eingestreute, neue Erkenntnisse kommen zu spät und zu fad um noch überraschen oder entsetzen zu können. So entwickelte die Geschichte erst nach guten 200 Seiten so etwas wie Anziehung oder Spannung auf mich. Die Seiten zuvor waren mir zu undurchsichtig, belanglos, langatmig - schlicht unnötiges Geplänkel.

Auch der Schreibstil konnte nicht dazu beitragen, dass ich doch noch gefesselt wurde. Diese Geschichte wird ja oft mit "Gone Girl" von Gillian Flynn verglichen, was ja auch von der grundsätzlichen Handlung und Thematik nahe liegt. Mit jeder weiteren Seite, die ich gelesen habe, kam mir dieser Vergleich jedoch lächerlicher vor: denn "Girl on the Train" fehlt sowohl der psychologische Witz als auch die dunkle Grundatmosphäre von "Gone Girl" und während letzteres durch viele geschliffene Sätze und Dialoge glänzt, ist es mit Tiefgründigkeit in Paula Hawkins nüchternem und schnörkellosen Schreibstiel nicht weit her. Flüssig, ja. Einfach zu lesen, auch. Aber besonders und mitreißend? Wohl eher nicht.

"Wenn wir träumen betreten wir eine Welt, die ganz und gar uns gehört."


Wie schon erwähnt ist es mit der Sympathie für die Protagonisten auch nicht weit her. Das ist grundsätzlich kein Problem - wäre die Geschichte nicht so darauf ausgelegt, dass wir Leser mit den Charakteren mitfühlen und von unseren Emotionen geleitet Vermutungen anstellen, wer wohl wirklich hinter Megans Tod stecken kann. Denn sehr schnell ist klar, dass sich in dem kleinen Kreis der uns näher bekannten Personen ein Mörder befinden muss:

Ist es unsere problembehaftete Hauptprotagonistin Rachel, die sich bis zur Besinnungslosigkeit trinkt, deshalb ihren Job verloren hat, armselig untergemietet lebt, Geldsorgen hat, in ihrer Traumwelt lebt, nicht zu sich selbst steht, sich gehen lässt und ihren geliebten Exmann Tom einfach nicht loslassen kann?
War es Scott, der eigentlich so bedingungslos liebende Ehemann, der jedoch zu starker Eifersucht und Kontrollwut leidet, der Megans Emails überprüft und ihre Post gelesen hat und auch von Gewalt nicht abgeneigt zu sein scheint?
Oder vielleicht war es doch der ausländische Psychotherapeut Kamal Abdic, bei dem Megan in Therapie war, der mehr über sie und ihre Vergangenheit weiß, als ihr eigener Mann und mit dem sie so gerne eine Affäre angefangen hätte?
Oder der betrügerische, lügende und doch so charmante Tom, der Rachel abserviert hat und nun mit seiner neuen Frau und einem Kind im gemeinsamen Haus lebt?
Oder die perfektionistische Anna, die Rachel an Toms Seite abgelöst hat, sich von dieser gestalkt fühl, Angst um ihr Kind hat und auch Megan nicht vertraut hat?
Oder war es doch Megan selbst: eine scheinbar glücklich verheiratete Frau, die dennoch mit ihren eigenen Dämonen kämpft und mehr Geheimnisse zu verbergen hat, als man auf den ersten Blick denkt?
Wir Leser versinken in einem undurchsichtigen Strudel an Motiven, Hass, Liebe, Eifersucht und einer Menge anderer niederer Gefühle, die jede unserer drei erzählenden Frauen, ihre Ehemänner, Ex-Männer und Liebhaber zu potentiellen Mördern machen...

Das Ende, dass nach einem Finale erfolgt, das -wie der Rest der Geschichte auch- unspektakulär, langsam und auf seltsame Weise bedacht wirkt, hat mich mit einem Lächeln im Gesicht zurückgelassen. Nicht nur, weil ich mich nun endlich einer anderen Geschichte widmen kann, oder weil die aufgedeckte Wahrheit mich besonders überrascht oder entsetzt hätte, sondern weil die Autorin es in wenigen Sätze geschafft hat, allen verkorksten Charakteren noch auf die Schnelle das Ende zu geben, das sie verdient haben.


Fazit:


Ein eher mittelmäßiger Thriller, der mit seinem langatmigen Einstieg, dem schnörkellosen, einfachen Stil und den unsympathischen Charakteren nicht gerade glänzt, dennoch aber mit einem spannenden Ende unterhalten kann.
Für Freunde des Genres würde ich lieber Anderes wie unbedingt "Gone Girl" von Gillian Flynn empfehlen, wer aber auf der Suche nach einem ruhigen, überschaubaren Thriller für Zwischendurch ist, soll gerne zu dieser Geschichte greifen!

Veröffentlicht am 22.02.2018

Eine sehr durchwachsene Fortsetzung

Ugly – Pretty – Special 2: Pretty - Erkenne dein Gesicht
0

Allgemeines:

Titel: Pretty - Erkenne dein Gesicht
Autor: Scott Westerfeld
Verlag: Carlsen (Februar 2011)
Genre: Dystopie
ISBN-10: 3551310076
ISBN-13: 978-3551310071
ASIN: B01EHV1WB8
Seitenzahl: 400 Seiten
Preis: ...

Allgemeines:

Titel: Pretty - Erkenne dein Gesicht
Autor: Scott Westerfeld
Verlag: Carlsen (Februar 2011)
Genre: Dystopie
ISBN-10: 3551310076
ISBN-13: 978-3551310071
ASIN: B01EHV1WB8
Seitenzahl: 400 Seiten
Preis: 7,99€ (Kindle-Edition)
8,99€ (Taschenbuch)
Weitere Bände: Ugly - Verlier nicht dein Gesicht;
Special - Zeig dein wahres Gesicht


Inhalt:

Tally ist von einer Ugly zur Pretty geworden. Sie sieht umwerfend aus, hat einen tollen Freund und ist wahnsinnig beliebt. Aber bei allem Spaß, den Partys, dem Luxus, spürt Tally, dass irgendetwas nicht stimmt. Dann erhält sie eine Botschaft aus ihrer Vergangenheit - und plötzlich wird ihr klar, was in der Pretty-Welt fehlt. Tally beginnt, umzudenken und begibt sich damit in tödliche Gefahr. Denn wer zu viel weiß, gerät schnell ins Visier der Behörden ...


Bewertung:

Nachdem ich der erste Band der Reihe "Ugly - Verlier nicht dein Gesicht", was mich jetzt zwar nicht umgehauen, aber mich mit doch einigen ganz interessanten Ideen unterhalten hat, vor ein paar Tagen gelesen hatte, war für mich klar, dass ich die Geschichte weiterverfolgen will. Diese Fortsetzung weist jedoch die typischen Schwächen eines Trilogie-Mittelteils auf und kann weder mit besonders viel Spannung, noch mit neuen Erkenntnissen oder einer übermäßigen Entwicklung aufwarten, was mich ehrlich gesagt ein wenig enttäuscht hat.


