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Veröffentlicht am 07.05.2018

Tschechiche Zeitgeschichte spannend eingefangen

Das hungrige Krokodil
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Die Autorin erzählt in diesem Roman die wahre Geschichte des Arztes Pavel Vodák, dessen Tagebuchaufzeichnungen jahrelang in seiner Arzttasche geschlummert haben. Diese Zeitdokumente hat sie gemeinsam mit ...

Die Autorin erzählt in diesem Roman die wahre Geschichte des Arztes Pavel Vodák, dessen Tagebuchaufzeichnungen jahrelang in seiner Arzttasche geschlummert haben. Diese Zeitdokumente hat sie gemeinsam mit Vodáks Tochter Pavli gesichtet und daraus eine interessante Familiengeschichte geschrieben, die den politischen Umbrauch der damaligen Tschechoslowakei beschreiben.

Nach dem Lesen der Leseprobe, die einen kleinen Einblick in die Vorbereitungen Pavels gibt, sein Land zu verlassen und in den Westen zu flüchten, wollte ich unbedingt bei der Lovelybooks Leserunde mitlesen. Genau dieser Abschnitt nahm mich auch sofort gefangen. Man konnte die Angst und Unsicherheit von Pavel spüren und im Laufe des Romans auch seine Erkenntnis, dass er nicht nur seine Zukunft mit der Flucht verändert hat, sondern auch die seiner ganzen Familie, begreifen.

Nach dem Abschnitt aus dem Jahre 1970, in dem Pavel seine Flucht aus Prag vorbereitet, blendet die Autorin zurück ins Jahr 1939. Pavel ist 18 Jahre alt und lebt in Budweis. Seine Mutter ist Deutsche und sein Vater tschechischer Militärangehöriger. Pavel hat eben sein Medizinstudium angefangen, als der Krieg seine Pläne durchkreuzt.
Der Titel "Das hungrige Krokodil" erklärt sich daraufhin bald. Pavel erkennt zuerst in der deutschen Besatzung und danach durch das russische Regime "die Gefräßigkeit des Krokodils", die Gefahr die von der jeweils politischen Lage ausgeht. Als Regimegegner und einem Bruder, der sich für den Kommunismus einsetzt, steckt er in einer Zwangslage. Erst Jahre später kann er sein Studium fortsetzen, heiratet und bekommt seine Tochter Pauline, genannt Pavli. Seiner Frau wird das Studium jedoch im neuem Regime verwehrt....
Wir erleben mit Pavel den Prager Frühling und seine Bemühungen unauffällig zu bleiben. Doch er erkennt, dass er nicht in Prag bleiben und ihm nur die Flucht in den Westen helfen kann, einer Gefängnisstrafe zu entgehen. Er sieht in der Tschechoslowakei keine Zukunft mehr.
Doch auch nach der Flucht ist er getrieben und fühlt sich heimatlos und entwurzelt. Seine Gefühle und Gedanken werden sehr authentisch erzählt und man zieht direkte Vergleiche zur heutigen politischen Situation und den Flüchtlingen in unserem Land. Einzig Pavli, die noch als Kind nach Deutschland kam, findet hier eine neue Heimat.

Ich fand den Part am Beginn und am Ende, der sich mit der Flucht auseinandersetzt und bei dem wir Familie Vodák begleiten, sehr emotional und eindringlich. Hingegen kamen mir die Erzählungen der 30 Jahre dazwischen etwas nüchtern und distanziert vor. Hier hatte ich eher das Gefühl einer Aneinanderreihung von Ereignissen, mit Ausnahme der Beschreibung des Prager Frühlings. Diese Gewalt machte mich schier sprachlos.... Zum Ende hin erleben wir noch den Fall der Mauer und die Möglichkeit die alte Heimat wieder zu besuchen. Diesen Moment fand ich sehr emotional.

Der Autorin gelingt es Pavel sehr authentisch darzustellen. Das liegt aber auch daran, dass es eigentlich seine Notizen sind und seine Tochter ein lebendiges Bild ihres Vaters abgeben konnte. Pavel hatte Humor, setzte sich für die Schwachen ein, war kritisch und hatte einen guten Blick für die politische Lage. Manche seiner Handlungen konnte ich, vorallem da er Kinderpsychologe war, nicht verstehen. Außerdem empfand ich wichtige Personen rund um Pavel etwas zu blass und nicht wirklich greifbar dargestellt. Trotzdem nahm mich Pavels Lebensgeschichte gefangen.

