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Veröffentlicht am 08.04.2018

Ein Besuch stellt Moritz‘ Leben auf den Kopf

Dunkelgrün fast schwarz
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Moritz und seine Freundin Kristin freuen sich auf ihr erstes Kind, der Entbindungstermin steht kurz bevor. Doch dann steht Moritz‘ bester Freund Raffael vor der Tür, den er seit sechzehn Jahren nicht gesehen ...

Moritz und seine Freundin Kristin freuen sich auf ihr erstes Kind, der Entbindungstermin steht kurz bevor. Doch dann steht Moritz‘ bester Freund Raffael vor der Tür, den er seit sechzehn Jahren nicht gesehen hat. Es gab eine Zeit, da waren sie als Motz und Raf unzertrennlich. Sie beide, und Jo. Doch dann ist etwas passiert. War es von Beginn an eine unausweichliche Konsequenz? Oder doch nur eine zufällige Entwicklung? Und was heißt das heute für sie?

Die dunklen Farben des Covers machten mich neugierig, welche Geheimnisse ich wohl entdecken werde, wenn ich einen Blick hinter die abgebildeten Farne und zwischen die Buchdeckel werfe. Gleich zu Beginn wird Moritz‘ Leben von einem Moment auf den nächsten auf den Kopf gestellt, als sein bester Freund nach sechzehn Jahren als Übernachtungsgast vor der Tür steht.

Im Folgenden springt das Buch in die Vergangenheit und erzählt aus der Perspektive von Moritz‘ Mutter Marie, wie die Freundschaft der beiden begonnen hat. Marie ist mit ihren beiden Kindern von Wien aufs Land nach Hallein gezogen, es war zu wenig Platz in der engen Stadtwohnung. Ihr Mann Alexander hat dort ein Haus von seinen Großeltern geerbt. Hier soll sie auf ihn warten, bis er mit dem Medizinstudium fertig ist. Sie ist eine Fremde - genau wie Sabrina, Raffaels Mutter. Und doch sind die beiden ganz verschieden. Moritz und Raf scheinen sich hingegen gefunden zu haben. Doch da gibt es immer wieder Momente, die Marie ins Grübeln bringen, wie gut die Freundschaft für Moritz ist.

Zurück in der Gegenwart lernt man eine weitere Beteiligte kennen: Johanna lebt in Florenz und muss feststellen, dass Raf gegangen ist. Sie setzt alles daran, ihn wiederzufinden, wie sie es schon oft getan hat. Indem der Roman regelmäßig zwischen der Gegenwart und Vergangenheit sowie den Perspektiven von Moritz, Marie und Johanna wechselt taucht man als Leser immer tiefer ins Geschehen ein und begreift Stück für Stück, was eigentlich vor sich geht. Das ist zunächst weder dem Leser noch Moritz klar, als Raffael so urplötzlich in sein Leben eindringt. Der Autorin gelingt es, mich durch die von ihr gewählten Worte zu fesseln und die Geschichte gleichzeitig so geschickt zu erzählen, dass ich auf der Suche nach Antworten unbedingt weiterlesen wollte.

Dunkelgrün fast schwarz ist die Aura, die Raffael umgibt, als er sich bei Moritz einnistet. Denn Moritz sieht bei jedem Menschen Farben, die ihn umgeben. Ein wohlgehütetes Geheimnis, das er Raf damals verraten hat. Mit seinem Verhalten und den Erinnerungen, die er mit sich bringt, reißt er bei Moritz alte Wunden auf. Wie Johanna ins Bild passt, gilt es herausfinden. Am Ende steht ein Begreifen, das viele unterschiedliche Gefühle auslöst und die Frage aufwirft, inwiefern späte Erkenntnis hilft oder schadet. Ein gelungener Abschluss für dieses ungewöhnliche Buch.

Der Autorin Mareike Fallwicks ist mit „Dunkelgrün fast schwarz“ ein starkes literarisches Debüt gelungen. Die Geschichte von Motz, Raf und Jo ist alles andere als eine typische Dreiecksgeschichte. Mit einnehmender Sprache erzählt sie von einer Freundschaft, die manch einer wohl als verhängnisvoll bezeichnen würde. Ich kann jedem nur raten, sich auf diese besondere Geschichte einzulassen und an der Seite der Charaktere die Vergangenheit zu entschlüsseln, um die Gegenwart zu deuten.

Veröffentlicht am 08.04.2018

Was geht vor sich im Marschland?

