Cover-Bild Sieh mich an
20,00
inkl. MwSt
  • Verlag: Piper
  • Genre: Romane & Erzählungen / Sonstige Romane & Erzählungen
  • Seitenzahl: 256
  • Ersterscheinung: 01.08.2017
  • ISBN: 9783492058551
Mareike Krügel

Sieh mich an

Roman
Man kann ja nicht einfach sterben, wenn die Dinge noch ungeklärt sind. Das denkt Katharina, seit sie vor Kurzem das Etwas in ihrer Brust entdeckt hat. Niemand weiß davon, und das ist auch gut so. Denn an diesem Wochenende soll ein letztes Mal alles wie immer sein. Und so entrollt sich das Chaos eines ganz normalen Freitags vor ihr. Während sie aber einen abgetrennten Daumen versorgt, ihren brennenden Trockner löscht und sich auf den emotional nicht unbedenklichen Besuch eines Studienfreundes vorbereitet, beginnt ihr Vorsatz zu bröckeln, und sie stellt sich große Fragen: Ist alles so geworden, wie sie wollte? Ihre Musik, ihre Kinder, die Ehe mit dem in letzter Zeit viel zu abwesenden Costas? Als der Tag fast zu Ende ist, beschließt sie, endlich ihr Geheimnis mit jemandem zu teilen, den sie liebt. – Die Heldin in Mareike Krügels rasantem, klugem Roman gehört ganz sicher zu den einnehmendsten Frauengestalten in der deutschen Gegenwartsliteratur.

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Lesejury-Facts

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 09.08.2017

Temporeicher, tiefgründiger Roman über den alltäglichen Wahnsinn - trotz aller Übertreibungen sehr authentisch

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Katharina ist ungefähr 40 Jahre alt, verheiratet, Mutter von zwei Kindern und lebt an einem Ort an der Ostsee. Ihr Mann Costas hat nach seiner Arbeitslosigkeit eine Anstellung als Architekt in Berlin gefunden ...

Katharina ist ungefähr 40 Jahre alt, verheiratet, Mutter von zwei Kindern und lebt an einem Ort an der Ostsee. Ihr Mann Costas hat nach seiner Arbeitslosigkeit eine Anstellung als Architekt in Berlin gefunden und ist deshalb nur am Wochenende zu Hause. Den Alltag mit all seinen Tücken muss Katha allein bewältigen.
Eine besondere Herausforderung stellt ihre 11-jährige Tochter dar, die unter ADHS leidet und gerade in die Pubertät kommt. Katha schenkt Helli ihre gesamte Aufmerksamkeit, weshalb sie es kaum schafft, den Haushalt zu bewältigen, zumindest stundenweise ein Zubrot als Musikpädagogin zu verdienen, geschweige denn Zeit für sich selbst hat, um einfach nur hinzusitzen oder die Anrufe ihrer Schwester entgegen zunehmen.

"Sieh mich an" schildert einen einzigen Tag in Kathas Leben. Es ist ein Freitag im Winter und das erste Wochenende, an dem Costas nicht nach Hause kommt, da er sich verpflichtet fühlt, zu einer betriebsinternen Weihnachtsfeier zu gehen. Katha nutzt die Gelegenheit, ihren Studienfreund Kilian wiederzusehen, den sie seit Jahren nicht getroffen hat und der an diesem Wochenende in der Gegend ist.

Der Tag beginnt schon denkbar schlecht, als Katha von Hellis Schule gebeten wird, ihre Tochter - mal wieder - wegen Nasenbluten abzuholen. Es folgen ein abgefahrener Seitenspiegel am Auto, ein Trockner, der in Flammen aufgeht und der transsexuelle Nachbar, der sich bei der Reparatur seines Rasenmähers den Daumen abtrennt. In dem ganzen Chaos muss Katha zudem jederzeit mit dem nächsten Ausraster ihrer überdrehten Tochter rechnen.

Scheinbar unberührt - oder einfach schon daran gewöhnt - gehen die Stunden für Katha voran, bis sie am Abend endlich Kilian am Bahnhof abholen kann. Was Katha eigentlich belastet, ist "das Etwas", das sie Tage zuvor in ihrer Brust ertastet hat und dessen gynäkologische Abklärung sie aufgrund ihrer erblichen Vorbelastung vor sich herschiebt.

