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Veröffentlicht am 23.05.2018

Dem perfekten Duft auf der Spur

Mademoiselle Coco und der Duft der Liebe
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In ihrem Roman „Mademoiselle Coco und der Duft der Liebe“ schlägt die Autorin Michelle Marly einen Bogen zwischen 1897 und 1922. Der Großteil des Romans spielt in der Welt der Schönen und Reichen in Paris. ...

In ihrem Roman „Mademoiselle Coco und der Duft der Liebe“ schlägt die Autorin Michelle Marly einen Bogen zwischen 1897 und 1922. Der Großteil des Romans spielt in der Welt der Schönen und Reichen in Paris. Coco Chanel, die eigentlich Gabrielle Chanel heißt, lebt 1919 in Paris, wo sie bereits großen Erfolg als Modeschaffende feiern durfte. Als ihr Geliebter Boy Capel in einem tragischen Autounfall in Südfrankreich ums Leben kommt, bricht für Coco eine Welt zusammen. Sie fällt in eine sehr tiefe Trauer und versucht sich, wieder in die Welt der Lebenden zurück zu arbeiten, indem sie die letzte gemeinsame Idee, die sie mit Boy hatte, in die Tat umsetzt: Die Kreation eines ganz besonderen Parfums. Sozusagen als flüchtiges Denkmal der Liebe setzt sich Gabrielle mit der Kreation eines Duftes auseinander und kommt dabei in die Dunstwolke eines Parfums, das am russischen Zarenhof verwendet wurde und inzwischen nicht mehr hergestellt wird.
Das Buch lässt viele Prominente des Paris der Zwanziger Jahre auftreten. Coco lernt sowohl russische Adlige kennen, die nach der russischen Revolution nach Paris emigriert sind als auch Künstler wie Picasso und Igor Strawinsky.
Der Roman ist flüssig geschrieben und lässt sich schön leicht lesen, so dass er auf jeden Fall als Urlaubslektüre geeignet ist. Mir hat vor allem die Suche und Komposition des Duftes sehr gut gefallen. Man kann schön nachvollziehen, wie es zum heute immer noch beliebten Duftes Chanel Nr. 5 gekommen ist. Ebenfalls hat mir der Hintergrund der russischen Geschichte sehr gut gefallen, sowie die Art und Weise, wie die Meilensteine von Coco Chanels Leben dargestellt werden. Wer sich intensiv mit ihrem Leben befassen möchte, ist sicher mit einer Biografie besser bedient. Wer sich aber einfach etwas in ihr Leben einlesen möchte und keine Abneigung gegen Liebesromane hat, kann sicher mit diesem Roman schöne Stunden verbringen. Von mir erhält das Buch 4 von 5 Sternen.

Veröffentlicht am 01.05.2018

München in den 50er Jahren

Der Himmel über unseren Träumen
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Vera Cohn verlebt acht glückliche Kindheitsjahre in München, als ihre Eltern 1938 beschließen, das für Juden immer feindlicher gesinnte Deutschland zu verlassen und in die USA zu emigrieren. Von ihrer ...

