Profilbild von Isaopera

Isaopera

Lesejury Profi
offline

Isaopera ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit Isaopera über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 09.07.2018

Female Power ohne i-Tüpfelchen

Das weibliche Prinzip
0

„Das weibliche Prinzip“ verrät bereits im Titel, dass hier Frauen im Vordergrund stehen. Gut so? Absolut! Meg Wolitzer beschreibt spannende, diverse und sehr unterschiedliche Frauenfiguren, die ihren Weg ...

„Das weibliche Prinzip“ verrät bereits im Titel, dass hier Frauen im Vordergrund stehen. Gut so? Absolut! Meg Wolitzer beschreibt spannende, diverse und sehr unterschiedliche Frauenfiguren, die ihren Weg suchen und spannt dabei eine Zeitspanne über mehrere Jahre. Protagonistin Greer ist dabei immer sehr authentisch, menschlich und ich habe ihre Geschichte sehr gerne gelesen. Der Kontakt mit zwei sehr überzeugenden Persönlichkeiten, zunächst ihrer College-Kommilitonin Zee, und später der Feministin Faith Frank, lässt sie aufblühen, aber auch kritisch reflektieren, was sie nicht möchte. Greers langjähriger Partner Cory, der in der Leseprobe noch eher schlecht wegkam, ist für mich dabei eine sehr wichtige und sympathische Figur geworden, denn ich finde, er hat die Geschichte unheimlich bereichert. Hier fand ich manche Zeitraffer fast schade, denn ich hätte über die beiden gerade gegen Ende gerne noch mehr erfahren – ebenso wurde der Konflikt zwischen Greer und ihren Eltern für mich nicht ausreichend thematisiert. Dass der fünfte Stern fehlt, hat aber vor allem mit dem fehlenden „i-Tüpfelchen“ zu tun. Es ist ein toll geschriebener Roman, der mich gefesselt hat. Gerade die feministische Perspektive ist am Anfang deutlich, verliert sich aber über die Zeit etwas. Im letzten Drittel verliert der Roman für mich etwas an Profil und bleibt sehr gut, aber kein Knüller. Daher vier Sterne und eine Lessempfehlung!

Veröffentlicht am 25.06.2018

Überrascht immer wieder positiv

Das Flüstern der Magnolien
0

"Das Flüstern der Magnolien" steht schon seit längerer Zeit auf meiner Wunschliste. Frisch als Taschenbuch erschienen habe ich es nun endlich gelesen und kann sagen, dass es mir insgesamt wirklich gut ...

"Das Flüstern der Magnolien" steht schon seit längerer Zeit auf meiner Wunschliste. Frisch als Taschenbuch erschienen habe ich es nun endlich gelesen und kann sagen, dass es mir insgesamt wirklich gut gefallen hat.
Julia ist eine tolle Protagonistin, die warmherzig und tolerant mit ihren Mitmenschen umgeht. Da sie Schreckliches erlebt hat (ihr Sohn wurde entführt und ihr Mann hat ihre Ehe aufgegeben), begegnet sie der einen oder anderen Situation verständlicherweise mit Angst oder Misstrauen, bleibt aber immer reflektiert und schafft es, über ihren Schatten zu springen. Eli ist ein gutes Gegenstück zu ihr, da er mit seinen Erlebnissen ebenfalls nicht abgeschlossen hat und allem prinzipiell erst einmal pessimistisch gegenüber steht. Als er mit seinem Sohn, von dem er zuvor nichts wusste, konfrontiert wird, merkt er, dass es sich für seinen Ruf und um seine Familie zu kämpfen lohnt und arbeitet konstant an sich.
Die Geschichte läuft aufgrund ihrer vielen dramatischen Verwicklungen Gefahr, zu rührselig zu werden, erfreulicherweise umschifft Linda Goodnight aber die meisten Klischees. Durch die interessanten Nebencharaktere, zum Beispiel einige liebenswerte ältere Damen und einen netten Polizisten aus dem Dorf, wird die Handlung etwas entzerrt und sehr bereichert. Immer wieder wurde ich von humorvollen oder sehr schön beschriebenen Momenten überrascht und muss daher sagen, dass diese Geschichte wirklich viel bodenständiger ist, als man nach den ersten paar Seiten Schwärmerei über Pfirsich-Muffins und selbst gemahlenen Kaffee meinen sollte ;)
Gepackt hat mich auch die Bürgerkriegs-Geschichte über Charlotte und den Captain Will, die 1864 angesiedelt ist und sich nach und nach offenbart. Hier gab es wirklich einige Spannungsmomente!

Ein insgesamt positiv überraschender und einfühlsamer Roman über das Thema Verlust, Familie und eine zweite Chance. Empfehlenswert!

Veröffentlicht am 23.05.2018

Der Neue auf dem Schulhof

Der Neue
0

Das tragische Schicksal von Shakespeare’s Othello scheint in der heutigen Zeit leider wieder fast aktuell: aufgrund seiner Hautfarbe einerseits interessant, andererseits aber vor allem geringgeschätzt, ...

