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Veröffentlicht am 09.03.2018

Heimkehr in die Provinz

Das Kaff
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Michael Schürtz, ein Berliner Architekt in den 40ern, kehrt nach Jahren in seine norddeutsche kleine Heimatstadt zurück, was er eigentlich nie wieder tun wollte und wo er jetzt einen Sommer lang einen ...

Michael Schürtz, ein Berliner Architekt in den 40ern, kehrt nach Jahren in seine norddeutsche kleine Heimatstadt zurück, was er eigentlich nie wieder tun wollte und wo er jetzt einen Sommer lang einen Job als Bauleiter angenommen hat. Erstaunlich ist, wie er schnell er, der sich als großspuriger Großstädter gibt und auf die Kleingeister des „Kaffs“ herabschaut, sich ebendort wieder einlebt. Und so wechseln sich Schilderungen über seine Re-Integration (Übernahme der Rolle eines Trainers der Fußballjugend, Treffen mit seinen Geschwistern und dem früheren Chef, Verhältnis mit einer Wohnungseigentümerin des von ihm betreuten Bauprojekts) und sein Leben als kleiner Rebell vor seinem Weggang ab. Eigentlich wird nur über banale, ganz normale Begebenheiten berichtet. Aber gerade darin kann sich der Leser gut wiederfinden. Am Ende verwundert es nicht, dass Michael eine völlig neue Meinung von den Kleinstädtern hat. Gefällig ist der leise, sarkastische Grundton der Geschichte.

Veröffentlicht am 05.03.2018

Auf den Spuren der Familiengeschichte

Schwestern bleiben wir immer
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Im Leben der beiden völlig unterschiedlichen Schwestern Alexa und Katja läuft überhaupt nichts rund. Ihre Mutter ist jüngst verstorben, wenige Jahre vorher schon Alexas behindere Tochter, ihr Mann verlässt ...

Im Leben der beiden völlig unterschiedlichen Schwestern Alexa und Katja läuft überhaupt nichts rund. Ihre Mutter ist jüngst verstorben, wenige Jahre vorher schon Alexas behindere Tochter, ihr Mann verlässt sie, die allein erziehende Katja hat Bindungsängste und Probleme mit ihrem pubertierenden Sohn. Ein im Nachlass der Mutter gefundener Brief veranlasst sie, ihre Kindheit mit der kalten und lieblosen Mutter zu erforschen. Das Ergebnis stellt die Grundfesten ihres Lebens in Frage.

Die Geschichte um die zwei Schwestern und ihre Vergangenheit ist sehr berührend und es ist sehr spannend, nach und nach zum Kern der Wahrheit vorzudringen. Abwechslung beim Lesen bringt der Umstand, dass abwechselnd aus der Perspektive von Alexa und Katja erzählt wird. Die beiden Protagonistinnen sind gut herausgearbeitet. Wer Familiengeschichten mag, sollte dieses Buch lesen.

Veröffentlicht am 03.03.2018

Zwei Frauen auf einem Roadtrip durch Kuba

Mit Hanna nach Havanna
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Eine fast Achtzigjährige und eine Mittdreißigerin begeben sich gemeinsam nach Kuba – die eine auf der Suche nach ihrer Jugendliebe, die andere als deren Reisebegleiterin und vor allem mit dem Ziel, eine ...

