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Veröffentlicht am 16.04.2018

Ich bin der Boss

Vier Pfoten am Strand
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Petra Schier bezaubert nicht nur mit ihren Weihnachtshundegeschichten, die ich in der Adventzeit immer sehr gerne lese, sondern auch mit ihrem zweiten Hunderoman, der im Sommer im fiktiven Ort Lichterhaven ...

Petra Schier bezaubert nicht nur mit ihren Weihnachtshundegeschichten, die ich in der Adventzeit immer sehr gerne lese, sondern auch mit ihrem zweiten Hunderoman, der im Sommer im fiktiven Ort Lichterhaven an der Nordsee spielt. Nach "Körbchen mit Meerblick", den ersten Band dieser Reihe, den ich leider nicht gelesen habe, (was ich aber definitiv nachholen werde) lernen wir den Künstler Ben Brungsdahl und seinen Hund Boss kennen. Schon nach den ersten Zeilen war ich verliebt - in "Boss", eine junge amerikanische Bulldogge. Ein junger, sehr starrköpfiger Welpe, dem bisher nichts Gutes widerfahren ist, bis ihn Ben zu sich holte. Seine Hungedanken verfolgt der Leser in kursiver Schrift und diese sind nicht nur humorvoll, sondern oftmals auch traurig und bewegend.
Ben steckt in einer Schaffenskrise und benötigt dringend eine Auszeit. Seine Managerin hat ihm in Lichterhaven eine Lagerhalle für drei Monate gemietet, wo er ungestört seine Kunstwerke herstellen kann. Ein kleines Problem stellt allerdings Boss dar, für den sein Name auch Programm ist. Da Ben auch keinerlei Erfahrung mit Hunden hat, ist er in kurzer Zeit schlichtweg überfordert und meldet Boss in einer Hundeschule an. Christina, die Besitzerin, hat der Rüde bald ins Herz geschlossen, ebenso wie sein Herrchen. Doch beide wissen, dass diese Affäre nur einen Sommer dauern kann...

Natürlich sind Geschichten in diesem Genre ähnlich aufgebaut und man erwarter sich ein Happy End. Der Weg dorthin ist bei Petra Schiers Roman allerdings keine "08/15-Sache". Die Autorin hat einige tolle Wendungen und Nebenstränge eingebaut, die sich nicht nur auf die Liebesbeziehung von Ben und Christina beziehen, sondern beide Protagonisten mit unvorhersehbaren Lebenssituationen konfrontieren. Das bringt Schwung in die Geschichte, die man kaum aus der Hand legen mag. Doch der Liebling in der Geschichte war Boss, der mich von Beginn an bezauberte.
Auch der kleine Schuss Erotik, mit dem die Autorin den Roman etwas würzt, ist gelungen und hat genau die richtige Dosis.

Die sehr liebevoll ausgearbeiteten Charaktere habe ich schnell ins Herz geschlossen.
Christina ist eine unabhängige junge Frau, deren Herz eindeutig für ihre Arbeit und ihre Familie schlägt. Sie engagiert sich für ihre Vierbeiner und springt auch bei Notfälle in der Familie sofort ein. Sie ist einfühlsam und warmherzig.
Mit dem Herrchen von Boss wurde ich nicht gleich zu Beginn warm, aber das änderte sich im Laufe des Romans. Er ist ein typischer Künstler, der in seiner Schaffensperiode schon mal alles rund um ihn vergessen lässt und bei einer Störung sehr unwillig werden kann. Dennoch ist er hilfsbereit und hat das Herz auf den rechten Fleck. Auch Starallüren sind ihm fremd. Seine Rastlosigkeit hält ihn allerdings nie länger an einem Ort....
Alle drei Hauptprotagonisten (Christna, Ben und Boss) wirken sehr selbstständig, sehnen sich aber unterbewusst nach Liebe und Zuneigung. Bis sie den Weg zueinander finden und ihr Herz öffnen, dauert es einige Zeit.