Das tragische Schicksal von Shakespeare’s Othello scheint in der heutigen Zeit leider wieder fast aktuell: aufgrund seiner Hautfarbe einerseits interessant, andererseits aber vor allem geringgeschätzt, verguckt er sich in die allseits beliebte Desdemona, die bei Tracy Chevalier Dee heißt, und gerät dadurch in ein gefährliches Intrigenspiel, das schlussendlich nur Opfer kennt. „Der Neue“ ist als Teil des Hogarth Shakespeare Projekt die Neuinterpretation des Othello und wird von Tracy Chevalier, die einfach einen tollen Schreibstil hat, wunderbar in die Moderne übertragen. Chevaliers Othello heißt Osei, kurz O, und kommt als Neuer an die Schule. Dieser Schauplatz für die Othello-Geschichte ist meiner Meinung nach ideal gewählt, denn durch das Setting unter Halbwüchsigen werden die Urinstinkte des Menschen, die in der Pubertät den zwischenmenschlichen Umgang regieren können, wunderbar deutlich und die Konflikte der Figuren entstehen nicht nur vor einem rassistischen Hintergrund. Ausgrenzung, Cliquenbildung und Mobbing greifen in unserer Gesellschaft nicht nur in der Schule um sich, finden dort aufgrund der verschiedenen Charaktere und Unsicherheiten jedoch besonders guten Nährboden.
Mir gefällt an Tracy Chevaliers Plot nicht nur die Aktualität, sondern auch die Tiefe der Figuren. Obwohl die gesamte Handlung an einem Tag spielt und das Buch eher dünn daherkommt, gewinnt die Figur des Ian (Jago im Original) hier beispielsweise an Tiefe, da auch seine Perspektive menschlicher beleuchtet wird. Bei einem Kind oder Jugendlichen ist man als Leser einfach mehr geneigt, schlechtes Handeln zu verzeihen und trennt Verhalten und Charakter möglicherweise noch besser. Wie die Protagonisten im Buch hätte auch ich die Geschichte in einem Tag durchleben können, habe mich jedoch zwischendurch gezwungen, das Buch nochmal wegzulegen. Das Ende ist mir eine Spur zu offen, vielleicht auch ein wenig zu frei, daher gibt es einen kleinen Abzug. Für Fans von Chevaliers gutem Schreibstil und modernen Klassikern kann ich das Buch in jedem Fall weiterempfehlen.

Veröffentlicht am 19.03.2018

Sehr spannend

Memory Wall
0

Was passiert, wenn wir unsere Erinnerungen verlieren - sind wir dann überhaupt noch wir selbst? Und was wäre, wenn man diese Erinnerungen aufnehmen und immer wieder abspielen könnte, ja, schlimmstenfalls ...

Was passiert, wenn wir unsere Erinnerungen verlieren - sind wir dann überhaupt noch wir selbst? Und was wäre, wenn man diese Erinnerungen aufnehmen und immer wieder abspielen könnte, ja, schlimmstenfalls sogar allen Menschen zugänglich machen würde? Mit diesem fast schon wie Science Fiction anmutenden Szenario beschäftigt sich die frisch als Taschenbuch erschienene Novelle Memory Wall von Anthony Doerr. Eine wirklich spannende und sehr gut geschriebene Geschichte, die genau die richtige Länge hat. Dennoch bleibt Manches ungesagt...für mich vielleicht ein wenig zu viel. Keine komplette Begeisterung, aber durchaus eine Leseempfehlung von mir. Was die Schnecken auf dem Cover damit zu tun haben? Nicht nur Menschen, sondern auch Fossilien spielen in dieser Erzählung eine wichtige Rolle!

Veröffentlicht am 27.02.2018

Würdiger Abschluss

Die Geschichte des verlorenen Kindes
0

Das Ende einer Saga - obwohl Elena Ferrante diesen Begriff selbst nicht für ihre Romanreihe verwenden möchte, finde ich ihn durchaus angemessen. Die Verstrickung so vieler Haupt- und Nebencharaktere über ...

Das Ende einer Saga - obwohl Elena Ferrante diesen Begriff selbst nicht für ihre Romanreihe verwenden möchte, finde ich ihn durchaus angemessen. Die Verstrickung so vieler Haupt- und Nebencharaktere über vier dicke Bände ist ein kleines Meisterwerk!
So war der vierte Band "Die Geschichte des verlorenen Kindes" sicherlich der Brutalste der vier Romane, aber auch ein würdiger Abschluss. Wie immer habe ich kleine Kritikpunkte, denn gerade gegen Ende wechselten sich Spannung und teilweise doch recht ausführliche und etwas deplatziert erscheinende Schilderungen der neapolitanischen Geschichte ab. Elena Ferrantes Stil ist sehr detailliert und dadurch durchaus teilweise etwas anstrengend, die spannende Erzählung hält mich aber stets bei der Stange.
Ich finde es sehr schade, dass wir uns jetzt von Elena und Lina verabschieden müssen. In der Mitte des Buches gibt es einen Zeitsprung, bei dem ich erst Angst hatte, dass uns Vieles verloren geht - letztendlich wird aber doch alles ausreichend aufgearbeitet.
Für mich ein würdiger Abschluss der Reihe - ich bin gespannt, wann mich das nächste Mal eine mehrbändige Geschichte so fesseln kann!