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Veröffentlicht am 08.05.2018

Anfassen verboten.

Palace of Glass - Die Wächterin
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London in der Zukunft.
Es ist den Menschen bei schwersten Strafen untersagt, sich gegenseitig zu berühren. Hautkontakt, so regelt es ein Gesetz, gilt als schlimmstes aller Vergehen. Handschuhe, Kummerbünde ...

London in der Zukunft.
Es ist den Menschen bei schwersten Strafen untersagt, sich gegenseitig zu berühren. Hautkontakt, so regelt es ein Gesetz, gilt als schlimmstes aller Vergehen. Handschuhe, Kummerbünde und das Bedecken des gesamten Körpers gehören zum Alltag.
Es sind die Magdalenen, die das Königshaus und die Bevölkerung so fürchten. Menschen mit genetischen Mutationen, die durch Berührungen die Gedanken und Emotionen anderer sehen und auch manipulieren können.
Rea ist eine von ihnen. Tags arbeitet sie als Schneiderin, nachts legt sie Handschuhe und Verkleidung ab und steigt in den Ring. Sie schlägt Gegner, die ihr an Kraft und Größe weit überlegen sind, mit blossen Händen zu Boden - denn ihre Gabe hilft ihr, vorauszusehen, was geschieht.
Ihre Gabe ist es auch, die sie zwingt zu ihren nächtlichen Ausflügen in die Unterwelt, denn in ihr tobt die den Magdalenen gegebene Sehnsucht, andere Menschen zu berühren.

Einer ihrer Kämpfe erregt Aufmerksamkeit:
Sie wird engagiert als Leibwächter des Königssohns, ohne, dass der Hof eine Ahnung hat, mit wem er es bei dieser unschlagbaren Faustkämpferin zu tun hat.

Rea muss nun an dem Ort, von dem ihr die allergrößte Gefahr ausgeht dienen, immer in der Furcht, als Magdalena entdeckt zu werden.
Grade als sie beginnt, sich auch noch in den Prinzen zu verlieben wird ein Anschlag auf sein Leben verübt … wie wird sie reagieren, muss sie ihr Geheimnis preis geben?



„Palace of Glass“ gehört zu den Büchern, die seit Wochen durch die sozialen Kanälen schießen; kein Tag vergeht, an dem man nicht das rote Band auf einem Foto eines Buchbloggers sehen kann.
Und natürlich siegt die Neugierde - das Buch ist auch zum Hingreifen gemacht. Ich schreibe ja selten über die Optik eines Buches, aber wenn ich ehrlich bin bin ich natürlich auch sehr anfällig für schöne Bücher.
Das Cover ist wunderbar - das Einzige, was mich irre macht ist der Name der Autorin und der Untertitel … warum bloss hat man mit dieser Schrift das Gesamtbild zerstört?

Aber um die Optik des Buches soll es nicht gehen.
Ich habe das Buch an zwei Abenden beendet - es liest sich wahnsinnig flüssig und entspannt.

Das Thema ist sehr spannend, ich glaube, so etwas hat es bisher noch nicht gegeben.
Eigentlich haben wir hier eine wirklich rasante Mischung aus Dystopie, Fantasy und Romantik - eine sehr interessante Mischung.
Eins meiner absoluten Lieblingsbücher ist und bleibt „The Handmaid´s Tale“ - und ich habe mehr als einmal an diese patriarchisch geprägte Dystopie denken müssen, in der die Frauen in absurder Verkleidung ihr Dasein fristen.
Und dieser Vergleich ist es natürlich auch, was mich an diesem Buch fasziniert.

Die Idee, dass Berührungen, für uns Menschen ja das A und O, so komplett bis auf den letzten cm Haut unter Strafe stehen ist eine gruselig-faszinierende Angelegenheit.
Das absolute Grundbedürfnis der Menschen wird untergraben und es kann nur zu Revolten, Untergrundaktionen und Abtrünnigen kommen.

Und das nicht nur unter den „Magdalenen“, jenen, die die Berühungen als Manipulation benutzen können.

Rea ist ein spannender Charakter, wobei ich bis zum Ende des Buches absolut kein Bild von ihr im Kopf hatte. Ich hatte keine Anhaltspunkte, wie ich sie mir vorstellen kann, ausser, dass sie sehr schlank und sehr sportlich ist. Ein bisschen schwierig war es so für mich, sie als Person zu greifen. Auch ihre Emotionen, durchaus ja sehr oft ein Thema im Buch, blieben für mich etwas distanziert, etwas zu unausgereift.