Schreibstil:
Petra Schier glänzt in ihren Hundegeschichthen mit einem flotten, lockeren Schreibstil. Die Dialoge sind sehr humorvoll und witzig, besonders die Gedanken von Boss, die in kursiver Schrift dargestellt werden. Die Geschichte wird abwechselnd aus der Sicht von Christina oder Ben erzählt. Auch die Landschaftsbeschreibungen sind sehr bildhaft und man kann die leichte Meeresbrise beim Spaziergang am Hundestrand spüren....

Fazit:
Ein wunderbarer Sommerroman, der nicht nur Hundefreunde bezaubern wird. Aus diesem Genre ist "Vier Pfoten am Strand" sicherlich eines der besten Bücher, die ich bis jetzt gelesen habe. Ich wurde über 432 Seiten bestens unterhalten und kann den Roman für Leser dieses Genre wirklich weiterempfehlen.

Veröffentlicht am 14.04.2018

Gefährliche Thermenwelte

Steirerquell
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Der achte Band rund um Sandra Mohr und Sascha Bergmann beginnt genau an der Stelle an der Band 7 endet. Sandra erhält einen Notruf von ihrer Freundin Andrea während sie mit Sascha die Hochzeit ihrer Kollegin ...

Der achte Band rund um Sandra Mohr und Sascha Bergmann beginnt genau an der Stelle an der Band 7 endet. Sandra erhält einen Notruf von ihrer Freundin Andrea während sie mit Sascha die Hochzeit ihrer Kollegin Miriam besuchen. Als Sandras zurückruft, kommt sie immer nur auf die Mailbox. Andrea wollte das Wochenende mit ihrer aktuellen Liebschaft im steirischen Thermenland verbringen., jedoch wartet auch der verheiratete Zahnarzt vergeblich. Als in unmittelbarer Nähe eine verkohlte Leiche auftaucht ist Sandra mehr als alarmiert. Gemeinsam mit Sascha reist sie nach Bad Loipersdorf in die Therme...

Man steigt direkt in die Handlung ein und ist sofort wieder mitten im Geschehen. Sandra ist diesmal persönlich im aktuellen Fall involviert. Ihre Professionalität wird deswegen besonders gefordert, denn sie darf sich nicht zu sehr von ihren Gefühlen und Ängsten mitreißen lassen. Die Sorge um ihre Freundin kann man deutlich durch die Zeilen spüren und nachvollziehen. Lange Zeit tappte ich mit den Ermittlern im Dunkeln und erst ganz am Ende wird uns der Täter auf dem Tablett serviert. Dazwischen versuchen Sandra und Sascha zänkische Nachbarn zu beruhigen, Andreas Liebschaften auszuforschen und sich in der Tätowierszene umzuschauen.
Zwischendurch gibt es kurze Kapitel, die die Gefangenschaft einer Frau beschreiben. So erhascht man einen Einblick in die Gefühlswelt des Opfers und man hofft mit Sandra, dass sie Andrea noch retten kann.
Am Ende fügt sich alles perfekt zusammen, nur auf das eigentlich Tatmotiv hätte noch ein bisschen mehr eingegangen werden können.
Die Sticheleien zwischen Sandra und Sascha sind wieder absolut gelungen und zaubern immer wieder ein Lächeln ins Gesicht. Diese kleinen Kabbeleien sind wie das Salz in der Suppe! Doch Sascha ist diesmal ein bisschen zurückhaltender, denn ihm quälen ein paar private Probleme rund um seine Tochter.
Am Ende gibt es, wie schon im letzten Buch, einen kleinen Ausblick in den kommenden Band...ein kleiner Cliffhänger, der eine kleine "Bombe" platzen lässt...

Schreibstil:
Claudia Rossbacher schreibt sehr flüssig und baut viel Lokalkolorit mit in ihre Krimis ein. Die Spannungskurve ist diesmal konstant hoch. Am Beginn jedes Kapitels stehen Orts- und Zeitangaben.
Die Gegend rund um die Thermenregion wird sehr bildhaft beschrieben und auch die typischen österreichischen bzw. steirischen Dialektwörter dürfen nicht fehlen. Am Ende des Buches gibt es wieder ein Glossar für unsere deutschen Freunde...