"Schatten bewegten sich im Wind und sie stellte sich vor, wie graue Gestalten dazwischen einherhuschten. "Das war mein Fehler"
"Wie meinst du das?"
"Es ist immer mein Fehler"
"Das ist doch Pfusch, Tally.", sagte Zane leise. "Es ist nicht schlimm, etwas Besonderes zu sein."


Das Cover zeigt ebenso wie das des ersten Teiles ein Mädchengesicht in Zoomaufnahme. Wo auf dem vorhergegangenen aber Linien und Pfeile anzeigten, wie eine Schönheitsoperation bestimmte Merkmale verändern würde, um es der Norm anzugleichen, sind diese Veränderungen hier schon vorgenommen werden und wir sehen ein typisches Pretty-Gesicht: große Augen, glatte Haut, perfekte Symmetrie. Spannend ist daran vor allem, dass das Gesicht zwar irgendwie ganz hübsch erscheint, gleichzeitig jedoch ein wenig langweilig, durchschnittlich und seelenlos wirkt, wenn man es mit dem Mädchen auf dem ersten Cover vergleicht. Das zeigt ganz wunderbar, wie den Uglies bei ihrer Operation neben ihren Makeln auch ihre Individualität und vor allem ihr scharfes Denken genommen werden, sodass am Ende eine gleichdenkende und gleichaussehende, hübsche Masse zurückbleibt. Insofern passt das Cover natürlich zum Inhalt wie die Faust aufs Auge, nichtsdestotrotz finde ich es optisch nicht sonderlich ansprechend. Natürlich passen Titel und Untertitel wieder ebenfalls gut.

Erster Satz: "Sich anzuziehen war immer der schwierigste Teil des Nachmittags."


Die Geschichte steigt direkt in Tallys neues perfektes Pretty-Party-Spaß-Konsum-Leben ein. Nachdem sie sich freiwillig den Specials gestellt hat, um nach der Operation das neue Heilmittel der Smokey-Rebellen an sich testen zu lassen gehört sie auch zu der schönen Seite der Zivilisation, deren größtes Problem es ist, wenn das Motto einer Party im letzten Moment noch geändert wird. Fragen um die richtige Clique, das perfekte Kostüm, den größten Kick bestimmen jetzt Tallys Leben in New Pretty Town. Doch obwohl Tallys größter Wunsch eigentlich in Erfüllung gegangen ist und sie kaum mehr Verbindungen zu ihrem vorherigen Leben hat, kommen immer wieder Erinnerungsfetzen hoch und leise Zweifel beginnen sich in ihrem verlullten Pretty-Hirn zu regen. Als sie schließlich auf einer Party einen Ugly-Freund aus ihrer Smokey-Zeit trifft und dieser ihr das Versteck zum Heilmittel gegen die Läsionen, die die Operation im Gehirn der Prettys hinterlässt, verrät, schnappt sie sich ihren Pretty-Freund Zane und sucht das Versteck auf. Doch als sie im Anschluss mehr über New Pretty Town herausfindet und ihr alles wieder einzufallen droht, gerät sie aufs Neue in den Fokus der Behörden und die einzige Möglichkeit zu entkommen ist die Flucht aus New Pretty Town...


"Sie seufzte. Auf eins war in ihrem Leben immerhin Verlass: Es wurde immer nur noch komplizierter."


Auch wenn ich den ersten Teil erst wenige Tage zuvor beendet hatte fand ich es sehr schwer wieder in die Geschichte reinzukommen, da sich sowohl Tallys Charakter als auch ihre ganze Lebenswelt nach der Operation komplett verändert haben. Ich muss zugeben, dass mir dieser Wandel und vor allem das oberflächliche, prettyhafte Denken Tallys zu Beginn gehörig auf die Nerven gegangen ist. Auch wenn die Handlung eigentlich recht bald damit startet, dass Tally Croy wieder trifft und es an Handlung eigentlich nicht wirklich mangelt, hatte ich ein großes Problem, die Geschichte ernst zunehmen. Vor allem die ätzenden Wortwiederholungen von "prickelnd", "Pfusch", "Glücks-Faktor" und anderen Modeausdrücken, die in fast jedem Satz vorkamen, den Tally aussprach oder dachte, haben mich wirklich genervt. Ich kann durchaus verstehen, warum der Autor diese Mittel genutzt hat, um uns eindrücklich klar zu machen, dass Tally jetzt anders ist und die Läsionen in ihrem Gehirn ihr Denken vernebeln, aber das hätte ich auch nach 10 Wiederholungen des Wortes "prickelnd" schon verstanden. Gerade hier am Anfang hätte ich mir doch ein wenig mehr Abstand zu Tally gewünscht, eine etwas distanziertere Sicht auf sie und ihr Verhalten.


"Als sie hier über der Erde schwebte und ihr perfektes Gesicht von der Kapuze verborgen war, kam sie sich vor wie ein auferstandenen Geist, der neidisch die Lebenden beobachtete und versucht sich daran zu erinnern, wie es gewesen war, auch am Leben zu sein."


Dazu kommt dass eigentlich nichts Neues passiert und das Buch im Aufbau sehr starke Parallelen zu "Ugly" hat. Zuerst eine lange Beschreibung des Pretty-Daseins, das Nehmen des Heilmittel und zum Ende hin auch wieder eine Flucht in die Wildnis. Klingelt es da bei jemandem? Für mich war dieser Zwischenteil ein typischer Überbrückungsband, wie man ihn leider so oft bei Trilogien findet. Ich finde es wirklich schade, dass der Autor hier nicht die Möglichkeit gefunden hat, die ganze eigentliche Story wesentlich einfacher zusammenzufassen und sofort ohne weitere unnötige Umwege in die gewünschte Richtung zu lenken. In diesem Format kam bei mir kaum Spannung auf, da die vielen Geschehnisse zwar ganz unterhaltsam zu lesen waren, die Handlung aber um kein Stück voran brachten.


"Du solltest die Welt so sehen wie ich, Tally." "Sie bieten mir einen Job an? Als Special?"
"Keinen Job. Eine komplett neue Existenz."