Eine fast Achtzigjährige und eine Mittdreißigerin begeben sich gemeinsam nach Kuba – die eine auf der Suche nach ihrer Jugendliebe, die andere als deren Reisebegleiterin und vor allem mit dem Ziel, eine journalistenpreiswürdige Story zu schreiben. Grundverschieden, wie beide Frauen sind – lebenslustig und genussfreudig die eine, stets vernünftig die andere – kann nur ein turbulentes Abenteuer herauskommen. Diesem dürfen wir beiwohnen.
Ein Frauenroman ist das Buch, aber nicht unbedingt mit einer typischen Protagonistin. Während in ähnlichen Büchern meistens eine sich auf Männerjagd begebende, stets in Geldnot befindliche, dem Alkohol nicht abgeneigte junge Single-Frau im Mittelpunkt steht, ist es hier mit Katrin völlig anders. Sie hat überhaupt keine Lust auf eine Beziehung, ist ehrgeizig in ihrem Beruf als Journalistin, trinkt nur Mineralwasser und ist vor allem immer so vernunftgeleitet. Das gefällt mir recht gut. Gelungen sind auch die Schilderungen über Land und Leute auf Kuba. Sie lassen erkennen, dass die Autorin vor dem Roman eine Kuba-Reise gemacht hat. Bildhaft ist besonders der Trip über die unwegsame Insel in dem Mietwagen; man erhält das Gefühl, selbst in dem Auto zu sitzen und über die Schlaglöcher zu rumpeln. Eine vorne im Buch befindliche Karte von Kuba ermöglicht das Mitfahren „mit dem Finger auf der Landkarte“. Die Kubaner werden uns als für die Karibik typische, hilfsbereite Menschen präsentiert, einige davon richtig schlitzohrig, was zu einigen humorvollen Einschüben führt. In bleibender Erinnerung ist mir insoweit die Passage, in der sich die Protagonistinnen im rosa Cadillac auf den Weg von Havanna in das weit im Osten gelegene Santiago de Cuba begeben wollen und sie völlig orientierungslos auf die Hilfe zweier einheimischer Anhalterinnen vertrauen, die sie listig in die entgegengesetzte Richtung zu ihrer Arbeitsstelle auf einer Tabakplantage leiten. Beeindruckt war ich schließlich von den Informationen zur Geschichte Kubas betreffend die Zeit der Diktatur in den 50er Jahren, die nachfolgende sozialistische Revolution unter Fidel Castro und die aktuelle Öffnung des Landes.
Mir hat das Buch gut gefallen.

Veröffentlicht am 19.02.2018

Über eine liebenswerte Familie mit übernatürlichen Fähigkeiten

Die erstaunliche Familie Telemachus
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Wer Fantasy-Romane mag und Spaß an Zaubereien (auch faulen) hat, wird bei diesem Buch auf seine Kosten kommen.
Im Mittelpunkt der Geschichte steht „die erstaunliche Familie Telemachus“, der das Buch in ...