Das Cover passt wieder hervorragend zum Erkennungsmerkmal der Reihe: das Herz. Diesmal ist es von (Thermal-)Wasser und Blutstropfen umgeben.
Für mich ist "Steirerquell" einer der besten Krimis aus der Reihe von Claudia Rossbacher.

Fazit:
Der 8. Band rund um Sandra Mohr und Sascha Bergmann bietet viel Spannung und Lokalkolorit und konnte mich absolut überzeugen. Für mich ist er neben "Steirerherz" und "Steirerkreuz" der beste Krimi der Reihe.

Veröffentlicht am 05.04.2018

Die Gartenfee

Hortensiensommer
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Mein zweites Buch von Ulike Sosnitza (nach "Novemberschokolade"), das wieder mit einem unglaublich tollen Cover aufwarten kann. Das unbeschwerte Bild mit Kirschen, Eiscreme und einer Hortensienblüte, sowie ...

Mein zweites Buch von Ulike Sosnitza (nach "Novemberschokolade"), das wieder mit einem unglaublich tollen Cover aufwarten kann. Das unbeschwerte Bild mit Kirschen, Eiscreme und einer Hortensienblüte, sowie der Titel "Hortensiensommer" lassen wieder locker-leichte Lektüre vermuten, doch diesmal versteckt sich sehr viel Schwermut dahinter.

Auch wenn der Roman beschwingt und eher leicht beginnt, da Johanna ihren "Love-Interest" bereits auf den ersten Seiten kennenlernt, geht der Roman viel tiefer, als er vermuten lässt. Denn Johanna hat einige sehr schwere Jahre hinter sich - eine Tragödie, die sie bis in die Gegenwart nicht verarbeitet und verdrängt hat. Eine tiefe Traurigkeit umgibt sie Tag und Nacht. Ihre ganze Liebe widmet sie den Pflanzen. Nach der Scheidung von ihrem Mann hat sie sich selbstständig gemacht. Mit ihrem grünen Bus mit der Aufschrift "Die Gartenfee - mobile Gartenpflege" übernimmt sie Arbeiten in fremden Gärten und gibt auf ihrem Blog Hilfe bei Problemen mit Pflanzen für Menschen ohne grünen Daumen - wie mich ;) Sie lebt allein in einem viel zu großen Haus mit Garten. Nach einem bösen Reinfall mit ihrer letzten Mieterin ist sie auf der Suche nach einem neuen Untermieter für die kleine Einliegerwohnung. Ihre Wahl fällt auf den alleinstehenden Mathematiklehrer Philipp. Nach und nach wird eine Freundschaft daraus, die allerdings bald auf eine harte Probe gestellt wird....

Johanna ist keine einfache Protagonistin. Sie lebt in ihrem Schneckenhaus und ist anderen Menschen gegenüber sehr distanziert. Dabei umgibt sie immer eine Aura von Traurigkeit. Der Leser kann sich zwar bald denken, warum sie trauert, doch Näheres erfahren wir erst im letzen Drittel des Buches. Manche Aktionen von Johanna konnte ich nicht ganz nachvollziehen, aber sehr viele. Ihr großes Problem ist, dass sie sich mit ihren Schicksalsschlag bis heute nicht wirklich auseinandergesetzt hat. Alles wurde verdrängt, nicht einmal die Eltern und ihre Schwester Franzi durften darüber reden. Zusätzlich vermeidet Johanna jeglichen Umgang mit Menschen, die sie an ihr Schicksal erinnern. Dass dies nicht gutgehen kann, ist vorauszusehen. Als sie sich mit Philipp immer mehr anfreundet, scheint sie auf dem rechten Weg zu sein und langsam ins Leben zurück zu finden. Doch dann entdeckt Johanna, dass ihr Philipp etwas verheimlicht hat....
Nicht nur Johanna, sondern auch der Leser erlebt ein Wechselbad der Gefühle, jedoch nicht wie erwartet wegen einer Lovestory, sondern durch bestimmte Ereignisse aus Johannas Vergangenheit.