Besonders geärgert hat mich, dass wir hier fast gar nichts mehr über die Hintergründe des dystopischen Pretty-Ugly-Special-Systems erfahren, in dem die Geschichte spielt. Schon der erste Teil war kein tiefgründiges Meisterwerk, mir hat die dargestellte Grundidee aber sehr gut gefallen. Die Idee, die Evolution und die Gleichheit aller Menschen als gute Begründung für übergreifende Schönheitsoperationen anzusetzen, ist wirklich logisch und innovativ, genau wie die interessante Umsetzung in New Prettytown und Uglyville. Da im Anfangsband die präsentierte Gesellschaft nur recht lückenhaft angerissen wird und man nur einen groben Überblick über die Lebensweise der Menschen, die Luxusprobleme und die Oberflächlichkeit, die überhand nimmt, wenn jegliche Individualität verloren geht, bekommt, hätte ich es hier aber dringend erwartet, dass wir mehr über die Gesellschaft der Pretties und Uglies erfahren. Dass hier leider Großteils nicht viel Neues passiert und wir auch keine interessanten Hintergrundinformationen mehr präsentiert werden, die den Blick auf die Handlung nochmal verändern oder auch nur einen Schlenker oder gar Twist im Plot andeuten, hat für mich sehr viel Potential verschenkt.

Der Schreibstil ist noch schlichter und oberflächlicher als zuvor, was angesichts der Zielgruppe der Leser und dem geringen Anspruch der Handlung jedoch vollkommen in Ordnung ist. Neben der nervigen und wenig einfühlsamen Wortwahl, über die ich mich oben schon beschwert habe, lässt sich das Buch flüssig und schnell lesen. Die 400 Seiten lesen sich wie 200, hinterlassen dafür aber wenig Eindruck.


"Wir haben es geschafft, Tally. Wir sind frei!"
Sie schaute in seine Augen und die Erkenntnis, dass sie endlich hier waren, am Stadtrand, am Anfang der Freiheit, verursachte ihr ein Schwindelgefühl.
"Ja. Wir haben es geschafft."


Bei den Charakteren sehe ich ein weiteres Problem. Wieder erzählt hier Tally als personaler Er-Erzähler mit Innensicht. Seltsamerweise ist man hier aber viel näher an ihren Gefühlen und Gedanken dran, was ich genau an dieser Stelle der Handlung gar nicht verstehen konnte. Hier hätte ich mir wirklich ein wenig mehr Distanz gewünscht, um ihr Verhalten aus der Ferne begutachten zu können. Denn wo sie zuvor noch als vielfältige Person, die in verschiedenen Szenen versucht, jemand anderes zu sein - naive Bürgerin, gewitzte Rebellin, besorgte Freundin, Spionin, Heldin - präsentiert wurde, verliert sie hier durch den Gehirnschaden erstmal komplett ihr Profil und steht dann langsam als fast andere Person wieder auf. Als sie es schließlich schafft, die stupiden, idiotischen, naiven und abgekoppelten Denkweisen abzustreifen, konnte ich sie nur schwer mit der Person in Einklang bringen, die sie mal war. Mir fehlte ihre echt, ehrliche und ungeschönte Authentizität, ihre fehlerhafte Teenagerseite mit naiven Wünschen, Ängsten, unnachvollziehbaren Gedankengängen, Trotzphasen und Höhenflügen. Irgendwie scheint sie sich während der ganzen Pretty-Sache verändert, scheint sie irgendwie erwachsen geworden zu sein, ohne dass der Leser davon irgendetwas mitbekommt. Ich hatte plötzlich das Gefühl, das Gefühl für die eigene Protagonistin verloren zu haben und sie gar nicht mehr richtig zu kennen. Das wirft natürlich im Verständnis der Geschichte natürlich recht stark zurück.


"Bald würden sie springen müssen, im freien Fall, bis ihre Hubbretter das Magnetgitter der Stadt spürten und sie auffingen. Es war nicht so einfach wie ein Sturz mit einer Bungeejacke, aber auch nicht zu schwierig, hoffte Tally. Als sie nach unten sah schüttelte sie den Kopf und seufzte. Manchmal kam es ihr so vor, als sei ihr Leben eine Serie von Stürzen aus immer größerer Höhe..."


Auch David erkennt sie fast nicht mehr wieder, vom rein äußerlichen mal abgesehen. Da passt es natürlich ganz wunderbar ins Konzept, dass Tally ihn sowieso schon lange abgeschrieben und ersetzt hatte: durch den hübschen Pretty Zane. Dass sie sich nicht mehr an David erinnern kann mag ja einleuchten, dass sie sich aber sofort und ohne jedes mulmige Gefühl in die nächste Beziehung stürzt ist ein wenig fragwürdig. Jetzt hoffe ich mal, dass wir es im letzten Teil nicht mit einer Dreiecksbeziehung zu tun bekommen, dann wäre ich mit meinem Latein wirklich am Ende, was diese Geschichte anbelangt.


"Pretties mochten keine Konflikte. Pretties gingen keine Risiken ein. Pretties sagten nicht Nein. Aber Tally war keine Pretty mehr. Sie packte ihr Hubbrett und ließ sich ins Leere fallen."


Interessant wird der Roman nur nochmal gegen Ende. Als Tally nach ihrer Flucht auf ein geheimnisvolles Reservat trifft, in dem Menschen auf ganz ursprüngliche Art und Weise leben und sie als Art Gottheit verehren. Diese Idee hat für mich das Buch gerade nochmal retten können, sodass ich dem letzten Teil "Special - Zeig dein wahres Gesicht" wohl doch nochmal eine Chance geben werde.



Fazit:

Eine sehr durchwachsene Fortsetzung, die meine Erwartungen nicht erfüllen konnte und unter den typischen Symptomen eines Trilogie-Mittelteils litt. Meine Hoffnung auf einen guten Abschluss ruht nun ganz auf dem letzten Teil!

Veröffentlicht am 22.02.2018

Eine sehr durchwachsene Fortsetzung

Ugly – Pretty – Special 2: Pretty - Erkenne dein Gesicht
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Allgemeines:

Titel: Pretty - Erkenne dein Gesicht
Autor: Scott Westerfeld
Verlag: Carlsen (Februar 2011)
Genre: Dystopie
ISBN-10: 3551310076
ISBN-13: 978-3551310071
ASIN: B01EHV1WB8
Seitenzahl: 400 Seiten
Preis: ...

Allgemeines:

Titel: Pretty - Erkenne dein Gesicht
Autor: Scott Westerfeld
Verlag: Carlsen (Februar 2011)
Genre: Dystopie
ISBN-10: 3551310076
ISBN-13: 978-3551310071
ASIN: B01EHV1WB8
Seitenzahl: 400 Seiten
Preis: 7,99€ (Kindle-Edition)
8,99€ (Taschenbuch)
Weitere Bände: Ugly - Verlier nicht dein Gesicht;
Special - Zeig dein wahres Gesicht


Inhalt:

Tally ist von einer Ugly zur Pretty geworden. Sie sieht umwerfend aus, hat einen tollen Freund und ist wahnsinnig beliebt. Aber bei allem Spaß, den Partys, dem Luxus, spürt Tally, dass irgendetwas nicht stimmt. Dann erhält sie eine Botschaft aus ihrer Vergangenheit - und plötzlich wird ihr klar, was in der Pretty-Welt fehlt. Tally beginnt, umzudenken und begibt sich damit in tödliche Gefahr. Denn wer zu viel weiß, gerät schnell ins Visier der Behörden ...