Fazit:
Sandra Brökel hat die Stimmung der damaligen Zeit sehr gut eingefangen. Wir erleben hier 50 Jahre tschechoslowakische Zeitgeschichte, die bewegt und einen Einblick in die politische Lage und die Veränderungen im Leben der Tschechen gibt. Ein ergreifender biografischer Familienroman.

Veröffentlicht am 30.04.2018

Zwanzig Wünsche und ein Neuanfang

Eine Schachtel voller Glück
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Im fünften Band der Blossom Street Reihe von Debbie Macomber begegnen wir Anne-Marie in ihrem Buchladen "Blossom Street Books". Sie ist seit neun Monaten Witwe und trauert noch immer um ihren Mann Robert, ...

Im fünften Band der Blossom Street Reihe von Debbie Macomber begegnen wir Anne-Marie in ihrem Buchladen "Blossom Street Books". Sie ist seit neun Monaten Witwe und trauert noch immer um ihren Mann Robert, obwohl sie sich kurz vor seinem Tod getrennt haben. Robert war um einiges älter als Anne-Marie und hatte bereits eine Familie mit zwei Kindern. Deswegen wollte er auch keinen weiteren Nachwuchs. Obwohl Anne-Marie bei der Hochzeit damals damit einverstanden war, wurde ihr Kinderwunsch mit der Zeit übermächtig, was zur Trennung führte.
Als der Valentinstag - der Tag der Liebe und Freundschaft - ansteht, treffen sich bei Anne-Marie ihre ebenfalls verwitweten Freundinnen Elise, Lilli und deren Tochter Barbie. Mutter und Tochter verloren ihre Ehemänner bei einem Flugzeugabsturz, Elise ihren Mann an Krebs. An diesem Tag beschließen die Frauen eine Liste mit 20 Wünsche anzufertigen: Orte zu besuchen, von denen sie schon lange träumen oder Dinge zu tun, die sie schon immer machen wollten. Schnell bemerken alle, dass es gar nicht so einfach ist zwanzig Wünsche aufzuschreiben. Der "Club der Witwen" versucht sich gegenseitig zu unterstützen und einen alten Lebensabschnitt zu beenden. Mit mehr oder weniger Feuereifer stürzen sich die Frauen auf neue Herausforderungen.

Man muss sich von Anfang an klar sein, dass es sich hier um einen Wohlfühlroman handelt, wie alle Romane aus der Feder von Debbie Macomber. Das zentrale Thema ist fast immer das Überwinden von Schicksalschlägen und der Zusammenhalt unter den Frauen, auch teilweise verbunden mit einer neuen Liebe. Auch in diesem Band der Reihe begleiten wir eine zentrale Figur, diesmal Anne-Marie, sowie zwei bis drei andere Frauen aus dem Witwenclub. Es wird abwechselnd aus der Sicht der jeweiligen Freundinnen erzählt und jeder ein Kapitel gewidmet.

Anne-Marie möchte aus ihrer Trauer rauskommen und anderen Menschen etwas Gutes tun. Da rät ihr Elise Lunchpatin zu werden, was diese etwas zögerlich annimmt. Einmal pro Woche besucht sie in der Mittagspause ein Kind, das aus ärmlichen Verhältnissen kommt und mit dem sie gemeinsam isst. Die achtjährigen Ellen wird ihr zugeteilt, doch das Mädchen ist sehr still und schüchtern. Erst als Anne-Marie ihren Hund Baxter mitnimmt, taut das Kind etwas auf. Als Ellens Großmutter, bei der sie lebt, plötzlich ins Krankenhaus muss, ist Anne-Marie die einzige Person, bei der das Mädchen unterkommen kann.
Doch nicht nur Ellens familiäre Verhältnisse bereiten Anne-Marie Probleme, sondern auch ihre Stieftochter Melissa, die ihre Stiefmutter immer abgelehnt hat. Melissa hat interessante Neuigkeiten für Anne-Marie....

Lillie ist die Erste, die sich einen Wunsch erfüllt und sich ein feuerrotes Cabrio kauft. Damit bringt sie eine Lawine ins Rollen....
Richtig amüsant fand ich den Part um Barbie. Mutter und Tochter kommen aus der gehobenen Schicht und haben so ihre Vorurteile. Mit denen werden die Beiden plötzlich konfrontiert, als sie zwei Männer kennenlernen, die so gar nicht in ihre Welt passen....