Die Erzählperspektiven wechseln zwischen Johanna und Philipp und lassen den Leser an ihrer jeweiligen Gefühlswelt teilhaben. Jeder erzählt aus der Ich-Perspektive. Die Themen sind nicht immer leicht, aber Ulrike Sosnitza hat genau den richtigen Ton getroffen und das richtige Gespür wie sie den Leser begeistern kann. Es wird weder kitschig, noch zu melodramatisch. Ich habe den Roman in einem Rutsch durchgelesen und konnte mich nur schwer von der Geschichte trennen.

Die Charaktere sind sehr gut gezeichnet. Johanna ist etwas distanziert dargestellt, wie sie sich im Roman auch den anderen Menschen gegenüber verhält. Nicht alle ihre Verhaltensweise konnte ich gutheißen.
Philipp ist ein sehr warmherziger und geduldiger Mann. Das muss er auch, um die Freundschaft mit Johanna nicht zu gefährden. Er bemüht sich sehr und will Johanna überzeugen, dass sie sich ihrer Vergangenheit stellen muss, damit sie zwar nicht vergessen, aber abschließen kann.
Mit Franzi, der Schwester von Johanna, hat die Autorin einen wunderbaren Charakter erschaffen. Sie ist eine liebevolle Schwester, die ihre eigenen Probleme hinten anstellt, aber trotzdem ihren Weg geht.

Die bildhafte Umgebung rund um das fränkische Weindorf Sommerhausen bringt viel Lokalkolorit mit sich. Auch die Beschreibung der Pflanzen, welche Eigenschaften sie haben und wo man sie am Besten pflanzt, wurde wunderbar beschrieben. Ich verspürte noch mehr Sehnsucht nach dem Frühling, um endlich meinen Garten aus dem Winterschlaf zu holen.

Schreibstil:
Ulrike Sosnitza schreibt wunderbar einfühlsam, lebendig und flüssig. Der Schreibstil ist sehr dialoglastig. Die bildhaften Beschreibungen der Pflanzen, Blumen und auch der Landschaft sind wunderbar eingefangen und man sieht sich beim Lesen selbst in einer grüner Oase. oder zwischen den Weinbergen wandeln...

Fazit:
Cover und Titel lassen auf einen leichten und lockeren Sommerroman schließen. Dahinter steckt jedoch eine melancholische Geschichte über Verlust und Trauer, aber auch über Neuanfang und einem Leben, das so bunt und vielfältig wie ein Sommerstrauß sein kann.

Veröffentlicht am 03.04.2018

Zeit für Veränderungen

Tiefe Havel
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Im dritten Band rund um Hauptkommissar Toni Sanftleben steigen wir gleich direkt mit einem spannenden Prolog in die Geschichte ein. Als Leser ist man direkt dabei, als der Schiffskapitän Jürgen Seitz auf ...

Im dritten Band rund um Hauptkommissar Toni Sanftleben steigen wir gleich direkt mit einem spannenden Prolog in die Geschichte ein. Als Leser ist man direkt dabei, als der Schiffskapitän Jürgen Seitz auf seinem Schiff überfallen und getötet wird. Der Täter verschwindet so geheimnisvoll, wie er an Bord gegangen ist. Als der Potsdamer Hauptkommissar zum Tatort gerufen wird, stehen die Ermittler vorerst vor einem Rätsel. Wie kam der Mörder aufs Schiff? Warum wurde Jürgen Seitz, der Kapitän, der knapp vor seiner Rente steht, ermordert ?
Bald schon scheinen Geldprobleme als möglicher Grund auf, denn Seitz Enkeltochter ist schwer krank und benötigt eine kostspielige Therapie in den USA. War Seitz deswegen kurz vor seiner Pensionierung in krumme Geschäfte verwickelt?