Bewertung:

Nachdem ich der erste Band der Reihe "Ugly - Verlier nicht dein Gesicht", was mich jetzt zwar nicht umgehauen, aber mich mit doch einigen ganz interessanten Ideen unterhalten hat, vor ein paar Tagen gelesen hatte, war für mich klar, dass ich die Geschichte weiterverfolgen will. Diese Fortsetzung weist jedoch die typischen Schwächen eines Trilogie-Mittelteils auf und kann weder mit besonders viel Spannung, noch mit neuen Erkenntnissen oder einer übermäßigen Entwicklung aufwarten, was mich ehrlich gesagt ein wenig enttäuscht hat.


"Schatten bewegten sich im Wind und sie stellte sich vor, wie graue Gestalten dazwischen einherhuschten. "Das war mein Fehler"
"Wie meinst du das?"
"Es ist immer mein Fehler"
"Das ist doch Pfusch, Tally.", sagte Zane leise. "Es ist nicht schlimm, etwas Besonderes zu sein."


Das Cover zeigt ebenso wie das des ersten Teiles ein Mädchengesicht in Zoomaufnahme. Wo auf dem vorhergegangenen aber Linien und Pfeile anzeigten, wie eine Schönheitsoperation bestimmte Merkmale verändern würde, um es der Norm anzugleichen, sind diese Veränderungen hier schon vorgenommen werden und wir sehen ein typisches Pretty-Gesicht: große Augen, glatte Haut, perfekte Symmetrie. Spannend ist daran vor allem, dass das Gesicht zwar irgendwie ganz hübsch erscheint, gleichzeitig jedoch ein wenig langweilig, durchschnittlich und seelenlos wirkt, wenn man es mit dem Mädchen auf dem ersten Cover vergleicht. Das zeigt ganz wunderbar, wie den Uglies bei ihrer Operation neben ihren Makeln auch ihre Individualität und vor allem ihr scharfes Denken genommen werden, sodass am Ende eine gleichdenkende und gleichaussehende, hübsche Masse zurückbleibt. Insofern passt das Cover natürlich zum Inhalt wie die Faust aufs Auge, nichtsdestotrotz finde ich es optisch nicht sonderlich ansprechend. Natürlich passen Titel und Untertitel wieder ebenfalls gut.

Erster Satz: "Sich anzuziehen war immer der schwierigste Teil des Nachmittags."


Die Geschichte steigt direkt in Tallys neues perfektes Pretty-Party-Spaß-Konsum-Leben ein. Nachdem sie sich freiwillig den Specials gestellt hat, um nach der Operation das neue Heilmittel der Smokey-Rebellen an sich testen zu lassen gehört sie auch zu der schönen Seite der Zivilisation, deren größtes Problem es ist, wenn das Motto einer Party im letzten Moment noch geändert wird. Fragen um die richtige Clique, das perfekte Kostüm, den größten Kick bestimmen jetzt Tallys Leben in New Pretty Town. Doch obwohl Tallys größter Wunsch eigentlich in Erfüllung gegangen ist und sie kaum mehr Verbindungen zu ihrem vorherigen Leben hat, kommen immer wieder Erinnerungsfetzen hoch und leise Zweifel beginnen sich in ihrem verlullten Pretty-Hirn zu regen. Als sie schließlich auf einer Party einen Ugly-Freund aus ihrer Smokey-Zeit trifft und dieser ihr das Versteck zum Heilmittel gegen die Läsionen, die die Operation im Gehirn der Prettys hinterlässt, verrät, schnappt sie sich ihren Pretty-Freund Zane und sucht das Versteck auf. Doch als sie im Anschluss mehr über New Pretty Town herausfindet und ihr alles wieder einzufallen droht, gerät sie aufs Neue in den Fokus der Behörden und die einzige Möglichkeit zu entkommen ist die Flucht aus New Pretty Town...


"Sie seufzte. Auf eins war in ihrem Leben immerhin Verlass: Es wurde immer nur noch komplizierter."


Auch wenn ich den ersten Teil erst wenige Tage zuvor beendet hatte fand ich es sehr schwer wieder in die Geschichte reinzukommen, da sich sowohl Tallys Charakter als auch ihre ganze Lebenswelt nach der Operation komplett verändert haben. Ich muss zugeben, dass mir dieser Wandel und vor allem das oberflächliche, prettyhafte Denken Tallys zu Beginn gehörig auf die Nerven gegangen ist. Auch wenn die Handlung eigentlich recht bald damit startet, dass Tally Croy wieder trifft und es an Handlung eigentlich nicht wirklich mangelt, hatte ich ein großes Problem, die Geschichte ernst zunehmen. Vor allem die ätzenden Wortwiederholungen von "prickelnd", "Pfusch", "Glücks-Faktor" und anderen Modeausdrücken, die in fast jedem Satz vorkamen, den Tally aussprach oder dachte, haben mich wirklich genervt. Ich kann durchaus verstehen, warum der Autor diese Mittel genutzt hat, um uns eindrücklich klar zu machen, dass Tally jetzt anders ist und die Läsionen in ihrem Gehirn ihr Denken vernebeln, aber das hätte ich auch nach 10 Wiederholungen des Wortes "prickelnd" schon verstanden. Gerade hier am Anfang hätte ich mir doch ein wenig mehr Abstand zu Tally gewünscht, eine etwas distanziertere Sicht auf sie und ihr Verhalten.


"Als sie hier über der Erde schwebte und ihr perfektes Gesicht von der Kapuze verborgen war, kam sie sich vor wie ein auferstandenen Geist, der neidisch die Lebenden beobachtete und versucht sich daran zu erinnern, wie es gewesen war, auch am Leben zu sein."


Dazu kommt dass eigentlich nichts Neues passiert und das Buch im Aufbau sehr starke Parallelen zu "Ugly" hat. Zuerst eine lange Beschreibung des Pretty-Daseins, das Nehmen des Heilmittel und zum Ende hin auch wieder eine Flucht in die Wildnis. Klingelt es da bei jemandem? Für mich war dieser Zwischenteil ein typischer Überbrückungsband, wie man ihn leider so oft bei Trilogien findet. Ich finde es wirklich schade, dass der Autor hier nicht die Möglichkeit gefunden hat, die ganze eigentliche Story wesentlich einfacher zusammenzufassen und sofort ohne weitere unnötige Umwege in die gewünschte Richtung zu lenken. In diesem Format kam bei mir kaum Spannung auf, da die vielen Geschehnisse zwar ganz unterhaltsam zu lesen waren, die Handlung aber um kein Stück voran brachten.


"Du solltest die Welt so sehen wie ich, Tally." "Sie bieten mir einen Job an? Als Special?"
"Keinen Job. Eine komplett neue Existenz."