Totenweg
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Frida Paulsen arbeitet als Polizistin in Hamburg. Nach zehn Jahren bei der Schutzpolizei absolviert sie gerade ihr Studium an der Polizeiakademie, um bei der Kriminalpolizei arbeiten zu können. Als sie ...

Frida Paulsen arbeitet als Polizistin in Hamburg. Nach zehn Jahren bei der Schutzpolizei absolviert sie gerade ihr Studium an der Polizeiakademie, um bei der Kriminalpolizei arbeiten zu können. Als sie die Nachricht erhält, dass ihr Vater hinterrücks niedergeschlagen wurde, fährt sie sofort in ihre Heimat im Marschland. Wer hat ihrem Vater das angetan und warum? Bjarne Haverkorn von der Mordkommission aus Itzehoe soll die Tat untersuchen und nutzt die Gelegenheit, um auch seinen Cold Case Marit Ott noch einmal zu beleuchten. 1998 wurde die Jugendliche, die Fridas beste Freundin war, ermordet in einer Scheune gefunden. Während Haverkorn sich in der Gegend umhört, stößt Frida beim Versuch, den Hof ihrer Eltern zu retten, bald auf alte Geheimnisse und neue Feinde.

Das Cover von „Totenweg“ zeigt eine weitläufige, verlassene Landschaft mit einer Scheune im Hintergrund. Der perfekte Ort, um unbemerkt ein Verbrechen zu begehen? So ist es zumindest im Jahr 1998 passiert, als Marit Ott an einem solchen Ort ermordet aufgefunden wurde. Das Leben der Protagonistin Frida war danach nicht mehr dasselbe – ihre beste Freundin tot, sie als Ausreißerin im Internat. Bis heute trägt sie ein Geheimnis mit sich herum, obwohl sie es als Polizistin inzwischen besser wissen sollte. Ich war neugierig, sie besser kennenzulernen und in Aktion zu erleben.

Die Nachricht vom Angriff auf ihren Vater erreicht Frida nach wenigen Seiten und so reist sie auf den Hof ihrer Eltern, um ihrer Mutter beizustehen. Gut konnte ich verstehen, dass sie angesichts der schwierigen Lage – ihr Vater ringt um sein Leben und um den Hof steht es schlecht – erst einmal Urlaub nimmt und beschließt, zu bleiben. Auch über Haverkorn, der als Ermittler aus Itzehoe anreist, erfährt der Leser schnell mehr. Bis heute hat ihn der ungelöste Fall Marit Ott nicht losgelassen, bei dem er zum ersten und letzten Mal die Mordkommission geleitet hat. Dass Frida nun selbst Polizistin ist, überrascht ihn zunächst. In seinen Augen ist sie immer noch die Jugendliche, die ihm etwas verheimlicht hat. Für Frida ist er hingegen der Polizist, der sie damals mit seinen Fragen nicht in Ruhe lassen wollte.

Frida und Haverkorn bilden kein Ermittlerduo im eigentlichen Sinne, kommen bei ihren Nachforschungen aber auch nicht aneinander vorbei. Aufgrund der Vorgeschichte begegnen sie sich erst einmal recht distanziert und tauschen trotz des gemeinsam Berufsstandes nicht viele Informationen aus. Haverkorn versucht mittels Befragungen, systematisch mehr Licht ins Dunkel des aktuellen und alten Falls zu bringen. Gleichzeitig stößt Frida durch Gespräche mit alten Bekannten und bei ihren Versuchen, den Hof zu retten, unweigerlich auf einige Ungereimtheiten. Hängt alles miteinander zusammen? Ergibt sich daraus ein Motiv? Oder werden die Zeichen falsch gedeutet?

Dem Leser wird viel Raum zur Spekulation gelassen und neue Erkenntnisse zwingen immer wieder zum Umdenken. Diese Unvorhersehbarkeit hat mir gefallen. Gleichzeitig gelingt es der Autorin, die Atmosphäre des weitläufigen Marschlandes einzufangen, in welchem es auch so manchen unheimlichen Moment gibt. Die Geschichte wird zunehmend komplexer und bietet unterschiedliche Facetten, während Frida und Haverkorn sich weiterentwickeln. Über weite Teile geht es zügig, aber sortiert zu, bis sich die Ereignisse schließlich überschlagen. Bei den letzten Seiten muss man einfach mitfiebern und der Spannungsbogen wird gelungen abgerundet.

