Frei, aber fremd
Ich wollte nur Geschichten erzählenDenn frei ist man nur, wenn man wirklich all das machen kann, was man will, ja, das was man für ein erfülltes Leben wirklich braucht. Und das ist sehr subjektiv: für den Autor Rafik Schami beinhaltet das ...
Denn frei ist man nur, wenn man wirklich all das machen kann, was man will, ja, das was man für ein erfülltes Leben wirklich braucht. Und das ist sehr subjektiv: für den Autor Rafik Schami beinhaltet das definitiv, sich sooft er will, in seiner Heimat, der syrischen Hauptstadt Damaskus aufhalten zu können. Und sicher auch, in arabischer Sprache problemlos gedruckt zu werden - mit allen seinen Werken.
Beides ist nicht möglich, im Gegenteil, Rafik Schami ist gezwungen, im Exil zu leben. Und das seit 1971, also nicht gerade seit gestern. Und er schreibt in einer Sprache, die nicht seine ursprüngliche ist, also auf Deutsch. Aber zumindest kann er schreiben und er kann frei leben und sich bewegen.
Das Büchlein "Ich wollte nur Geschichten erzählen" beinhaltet eine Reihe von kleinen Sequenzen, man könnte auch sagen: Gedankensplittern zu seiner Situation, quasi zu allem, was mit seinem Leben als syrischer Schriftsteller im deutschen Exil zu tun hat. Sie sind sehr unterschiedlich - teilweise gehen sie eher auf sachliche Aspekte und Umstände ein, zum Teil sind sie aber auch sehr persönlich. Ein Mosaik der Fremde also, wie es im Untertitel heißt.
Und passender könnte dieser nicht sein, denn ein Mosaik ist kein Puzzle: nicht jedes Steinchen muss sich nahtlos an das andere gliedern, nein, es kann auch mal ein wenig uneinheitlich zugehen oder die Schnittstellen stimmen nicht ganz. Beides ist auch hier der Fall und gerade das macht das Buch zu einem so besonderen.
Einer bzw. vieler Botschaften Rafik Schamis eben, die zusammengenommen einen Eindruck von ihm, von seiner Situation vermitteln. Vieles ist ausgesprochen anregend, wenn auch längst nicht so humorvoll wie man es aus seinen Romanen und Erzählungen kennt. Aber es geht auch nicht um Unterhaltung, es geht um das Leben im Ganzen, da mag es nicht so passend erscheinen. Manchmal wird es ein wenig zu persönlich für meinen Geschmack, dann wird ordentlich ausgeteilt. Und wenn man ein wenig googeln würde, wäre es sicher sehr einfach, zu erfahren, wer jeweils der Adressat ist.
Mir jedoch gefallen diejenigen Passagen am besten, die uns allen, die wir hier leben, die wir vom Exil gar nicht oder "nur" mittelbar betroffen sind (hier fühle ich mich angesprochen, denn meine Eltern lebten - so könnte man es sehen - auch im Exil), einen Spiegel vorhält.
In diesen Tagen, in denen sowohl der Islamische Staat als auch die zunehmend öffentlich werdende rechte Gesinnung stets präsent sind und eine ständige Bedrohung darstellen, ein ausgesprochen mutiges Werk. Ich habe mich darüber gefreut, es lesen zu dürfen, zeigt es mir doch den Autor Schami aus einer anderen Perspektive als der, die mir aus der Lektüre seiner zahlreichen Werke - und zwar seit weit über zwanzig Jahren, so lange lese ich ihn schon, bekannt ist.