Schon nach den ersten Zeilen war ich wieder mitten im Geschehen rund um Toni, Sofie, Gesa und Phong. Doch im dritten Band ist die Stimmung am Kommissariat anfangs nicht wirklich gut. Schmitz, Toni's unsympathischer Chef, wird immer ungemütlicher und arbeitet immer offensichtlicher gegen Toni. Auch Phong arbeitet eher lustlos am Fall, was ihm gar nicht ähnlich sieht. Toni kann das im Moment so gar nicht brauchen, denn auch im Privatleben spitzen sich die Probleme zu, die ihm schwer zu schaffen machen. Diese sind in diesem dritten Band der Reihe wieder deutlich mehr in den Vordergrund gerückt. Und auch seine Alkoholprobleme werden wieder aktuell...

In einem zweiten Handlungsstrang lernen wir Sandro kennen. Er kommt aus dem Jugendknast und hat auf einem Bauernhof eine Stellung bekommen. Seine Liebe gilt dem Problempferd Bonita. In der Stute sieht er eine Seelenverwandte. Durch seine liebevolle Pflege wird Bonita zu einem beliebten Dressurpferd, das immer mehr Gewinne einheimst. Das entgeht auch dem geizigen Hofbesitzer und Pferdezüchter nicht....
Wie die beiden Erzählstränge zusammenhängen? Das müsst ihr selbst lesen! Eines kann ich euch aber verraten...es wird spannend!
Denn....der Spannungsbogen bleibt während der 288 Seiten dauerhaft oben und steigert sich am Ende noch zu einem großrartigen Showdown.

Schreibstil:
Wie schon in seinen Vorgängern hat mich Tim Pieper mit seinen rasanten und bildhaften Schreibstil gepackt. Trotz der gut durchleutenden Hintergrundgeschichte, die sich Stück für Stück zu einem Ganzen zusammensetzt, erzählt Pieper klar und aussagekräftig.
Auch diesmal gibt es wieder zwei Erzählstränge, wobei der rund um Toni und dem Ermittlerteam im Vordergrund stehen. Dazwischen gibt es einige kurze Kapitel aus der Sicht des Täters. Die Kapitel sind allgemein wieder kurz gehalten.

Fazit:
Auch der dritte Band rund um Hauptkommissar Toni Sanftleben konnte mich wieder überzeugen und hat mir einige spannende Stunden an der Havel beschert. Ich freue mich schon auf den Folgeband...

Veröffentlicht am 30.03.2018

Familiendrama vor und nach dem Mauerfall

Kranichland
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Mit ihrem Debütroman ist Anja Baumheier ein Volltreffer gelungen. Die Familiengeschichte der Groens, die sich über fast 80 Jahre erstreckt, beginnt nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges.

Der erst 16-jährige ...

Mit ihrem Debütroman ist Anja Baumheier ein Volltreffer gelungen. Die Familiengeschichte der Groens, die sich über fast 80 Jahre erstreckt, beginnt nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges.

Der erst 16-jährige Johannes Groen hat seine gesamte Familie verloren und landet nach seiner Flucht aus Schlesien in Rostock. In einem Flüchtlingslager trifft er auf den Russen Kolja, der der FDJ (Freie deutsche Jugend) angehört und ihm einen Arbeitsplatz verschafft. Obwohl Kolja nicht viel älter als Johannes ist, wird er zu Johannes "Vaterersatz" und sein bester Freund. Die beiden jungen Männer sind beim Aufbau der neuen deutschen demokratischen Republik von Anfang an dabei. Johannes glaubt an das System, das alle Menschen gleichstellen soll. Als er Elisabeth kennenlernt, heiraten die Beiden und leben im Haus von Elisabeths Mutter in Rostock, wo auch Töchterchen Charlotte geboren wird. Doch Kolja verhilft Johannes zu einer höheren Stelle in Berlin und die Familie muss umziehen. Elisabeth bekommt als Krankenschwester einen Platz in der Charité. Sie ist alles andere als glücklich, da Johannes in Berlin noch weniger Zeit für sie hat und eine tolle Karriere beim Ministerium für Staatssicherheit hinlegt. Nach Charlotte kommt Marlene zur Welt, doch während Charlotte der Augenstern ihres Vaters ist und im Sozialismus aufgeht, ist Marlene aufrührerisch und bezweifelt immer stärker die Politik des Landes....