Sehr schnell der Schritt vom Kennenlernen des Prinzen und ihr bis zum sehnsüchtigen Verliebtsein - sehr unemotional beschrieben, wie ich fand.

Das ist auch für mich soweit der größte Knackpunkt an der Geschichte: Sie hat unglaublich viel Potenzial, die Idee ist faszinierend, die Charaktere sehr vielschichtig … aber ich habe so oft beim Lesen gedacht: los, mehr! Gas geben. Als würde die Autorin mit angezogener Handbremse fahren. Sie könnte mehr, tiefer gehen, besser beschreiben, die Charaktere lebendiger machen. Vieles bleibt distanziert, etwas an der Oberfläche.
Ich hoffe, dass sich das im weiteren Verlauf noch verändern wird, denn an sich ist das Buch in meinen Augen, grade was die Geschichte angeht, wahnsinnig gut.

Die Handlung sehr gut und in sich spannend aufgebaut, mit einigen Wendungen, die man gar nicht wirklich erwartet hätte. Wenn man glaubt, den Attentäter erkannt zu haben … ist es eigentlich ganz anders. Kleine, winzige Anhaltspunkte geben schon im Vorfeld Aufschluss, sind aber mehr Brotkrumen auf dem Weg zu Lösung, was es wirklich spannend macht.

Das Finale wunderbar beschrieben und sehr gut gelöst. Es bleiben offene Fragen - geht es doch weiter mit Rea und Robin? Wie wird es mit Ninon weitergehen?
„Palace of Glass“ ist der erste Teil einer Trilogie, daher werden wir wohl sehr bald Antworten auf diese Fragen bekommen. Ich werde in jedem Fall weiterlesen.

Veröffentlicht am 06.05.2018

Spannender Thriller.

Blutmoor (Ein-Sarah-Spielmann-Krimi 2)
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Der zweite Fall für Sarah Spielmann. Fünf Jahre später.

Amelia, die Tochter des österreichischen Innenministers wird entführt, ihr Freund Maximilian ermordet. Ihr Vater setzt alles daran, das Leben seiner ...

Der zweite Fall für Sarah Spielmann. Fünf Jahre später.

Amelia, die Tochter des österreichischen Innenministers wird entführt, ihr Freund Maximilian ermordet. Ihr Vater setzt alles daran, das Leben seiner Tochter zu retten und beauftragt Sarah und ihren neuen Kollegen Fred mit den Ermittlungen, obwohl sie außerhalb des Zuständigkeitsbereich der Beiden liegen.

Sie beginnen damit, den Fall zu lösen und kurz darauf wird eine Lawine losgetreten - eine Moorleiche taucht im Bett von Sarah auf und ein Toter nach dem Anderen wird entdeckt. Immer fehlen den Opfern Herz und Leber und alles deutet auf ein und denselben Täter und eine Form von Knnibalismus hin.

Freds Partner wird ebenfalls entführt und ihm und Sarah läuft die Zeit davon, die beiden Entführungsopfer noch rechtzeitig zu retten.



In „Blutmoor“ folgen wir nicht nur Sarah und Fred - sondern auch den Opfern und dem Täter. Geschickt verwoben drei unabhängige Erzählstränge, die es dem Leser ermöglichen, sich zumindest teilweise hineinversetzen zu können in alle Charaktere des Buches.
Sprachlich dem atemlosen Tempo des Thrillers angepasst, sehr flüssig, in sich stimmig und sehr spannend zu lesen.

Die Protagonistin von „Blutmoor“ hat eine Beziehung - und das wundert einen fast. Der Partner muss gute Nerven haben. Sie ist aufbrausend, zynisch und teils extrem ruppig im Umgang mit Kollegen und Mitmenschen.
An sich ist ihr Charakter gut herausgearbeitet, klar, man muss sie nicht mögen, aber man hat eine Vorstellung von ihr und der Art und Weise, wie sie tickt.