Die Charaktere sind sehr lebendig und bildhaft dargestellt. Ich konnte mir die teuer gekleidete Lillie in ihrem roten Cabrio lebhaft vorstellen. Auch die verunsicherte Anne-Marie, die sich liebevoll um Ellen kümmert und die flotte Barbie, die endlich einen Mann findet, der ihr nicht zu Füßen liegt, sondern ihr richtig Kontra gibt...

Auch wenn dieser Roman sehr leichtes Lesefutter ist, kann man ihn richtig toll genießen, wenn man sich in die Geschichte fallen lässt und mit Anne-Marie, Lillie und Barbie mitleidet und sie auf ihren Weg zurück aus ihrer Trauer ins Leben begleitet. Natürlich steht auch dem Happy-End nichts im Wege, wie es sich bei Wohlfühlromanen auch gehört.
Mich hat dieser Band gut unterhalten und ich werde die Reihe sicher weiter verfolgen und mir die Schicksale der Frauen aus der Blossom Street weiter widmen.


Fazit:
Wer die Reihe bereits kennt, weiß was ihn erwartet. Wer sie nicht kennt, darf sich auf einen leichten und gefälligen Wohlfühlroman freuen, der sich mit Trauerbewältigung und einem Neuanfang beschäftigt. Man begleitet die facettenreichen und symapthischen Charaktere auf ihren Weg in ein neues Leben und fühlt sich dabei wirklich gut unterhalten.

Veröffentlicht am 22.04.2018

Der amerikanische Traum

Kain und Abel
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Mit der Familiensaga "Kain und Abel" gelang Jeffrey Archer ein Welterfolg, der auch verfilmt wurde. Nun wurde die Trilogie überarbeitet und vom Heyne Verlag neu herausgegeben. Dabei orientieren sich die ...

Mit der Familiensaga "Kain und Abel" gelang Jeffrey Archer ein Welterfolg, der auch verfilmt wurde. Nun wurde die Trilogie überarbeitet und vom Heyne Verlag neu herausgegeben. Dabei orientieren sich die neuen Cover an der Clifton-Saga des Autors, die mich seit 2015 bis zum Jahresende 2017 begleitet hat.

Auch diesmal geht es wieder um Erfolg, Macht und Geld. Doch nur einem der beiden Protagonisten wurde ein Großteil davon schon in die Wiege gelegt.
Die am selben Tag im Jahre 1906 in den USA und Polen geborenen Männer, William Lowell Kane und Wladek Koskiewicz, wachsen in völlig unterschiedlichen Schichten auf. Während William in Boston in eine erfolgreiche Bankiersfamilie hineingeboren wird, ist Wladek ein "Bastard". Seine Mutter stirbt bei der Geburt. Das Baby wird völlig dehydriert im Wald von einem Jungen gefunden, der das Kleinkind in sein ärmliches Zuhause mitnimmt. Dort wird Wladek aufgezogen bis der Arbeitgeber der Familie, Baron Rosnovski, den blitzgescheiten Jungen zu sich, als Freund für seinen gleichaltrigen Sohn, ins Schloss nimmt. Als der erste Weltkrieg ausbricht, gerät Wladek zuerst in deutsche und anschließend in russische Gefangenschaft. Nach einer spektakulären Flucht gelangt er auf ein Auswandererschiff in die USA und nimmt den Namen seines damaligen Gönners Baron Abel Rosnovski an. Abel arbeitet sich von ganz unten nach oben und lebt den Mythos "vom Tellerwäscher zum Millionär".

William Kane, Spross einer Bankensynastie, hat bereits mit seinem privilegierten Status den Erfolg auf seiner Seite. Doch auch er ist ehrgeizig, stolz und sehr intelligent. Sein Ziel ist es Bankpräsident zu werden, als er den Weg mit Abel kreuzt und diese zu mächtigen Feinden werden....