Besonders geärgert hat mich, dass wir hier fast gar nichts mehr über die Hintergründe des dystopischen Pretty-Ugly-Special-Systems erfahren, in dem die Geschichte spielt. Schon der erste Teil war kein tiefgründiges Meisterwerk, mir hat die dargestellte Grundidee aber sehr gut gefallen. Die Idee, die Evolution und die Gleichheit aller Menschen als gute Begründung für übergreifende Schönheitsoperationen anzusetzen, ist wirklich logisch und innovativ, genau wie die interessante Umsetzung in New Prettytown und Uglyville. Da im Anfangsband die präsentierte Gesellschaft nur recht lückenhaft angerissen wird und man nur einen groben Überblick über die Lebensweise der Menschen, die Luxusprobleme und die Oberflächlichkeit, die überhand nimmt, wenn jegliche Individualität verloren geht, bekommt, hätte ich es hier aber dringend erwartet, dass wir mehr über die Gesellschaft der Pretties und Uglies erfahren. Dass hier leider Großteils nicht viel Neues passiert und wir auch keine interessanten Hintergrundinformationen mehr präsentiert werden, die den Blick auf die Handlung nochmal verändern oder auch nur einen Schlenker oder gar Twist im Plot andeuten, hat für mich sehr viel Potential verschenkt.

Der Schreibstil ist noch schlichter und oberflächlicher als zuvor, was angesichts der Zielgruppe der Leser und dem geringen Anspruch der Handlung jedoch vollkommen in Ordnung ist. Neben der nervigen und wenig einfühlsamen Wortwahl, über die ich mich oben schon beschwert habe, lässt sich das Buch flüssig und schnell lesen. Die 400 Seiten lesen sich wie 200, hinterlassen dafür aber wenig Eindruck.


"Wir haben es geschafft, Tally. Wir sind frei!"
Sie schaute in seine Augen und die Erkenntnis, dass sie endlich hier waren, am Stadtrand, am Anfang der Freiheit, verursachte ihr ein Schwindelgefühl.
"Ja. Wir haben es geschafft."


Bei den Charakteren sehe ich ein weiteres Problem. Wieder erzählt hier Tally als personaler Er-Erzähler mit Innensicht. Seltsamerweise ist man hier aber viel näher an ihren Gefühlen und Gedanken dran, was ich genau an dieser Stelle der Handlung gar nicht verstehen konnte. Hier hätte ich mir wirklich ein wenig mehr Distanz gewünscht, um ihr Verhalten aus der Ferne begutachten zu können. Denn wo sie zuvor noch als vielfältige Person, die in verschiedenen Szenen versucht, jemand anderes zu sein - naive Bürgerin, gewitzte Rebellin, besorgte Freundin, Spionin, Heldin - präsentiert wurde, verliert sie hier durch den Gehirnschaden erstmal komplett ihr Profil und steht dann langsam als fast andere Person wieder auf. Als sie es schließlich schafft, die stupiden, idiotischen, naiven und abgekoppelten Denkweisen abzustreifen, konnte ich sie nur schwer mit der Person in Einklang bringen, die sie mal war. Mir fehlte ihre echt, ehrliche und ungeschönte Authentizität, ihre fehlerhafte Teenagerseite mit naiven Wünschen, Ängsten, unnachvollziehbaren Gedankengängen, Trotzphasen und Höhenflügen. Irgendwie scheint sie sich während der ganzen Pretty-Sache verändert, scheint sie irgendwie erwachsen geworden zu sein, ohne dass der Leser davon irgendetwas mitbekommt. Ich hatte plötzlich das Gefühl, das Gefühl für die eigene Protagonistin verloren zu haben und sie gar nicht mehr richtig zu kennen. Das wirft natürlich im Verständnis der Geschichte natürlich recht stark zurück.


"Bald würden sie springen müssen, im freien Fall, bis ihre Hubbretter das Magnetgitter der Stadt spürten und sie auffingen. Es war nicht so einfach wie ein Sturz mit einer Bungeejacke, aber auch nicht zu schwierig, hoffte Tally. Als sie nach unten sah schüttelte sie den Kopf und seufzte. Manchmal kam es ihr so vor, als sei ihr Leben eine Serie von Stürzen aus immer größerer Höhe..."


Auch David erkennt sie fast nicht mehr wieder, vom rein äußerlichen mal abgesehen. Da passt es natürlich ganz wunderbar ins Konzept, dass Tally ihn sowieso schon lange abgeschrieben und ersetzt hatte: durch den hübschen Pretty Zane. Dass sie sich nicht mehr an David erinnern kann mag ja einleuchten, dass sie sich aber sofort und ohne jedes mulmige Gefühl in die nächste Beziehung stürzt ist ein wenig fragwürdig. Jetzt hoffe ich mal, dass wir es im letzten Teil nicht mit einer Dreiecksbeziehung zu tun bekommen, dann wäre ich mit meinem Latein wirklich am Ende, was diese Geschichte anbelangt.


"Pretties mochten keine Konflikte. Pretties gingen keine Risiken ein. Pretties sagten nicht Nein. Aber Tally war keine Pretty mehr. Sie packte ihr Hubbrett und ließ sich ins Leere fallen."


Interessant wird der Roman nur nochmal gegen Ende. Als Tally nach ihrer Flucht auf ein geheimnisvolles Reservat trifft, in dem Menschen auf ganz ursprüngliche Art und Weise leben und sie als Art Gottheit verehren. Diese Idee hat für mich das Buch gerade nochmal retten können, sodass ich dem letzten Teil "Special - Zeig dein wahres Gesicht" wohl doch nochmal eine Chance geben werde.



Fazit:

Eine sehr durchwachsene Fortsetzung, die meine Erwartungen nicht erfüllen konnte und unter den typischen Symptomen eines Trilogie-Mittelteils litt. Meine Hoffnung auf einen guten Abschluss ruht nun ganz auf dem letzten Teil!

Veröffentlicht am 15.11.2017

Ein unnötiger und wirklicher schwacher Mittelteil

Die Auserwählten - In der Brandwüste
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Allgemeines:

Titel: Die Auserwählten in der Brandwüste
Autor: James Dashner
Verlag: Carlsen (22. November 2013)
Genre: Science-Fiction
ISBN-10: 3551312826
ISBN-13: 978-3551312822
ASIN: B008B6NXZ4
Seitenzahl: ...

Allgemeines:

Titel: Die Auserwählten in der Brandwüste
Autor: James Dashner
Verlag: Carlsen (22. November 2013)
Genre: Science-Fiction
ISBN-10: 3551312826
ISBN-13: 978-3551312822
ASIN: B008B6NXZ4
Seitenzahl: 496 Seiten
Preis: 9,99€ (Taschenbuch)
18,99€ (Gebundene Ausgabe)
9,99€ (Kindle-Edition)
Weitere Bände: Die Auserwählten im Labyrinth;
Die Auserwählten in der Todeszone



Inhalt:

"Es war ein Schrei. Von Teresa. Ein markerschütterndes Kreischen in seinem Kopf. Furcht tröpfelte langsam wie Gift in sein Bewusstsein, aber er konnte einfach nicht richtig wach werden..."

