Eine beeindruckende Geschichte über eine sehr starke Frau
Ich, Eleanor OliphantEleanor ist 30 Jahre alt, arbeitet in der Buchhaltung einer Design-Agentur und lebt seit 10 Jahren mit ihrer Zimmerpflanze Polly in einer bescheidenen Sozialwohnung. Soziale Kontakte hat sie keine. Einmal ...
Eleanor ist 30 Jahre alt, arbeitet in der Buchhaltung einer Design-Agentur und lebt seit 10 Jahren mit ihrer Zimmerpflanze Polly in einer bescheidenen Sozialwohnung. Soziale Kontakte hat sie keine. Einmal im Jahr kommt der Mann, der den Stromzähler abliest und hin und wieder bekommt sie Besuch von einer Sozialarbeiterin. Eleanor ist wahnsinnig einsam, jeden Abend verbringt sie allein und auch auf der Arbeit hat sie kaum Kontakt zu den Kollegen. Sie ist eine Außenseiterin, weil sie sich isoliert, weil sie anders aussieht und weil sie sich verhält, wie kein „normaler“ Mensch es tun würde. Als Leser begleiten wir Eleanor auf ihrem langen Weg hinaus aus der Isolation; erleben, wie sie ihre erste richtige Freundschaft knüpfen kann, wie sie aus ihrem Schneckenhaus herauskommt und ihre traumatische Vergangenheit aufarbeitet. Es ist die Geschichte einer unglaublich starken Frau, die endlich über ihren Schatten springt und Vertrauen zum Leben fasst.
Dieses Buch ist besonders. Es ist ganz anders, einfach weil Eleanor ein so verrückter und andersartiger Mensch ist. Eleanor ist Jemand, für den der Begriff weltfremd erfunden wurde. Sie hat keine Ahnung von der Welt „da draußen“, aber als ängstlich oder unsicher habe ich sie trotzdem selten erlebt. Die Autorin geht mit dieser Andersartigkeit sehr humorvoll um und bringt den Leser immer wieder durch verrückte Eleanor-Aktionen zum Lachen, allerdings ohne die Protagonistin dabei zu veralbern.
Dadurch ist dieses Buch geprägt durch einen starken Kontrast zwischen sehr ernsten Themen wie Eleanors schwieriger, traumatischer Vergangenheit und sehr lustigen Situationen, in denen man sich dafür fremdschämt, dass sie eine Packung Scheibenkäse als Gastgeschenk auf eine Geburtstagsfeier mitbringt. Es ist kein schwermütiges, düsteres Buch, obwohl es das durchaus sein könnte. Vielmehr ist dies eine lebensbejahende, kraftvolle Geschichte, die jedoch kein Stück übertrieben wirkt. Oft fehlt mir bei derartigen Geschichten die Authentizität oder es sind zu viele gewollt wirkende Zufälle eingearbeitet, doch hier spürte ich nichts davon. Eleanors Begegnung mit Raymond, der sich ihr später als guter Freund erweist, ihre Schwärmerei für den Musiker und ihre pubertären Pläne, sein Herz zu erobern – Es ist eine Geschichte, wie das Leben sie wirklich geschrieben haben könnte. Sie wirkt einfach echt und berührt dadurch umso mehr. Besonders gelungen ist es der Autorin dabei, Eleanor als eine in sich schlüssige Protagonistin zu konzipieren. Mit viel Liebe zum Detail hat sie jeden Charakterzug, ihre sprachlichen Besonderheiten und jede noch so abwegige Angewohnheit perfekt auf Eleanors Charakter abgestimmt. Ich bin beeindruckt, wie gut hier alles zusammenpasst.
Insgesamt kann ich dieses Buch nur in den höchsten Tönen loben und an jeden weiterempfehlen, der gerne emotionale Literatur mit zwar etwas gewöhnungsbedürftigen, aber durchaus liebenswürdigen Charakteren liest. Eleanors Geschichte wird mich noch lange beschäftigen.