Jeffrey Archer schreibt wieder sehr mitreißend. Es geht um Aufstieg und Fall, Intrigen, Macht, Erfolg. Dabei dreht sich, wie schon bei der Clifton-Saga, vieles um Politik, Machenschaften und Bankgeschäfte. Der historische Hintergrund inklusive den beiden Weltkriegen und der großen Wirtschaftskrise ergeben ein sehr rundes Bild. In vielen Nebenschauplätzen erfahren wir mehr über die beruflichen und privaten Entwicklungen der beiden Männer. Besonders gefallen hat mir der Abschnitt um Wladeks Kindheit in Polen und sein Überlebenswille. Armut, Hunger, Gefangenschaft und der Krieg sind anfangs sein ständiger Begleiter. Erst in den USA beginnt der Aufstieg und wir befinden uns wieder in der Oberschicht, die wir aus den letzten Bänden der Clifton-Saga kennen. Hier gibt es wieder den einen oder anderen zu schwarz-weiß gemalten Charakter und die typischen Intrigen, die sich am Ende dann doch meistens in Wohlgefallen auflösen...

Die Geschichte wird aus wechselnden Perspektiven erzählt. Man erhält sowohl Einblick in Williams, als auch Abels Leben. Anfangs erscheinen beide Protagonisten sehr sympathisch, doch mit der Macht verändern sich sowohl William, als auch Abel zu ihrem Nachteil. Die Fehde, die die beiden Männer begonnen haben, verselbstständigt sich. Nur durch ihre eigene Sturheit wandeln beide Männer sehr bald am Abgrund...

Die Charaktere sind wieder sehr lebendig ausgearbeitet. Der Wandel der Protagonisten und ihre gesamte Lebensgeschichte hat der Autorgrandios erzählt. Es wurde wieder fantastisch recherchiert und man merkt, dass Archer "vom Fach" ist. Manchmal hat man aber das Gefühl, dass Archer zu viel "Action und Drama" in den Roman packen wollte.

Im Gegensatz zur Clifton-Saga endet mit dem ersten Band auch die Lebensgeschichte von William und Abel und die Fortsetzung widmet sich der nächsten Generation....


Fazit:
Wer gerne die Clifton-Saga gelesen hat, der findet sicher auch an "Kain und Abel" gefallen. Der Schreibstil von Jeffrey Archer ist wie gewohnt mitreißend und die mehr als siebenhundert Seiten haben nur wenige kleine Längen. Eine tolle Familiengeschichte, die auch als Einzelband stehen könnte, aber nicht ganz an die Clifton-Saga herankommt.

Veröffentlicht am 18.04.2018

Nur wer den Mut zu träumen hat, hat auch die Kraft zu kämpfen

Das Lied des Nordwinds
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Christine Kabus erzählt in ihrem neuen Roman über das Schicksal von zwei jungen Frauen aus unterschiedlichem Milieu, die in Schlesien und dem norwegischen Stavanger leben.

Während Karoline in die verarmte ...

Christine Kabus erzählt in ihrem neuen Roman über das Schicksal von zwei jungen Frauen aus unterschiedlichem Milieu, die in Schlesien und dem norwegischen Stavanger leben.

Während Karoline in die verarmte Adelsfamilie von Blankenburg-Marwitz eingeheiratet hat, aber unter der Gefühlskälte und dem ausschweifenden Leben ihres Ehemannes Moritz, als auch der biestigen Schwiegermutter leidet, findet die aus ärmlichen Verhältnissen stammende Liv Svale Arbeit bei den Treskes. Liv muss ihre Familie mit ihrem Verdienst unterstützen, seitdem ihr Vater nach einem schweren Arbeitsunfall nicht mehr für die Familie sorgen kann, sondern sich in Selbstmitleid suhlt und zu trinken begonnen hat. Obwohl Oddvar Treske, Lehrer einer Missionsschule, in seinem Haus vorallem Strenge walten lässt, hat Liv genug zu essen und freundet sich mit der Köchin des Hauses an. Elias, der neunjährigen Sohn der Treskes, erfährt von seinem Vater keinerlei Zuneigung und wird oftmals hart bestraft. Erst zu Liv fasst er Vertrauen, die Mitleid mit dem Jungen hat. Als Elias ins Heim abgeschoben werden und Liv einen Missionar heiraten soll, wo doch ihr Herz jemand anderes gehört, fliehen die Beiden.
Auch Karolines Situation in Schlesien wird immer schlimmer. Ihr Mann ist kaum zuhause und sie soll den notwendigen Erben gebären. Als Moritz schwer erkrankt und Karoline erfährt, dass er ein uneheliches Kind in Norwegen hat, fasst sie den Entschluss nach diesem zu suchen...