Aber manchmal ist es etwas schwierig nachzuvollziehen, wie sie auf ihre gezogenen Schlüsse kommt, grade im letzten Teil des Buches. Es fällt etwas schwer zu verstehen, wie sie auf gewisse Lösungsansätze kommt und man bleibt ein wenig mit offenen Fragen zurück.

Der „Bodycount“ in diesem Buch ist enorm - es gibt mehr Leichen als in so manchem Actionfilm. Damit muss man erst einmal klarkommen, aber sie tragen ordentlich dazu bei, dem Ganzen seinen blutrünstigen und oft makaberen Wert zu geben.
Extrem gut beschrieben die grade morbiden Szenen, sehr spannend und in hoher Geschwindigkeit entwickelt sich der Fall.

Am Ende flacht es ein bisschen ab, aber allgemein ein sehr packender Thriller mit teils plötzlichen Wendungen, der einen mitreisst.

Veröffentlicht am 02.05.2018

Ein sehr spannendes Leben.

Es war einmal im Fernen Osten
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Xiaolus Leben beginnt holprig: Ihre Eltern, fanatische Anhänger Maos, geben ihre Tochter direkt nach der Geburt weg zu einem ärmlichen, kinderlosen Bauernpaar mitten in der Einöde der Berge. Halbverhungert ...

Xiaolus Leben beginnt holprig: Ihre Eltern, fanatische Anhänger Maos, geben ihre Tochter direkt nach der Geburt weg zu einem ärmlichen, kinderlosen Bauernpaar mitten in der Einöde der Berge. Halbverhungert und verwahrlost wird Xialou zwei Jahre später zu ihren Großeltern in ein Fischerdorf übergeben.
Kurz darauf stirbt Mao, der „Große Vorsitzende“ und ein rasanter gesellschaftlicher Wandel vollzieht sich in der Republik China.
Für Xialou ergibt sich die Möglichkeit, als Filmemacherin und Autorin aufzusteigen und ein Leben zwischen den Welten zu führen.

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Für mich eine zugegebenermaßen ziemlich unbekannte Person, Xiaolu Gu. Gehört hatte ich den Namen, in der Buchszene ist sie ja keine Unbekannte. Aber gelesen hatte ich noch nichts von ihr.

Biografien liebe ich - Leben sind so spannend. Egal ob Rockstars, Politiker, der „Unbekannte von nebenan“ oder eben eine Schriftstellerin und Regisseurin … man kann so viel mitnehmen aus den Geschichten anderer Menschen, erfährt so Vieles, was einem vorher unbekannt war.
Aus diesem Grund habe ich begeistert zugegriffen, als ich die Möglichkeit bekam, „Es war einmal im fernen Osten“ zu lesen.

Und ich wurde nicht enttäuscht.
Eine wahnsinnig spannende, oft herzzerreissende und sehr emotionale Reise, auf die man mitgenommen wird, wenn Xiaolu ihr Leben Revue passieren lässt.

Sprachlich sehr elegant, sehr persönlich wird man schnell reingezogen in die Erinnerungen der Schriftstellerinnen, lebt mit wenn sie berichtet.

Man erfährt viel über China, seine Politik und die Gesellschaft - und bekommt Einblicke in das oft so brutale kommunistische System Maos.
Unfreiheiten, Zwänge und grade die Rechtlosigkeit der Frauen werden einem sehr bewusst, wenn man liest und dann versteht, was Frauen wie Xiaolu mitgemacht haben.
Sie berichtet von Missbrauch, Armut und Gewalt, aus der sie sich nach und nach befreien kann, die sie aber für ihr Leben geprägt haben.
Grausam und faszinierend zugleich, die ersten Jahre in ihrem Leben, sehr gut geschildert und nachzufühlen.

Der Politik- und Machtwechsel in China eine Befreiung, nicht nur für Xiaolu. Man reist mit ihr über Peking und nach England, erlebt, wie sie zerrissen ist zwischen den Kulturen, fühlt ihr Heimweh und ihre Rastlosigkeit.

Ein bisschen flacht das Buch ab im letzten Drittel, es ist langatmiger und inhaltich weniger facettenreich.
Nichtsdestotrotz ist es eine wahnsinnig faszinierende Biografie einer spannenden Persönlichkeit und gleichzeitig ein sehr persönlicher und informativer Einblick in eine Kultur, die für uns oft fremd ist.

Veröffentlicht am 29.04.2018

Eine Familientragödie und ein Krimi.