"Das Etwas sitzt in meiner linken Brust und tut alles, was es nicht tun soll: Es wird nicht kleiner, ist nicht beweglich und schmerzt nicht. Es ist, was es ist. Aber es ist schließlich auch nicht seine Aufgabe, mir Hoffnung zu machen."

Mit Katha möchte man wahrlich nicht tauschen und so ist es bewundernswert, dass sie diese Abfolge an unvorhergesehene Ereignissen mit scheinbar stoischer Gelassenheit erträgt, als gehörten diese zu einem normalen Familienalltag. Tatsächlich hegt sie allerdings Selbstmordgedanken, wobei nicht ganz klar ist, wie ernst es ihr mit einem Abgang, der möglichst schonend für die Hinterbliebenen sein soll, tatsächlich ist.

"Sieh mich an" ist ein tragikomischer Roman über eine Frau, die als Studentin noch so viel vorhatte, aber dann zu früh in die Mutterrolle rutschte und mit zwei Kindern keine Zeit mehr für ihre Dissertation und eine Anstellung als Musikwissenschaftlerin hatte. Die ADHS-Erkrankung ihrer Tochter wurde zu spät erkannt und ihr Ehemann glänzt durch permanente Abwesenheit, weshalb auch er im Alltag keine Hilfe ist. Für ihn ist Katha "nur" Hausfrau, die Stunden der musikalischen Früherziehung, die sie an der Musikschule gibt, erkennt sie ja selbst nicht als berufliche Tätigkeit an. Katha funktioniert nur noch und nur die Liebe zur klassischen Musik und der turbulente Alltag lenken sie ab, damit sie sich nicht mehr Sorgen um ihre Gesundheit machen muss.

Das Thema Brustkrebs bleibt bis zum Ende des Roman eher im Hintergrund, so dass die amüsanten, wenn auch zum Teil bestürzenden Szenen, überwiegen und der Roman insgesamt sehr temporeich und humorvoll zu lesen ist. Als Leser taucht man direkt in die Gedankenwelt von Katha und ihren To-do-Listen ein und nimmt kaum wahr, dass es sich tatsächlich nur um einen Tag im Leben von Katha gehandelt hat und ist geradezu froh, dass man selbst ein so vergleichsweise eintöniges Leben führt.
Am Ende kann Katha ihre Emotionen aber nicht mehr kontrollieren, sie sieht derart pessimistisch in die Zukunft und da ist es plötzlich doch ihr Ehemann, bei dem sie Halt sucht.
"Sieh mich an" ist ein außergewöhnlich geschriebener, tiefgründiger Roman, bei der die Handlung trotz aller Übertreibungen nichts an ihrer Authentizität verliert und der sich mit der Frage beschäftigt, wie viel von der eigenen Individualität im täglichen Wahnsinn noch übrig bleibt.

Veröffentlicht am 28.07.2017

Tragisches überwiegend komisch

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Katharina ist Ehefrau und Mutter. Ihr Alltag ist rasant, anstrengend, hektisch und für den Leser ausgesprochen unterhaltsam. Überschattet wird das Wochenende von einer Entdeckung die Katharina die sie ...

Katharina ist Ehefrau und Mutter. Ihr Alltag ist rasant, anstrengend, hektisch und für den Leser ausgesprochen unterhaltsam. Überschattet wird das Wochenende von einer Entdeckung die Katharina die sie für sich behält und interpretiert. Zunächst klappt ihre "Sperre" im Gehirn hervorragend, um zu verdrängen. Sie taumelt von einer skurilen Szene zur nächsten, die mich zum lauten Lachen gebracht haben. Die Figuren in diesem Roman sind so großartig und eigen, das ich sie gerne alle zu einem illustren Abend einladen würde. Allerdings wird dann das letzte Drittel des Buches doch existenzieller. Katharina beginnt sich mit ihrem Leben, ihrer Familie und dem Umfeld innerlich auseinanderzusetzen und zieht teils bittere Bilanzen. Für mich werden die heiteren Szenen in diesem Teil des Buches etwas zu grotesk und die tiefsinnigen Momente etwas zu langatmig, aber für die Hauptfigur Katharina ist das alles durchaus authentisch. Ich habe das Buch auf jeden Fall verschlungen und bin sehr begeistert vom Schreibstil von Mareike Krügel. Gerne mehr davon!