Sie haben einen Ausweg aus dem tödlichen Labyrinth gefunden und geglaubt, damit wäre alles vorbei. Dass sie frei sein werden und nie mehr um ihr Leben rennen müssen. Doch auf Thomas und seine Freunde wartet das Grauen: sengende Hitze, verbranntes Land und Menschen, die von einem tödlichen Virus befallen sind. Und die undurchsichtigen Schöpfer halten noch immer die Fäden in der Hand. Damit steht den Jungen die nächste Prüfung bevor. Sie müssen innerhalb von zwei Wochen die Brandwüste durchqueren, sonst sind sie verloren. Und dabei wird ihnen alles abverlangt, sogar ihre Menschlichkeit - doch dazu ist Thomas nicht bereit!


Bewertung:

Kurz vornweg: Ich hatte ein richtiges Problem mit diesem Buch! Nachdem mich Band 1 eigentlich überzeugt hat, konnte mich dieser Teil nur enttäuscht und verwirrt auf Band 3 hoffend zurücklassen.


Erster Satz: „Bevor die Welt zusammenbrach, hörte Thomas etwas.“


Das Cover ist stilistisch dem des ersten Teiles sehr ähnlich, weshalb man die Reihe gut als solche erkennen kann. Insgesamt gefällt mir die Gestaltung wieder sehr gut, da sie mit der unwegsamen Landschaft unter der gleißenden Sonne genau die Grundatmosphäre ausdrückt. Diesmal ist der Grundton ein rotes Orange, dass sich sowohl im vor Trockenheit aufgesprungenen Grund der heißen Brandwüste, als auch im Titel wiederfinden lässt. Wieder ist eine dunkle Silhouette zu sehen, die sich gegen das Licht abhebt und über einen breiten Spalt springt, welche wohl Thomas darstellen soll. Auch der Titel ist treffend gewählt, die Pixel an den Kapitelanfängen zeigen wieder ein anderes Bild, von dem ich allerdings nicht genau weiß, was er darstellen soll. Die Schrift ist in einer angenehmen Größe gedruckt, der Klapptext passt auch wunderbar. An der äußeren Gestaltung liegt mein negativer Eindruck also nicht.

Bevor ich beginne, herum zu kritisieren, muss ich klar sagen, dass das Buch durchaus sehr spannend ist und seine Reize hat. Dass James Dashner wieder einen absoluten Page Turner geschrieben hat, der auch vom Schreibstil her wieder sehr gut wirkt, will ich gar nicht anzweifeln. Zwar hat mich der leicht slanghafte Stil der Konversationen zwischen den Jungs wieder in kurzen Abschnitten etwas gestört, das liegt aber bestimmt an der Übersetzung und klingt im englischen Original besser.


"Wer's glaubt, wird selig", sagte Minho. "Und Bratpfanne kriegt Babys, Winston wird seine Monsterakne los, und unser lieber Thomas wird zum ersten Mal lächeln." Thomas dreht sich zu Minho um und grinste ihn mit einem aufgesetzten breiten Lächeln an. "Zufrieden?" "Alter", sagte Minho, "bist du hässlich." "Na wenn du's sagst." (...)
"Thomas musste lächeln, auch wenn er nicht wusste, warum. Irgendwie hatte ihm Minho ein bisschen Hoffnung gemacht. Sie mussten einfach weitermachen, weitergehen, etwas tun. Punkt."



Als wäre die Zeit im Labyrinth nicht schon schlimm genug für die Jungen gewesen, werden sie sofort mit dem nächsten Experiment konfrontiert, kaum dass sie dem letzten entkommen konnten. So knüpft die Fortsetzung direkt an den vorangegangenen Teil an. Das Setting in der heißen, unzugängigen Brandwüste, einem verdorrten Land voller leblosem Wüstensand und zerstörter menschlicher Siedlungen, könnte kein krasses Gegenteil zu den grünen Wiesen und Wälder der Lichtung darstellen. So tauschen die Jungs bloß die die engen, steinernen Mauern und undurchsichtige Wege des Labyrinths gegen die unbarmherzige Sonne und eine endlose, gefährliche Weite. Zuvor eingesperrt stehen sie nun im Niemandsland.


"Der Sturm wollte ihm die Kleider vom Leib fetzen, Sand prasselte gegen seine Haut, Dunkelheit umschwamm ihn wie ewige Nacht, die nur von den Blitzen zerrissen wurde."


Doch nicht nur die sengende Hitze, die ihnen die Haut verbrennt, macht ihnen zu schaffen, auch monströse Gewitter entladen sich über ihren Köpfen und richten mit ihrer brutalen Kraft ein Blutbad an. Das Setting ist somit ebenso brutal und auf ein genaues Ziel ausgerichtet, wie das des ersten Teiles, denn Thomas und seine Freunde haben in dieser Episode eine klare Vorgabe, deren Scheitern nicht in Frage kommt: der sichere Hafen zu erreichen.


"Gib noch nicht auf. Wir schaffen es zum sicheren Hafen und werden geheilt." "Falsche Hoffnungen", sagte sie. "Vielleicht immer noch besser als gar keine Hoffnung." Sie drückte seine Hand, und diesmal erwiderte Thomas ihren Händedruck. Und dann schliefen sie ein."


Doch dieser Weg ist schwierig, sowohl die infizierten, zerfressenen Zombie-Cranks, die unbarmherzige Brandwüste als auch andere Verstrickungen machen es den Jungs nicht leicht, an ihr Ziel zu kommen und immer wieder müssen sie an ihre äußersten Grenzen gehen, obwohl sie selbst den Brand haben und höchstwahrscheinlich sterben werden. Warum machen das die unsichtbaren Spielmacher? Was haben sie mit ihnen vor? Soweit ist die Problematik spannend und interessant dargestellt und wird durch einige rätselhafte Einwürfe eingeheizt.


"Ihr glaub vielleicht, dass wir nur testen, ob ihr in der Lage seid zu überleben. Oberflächlich betrachtet sehen die Experimente, die wir im Labyrinth mit euch durchgeführt haben, vielleicht so aus. Aber ich versichere euch, dass es nicht nur um das reine Überleben oder euren Überlebenswillen geht. Das ist nur ein Teil dieses genialen Experiments. Es geht um etwas sehr viel Größeres, das ihr erst ganz am Ende verstehen werdet."


