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Veröffentlicht am 09.04.2018

Purer Lesegenuss

Die letzte Reise der Meerjungfrau
1

„Sie denken an uns, selbst wenn wir weit weg sind. Sie bilden sich ein, uns zu sehen. Sie erzählen sich Geschichten über uns“.
Geschichten hat Jonah Hancock natürlich schon über Meerjungfrauen gehört. ...

„Sie denken an uns, selbst wenn wir weit weg sind. Sie bilden sich ein, uns zu sehen. Sie erzählen sich Geschichten über uns“.
Geschichten hat Jonah Hancock natürlich schon über Meerjungfrauen gehört. Umso größer die Überraschung, dass sein Handelsschiff mit einer echten Meerjungfrau von der großen Fahrt zurückkehrt. Während er noch darüber nachsinnt, wie er den Verlust der teuren Anschaffung auch nur ansatzweise bereinigen kann, steht auch die junge Angelica Neal vor Geldsorgen. Bisher hat sie ihr Leben als Liebchen eines reichen Mannes bestritten, nur hat der leider unlängst ins Gras gebissen.

Was habe ich diesen Roman genossen! Die junge Autorin hat mit ihrem Debut mein Leserherz gewonnen und das liegt nicht nur an der außergewöhnlichen Geschichte, sondern auch an ihrem Erzählstil. Das 18te Jahrhundert wird in kräftigsten Farben gemalt, die Beschreibungen geben ein dreidimensionales Bild ab und ich habe mich sehr schnell in Hancocks Büro heimisch gefühlt, in Angelicas Wohnung vom Obst genascht oder in Mrs. Chappells Bordell die Dekadenz bestaunt. Die Autorin lässt sich Zeit eine stabile Atmosphäre aufzubauen, so dass sich die Geschichte langsam und natürlich entwickeln kann. Ich brauche keine actionlastige Story, wer da einen anderen Geschmack hat, dem wird die letzte Reise der Meerjungfrau nicht stürmisch genug sein; für mich war das Tempo perfekt. Sehr gut gefallen haben mir auch die Charaktere, die bei weitem keine 08/15-Pappkameraden waren. Der Fokus liegt mal auf Jonah, mal auf Angelica, was Einblicke in zwei völlig unterschiedliche Lebensweisen jener Zeit bringt. Die beiden sind grundverschieden und gerade diese Gegensätze machen den Reiz aus (was Jonah manchmal an Energie fehlt, hat Angelica wiederum im Überfluss). Gemocht habe ich beide, auch wenn so jeder seine Fehlerchen hat. Aber nicht nur die Hauptfiguren, sondern auch kleine Nebendarsteller (ich liebe Hancocks Nichte Sukie) haben sich sehr gut ins Gesamtbild eingefügt, sodass die Geschichte sehr rund geworden ist. Die Meerjungfrau bleibt ein mysteriöses Kuriosum, und als Leser wird die eigene Fantasie immer wieder mit einem durchgehen. Obwohl oft in Geschichten thematisiert, hat die Autorin diesen Wesen doch noch ein neues Gesicht verpassen können. Die Handlung entwickelt sich unvorhersehbar, ist manchmal spannend, oft auf feine Art und Weise witzig und schlägt doch auch ernste Töne an. Rundum gelungen also.
Mir hat dieser Roman ausnehmend gut gefallen und ich bin sehr froh, dass die Autorin bei ihrer Tätigkeit im Britischen Museum über eine „echte“ Meerjungfrau gestolpert ist und so zu diesem Roman inspiriert wurde. Was hätten wir ansonsten für eine gute Story verpasst ; )

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Atmosphäre
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 20.01.2018

Das Gen

Das Gen
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Mukherjee arbeitet als Arzt, ist aber auch als Autor medizinischer Sachbücher erfolgreich. Er arbeitet im Bereich der Stammzellenforschung, hat neben dem beruflichen Interesse aber auch ganz persönliche ...