Veröffentlicht am 20.05.2018

Besonderer Roman

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Zu Anfang : Dieses Buch ist sehr speziell ,aber auf diese ganz eigene Weise , hat es eine innerliche und tiefgründige Botschaft , nach der der Leser zwar eine Weile suchen muss , doch dann kann dieser ...

Zu Anfang : Dieses Buch ist sehr speziell ,aber auf diese ganz eigene Weise , hat es eine innerliche und tiefgründige Botschaft , nach der der Leser zwar eine Weile suchen muss , doch dann kann dieser einzigartige Roman durch eben diese Besonderheit bestechen . 
Wenn ich dieses Buch beschreiben müsste , dann würde ich sagen , es ist ein Buch über die Menschen und über die Sehnsucht der Welt . 
Doch gerade diese vielschichtige und andersartige Erzählweise und Struktur , gibt dem Buch eine sehr komplexe Sichtweise auf sehr ähnliche und doch unterschiedliche Dinge . Es ist zwar etwas vewirrend , trägt aber später zur Perfektion des Romans bei und gewinnt später auch an einer klareren Struktur. 
Die Charaktere des Buches , sehe ich ein wenig zwiegespalten . 
Auf der einen Seite , beleben sie diesen Roman und lassen ihn an Substanz und bezaubernden Passagen gewinnen . Dennoch wirkten sie für mich nicht ganz so emotional und lebendig ausgearbeitet , wie ich es mir an manchen Stellen gewünscht hätte . Doch trotzdem geben sie diesem Buch eine solche wortgewaltige Kraft und hauchen der Geschichte ganz neues Leben ein , welches ich so vielleicht noch nie lesen durfte . 
Im Mittelpunkt des Romans stehen sicherlich , eben diese vielschichtigen und emotional geprägten Protagonisten . 
Zum einen ist "sieh mich an " eine lebendige und tiefgründige Reise durch ferne und doch so nahe Gefühlswelten und auf der anderen Seite, ist es ein Buch über uns Menschen und das Leben im allgemeinen . 
Der Autorin gelingt es exzellent die einzelnen Passagen vielschichtig und authentisch darzustellen .Jede kleine Eigenart feilt sie mit ihrem leisen und doch gewaltigen Stil heraus und arbeitet die Charaktere zu einer lebendigen Charakterisierung heraus . 
Mit einer faszinierenden und behutsamen Erzählweise , macht die Autorin auf die Probleme aufmerksam und diese nehmen den Leser mehr als mit und lassen ihn auf eine ungewöhnliche Weise nicht mehr los . 
Im ersten Moment könnten die Charaktere und ihre Geschichte blass wirken , aber ich glaube , wenn man sich ein wenig Zeit nimmt und in die Tiefe der Geschichte eindringt , wird man verstehen und feststellen können, wie emotional und tiefgründig dieser Roman wirklich ist . 
Dieser Roman ist für mich eine lebendige und häufig emotional wechselnde Charakterstudie , wie verändern wir uns mit der Zeit und was bewirken Schicksalsschläge im tiefsten Innern unserer Seele ?! 

Fazit : 
Ein sehr besonderer und einzigartiger Roman , bei dessen Bewertung ich mir sehr unschlüssig bin . 
Wer sich auf einen ruhigen und doch sprachgewaltigen Roman einlassen kann , der ausschließlich von den Protagonisten und deren belebtem Leben besteht , der sollte dieses Buch auf jeden Fall ausprobieren und für sich entdecken . 
Für mich ein sehr besonderer Roman , eine literarisch bezaubernde und tiefgründige Reise durch die Welt und die menschliche Psyche . 
Ich vergebe 4 Sterne , für einen außergewöhnlichen Roman , der sicherlich den passenden Leser braucht , um geliebt und verstanden zu werden 

Veröffentlicht am 20.12.2017

Der letzte "normale" Freitag

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in Katharinas Leben? Vielleicht, denn sie hat irgendwas Störendes in ihrer Brust entdeckt, etwas richtig Fieses, was ihr zu denken gibt, zumal sie genetisch vorbelastet ist.