Doch nun kommt das große ABER!
Der Fokus des Buches liegt deutlich auf der Action. Ich wähle hier absichtlich das Wort "Action" und rede nicht von der "Handlung", denn an dieser finde ich einiges fragwürdig. Grundsätzlich finde ich die gesamte Konzeption des Buches viel zu löchrig und wackelig. Nach dem Ende des ersten Teiles nehmen wir als Leser einige unbeantwortete Fragen in den zweiten Teil mit und ich hätte doch die Beantwortung einiger erwartet und vielleicht sogar die Aufdeckung eines Systems gehofft, die die ganze Handlung auf eine höhere Ebene stellt. Doch die Enttäuschung: viele Ungereimtheiten, einige neuen Fragen und zu schnelle, unbegründete Wendungen lassen das Buch so wirken, als gäbe es keine Planung, kein System hinter der Handlung, was auch den ersten Teil mit in den Dreck zieht.
So wechseln zum Beispiel die Charaktere scheinbar so oft die Seiten, bis man nicht mehr neugierig verwirrt sondern einfach nur noch genervt ist.

Den Protagonisten und auch dem Leser werden die Informationen nur bröckchenweise hingeworfen, sodass man permanent rätselt, was es eigentlich mit der Organisation ANGST und ihren Experimenten auf sich hat, was spätestens nach der vierten Wiederholung dieser Problematik einfach nur noch nervt. So ist die Handlung an sich wenig gehaltvoll - schwach, vorhersehbar und ohne richtigen Spannungsbogen - bei allem was passiert, werden keine neuen Erkenntnisse gewonnen, Wendungen unlogisch und absolut unglaubwürdig dargestellt. Da die Charaktere am Ende keinen Schritt weiter sind als vorher, scheint dieser zweite Teil generell in der ganzen Reihe keine besonders wichtige Rolle einzunehmen und erschien mir schlichtweg überflüssig.


"Erstickte Schluchzer brachen aus ihm hervor. Sein Herz tat so weh, dass er beinahe stehen bleiben, zusammenbrechen und aufgeben musste."


Vor allem auch die Charaktere leiden sehr darunter. Thomas, den ich anfangs noch recht gut mochte, entfernte sich sehr von mir und auch Teresa wird im Laufe der Geschichte sehr unglaubwürdig, bis ich einfach nur noch hoffte, sie würde bald sterben. Sie war mir von Beginn an eher unsympathisch, da ich ihren Charakter einfach nicht einschätzen und so nicht nachvollziehen konnte, was natürlich auch nicht gerade davon begünstigt wird, dass sie plötzlich eine Verräterin zu sein scheint, ihn dann wieder liebt und alles getan hat um ihn zu schützen, ihn dann wieder umbringen will, weil das alles nur gespielt war und das dann auch wieder nicht gestimmt hatte weil sie gezwungen wurde und - versteht ihr was ich meine? Mit Thomas war das von Beginn an so eine Sache. Zwar ist er klar der Protagonist und erzählt auch aus seiner Perspektive, ich bin aber nie wirklich an ihn herangekommen, er wurde für mich eigentlich nie zu einer selbstständigen Person, sondern blieb für mich mehr einfach eine Erzählinstanz. Woran das genau liegt, kann ich nicht sagen. Er wird für mich zu sehr als die Schlüsselfigur dargestellt, ohne das man verstehen kann, was an ihm besonders sein soll, da er in der Erzählart weder besonders schlau noch herausragend mutig wirkt. Fest steht, dass ich absolut nicht begeistert war!

"Er könnte sterben."
"Oder noch schlimmer. Er könnte überleben."
Er hört einen letzten Satz.
"Oder vielleicht können er und die anderen uns retten. Uns alle vor dem grauenhaften Schicksal bewahren."


Neben den üblichen Verdächtigen, deren Zahl im Laufe des Plots erheblich dezimiert wird, bekommen wir einige neue Charaktere dazu. Darunter die beiden Cranks Jorge und Brenda, die noch halbwegs interessant gezeichnet sind, wobei mich Brenda in ihrer Problematik doch sehr an Teresa erinnert, da ich sie genauso wenig verstanden habe. Ebenso taucht eine ominöse zweite Gruppe auf, die dasselbe erlebt hat, wie Thomas, Minho und Co, aber nur aus Mädchen besteht. An ihrer Spitze der junge Aris, der mit Teresa und Thomas eine Gedankenverbindung eingehen kann. Auch um seine Person ranken sich einige Unklarheiten, allgemein würde ich aber sagen, dass alle Charaktere dieses Teils eher schwach und unzureichend gezeichnet sind und in den ganzen Actionszenen untergehen.


"Da war kein Kopf. Kein Haar und kein Gesicht. Noch nicht einmal ein Hals. Nichts von dem, was da sein müsste. (...) Ihre Blicke trafen sich, und der Crank fauchte ihn wie ein verwundetes, in die Enge getriebenes Raubtier an."


Schade fand ich auch, dass gerade das Ende, von dem ich mir endlich wieder etwas Klarheit gewünscht hätte, komplett offen bleibt und viel Platz für Spekulationen lässt. So muss ich meine Frustration und die offenen Fragen wohl in den dritten Teil mitnehmen und hoffen, dass dieser einen würdigen Abschluss zu bieten hat.


"Manchmal fragt man sich ja wirklich", murmelte Thomas.
"Was?"
"Ob es überhaupt was bringt, noch weiterzuleben. Ob es nicht einfacher wäre, tot zu sein."




Fazit:


Aufgrund vorhersehbarer Wendungen, unübersichtlichen Plotkonstruktionen und schwachen Charakteren konnte mich das Buch trotz der vielen Action absolut nicht überzeugen, und lässt mich noch verwirrter zurück, als ich es begonnen habe. Ein unnötiger und wirklicher schwacher Mittelteil

Veröffentlicht am 03.08.2017

Ein spannender Anfang - eine groteske Auflösung

Kalte Augen
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Allgemeines:

Titel: Kalte Augen
Autor: Katrin Stehle
Genre: Thriller
ISBN-10: 3423782382
ISBN-13: 978-3423782388
Preis: 5,99€ (Kindle-Edition)
7,95€ (Taschenbuch)



Inhalt:

Vertraue niemandem. Es ...

Allgemeines:

Titel: Kalte Augen
Autor: Katrin Stehle
Genre: Thriller
ISBN-10: 3423782382
ISBN-13: 978-3423782388
Preis: 5,99€ (Kindle-Edition)
7,95€ (Taschenbuch)



Inhalt:

Vertraue niemandem. Es könnte der Falsche sein...

Nachts allein in Berlin – Kira, eigentlich auf Klassenfahrt, hat sich verlaufen. Zum Glück kommt Hilfe. Gunnar scheint ein Seelenverwandter zu sein. Seine romantischen E-Mails sind wunderschön. Dass er auch sehr besitzergreifend sein kann, merkt Kira erst langsam. Als sie endlich beschließt, sich aus dieser verstörenden Beziehung zu lösen, ist es zu spät: Plötzlich ist sie in einen Mordfall verstrickt und ihr Leben ist in Gunnars Hand...