In „Totenweg“ hat die Autorin mit den zwei ungleichen Polizisten Frida und Haverkorn authentische Charaktere geschaffen, die ich gerne begleitet und näher kennengelernt habe. Die Ermittlungen sind vielschichtig und bieten Überraschungen sowie falsche Fährten. Auf die bereits angekündigte Fortsetzung freue ich mich schon jetzt. Ein starkes deutsches Krimidebüt, das ich klar empfehlen kann!

Veröffentlicht am 08.04.2018

Actionreiche Space Fantasy mit einigen Überraschungen

Die Krone der Sterne
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Ein Jahr ist vergangen, seit Inizia, Glanis, Shara und Kranit den Piratenplaneten Noa erreicht haben. Während Iniza sich um ihre Tochter Tanys kümmert und immer wieder ihren eingesperrten leiblichen Vater ...

Ein Jahr ist vergangen, seit Inizia, Glanis, Shara und Kranit den Piratenplaneten Noa erreicht haben. Während Iniza sich um ihre Tochter Tanys kümmert und immer wieder ihren eingesperrten leiblichen Vater Hadrath besucht, um ihm seinen Irrglauben in Bezug auf die STILLE vor Augen zu führen, ist Glanis als neuer Sicherheitschef Verschwörern auf der Spur. Shara und Kranit werden unterdessen auf einer Mission verraten und müssen große Wagnisse eingehen im Versuch, sich zu retten. Bald wird klar, dass an machtvollen Positionen so manch größerer Plan kurz vor der Umsetzung steht.

Nach einem mitreißenden ersten Teil habe ich mich sehr gefreut, dass es mit „Hexenmacht“ eine Fortsetzung von „Die Krone der Sterne“ gibt. Sehr hilfreich fand ich die kurze Zusammenfassung der Welt und der bisherigen Ereignisse auf den ersten Seiten. Damit war ich im Nu startklar für neue Abenteuer. Und es geht gleich spannend los: Shara und Kranit befinden sich gemeinsam auf einer Mission, als das Piratenschiff die Hypersprungschleuse viel zu früh verlässt und sie feststellen müssen, dass sie verraten wurden.

Während es für die beiden gleich actionreich wird, startet der Erzählstrang rund um Iniza ein wenig ruhiger. In Gesprächen mit dem eingesperrten Hadrath will sie die Oberhand gewinnen und lässt sich von ihm doch aus dem Konzept bringen. Doch auch für sie ist Untätigkeit nichts. Als es zu überraschenden Zwischenfällen kommt, steckt sie bald schon wieder mittendrin im Geschehen. Und auch Glanis ist wieder mit Entschlossenheit bei der Sache und verfolgt unbeirrt sein Ziel.

Der Zeitsprung hat der Geschichte gut getan, um allen Charakteren eine kurze Verschnaufpause zu gönnen, denn in diesem Buch geht es wieder richtig zur Sache. Ob actionreiche Gefechte, spannende Verfolgungsjagden oder spektakuläre Raumschiff-Schlachten – hier ist für jeden, der einen guten Kampf zu schätzen weiß, etwas dabei. Gleichzeitig kommt es zu mancher Überraschung und geheime Pläne mit großen Konsequenzen werden stückweise aufgedeckt. Nach wie vor finde ich das Setting für all das genial – eine futuristische und imposante Welt, in welcher der technische Fortschritt seit Jahrhunderten unterdrückt wird und in der die genutzte Technik deshalb schon uralt und nicht ganz zuverlässig ist.

Schön fand ich auch, dass man in diesem Band viel neues über die Charaktere erfahren hat. Insbesondere Glanis, der im ersten Buch etwas blass daher kam, darf sich im Zusammenspiel mit Fael, dem Anführer der Piraten, zeigen. Und bei Shara und Kranit erfährt man brisante Details aus ihrer Vergangenheit, die sie bislang verschwiegen haben. Dadurch wird möglich, was undenkbar erschien. Zum Ende hin gibt es ein Feuerwerk an hochspannenden und erschreckenden Momenten, welche die Frage aufwerfen, wie es unter diesen Bedingungen weitergehen kann. Sie liefern mehr als ein Argument, warum auch der dritte Teil der Reihe ein absolutes Must Read sein wird!