Gegenwart. Theresa erhält von einer Anwaltskanzlei die Benachrichtigung, dass sie in Rostock gemeinsam mit einem gewissen Tom Halász ein Haus geerbt hat. Das Mysterische daran ist, dass sie es von ihrer Schwester Marlene vererbt bekommt, die vor ihrer Geburt mit 17 Jahren bei einem Bootsunfall ums Leben gekommen ist. Wie kann das möglich sein ? Die Nachfrage bei ihrer Mutter bringt Theresa nicht wirklich weiter, denn Elisabeth leidet an Demenz. Auch ihre Schwester Charlotte kann sich nicht erklären, was hinter diesem Testament stecken könnte. Theresa und ihre Tochter Anna machen sich auf die Suche nach dem ominösen zweiten Begünstigten, Tom Halász....

Die beiden Erzählstränge wechseln sich ab und das Familiengeheimnis der Groens wird nach und nach aufgedeckt. Die Atmosphäre hat die Autorin dabei großartig eingefangen. Einige Dinge waren dabei ein bisschen vorhersehbar, was jedoch nicht weiter schlimm war. Einen Roman, der sich über fast 80 Jahre deutscher Zeitgeschichte spannt, ist dies "verziehen", denn hier war auch sehr viele Recherchearbeit der Autorin nötig. Zwar selbst in der DDR aufgewachsen, war sie Teil dieses Regimes, jedoch noch ein Kind. In diesem Alter nimmt man Dinge noch ganz anders wahr...

Als Österreicherin war ich zwar von kommunistischen Nachbarländern umgeben, aber sehr viel wusste ich damals als Kind und Jugendliche auch nicht darüber. In diesem Alter hat man auch meistens andere Dinge im Kopf, um sich mehr mit diesem Thema auseinderzusetzen. Ich hatte damals eine sehr nette Brieffreundin aus der DDR, Sylka, die sich aber kurz vor dem Mauerfall nicht mehr bei mir gemeldet hat. Gerne würde ich erfahren, was aus ihr geworden ist....
Dieses wichtige und sehr emotionale Ereignis habe ich damals im TV gesehen und freute mich über die Wiedervereinigung. In diesem Roman von Anja Baumheier habe ich nun hinter die Fassade der damaligen DDR geblickt und so einiges mehr erfahren. Die Bespitzelungen, die mit der Zeit immer schlimmer wurden und den Menschen kaum mehr ein "normales" Leben ermöglichte, lassen jeden, der es nicht selbst miterlebt hat, ungläubig den Kopf schütteln. Besonders grausam fand ich den Abschnitt über einen Gefängnisaufenthalt. Isolation, Schlafentzug und psychische Spielchen waren dort Alltag. Der Freikauf von Häflingen durch die BRD zeigt auch ein unseriöses Bild des Westens.
Auf den über 400 Seiten erlebt man nicht nur den Zerfall des ehemaligen Ostdeutschland, sondern auch den einer ganzen Familie...

Schreibstil:
Anja Baumheier erzählt in einem berührenden und flüssigen Schreibstil. Man kann sich schwer ihrer Erzählweise entziehen. Die Charaktere sind detailliert gezeichnet und im Kopf entstehen Bilder der einzelnen Figuren. Sie haben alle Ecken und Kanten und entwickeln sich weiter.
Die politischen Zusammenhänge wurden sehr gut erklärt. Die einzelnen Kapitel werden mit einer Ortsangabe und der Jahreszahl gekenntzeichnet. Toll fand ich den Zusatz bei den Seitenzahlen unten von "Damals" und "Heute".

Fazit:
Ein wirklich starkes Debüt! Ein Roman, der deutsche Zeitgeschichte über fast achzig Jahre lebendig macht und aufzeigt, wie eine Familie daran zerbrechen kann...und wieder aufstehen. Eine spannende Zeitreise, toll recherchiert und absolut lesenswert!