Mukherjee arbeitet als Arzt, ist aber auch als Autor medizinischer Sachbücher erfolgreich. Er arbeitet im Bereich der Stammzellenforschung, hat neben dem beruflichen Interesse aber auch ganz persönliche Gründe für sein Interesse am menschlichen Genom: in seiner Familie treten gehäuft psychische Erkrankungen auf, Erkrankungen, die auch von genetischen Komponenten abhängig sind. Mukherjee nimmt den Leser mit auf eine Reise durch die Geschichte des Gens, der menschlichen DNA und durch die verschiedenen Labore und Forschungsstätten.
Genetik fand ich schon immer sehr faszinierend und so war ich an „Das Gen“ natürlich mit hohen Erwartungen herangegangen. Enttäuscht wurde ich nicht. Der Autor schafft den Spagat zwischen komplexer Thematik und erzählenden Passagen. Sachverhalte werden klar erläutert (an manchen Stellen schadet etwas Vorbildung sicherlich nicht), und auch schwierigere Zusammenhänge werden sehr gut erklärt. Mukherjee startet mit der Geschichte und den Anfängen der Genforschung, ab einem gewissen Zeitpunkt gab es jedoch parallel sehr viele bahnbrechende Entdeckungen, sodass die Kapitel thematisch und nicht mehr chronologisch gestaltet sind. Zunächst etwas verwirrend, aber dank kurzer Rückblicke findet man sich als Leser dann doch schnell zurecht. Das Buch gibt einen sehr guten Abriss über Vergangenheit und Gegenwart, wirft aber auch einen Blick in die Zukunft auf die Möglichkeiten, aber auch die Verantwortung, die sich aus den neuesten Technologien ergeben. Ich habe an vielen Stellen Wissen aufgefrischt, aber auch sehr viel Neues und Spannendes dazugelernt. Ein wirklich informatives, dennoch recht locker geschriebenes Sachbuch, das ich jedem mit Interesse am Kern des menschlichen Seins ans Herz legen möchte.

Veröffentlicht am 24.08.2017

Starke Frau zwischen zwei Kronen

Ich, Eleonore, Königin zweier Reiche
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Mit knapp 80 Jahren macht sich Alienor, ehemals Königin von Frankreich und England auf nach Kastilien. Sie will eine ihrer Enkelinnen aussuchen, um sie mit dem König von Frankreich zu verheiraten; so soll ...

Mit knapp 80 Jahren macht sich Alienor, ehemals Königin von Frankreich und England auf nach Kastilien. Sie will eine ihrer Enkelinnen aussuchen, um sie mit dem König von Frankreich zu verheiraten; so soll das fragile Verhältnis zwischen den beiden großen Nationen gefestigt werden. Die lange Rückreise verkürzt Alienor ihrer Enkelin Blanche mit Erzählungen aus ihrem turbulenten Leben.

Sabine Weigand hat das Leben einer der schillerndsten Persönlichkeiten des 12ten Jahrhunderts in einem tollen historischen Roman verarbeitet. Einen Großteil der Handlung machen die Berichte von Alienor selbst aus, sodass man jederzeit das Gefühl hat hautnah dabei zu sein. Und erlebt hat sie einiges, gilt nicht umsonst als eine der spannendsten Personen ihrer Epoche. Ihre erste Ehe mit Ludwig, König von Frankreich, war schon bald zum Scheitern verurteilt, doch anstatt sich klaglos in ihr Schicksal zu fügen, erwirkt Alienor kurzerhand die Auflösung dieser Verbindung. Ein Skandal in der damaligen Zeit. Auch ihre zweite Ehe war mehr als turbulent und da Alienor nun wirklich nicht dem Bild des fügsamen, schamhaften Frauchens entsprach, eckte sie mit ihren Ideen und Taten immer wieder an. Die Autorin schafft es sehr gut dem Leser zu vermitteln, welche Kraft es die Königin gekostet haben muss. Ich mochte sowohl die junge, als auch die alte Alienor, Weigand lässt ihre Figur glaubhaft älter und weiser werden; ihren bissigen Humor hat sie jedoch nie verloren, was immer wieder für Erheiterung sorgt. Immer wieder finden sich echte Briefe, Zeitzeugenberichte, Tagebucheinträge o.ä. in die Handlung eingebettet; mich hat es mal wieder fasziniert wie ein und dasselbe Ereignis oft ganz unterschiedlich wahrgenommen wurde. Gerade bei so einer skandalumwitterten Persönlichkeit wie Alienor fragt man sich dann immer, wie sehr man der Geschichtsschreibung trauen kann. Die Autorin hat jedoch sehr genau recherchiert, um ein möglichst authentisches Bild ihrer Hauptfigur wiederzugeben. Hervorragend gelungen, würde ich sagen. Ein ausführliches Nachwort, Stammbaum und Karten runden das Bild ab.
Ich hatte vor diesem Buch noch nichts von der Autorin gelesen, bin aber von ihrer Art Geschichte lebendig werden zu lassen, jetzt absolut überzeugt. Ein toller historischer Roman über eine starke Persönlichkeit. Klare Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 14.08.2017

Not my president

Der Präsident
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Amerika hat gewählt! Nur leider den Falschen. Zumindest sieht es Maggie Costello so. Doch statt ihren Job im Weißen Haus hinzuwerfen, bleibt sie tapfer auf ihrem Posten. Bald wird jeder Arbeitstag zur ...