Wer Fantasy-Romane mag und Spaß an Zaubereien (auch faulen) hat, wird bei diesem Buch auf seine Kosten kommen.
Im Mittelpunkt der Geschichte steht „die erstaunliche Familie Telemachus“, der das Buch in seiner deutschen Ausgabe seinen Titel verdankt. Ihr steht der Patriarch Teddy vor, ein Trickbetrüger. Seine Frau Maureen besitzt demgegenüber wirkliche übernatürliche Kräfte. Die gemeinsamen drei Kinder haben von ihr die übersinnlichen Fähigkeiten geerbt. Irene erkennt, ob jemand lügt oder die Wahrheit sagt; Frankie kann Gegenstände mit seinen Gedanken bewegen; Buddy kann die Zukunft voraussehen. Eine kurze Zeit traten sie als „die erstaunliche Familie Telemachus“ auf der Bühne auf, bis sie in einer Fernsehshow als Schwindler enttarnt wurden.
Die Handlung ist im Jahr 1995 angesiedelt, als Maureen schon vor vielen Jahren verstorben ist, Teddy noch immer seine kleinen Schwindeleien betreibt, Irene als allein erziehende Mutter mit ihrem Sohn Matty zurück ins Elternhaus gezogen ist, Frankie mit seiner Familie am finanziellen Abgrund steht und Buddy verrückt geworden zu sein scheint, indem er ständig ein neues Projekt beginnt, ohne es zu beenden, während keiner von ihm, der stumm ist, erfährt, was er vorhat.
Durch Rückblenden erfahren wir, wie sich Teddy und Maureen kennenlernten, wie die Regierung auf ihre besonderen Gaben aufmerksam wurde, warum Maureen sich entschied, für sie zu arbeiten, welchen Einfluss ihr früher Tod auf die übrigen Familienmitglieder hatte und wie ihre ungewöhnlichen Fähigkeiten sie prägten.
Matty wird zur zentralen Hauptfigur, da er anscheinend die ungewöhnlichen Fähigkeiten geerbt hat. Er will die Familiengeschichte ergründen und muss vor Regierungsmitarbeitern geschützt werden, die seine Fähigkeiten nutzen wollen. In gewisser Weise ist es eine Geschichte über Mattys Erwachsenwerden, daneben eine Familiengeschichte über drei Generationen. Sie bringt viel Nostalgie herüber, die vor allem die amerikanischen Leser verstehen werden – die 70er Jahre mit der Mike Douglas-Show und der Faszination übernatürlicher Kräfte, die 90er Jahre mit AOL-CD’s, online-Chatrooms, Videocassetten.
Berührend ist die noch immer bestehende Verbindung von Maureen zu Teddy, mit dem sie, obwohl schon Jahre tot, noch immer über Briefe kommuniziert, und zu Matty. Was das Lesen angenehm macht, ist Themenvielfältigkeit der Geschichte – ein bisschen Romantik, einige lustige Passagen und Dialoge, viel Spannung und Action, jede Menge Intrigen. Die Handlung scheint so manches Mal abzuschweifen und lässt die Frage aufkommen, wohin alles führt. Am Ende mündet alles in ein abenteuerliches Finale.
Die Geschichte fällt aus dem Rahmen, ist aber wert, sich von ihr verzaubern zu lassen.

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Veröffentlicht am 12.02.2018

Über Tod und Trauer

In jedem Augenblick unseres Lebens
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Diesen autobiografischen Roman über einen eigenen Schicksalsschlag sollte besser nur lesen, wer gesundheitlich stabil ist, damit er nicht runtergezogen wird.
Toms hochschwangere Lebensgefährtin Karin verstirbt ...

Diesen autobiografischen Roman über einen eigenen Schicksalsschlag sollte besser nur lesen, wer gesundheitlich stabil ist, damit er nicht runtergezogen wird.
Toms hochschwangere Lebensgefährtin Karin verstirbt urplötzlich an Leukämie. Ihre gemeinsame Tochter Livia überlebt die Kaiserschnittgeburt. Über die nachfolgenden Monate der Trauer, die über den Tod hinaus fortbestehende Liebe und das Zusammenleben mit seiner kleinen Tochter schreibt der Autor, immer wieder unterbrochen durch Rückblicke auf seine Jugend, als er ein vielversprechender Eishockey-Spieler war, sein Studium, seine Neigung zum Schreiben, das Kennen- und Liebenlernen Karins, die schon mehrere schwere Krankheiten durchgemacht hat.
Die Geschichte ist nicht einfach zu lesen. Wörtliche Reden werden weder durch Anführungszeichen noch Spiegelstriche kenntlich gemacht, sondern stehen nebeneinander, so dass sich die jeweiligen Sprecher manchmal nur schwer ausmachen lassen. Auch die Zeitsprünge geschehen unvermutet und es lässt sich nicht immer nachvollziehen, in welchem Jahr wir uns befinden. Einige Insider-Informationen werden nur schwedische Leser verstehen, wie den Wettskandal oder die Arbeitsweise der Behörden. Dem Thema Trauer widmet sich der Autor jedoch wirklich gelungen. Er als der Trauernde durchläuft alle Phasen – Verzweiflung, Wut, Unverständnis, Müdigkeit, Leere. Berührend sind auch die kleinen Kämpfe, die er mit seinen Schwiegereltern über die Verstorbene und das hinterbliebene Baby austrägt. Als Lehre vermittelt das Buch, dass man schwere Schicksalsschläge überleben kann.
Insgesamt durchaus lesenswert.