Vera Cohn verlebt acht glückliche Kindheitsjahre in München, als ihre Eltern 1938 beschließen, das für Juden immer feindlicher gesinnte Deutschland zu verlassen und in die USA zu emigrieren. Von ihrer geliebten Großmutter Rebecca bleibt Vera nur ein Skizzenbuch mit Zeichnungen von Münchner Gebäuden und Sehenswürdigkeiten, die sie zusammen besucht hatten.
Nach dem Krieg zieht die Familie nach Bonn, wo Veras Vater für die SPD im Parlament sitzt. Vera studiert Architektur und will in ihrem geliebten München am Wiederaufbau während den 1950er Wirtschaftswunderjahren teilhaben. Sie findet eine Stelle in einem Architekturbüro, das vorwiegend Altersheime und Wohnungen baut.
Das Wiederanknüpfen an alte Freundschaften ist nicht einfach, weil ihre jüdischen Kindheitsfreunde weggezogen oder tot sind. Vera findet unter ihren Architektenkollegen und Mitarbeitern im Büro neue Freunde. Jedoch liegt immer wieder die Frage in der Luft, was die Menschen zwischen 1938 und 1945 wirklich gemacht haben. Die Unsicherheit vergiftet auch Veras Liebesbeziehung zu Arthur Brandt, einem aufstrebenden Architekten, der mit seinem Freund Ludger ein eigenes Büro gründet.
In dem Buch erfährt man einiges, wie in Architekturbüros in den 50er Jahren gearbeitet wurde. Die Situation von Frauen, die in den 20/30 er Jahren in den Städten zunehmend eigenständig ein Berufsleben führten, entwickelt sich wieder ins traditionelle Rollenverständnis zurück. Die Männer arbeiten für den Lebensunterhalt der Familie und die Frau kümmert sich um das leibliche Wohl ihres Ehemannes und später um die Kinder. Sehr gut dargestellt ist auch die Stimmung, geprägt einerseits von Aufbruch, aber auch von Misstrauen bezüglich der Vergangenheit. Ist die Entnazifizierung wirklich gelungen oder existieren die alten Seilschaften doch noch? Gerade für Menschen jüdischer Herkunft eine existenzielle Frage nach der Schuld für den Verlust von ganzen Familien.
Heidi Rehn schreibt in einem leisen, unaufgeregten und angenehmen Schreibstil. Die Liebesgeschichte ist gefühlvoll, aber nicht ins Kitschige abdriftend dargestellt. Sehr gut haben mir auch die eingeflochtenen Münchner Schauplätze gefallen. Mich konnte dieser Roman gut unterhalten, ich konnte schön abschalten und habe etwas vom Gefühl der 50er Jahre mitgenommen.
Ich vergebe diesem Buch 4 Sterne und eine Leseempfehlung für Liebhaber von München und Liebesromanen vor historischer Kulisse.

Veröffentlicht am 30.11.2017

Spannende Serienfortsetzung

Stimme der Toten
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Mit dem vorliegenden Kriminalroman greift Elisabeth Herrmann die Geschichte um die Tatortreinigerin Judith Kepler aus „Zeugin der Toten“, die 2011 erschienen ist und mit Anna Loos in der Hauptrolle verfilmt ...

Mit dem vorliegenden Kriminalroman greift Elisabeth Herrmann die Geschichte um die Tatortreinigerin Judith Kepler aus „Zeugin der Toten“, die 2011 erschienen ist und mit Anna Loos in der Hauptrolle verfilmt worden ist, wieder auf. Das Schicksal von Judith Kepler ist sehr berührend. Sie ist in einem Kinderheim in Sassnitz aufgewachsen und erfährt im 1. Band, dass sie eigentlich nicht die ist, für die sie sich hält. Dieser zweite Band setzt 6 Jahre später ein. Judith arbeitet immer noch in der Reinigungsfirma Dombrowski als „Cleaner“ und scheint die traumatischen Erlebnisse und Erkenntnisse einigermaßen verarbeitet zu haben. Sie wird zu einem Todesfall in einer Bank gerufen, wo ein Mitarbeiter im Gebäude mehrere Stockwerke tief gefallen und verstorben ist. Man geht von einem Unfall oder Selbstmord aus, bis Judith Kepler an einem Waschbecken Blutspuren entdeckt für die es keine Erklärungen gibt.
Durch Judiths professionelle und effiziente Haltung fällt sie dem obersten Geschäftsführer der Bank CHL auf, der sie als Reinigungskraft in der Bank einstellen will. Judith trifft wieder auf andere Figuren, die man bereits aus dem ersten Band kennt und wird zum interessanten Zielobjekt von verschiedenen Geheimdiensten.
Mich hat das Schicksal von Judith Kepler im 1. Band sehr berührt und deshalb habe ich mich sehr gefreut, wieder mehr von dieser Figur zu lesen. Judith ist ein Opfer fehlgeleiteter Operationen innerdeutscher Geschichte und trägt sehr viele Verletzungen mit sich herum. Mich hat ihr fragiler Charakter sehr fasziniert und ich fand es interessant zu erfahren, wie sie sich weiter entwickelt hat.
Die Handlung ist recht spannend aufgebaut. Man ist sehr schnell in der Geschichte drin und kann sich die Schauplätze vor dem inneren Auge vorstellen. Allerdings darf man nicht einen Whodunit Krimi erwarten, in dem Judith die Ermittlerin spielt und einen Mord aufklärt. Es handelt sich eher um einen Agententhriller, der sich sprachlich sehr angenehm lesen lässt, aber inhaltlich stellenweise recht kompliziert und anspruchsvoll ist. Er erfordert einiges an Aufmerksamkeit und Interesse an Geheimdienstthemen zu DDR, Russland und dem BND. Wer sich nicht für die neuere deutschen Geschichte interessiert, wird vermutlich etwas Mühe haben, in den Thriller einzutauchen. Mir hat das Buch sehr gut gefallen, allerdings war es mir nicht immer klar genug und ich fand den Teil der Geschichte, in dem es um ein junges Mädchen in einem „Nazidorf“ geht, zwar sehr spannend aber die Verbindung zur Haupthandlung doch sehr konstruiert.
So ist für mich das Ende auch etwas zu abrupt eingetreten und die Beweggründe und die Folgen für die handelnden Personen nicht so genau ersichtlich, wie ich es gerne gehabt hätte.
Man kann dieses Buch sicher auch lesen, ohne die Vorgeschichte zu kennen. Aber ich denke doch, dass man dann viele Andeutungen oder Reaktionen nicht wirklich versteht. Deshalb empfehle ich „Zeugin der Toten“ vorher zu lesen oder allenfalls den Film anzuschauen, damit die Handlung richtig einordnen kann.
Ich vergebe diesem Buch 4 Sterne.