Kapitelweise erfahren wir abwechselnd mehr über Karolinas und Livs Schicksal. Durch eingebaute Cliffhanger am Ende jedes Kapitels wird zusätzlich Spannung aufgebaut. Die beiden Hauptcharaktere machen eine große Entwicklung und Wandlung durch, die sehr glaubhaft wirkt. Diese findet nach und nach statt und offenbart beiden Frauen eine ganz neue Welt. Ein Thema, das dies noch mehr unterstreicht, ist die aufkommende Frauenbewegung Anfang des 20. Jahrhunderts, als Frauen für ihr Wahlrecht zu kämpfen beginnen.
Während Liv erstaunt ist, dass auch sie die Möglichkeit zu einer Gratis-Schulausbildung hat, wird Karoline durch ihre Reisebegleitung ermutigt ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen. Beide Frauen werden selbstbewusster und beginnen sich mehr zu öffnen.

"Nur wer den Mut zu träumen hat, hat auch die Kraft zu kämpfen."

Als Nebenfiguren haben mir vorallem Frau Bethge, Karolinas Reisebegleitung und Frauenrechtlerin, sowie Ida, ihre Freundin, gefallen. Zwei sehr starke Frauen, die sich durchzusetzen wissen. Außerderm gab es noch eine tierische Nebenfigur, die den Roman auflockerte.
Christine Kabus bringt dem Leser nicht nur die Frauenbewegung dieser Zeit näher, sondern auch die politische Wandlung Norwegens. Das Land steht zu dieser Zeit unter dem schwedischen König und möchte unabhängig werden.

Im letzten Drittel trifft man auf Figuren aus Christine Kanus letzten Roman "Das Geheimnis der Mittsommernacht", das ich vor 1 1/2 Jahren gelesen habe. Für mich war es ein nettes Wiedersehen mit Sofia und vorallem das Ende erschien mir dadurch viel runder. Für Leser, die diesen Roman nicht kennen, stellte dies überhaupt kein Problem dar, sondern machte eher Lust diese Geschichte nachzulesen.
Trotzdem gab es wieder einige Längen und ein Handlungsstrang blieb leider gänzlich offen. Vielleicht gibt es dazu eine Lösung im nächsten Buch....

Schreibstil:
Der Schreibstil von Christine Kabus ist sehr leicht und trotzdem oft ausschweifend und detailliert. Für Leseanfänger des historischen Romanes würde ich diesen Roman auf jeden Fall empfehlen.
Die Landschaftsbeschreibungen sind sehr bildhaft, vorallem die Schiffsreise und die Zeit in Roros wurde sehr bildgewaltig dargestellt. Über den jeweiligen Kapiteln steht der Ort und das Datum, als auch der Name der Protagonistin. So weiß man immer, mit wem man die nächste Stunde verbingen wird.

Fazit:
"Das Lied des Nordwindes" hat mir um einiges besser gefallen, als mein erster Roman der Autorin. Die Wandlung der beiden Frauen wurde sehr autenthisch beschrieben und die kleinen Cliffhanger am Kapitelende hielten die Spannung aufrecht. Die bildhaften Beschreibungen der norwegischen Landschaft sind ebenfalls sehr gelungen und haben wieder Fernweh in mir ausgelöst.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Atmosphäre
  • Charaktere
  • Gefühl
  • Handlung
Veröffentlicht am 15.04.2018

Von Manipulation und Grausamkeiten

EVIL
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Über "Evil" hört man ja schon seit der Erstveröffentlichung viele Meinungen. Das Buch erschien bereits 2006 in der 4. Auflage im Heyne Hardcore Verlag (da gehört es auch hin) und es stand schon eine ganze ...

Über "Evil" hört man ja schon seit der Erstveröffentlichung viele Meinungen. Das Buch erschien bereits 2006 in der 4. Auflage im Heyne Hardcore Verlag (da gehört es auch hin) und es stand schon eine ganze Weile in meinem SuB-Regal. Da kam mir die Leserunde mit meinen lieben Bloggerfreunden gerade recht, denn das Buch soll ja harter Tobak sein...und ist es auch! Da liest es sich doch gemeinsam gleich viel "angstfreier".
Das Vorwort von Stephen King verrät leider einiges und ich würde es auf jeden Fall erst danach lesen!