Bewertung:

Vor kurzem bin ich mal wieder über ein Buch gestolpert, das ich vor einem Jahr schon einmal gelesen habe und hatte plötzlich irgendwie das Bedürfnis, meine Meinung dazu los zu werden, denn diese ist eher durchwachsen. Das ist jetzt das Ergebnis...


Erster Satz: "Die Bäume leuchten seltsam hellgrün im funzelig-gelben Licht der Straßenlaterne."

Das Cover finde ich sehr passend. Man sieht eine dunkle Silhouette eines Menschen, der seine Hände und sein Gesicht gegen eine Milchglasscheibe drückt wie um hindurch zu sehen. Das passt meiner Meinung sehr gut, da es unter anderem um Stalking geht und Kira bis zum Ende nicht genau weiß, wer Gunnar eigentlich wirklich ist. Auch der Titel passt super, da Kira am Ende seine "kalten Augen" auffallen, welche dann wie eine Art Metapher benutzt werden.

Alles beginnt mit einer Mutprobe. Die sechzehnjährige Kira möchte den älteren Lara und Jenna beweisen, dass sie cool und furchtlos ist und traut sich ganz alleine nachts in einen Berliner Park. Doch die beiden „Freundinnen“ folgen ihr nicht, wie versprochen, sondern lassen sie im Stich. Plötzlich ist Kira verloren in der Großstadt und weiß nicht, wo sich die Jugendherberge befindet. Sie irrt durch die Nacht, bis sie plötzlich von einem Jungen namens Gunnar angesprochen wird, der sie dann zurück zur Jugendherberge begleitet. Als sie sich unterwegs unterhalten, stellen sie fest, dass sie erstaunlich viele Gemeinsamkeiten haben. Beide lieben sie die Farbe Grün, mögen Frösche, glauben an Liebe auf den ersten Blick. Und genau die ist es wohl, die bewirkt, dass sie weiterhin in Kontakt bleiben, telefonieren und einander lange Emails schreiben. Doch obwohl Kira total verliebt in Gunnar ist, kommt ihr sein Verhalten doch hin und wieder merkwürdig vor. So macht er zum Beispiel ab und zu ganz plötzlich einen Rückzieher und verhält sich kalt und abweisend, dann wieder schickt er ihr Liebesgedichte und schreibt, sie seien für einander bestimmt. Und als Gunnar dann ganz plötzlich mitten in Kiras Schule im Allgäu auftaucht, nur um sie zu besuchen, fragt sich Kira ernsthaft, was mit ihm los ist. Und schon bald wird sich herausstellen, dass Gunnar nicht der ist, für den sie ihn hält...

"Kalte Augen“ wurde von vielen Lesern in die Kategorie "Psychothriller" eingeordnet, was meiner Meinung nach nicht ganz passt. Katrin Stehle erzählt ihre Geschichte auf einem jugendfreundlichen Niveau und bleibt noch recht auf dem Boden. An der einen oder anderen Stelle, wenn Kira etwas merkwürdig vorkommt an Gunnar, hätte dies ruhig noch mehr heraus gestellt werden können. Über sehr lange Zeit - über zwei Drittel der Geschichte - lernen wir Gunnar und Kira kennen und werden in ihre "Beziehung" eingeführt, wodurch der Roman größtenteils eher ruhig und unaufgeregt erscheint. Natürlich brodelt es unter der Oberfläche und es baut sich immer mehr Spannung auf, doch unter einem Psychothriller verstehe ich etwas anderes. Die Mischung aus Stalking und Verfolgungswahn, gepaart mit den Möglichkeiten über das Internet schnell die Identität eines anderen zu erforschen, ist ja eine ganz aktuelle Problematik und hier auch interessant dargestellt.
Kira als Person mochte ich nicht besonders, da sie so blind in ihr Verderben rennt und oft sehr unreif reagiert und damit auf die Dauer nervt. Sympathie zu den Hauptpersonen ist ja aber bei Thrillern oft nicht entscheidend. Denn eigentlich ist es der Autorin recht gut gelungen, ihre Gedanken, Gefühle, ihr Lebensumfeld, ihre Wertvorstellungen gut zu gestalten.

Durch den einfachen aber bildhaften Schreibstil und dem erzählen aus der Ich-Perspektive sind wir Kira als Leser recht nah, was gegen Ende wirklich hart wird. Im atemlosen Stakkato Ton schildert die Autorin Kiras stürmische Gefühlswelt, die sich entgegen aller Vernunft zunehmend in eine unheilvolle Beziehung verstrickt. Das Wechselbad zwischen absoluter Nähe und schroffer Zurückweisung, das Kira aushalte muss, ist auch als Leser schwer zu ertragen, ebenso wie die Zuspitzung des Geschehenes in packenden Bildern, durch die eine wirkliche Sogwirkung ausgeübt wird. Es entsteht eine bedrohliche und unheilvolle Atmosphäre, die mich daran hinderte, das Buch einfach beiseite zu legen, als das Ende wirklich schlecht wurde.

Doch fast wichtiger als Kira ist hier in diesem Buch Gunnar. Leider fand ich ihn absolut gar nicht gut dargestellt. Man durchschaut ihn sofort und er bildet eigentlich nie einen wirklichen Charakter abseits von "hach, die Liebe meines Lebens" und "Omg ein völliger Psycho will mich killen" aus. Das nimmt der Geschichte Spannung und lässt ihn verblassen. Gegen Ende wird dann das ganze Repertoire an Ekelhaftigkeit und Skurrilität ausgepackt und der Topf, in dem die Spannung schön vor sich hin gekocht hatte, kocht abrupt über, bis nur noch eine Suppe lauwarmes Wasser da ist.

Dass die Beziehung zwischen den beiden entartet, wusste man ja, doch das ist auf unerträgliche Weise dargestellt, bei der ständig Grenzen nicht der seelischen Intimität übertreten werden.
Alles wird hektisch zu irgendeinem Ende geführt, von der Ruhe und Spannung zuvor ist nichts mehr zu spüren. Die Auflösung schlussendlich ist recht klischeehaft und etwas ungerecht den Menschen gegenüber, die unter so einer Erkrankung leiden. Zudem habe ich mich immer mehr über Kira aufgeregt, dass sie einfach immer noch nichts merkt, Gunnars Selbstverstümmelungen nicht merkwürdig findet, dass ihr nicht auffällt, dass zu viele Zufälle im Spiel sind. Kira weiß, dass Gunnar gelogen hat und geht doch wieder zu ihm, erträgt seine Stimmungsschwankungen, die immer extremer werden, ignoriert, dass er über Leichen geht und nimmt selbst Misshandlungen hin. Das ist dann absolut nicht mehr angenehm zu lesen!
Schade eigentlich!


Fazit:

Ein spannender Anfang - eine groteske Auflösung.
Als Gesamtes betrachtet leider nur ein Thriller für seeeehr lange Winter, da das Buch immer mehr an Spannung und an Logik verliert und schließlich schlichtweg abstoßend endet.