Veröffentlicht am 02.09.2017

Erschreckend, verstörend, aber auch leise und schön

Der Junge auf dem Berg
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Pierrot wächst in den 30er Jahren in Paris auf. Seine Mutter ist Französin, sein Vater Deutscher, der im 1. Weltkrieg an der Front gekämpft hat. Der Vater legt großen Wert darauf, dass sich Pierrot bewusst ...

Pierrot wächst in den 30er Jahren in Paris auf. Seine Mutter ist Französin, sein Vater Deutscher, der im 1. Weltkrieg an der Front gekämpft hat. Der Vater legt großen Wert darauf, dass sich Pierrot bewusst ist, Deutscher zu sein. Wie so viele Veteranen aus dem 1. Weltkrieg, leidet Pierrots Vater unter der psychischen Belastung und fühlt sich durch die Folgen des Versailler Vertrags als Deutscher sehr nachteilig und ungerecht behandelt. „Eines Tages holen wir uns zurück, was uns gehört.“ , sagt er zu seinem Sohn. Pierrots bester Freund ist der gehörlose jüdische Junge Anshel mit dem er sich in Gebärdensprache unterhält.
Pierrot genießt soweit es möglich ist, eine glückliche Kindheit, bis zuerst sein Vater und später auch seine Mutter stirbt. Er kommt vorerst in ein Waisenhaus, aber sehr bald meldet sich seine Tante Beatrix, die Schwester seines Vaters, die Pierrot bei sich aufnehmen möchte. Sie ist Haushälterin auf dem Obersalzberg und versorgt den Haushalt von Hitlers Refugium in den Berchtesgadener Alpen.
Pierrot reist alleine mit dem Zug nach Salzburg, wo er von seiner Tante in Empfang genommen wird und von Hitlers Chauffeur Ernst auf den Berghof gefahren wird. Dort beginnt für Pierrot ein völlig neues Leben. Er kommt in den Dunstkreis des Führers und man kann als Leser nur erschrocken staunen, was die Gehirnwäsche Hitlers aus einem noch nicht gefestigten und noch formbaren jungen Menschen anstellen kann.
Ich konnte mit dem Buch sehr schnell in das Leben Pierrots eintauchen. Sein Umfeld aus seiner Zeit in Paris wird sehr liebevoll und sorgfältig charakterisiert, so dass man eine richtig gute Vorstellung seines damaligen Lebens in Paris gewinnt. Auch die Zeit in der Übergangsphase im Kinderheim hat mir sehr gut gefallen. Pierrot ist sowohl auf egoistische, garstige als auch auf liebevolle Menschen gestoßen. Und auch bei den unfreundlichen wurde ihr Hintergrund beleuchtet, so dass ihr Verhalten eine gewisse Erklärung gefunden hat. Auf dem Obersalzberg hat sich mir der Protagonist Pierrot richtig entfremdet. Er wurde dort Peter genannt, weil sich das für einen Nazi besser schickte, als sein französischer Name. Briefe vom jüdischen Freund Anshel waren nicht mehr erwünscht und Pierrot hat sich zu einem Charakter entwickelt, zu dem ich keine Bindung mehr herstellen konnte.
John Boyne ist es sehr gut gelungen, diese erschreckende Wandlung eines nicht als schlecht geborenen Menschen anschaulich darzustellen. Er hat auch einen möglichen Weg für das „Danach“ für Pierrot aufgezeigt. Auch für einige andere Menschen, die Pierrots im Laufe seines Lebens begegnen, wird als exemplarische Beispiele eine Möglichkeit dargestellt, wie die Menschen nach dem Krieg und nach dem Hitlerdeutschland weiter leben konnten oder eben nicht.
„Der Junge auf dem Berg“ ist ein sehr eindrückliches Buch, das sich sowohl an Jugendliche wie auch an Erwachsene richtet. Viele Gewissenskonflikte sind nur angetönt und nicht ausformuliert, so dass der Roman viele Möglichkeiten zur eigenen Reflexion bzw. zur Diskussion mit anderen Lesern bietet. Das Buch ist sprachlich recht einfach zu lesen, setzt aber ein gewisses geschichtliches Verständnis voraus und sollte meiner Meinung nach nicht unbedingt von Kindern unbegleitet und alleine gelesen werden, weil gewisse Szenen doch etwas verstörend oder unverständlich erscheinen können.
Von mir erhält das Buch eine Leseempfehlung mit 5 Sternen.