Sommernachtstod
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Sommer 1983.
Auf der Jagd nach einem Kaninchen verschwindet der kleine Billy Nilsson im Garten seiner Eltern kurz vor seinem fünften Geburtstag spurlos.
Eine ausführliche Suchaktion endet im Leeren und ...

Sommer 1983.
Auf der Jagd nach einem Kaninchen verschwindet der kleine Billy Nilsson im Garten seiner Eltern kurz vor seinem fünften Geburtstag spurlos.
Eine ausführliche Suchaktion endet im Leeren und muss eingestellt werden, auch weitere Untersuchungen bleiben ergebnislos. Ein einziger Verdächtiger muss aus Mangeln an Beweisen freigelassen werden, Billy bleibt verschwunden, der Fall wird zu den Akten gelegt.
Billys Familie zerbricht am Verlust des kleinsten Sohnes, die Mutter begeht Selbstmord, die verbliebenden zwei Geschwister entfremden sich und der Vater bleibt alleine im Haus zurück.

Zwanzig Jahre später.
Vera, Billys Schwester, arbeitet zwischenzeitlich als Trauertherapeutin - auch, um ein Ventil für ihre eigene, nicht bewältige Vergangenheit zu haben.
Ein neuer Patient berichtet verstörende Details über ein vor zwei Dekaden verschwundenes kleines Kind - Veras alte Wunden reissen auf und sie versucht herauszufinden, ob dieser Patient etwas mit dem Verschwinden ihres Bruders zu tun haben könnte.
Kann es sogar sein, dass Billy noch lebt?

Vera kehrt zurück in ihren Heimatort und versucht auf eigene Faust herauszufinden, was damals mit ihrem kleinen Bruder geschah.

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Der Kriminalroman „Sommernachtstod“ spielt auf zwei Ebenen in zwei Zeiten. Er springt zwischen den Ereignissen zum Zeitpunkt des Verschwindens des kleinen Billys und Veras aktueller Situation knapp zwanzig Jahre später.
Klug ineinander geflochten entwickelt sich so eine Handlung, die im Verlauf immer mehr an Spannung zunimmt.
Ein bisschen dauert es zu Beginn, bis die Geschichte wirklich „startet“, aber dann wird es auf keiner Seite mehr langweilig.
Absolut nicht vorhersehbar entwickelt sich die Handlung in Richtungen, die einen immer wieder überraschen.

Die Charaktere sind glaubhaft und niemand ist plakativ gut oder böse. Jeder hat seine Facetten, seine Vergangenheit und seine Gründe für das jeweilige Handeln.
Durch die Erzählung in der dritten Person bleibt man als Leser immer etwas distanziert, kann sich aber relativ gut hineinfinden in die emotionale Lage der einzelnen Protagonisten, insbesondere Vera.

Besonders interessant im Fall von „Sommernachtstod“ - hier gibt es keinen klassischen Detektiv, keinen Ermittler, sondern wir haben eine Schwester, die ihre Familiengeschichte aufarbeitet und mit ihrer Vergangenheit abschliessen möchte. Dadurch gibt es keine „Ermittlungsarbeit“, sondern emotional bedingtes Vorgehen, was den Fall um den verschwundenen Billy besonders berührend macht.
Effektiv macht es das Buch fast mehr zu einer Familientragödie denn zu einem Kriminalroman, ist aber vom Erzählstil her ein fast klassischer Schwedenkrimi, sehr abgeklärt, pragmatisch, teils düster.

Eine spannende Geschichte mit einem unvorhersehbaren Ende.

Veröffentlicht am 24.04.2018

Wenn alle Katzen verschwinden würden - was wäre dann?

Wenn alle Katzen von der Welt verschwänden
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Ein junger Briefträger erfährt, dass seine vermeintliche Grippe ein Hirntumor ist und er nicht mehr lange leben wird.
Zuhause erwartet ihn der Teufel persönlich, der ihm einen Pakt anbietet:
Für jede Sache, ...

Ein junger Briefträger erfährt, dass seine vermeintliche Grippe ein Hirntumor ist und er nicht mehr lange leben wird.
Zuhause erwartet ihn der Teufel persönlich, der ihm einen Pakt anbietet:
Für jede Sache, die von dieser Welt verschwindet erhält er einen weiteren Tag Leben.
Entscheiden darüber, was verschwindet, wird er, der Teufel.