Das Erschreckendste an Jack Ketchums Roman ist, dass er auf den wahren Fall von Sylvia Likens basiert.
Es ist ein Sommer in New Jersey in den 1960iger Jahren. Als erwachsener Mann blickt David auf seine Kindheit zurück und auf die Schuld, die er damals auf sich geladen hat. Eine, die er seitdem mit sich herumträgt und ihn nicht vergessen lässt.
David hatte bis zu diesem Sommer eine normale Kindheit. Meistens spielte er mit den Chandler Jungen aus dem Nachbarhaus. Ihre Mutter Ruth ist alleinerziehend und viele Kinder gehen bei ihr ein und aus. Eines Tages ziehen bei Ruth ihre zwei Nichten ein: Megan und Susan, die ihre Eltern bei einem Autounfall verloren haben. Susan ist noch immer auf ihre Krücken angewiesen, während Meg eine lange Narbe an ihrem Arm hat. David freundet sich mit Meg an, als die beiden Kinder am Bach Krebse fangen. Er verguckt sich in das etwas ältere Mädchen. Ruth ist nicht glücklich über den Neuzwachs und beginnt die beiden Mädchen zu schikanieren. Vorallem auf Meg hat sie es abgesehen. Zu Beginn noch eher harmlos, steigert sich ihr Hass auf das Mädchen rasant und wird in der zweiten Buchhälfte zur grauenhafter Folter im Bunkerkeller des Hauses. Das Schlimme daran ist, dass die alkoholkranke Ruth "nur" die Auftraggebende ist....Ausführer sind ihre Söhne und einige Nachbarkinder. David ist dabei Zuschauer, greift jedoch nicht ein.

Ich wusste bereits, dass ich hier eine sehr grausame Geschichte vor mir habe, die noch dazu auf einer wahren Begebenheit beruht. Deswegen war ich anfangs sehr überrascht, dass der Roman über lange Zeit eher ruhig war und eher an einen Coming-of-Age Roman erinnert. Als Leser stand ich ziemlich unter Spannung, weil man automatisch darauf wartet, dass das Grauen zuschlägt. Doch es schleicht sich erst langsam heran... Was als Spiel beginnt, wird zu einem Vorgang, der komplett aus dem Ruder läuft. Es wird verstörend, grausam und brutal...

Ketchum erzählt zu Beginn aus der Sicht des erwachsenen David in einer Art Rückblick, der Großteil jedoch ist aus der kindlichen Sicht des Jungen geschrieben. Man erlebt dabei Davids Gedanken und seine Gewissensbisse. Er weiß ganz genau, dass hier Unrecht geschieht, greift aber nicht ein. Hier kommen einige Aspekte zum Tragen: Manipulation, Angst, Gier, Voyeurismus und Gruppenzwang. Man kann diese Schlagworte heute genauso in anderen Situationen anwenden und wird immer wieder auf ähnliche Grausamkeiten stoßen, die in der Gemeinschaft viel schneller ausgeübt werden, als alleine.

Ketchum zeigt sehr deutlich wozu wir Menschen fähig sind. Auch beim Lesen verfällt man in eine Art Schockstarre und will doch wissen, wie es weitergeht...

Dem Autor ist hier ein Werk gelungen, das seinesgleichen sucht. Das Grauen beginnt in der Kleinstadtidylle erst unsichtbar um sich zu greifen, bis es dann ausbricht. Man kann sich in David gut hineinversetzen und Ketchum lässt einem die Frage stellen, wie man wohl selbst als 12jähriger gehandelt hätte...

In all den Jahren wurde das Buch zweimal verfilmt. Einmal mit dem gleichnamigen Titel wie die deutsche Ausgabe und einmal unter "The Girl next door". Zusätzlich gibt es noch die Verfilmung der realen Geschichte: "An American Crime". Ich weiß, dass ich mir keinen der Film ansehen werde! Ich kann in Büchern wirklich viele blutige und grauenhafte Szenen lesen, aber im Film ansehen? NEIN!


Fazit:
Ein Buch, das verdeutlicht zu welchen Gräueltaten Menschen fähig sind und welches zum Nachdenken anregt. "Evil" hinterlässt auf jeden Fall einen bleibenden Eindruck, egal was man davon hält. Man sollte sich aber immer vor Augen führen, dass Jack Ketchum einen wahren Fall als Vorlage hatte! Nichts für Zartbeseitete!