Also, eigentlich ist sie ...

in Katharinas Leben? Vielleicht, denn sie hat irgendwas Störendes in ihrer Brust entdeckt, etwas richtig Fieses, was ihr zu denken gibt, zumal sie genetisch vorbelastet ist.

Also, eigentlich ist sie sich fast sicher, dass sie nicht mehr lange leben wird, so jedenfalls kommt es bei mir rüber. Aber sie klammert es aus, da es ja viel Wichtiges gibt in ihrem Leben, über das sie nachzudenken fast keine Zeit hat. Zwischen Familie, Job, aber auch ihrem Innenleben - Reflexionen, Erinnerungen - zerrissen bricht er doch immer wieder hervor, dieser böse kleine Gedanke, bis - ja, bis es gewissermaßen kracht.

An diesem Freitag spitzt sich nämlich alles auf eine Explosion zu. Auch wenn es nicht so scheint, aber dieser Knall findet statt und ich muss sagen, in meinen Augen hat er eine Menge vom Charme des Buches geraubt. Ohne wäre besser gewesen, denn Katharinas spitzzüngige Wahrnehmung ihrer Umgebung, vor allem der sie umgebenden Personen ist einfach herrlich geschrieben, trotz oder auch gerade wegen der Tragik ein wahrer Lesegenuss.

Denn Autorin Mareike Krügel versteht es hervorragend, Situationen in Worte zu fassen, Emotionen rüberzubringen, ihrer Protagonistin Katharina Gestalt zu verleihen - nämlich die einer nicht gerade unkomplizierten Mittvierzigerin, die schon so einiges mitgemacht hat. Was sie quasi so nebenher rüberbringt. Sehr gelungen. Außer dem Knall halt, der wirkt unglaubwürdig, finde ich. Aber sonst ein wirklich eindrucksvoller und eindringlicher Roman.

Veröffentlicht am 17.12.2017

Das große Ungewisse

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„Alle glücklichen Familien gleichen einander, jede unglückliche Familie ist auf ihre eigene Weise unglücklich.“, schreibt Tolstoi am Anfang von„Anna Karenina“. Und irgendwie lässt sich dieser Satz auch ...

„Alle glücklichen Familien gleichen einander, jede unglückliche Familie ist auf ihre eigene Weise unglücklich.“, schreibt Tolstoi am Anfang von„Anna Karenina“. Und irgendwie lässt sich dieser Satz auch problemlos auf „Sie mich an“ von Mareike Krügel übertragen. Katharina managt Kinder, Haushalt, Beruf, Nachbarn und ihren durch Abwesenheit glänzenden Mann. Ihre eigenen Sorgen und Probleme aber schiebt sie gerne auf. Namentlich den Arztbesuch, der ihr wegen eines Knotens in der Brust noch aussteht. Bei all dem Chaos, bei dem Katharina beinahe zur diplomierten Krisenmanagerin wird, ist es aber eigentlich eher eine Frage, ob sie sich überhaupt die Zeit nehmen kann, um über eigene Probleme nachzudenken.

Mareike Krügel erzählt ihre Geschichte mit viel Einfühlungsvermögen und doch relativ sachlich. Da der Leser die Ereignisse aus Katharinas Sicht wahrnimmt, schleicht sich aber hin und wieder doch eine gewisse wertende Haltung ein. Etwa, wenn Katharinas Nachbar Heinz seine Homöopathieexpertise zum Besten gibt.
Allerdings erfährt man nicht nur etwas über Katharinas Umfeld. Rückblenden, die durch Katharinas Sicht wie Erinnerungen wirken, fügen sich nahtlos in das Geschehen ein. Nach und nach setzt sich so für den Leser ein Bild zusammen, das es ermöglicht bestimmte Reaktionen und Verhaltensweisen der Protagonistin nachvollziehen zu können.

Am Ende steht deshalb nicht mehr die Frage, warum Katharina bestimmte Dinge nicht tut, die auf Anhieb logisch erscheinen, sondern die Erkenntnis, dass Krisenbewältigung von außen deutlich einfacher zu beurteilen ist.