Amerika hat gewählt! Nur leider den Falschen. Zumindest sieht es Maggie Costello so. Doch statt ihren Job im Weißen Haus hinzuwerfen, bleibt sie tapfer auf ihrem Posten. Bald wird jeder Arbeitstag zur Qual und als sie auf eine Verschwörung gegen den Präsidenten stößt, könnten auf einen Schlag all ihre Probleme gelöst sein. Maggie muss sich entscheiden: für die Gerechtigkeit oder für ihre Überzeugungen.

Sam Bourne hat sich vom aktuellen politischen Geschehen in den USA… nennen wir es mal „inspirieren“ lassen. Man könnte auch sagen, er hat ein fiktives Abbild von Trump geschaffen und vermeidet einfach nur dessen Namen schwarz auf weiß aufzuschreiben. Bournes Präsident leidet unter Twittersucht, Hitzköpfigkeit, biegt sich die Wahrheit gerne zurecht und – klar – alle Medien verbreiten seiner Meinung nach Fake News. Er ist nicht gerade der Feinfühligste, hält sich aber für den Größten; hochrangige Posten besetzt er gerne mit Freunden und Familienmitgliedern. Natürlich liegen zwischen Wahrheit und Fiktion noch einige Breitengrade, doch es ist schon erstaunlich wie sehr man dem Autor sämtliche Handlungen und Gedanken des POTUS abkauft. Gerade diese realitätsnahe Figurengestaltung macht einen großen Reiz dieses Buches aus, aber auch die fiktive Handlung an sich muss sich nicht verstecken. Im Stile der großen Verschwörungsthriller geht es actiongeladen und spannend zu, hochdramatisch und voller unerwarteter Überraschungen. Bourne schreibt sehr mitreißend und hatte mich mit seiner temporeichen Erzählung schnell an die Seiten gefesselt. „Der Präsident“ ist ein rundum gelungener Politthriller, der den Puls der Zeit trifft und spannende Lesestunden bietet. Stoff zum Nachdenken inklusive.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Atmosphäre
  • Charaktere
  • Recherche
  • Spannung
Veröffentlicht am 29.07.2017

Von Generation zu Generation

Heimkehren
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An der Goldküste im Afrika des 18ten Jahrhunderts liegen die Wurzeln von Effia und Esi. Sie sind Schwestern, wissen jedoch nichts von der Existenz der jeweils anderen. Beide müssen sich durchschlagen, ...

An der Goldküste im Afrika des 18ten Jahrhunderts liegen die Wurzeln von Effia und Esi. Sie sind Schwestern, wissen jedoch nichts von der Existenz der jeweils anderen. Beide müssen sich durchschlagen, eine wird die „Ehefrau“ eines weißen Engländers, die andere als niedere Sklavin verkauft. Ihre unterschiedlichen Lebenswege und die ihrer Nachkommen zeichnet die junge Autorin Yaa Gyasi nach.
Was bedeuten Heimat und Herkunft? Was heißt es „Schwarz“ zu sein? In Afrika – in Amerika? Wo liegen die eigenen Wurzeln und was macht es mit einer Person, wenn sie diese am liebsten kappen würde? Gyasi beschäftigt sich in ihrem wunderbaren Roman mit vielen Fragen der eigenen Identität, der gesellschaftlichen Strukturen und der familiären Bande. Wir begleiten zwei Familien durch die Geschichte, durch Bürgerkriege und Sklaverei, durch Aufstände und Rassentrennung. Meistens sind die Mütter und Töchter die Hauptfiguren der jeweiligen Generation; jede bekommt ein eigenes Kapitel. Die Autorin vermag es hervorragend den Zeitgeist der jeweiligen Generation, die familiären Strukturen und Veränderungen, aber auch die ganz eigenen persönlichen kleinen Probleme der jeweiligen Figur in ein Kapitel zu stecken. Das wirkt weder gepresst noch unübersichtlich, ganz im Gegenteil. Eine reichhaltige, wundervolle und auch lehrreiche Familienchronik entsteht durch die einzelnen Szenen, die zwar einzelne Zeitabschnitte beleuchten, aber trotzdem ein rundes Ganzes liefern. Auch sprachlich hat mir „Heimkehren“ sehr gut gefallen, die Autorin erzählt mitreißend und sehr flüssig, lässt sich aber auch Zeit für Details. Sowohl Liedgut als auch Sinnsprüche finden ihren Platz, von den Sitten der Fantestämme bis hin zu typischen Südstaatenbräuchen findet alles seinen rechten Platz. Gyasi übt immer auch dezente Kritik, jedoch nicht durch reißerisches Anprangern, sondern durch nüchterne Fakten. Nachdenklich macht ihr Roman auf jeden Fall. Sehr interessant fand ich auch den vorangestellten Artikel, den die Autorin zu Beginn der Trump’schen Präsidentschaft veröffentlichte. Eine kluge, junge Autorin, von der man hoffentlich noch viel hören und lesen wird.