In „Die Krone der Sterne: Hexenmacht“ müssen die Charaktere erneut ihr ganzes Geschick beim Kämpfen und Verhandeln unter Beweis stellen. Auf verschiedenen Stellen werden im Geheimen Pläne geschmiedet – und Iniza, Glanis, Shara und Kranit sind im Nu mittendrin. Wer Lust auf eine actionreiche Space Fantasy hat und den ersten Band schon kennt, der sollte sich die Fortsetzung nicht entgehen lassen!

Veröffentlicht am 08.04.2018

Suche nach der Wahrheit im historischen Hollywood

Der Mann, der nicht mitspielt
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Hollywood, 1921: Hardy Engel versucht wie die meisten Menschen in der Stadt, als Schauspieler zu arbeiten. Dabei springt jedoch nur gelegentlich eine Statistenrolle für ihn heraus. Als ehemaliger deutscher ...

Hollywood, 1921: Hardy Engel versucht wie die meisten Menschen in der Stadt, als Schauspieler zu arbeiten. Dabei springt jedoch nur gelegentlich eine Statistenrolle für ihn heraus. Als ehemaliger deutscher Polizist bietet er deshalb seine Dienste als privater Ermittler an. Einer seiner ersten großen Aufträge lautet, herauszufinden, wo die Schauspielerin Virginia Rappe steckt. Auf einer wilden Party in San Francisco wird er bald fündig, doch ihr Zustand ist kritisch und am nächsten Tag ist sie tot. Für die Presse ist klar, dass der Gastgeber Fatty Arbuckle, einer der erfolgreichsten Stars Hollywoods, verantwortlich ist. Doch Hardy glaubt nicht an diese Version und führt seine Ermittlungen fort. Er stößt auf ein Netz aus Geheimnissen, Vertuschung und Erpressung, bei denen einige der mächtigsten Männer Hollywoods involviert sind.

Das Hollywoold der 20er Jahre als Schauplatz für einen Spannungsroman hat mich neugierig gemacht. Es handelt sich um ein fiktives Werk, in dem einige Aspekte eines tatsächlichen Falls, der nie ganz aufgeklärt wurde, aufgegriffen werden. Der sogenannte Arbuckle-Skandal hat zur damaligen Zeit für großes Aufsehen gesorgt. Hardy Engel als fiktiver Erzähler erklärt, zu wissen, was tatsächlich vorgefallen ist, und erzählt dem Leser seine Version der Ereignisse.

Alles beginnt mit einem harmlos erscheinenden Auftrag, den Hardy als privater Ermittler annimmt, um seinen mageren Verdienst aus gelegentlichen Statistenrollen aufzubessern. Die rothaarige Pepper steht auf seiner Türschwelle und bietet ihm eine verlockende Summe, um Virginia Rappe im Auftrag ihres Verlobten zu suchen. Als er von einem Bekannten, dem Sicherheitschef eines Studios, mehr Informationen über die Vermisste einholen will, bekommt er gleich einen zweiten Auftrag: Er soll Koks an den Start des Studios, Fatty Arbuckle, liefern, der sich wie Rappe in San Francisco aufhält.

So erhält der Leser schon bald Einblicke in das ausschweifende Leben der Schauspieler Hollywoods. Der Alkohol fließt trotz Prohibition in Strömen und die Studios liefern selbst Drogen an ihre Stars aus, damit sie von niemandem erpresst werden können. Das ihm gebotene Geld reizt Hardy, in diese Welt einzutauchen. Doch er ist ein Mann mit Prinzipien, dem die Wahrheit wichtig ist. Als Virginia Rappe stirbt und er herausfindet, dass sein Auftraggeber ein ganz anderer ist als gedacht, steckt er schon mittendrin.

Hardy erhält den Auftrag, die Ermittlungen fortzuführen und die Wahrheit über Rappes Tod ans Licht zu bringen. An Hinweisen mangelt es ihm dank seines geschickten Vorgehens nichts. Doch bald kommt es rund um seine Nachforschungen zu weiteren Toten. Der Handlung überzeugt mit spannenden Entwicklungen und immer neuen Wendungen, die das, was man zu wissen glaubte, erneut in Frage stellen. Begegnungen mit Studiobossen und weiteren Sicherheitschefs zeigen die Skrupellosigkeit und Berechnung, mit der agiert wird. Vielen von ihnen ist Hardy mit seiner Einstellung, nicht an Vertuschungen mitwirken zu wollen, ein Dorn im Auge. Das bringt ihn schließlich selbst in Gefahr.