Veröffentlicht am 02.09.2017

Trügerische Idylle

Ein irischer Dorfpolizist
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Mit dem Krimi „Ein irischer Dorfpolizist“ tauchen wir in das Dorf Duneen, das in einer sehr ländlich geprägten Gegend im Süden Irlands liegt. Der im Titel genannte Polizist heißt Patrick James Collins, ...

Mit dem Krimi „Ein irischer Dorfpolizist“ tauchen wir in das Dorf Duneen, das in einer sehr ländlich geprägten Gegend im Süden Irlands liegt. Der im Titel genannte Polizist heißt Patrick James Collins, genannt P.J. Er lebt ein eher gemächliches Polizistenleben, ist aber doch etwas desillusioniert, weil seine Arbeit als Polizist nicht dem entspricht, was er erwartet hat. Doch eines Tages kommt seine Chance. Auf einem Baugelände werden menschliche Knochen entdeckt. Es wird Verstärkung aus Cork angefordert und an der Seite von Detective Superintendant Linus Dunne ermittelt P.J. und führt im Dorf Befragungen durch, was hinter dem Knochenfund stecken könnte. In der ländlichen Idylle tun sich dabei menschliche Abgründe auf, womit P.J. nicht gerechnet hätte. Und auch er selbst lernt sich von einer völlig neuen Seite kennen. Als auf der Baustelle auch noch alte Knochen von einem kleinen Kind gefunden werden, beginnt die Mauer des Schweigens in Duneen zu bröckeln.
Ich habe den Krimi als Hörbuch gehört, der von Charly Hübner sehr einfühlsam eingelesen wurde. Seine Stimme und seine Intonation passen perfekt zur ruhigen und doch etwas düsteren oder deprimierend eingeengten Stimmung, die im abgelegenen Dorf herrscht. Der Kriminalfall ist nicht von atemberaubender Spannung geprägt sondern ein Beziehungsdelikt, wo man nur sehr langsam hinter die Fassaden der Einheimischen Haushalte blickt.
Ich habe mich mit dem Hörbuch sehr gut unterhalten gefühlt. Es ist stellenweise leicht und humorvoll, hat aber auch Tiefe und zeigt auf überschaubaren 336 Seiten bzw. 8 Stunden Hördauer die Entwicklung von Menschen, Beziehungen und Schicksalen auf eine gefühlvolle und glaubhafte Weise auf. Ich vergebe dem Krimi 4 Sterne.