Der Briefträger willigt ein - und am ersten Tag verschwinden alle Telefone von dieser Welt. Am zweiten Tag lässt der Teufel alle Filme verschwinden, am dritten die Uhren.

Als er am vierten Tag alle Katzen von dieser Welt verschwinden lassen möchte weigert sich der Briefträger und trifft eine überraschende Entscheidung.

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„Wenn alle Katzen von dieser Welt verschwänden“ ist ein kleines Buch, ein kurzes Buch. Unter 200 Seiten und doch wird wesentlich mehr gesagt, als so mancher dicke Wälzer es schafft.

Was passiert, wenn Dinge von der Welt verschwinden? Was ändert sich für den Einzelnen und die Allgemeinheit?
Wird es besser oder schlechter ohne Telefone, Filme, Uhren für uns?
Was genau bedeuten uns diese Dinge?

Diesen Fragen geht das Buch philosophisch, aber dennoch sehr pragmatisch aus der Sicht des jungen Briefträgers nach.

Er geht den Deal ein - denn sein Leben ist ihm wichtiger als jedes Telefon. Er versucht sich zu erklären, schließlich sind die Menschen doch mehr als abhängig von den Smartphones, stehen wie Zombies in der Gegend rum und starren auf ihre Displays.
Aber er selber, er war immer unfähig, seine Emotionen auszudrücken - ausser am Telefon. Das Verschwinden der Telefone lässt ihn Revue passieren, was damals das Telefon für ihn bedeutet hat. In der Beziehung mit seiner damaligen Freundin, die er als letztes Telefonat noch einmal anruft - und wieder sieht.

Auch die Filme, die lässt er verschwinden. Und die Uhren.
Und spätestens hier geht es philosophisch richtig in die Tiefe, sind die Menschen durch ihre Gebundenheit an Stunden, Minuten und Sekunden doch eigentlich Gefangene der Zeit - und das selbst verschuldet, denn schliesslich haben sie die Uhren erfunden.

Bei den Katzen dann hört der Spaß auf. Wo sich schon bei den ersten verschwundenen Sachen für unseren Briefträger teils sehr persönliche Bezüge aufgetan haben sind es die Katzen - allen Voran Weißkohl, seine eigene Katze - die ihn verbindet, mit seiner verstorbenen Mutter, der sie gehört hat. Die ihn erinnert, an den letzten Urlaub mit seiner Familie, an seinen entfremdeten Vater.
Die Katze ist seine Verbindung zur Liebe, zur Menschlichkeit.
Wie kann er die Katzen verschwinden lassen? Welches Recht hat er zu entscheiden, was auf der Welt gebraucht wird und was nicht?

Er entscheidet sich für die Katzen und damit gegen sein eigenes Leben. Und schreibt einen Brief an seinen Vater, den er Jahre nicht gesehen hat - um am Ende zu verstehen, dass er ihm nicht schreiben, sondern ihn sehen muss.

Und dann endet das kleine Buch. Auf dem Weg zu seinem Vater.
Erreicht er ihn noch? Stirbt er vorher? Stirbt er überhaupt?
Das bleibt offen und ich muss ehrlich gestehen: ich empfinde es als etwas unbefriedigend.

Ähnlich wie die Sprache des Buches. Ich habe mich ab und an schwer getan mit meiner Beziehung zum Protagonisten - denn ich konnte keine aufbauen. Es gab kaum Möglichkeiten für mich, wirklich mitzuempfinden, immer blieb eine Distanz.

Natürlich ist es hier nicht zwingend nötig, sich mit dem Postboten identifizieren zu können, ist er doch eigentlich nur der Aufhänger, um grundlegende philosophische Bezüge der Menschlichkeit besprechen zu können.
Und das hat natürlich gut funktioniert und es ist schlau gemacht, anhand von simplen Dingen wie Filmen oder Telefonen einmal aufzuarbeiten, was sie eigentlich für uns bedeuten und wie sie uns verbinden - oder auseinanderhalten - mit den anderen Menschen.

Ein Buch, das in jedem Fall zum Nachdenken anregt über das Leben, das Miteinander und das „Warum“ hinter so vielen Dingen, die wir für selbstverständlich ansehen.
Auch Katzen.