Auch die Macht der Presse wird in der Geschichte beleuchtet und viele der Szenen brachten mich ins Nachdenken über die Frage, wer in diesem Fall überhaupt an der Wahrheit interessiert ist. Schließlich kommt es zum Prozess, der damals tatsächlich stattgefunden hat. Die Beschreibung dessen hatte kleine Längen, doch Hardys Bericht ist damit noch nicht abgeschlossen. Stattdessen kommt es noch einmal zu dramatischen Momenten, schockierenden Beichten und überraschenden Erkenntnissen. Zum Abschluss gesteht Hardy, auch im nächsten großen Skandal rund um die Ermordung des Regisseurs William Desmond Taylor mehr zu wissen, als weitläufig bekannt ist. Ich freue mich darauf, im nächsten Band mehr darüber herauszufinden.

„Der Mann, der nicht mitspielt“ – das ist Hardy Engel. Er erhält nur selten eine Statistenrolle in Hollywood, vor allem aber weigert er sich, bei den von den mächtigsten Männern der Filmindustrie initiierten Vertuschungen mitzuwirken. Die Suche nach der Wahrheit rund um den Tod der Schauspielerin Virginia Rappe konnte mich fesseln und die Einblicke ins Hollywood der Zeit waren authentisch und interessant. Wer gerne historische Spannungsromane liest, der sollte unbedingt die Bekanntschaft mit Hardy Engel machen!

Veröffentlicht am 08.04.2018

Was es heißt, mit der Angst zu leben und sich nicht unterkriegen zu lassen

Rattatatam, mein Herz
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Die Angst ist seit ihrer Kindheit Franziska Seybolds ständiger Begleiter. Mit zwölf fällt sie beim Arzt in Ohnmacht. Was wäre, wenn ihr das noch mal passiert – wieder beim Arzt? Oder vor Kollegen? Oder ...

Die Angst ist seit ihrer Kindheit Franziska Seybolds ständiger Begleiter. Mit zwölf fällt sie beim Arzt in Ohnmacht. Was wäre, wenn ihr das noch mal passiert – wieder beim Arzt? Oder vor Kollegen? Oder in der U-Bahn? Überhaupt malt sie sich ständig aus, was alles geschehen könnte. Sind ihre feuchten Hände und ihr rasendes Herz ein Vorzeichen? Sollte sie besser aus der Situation fliehen? Die Autorin gibt Einblicke, was es für sie heißt, mit ihrer Angst zu leben und sich von ihr nicht unterkriegen zu lassen.

Fast jeder sechste Erwachsene in Deutschland leidet unter einer Angststörung – diese Zahl war mir schon länger bekannt, doch was heißt das für die Betroffenen? Anonyme Berichte findet man im Internet viele. In diesem Buch gibt Franziska Seyboldt ganz unanyonym preis, was das Leben mit der Angst für sie heißt. Dazu holt sie etwas aus, denn es ist gar nicht so einfach und schnell erklärt.

„[Die Angst] eignet sich einfach nicht für Smalltalk, dafür ist sie viel zu komplex. Und vieles verstehe ich ja selbst nicht.“ (S. 192)

Die Autorin beschreibt dem Leser, welche Situationen bei ihr Angst auslösen – rückblickend in ihrer Kindheit und Jugend sowie in ihrem Alltag heute. Ich durfte teilhaben an ihren Gedanken und Reaktionen in diesen Momenten, sodass ich einen Eindruck von ihren Innenleben erhalten habe. Sie berichtet von guten und schlechten Tagen, Erfahrungen mit Psychotherapie und Auszeiten, Situationen, in denen sie ihre Angst besiegt hat und innere Zwiegespräche mit jener. Interessant fand ich auch ihren Bericht über die Reaktionen ihrer Umwelt auf ihren Artikel über Angst, der schon vor diesem Buch erschienen sind.

Franziska Seybold ist sehr reflektiert und schlägt einen eher nachdenklichen Ton an, ist mal witzig, mal ernst. Man merkt beim Lesen, wie wichtig ihr dieses Thema ist, das heute kein Tabu mehr sein sollte. Gleichzeitig zeigt sie, dass sie kein Mitleid braucht und auch nicht die mit der Angststörung sein will. Die Angst ist ein Teil von ihr, aber nicht das, was sie hauptsächlich ausmacht. Ein ehrliches Buch, das mein Verständnis in Bezug auf Angststörungen vertieft hat und dem ich noch viele Leser wünsche.