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Veröffentlicht am 07.08.2018

Ein krönender Abschluß

Die Zeit der Kraniche
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Mit „Die Zeit der Kraniche“ findet die großartige Familiensaga von Ulrike Renk ihren Abschluss.
Frederike lebt nun mit den drei Kindern allein auf dem Familiengut in der Prignitz. Immer mehr sind die Auswirkungen ...

Mit „Die Zeit der Kraniche“ findet die großartige Familiensaga von Ulrike Renk ihren Abschluss.
Frederike lebt nun mit den drei Kindern allein auf dem Familiengut in der Prignitz. Immer mehr sind die Auswirkungen des Krieges zu spüren. Besonders die die Familie Mansfeld leidet darunter, den Gebhard sitzt im Potsdamer Gestapo Gefängnis und das Gut steht unter der Aufsicht eines strammen Nazis. Die Nachrichten vom elterlichen Gut in Ostpreußen sind auch sehr bedrohlich. Unverdrossen versucht Freddie den Kopf hoch zu halten, ihrer Familie und den vielen Flüchtlingen eine Stütze zu sein. Doch die letzten Kriegsmonate und die Nachkriegszeit fordern viele Opfer von ihr. Eltern und Schwiegereltern, die ganze Familie flieht in den Westen, doch Gebhard hofft nach Ende des Kriegs sein Gut wieder bewirtschaften zu können, doch wieder wird er verhaftet und Freddie gelingt in letzter Minute mit den Kindern die Flucht.
Es ist ein besonders intensives Leseerlebnis, auch weil ich weiß, dass der Roman um Frederike auf einer wahren Geschichte beruht. Die Autorin hatte Zugang zu vielen Familiendokumenten und setzt einer mutigen Frau mit ihrem Buch ein Denkmal. Die Lebensgeschichte ist mir unter die Haut gegangen und hat mich tief emotional berührt. Es sind die kleinen Alltagsdinge die die Kriegszeit und die Hungerjahre viel authentischer darstellen, als es ein Sachbuch je vermag. Der Gutshof ist wie ein Kosmos, jedes Mitglied, ob Familie oder dienstbare Geister haben ihren Platz und ihre Geschichte. Wobei jede Figur – bis zu den Kriegsflüchtlingen und Zwangsarbeitern – stimmig ausgearbeitet sind. Jede Person bekommt ihre eigene Geschichte und ich kann gar nicht anders, ich bin schon nach wenigen Seiten ein Teil dieser Geschichte, hoffe und bange mit Freddie und freue mich, wenn ihr wieder einmal gelungen ist, die Einschränkungen des regimehörigen Verwalters abzuschwächen. Die kleinen Episoden aus der Küche und dem Hof sind erfreuliche Atempausen im dramatischen Geschehen.
Es gibt wenige Bücher von denen ich mir wünschte, sie mögen immer weitergehen. Ulrike Renks Geschichte über Frederike von Mansfeld gehört definitiv dazu, deshalb habe ich den letzten Band der Trilogie mit großem Bedauern beendet und bin sicher, dass ich die Romane immer wieder aufschlagen werde.

Veröffentlicht am 02.07.2018

Hopfen und Malz

Hopfenkiller
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Die Brauerszene in München steht Kopf! Da kommt so ein Ami daher und will den g’standenen Braumeistern zeigen, wie heute Braukunst geht und was er vom Reinheitsgebot hält. Craft Bier ist das Zauberwort ...

Die Brauerszene in München steht Kopf! Da kommt so ein Ami daher und will den g’standenen Braumeistern zeigen, wie heute Braukunst geht und was er vom Reinheitsgebot hält. Craft Bier ist das Zauberwort und da er noch so ausschaut wie ein geigender Frauenschwarm, steht ihm die Münchner Szene offen.
Aber auch den Craft Bier Adepten ist das Engagement nicht so recht, denn die Finanzkraft hinter Garreth Vane scheint grenzenlos und sie fürchten um ihre kleinen handwerklich geprägten Betriebe. Bald scheint es ernst zu werden, der Inhaber der bisher größten Craftbierbrauerei treibt tot in der Isar, sein Konkurrent und Mitstreiter liegt erschlagen im Brauhof. Aber auch die traditionellen Brauereien klagen über Anschläge und Manipulationen.
Was bleibt da Kommissar Bichlmaier anders übrig als sich der Hilfe von Alfred Sanktjohanser, allgemein nur als der „Sanktus“ bekannt, zu versichern. Schließlich war er mal Polizeikollege und Braumeister ist er immer noch. Allerdings hat Sanktus seiner Kathi versprechen müssen, in Zukunft auf gefährliche Ermittlungsarbeit zu verzichten und mit Kathi möchte er es sich nicht verderben. Aber ein bissl umhören, wird er sich schon können.
Bayern, Sommer und Biergärten und dazu ein süffiges Weißbier, egal ob traditionell oder als Craft Bier und dazu passt der neueste „Sanktus“-Krimi. Spritzig ist die Geschichte, voller Sprachwitz und Situationskomik. Der Sanktus redet und denkt wie ihm der Schnabel gewachsen ist und der Autor fängt das wunderbar authentisch ein. So stelle ich mir einen humorigen Bayernkrimi vor. Da darf man gern in die Klischeekiste greifen, wenn man – wie bei Autor Andreas Schröfl – auch immer das Augenzwinkern spürt. Ich liebe die deftigen Dialekteinschübe, genau wie die liebevoll und gekonnt gezeichneten Originale. Sicher, sie werden auch mal überzeichnet, aber genau wie bei Klischees ist das immer gut dosiert und als Stilmittel gewollt. Man kann eben nur überzeichnen, was man auch kennt und mag. Mir gefällt auch, wie Sanktus‘ Gedanken immer ganz ungefiltert und bar jeder grammatikalischen Norm einfließen, das erinnert mich ein wenig an die Brenner Romane von Paul Haas und macht den Krimi lebendig und direkt.
Die Geschichte ist spannend und recht verzwickt aufgebaut, so einfach war es nicht mit meinen Verdachtsmomenten. Immer wieder kam ich ins Zweifeln und so blieb die Spannung bis zum Finale hoch.
Andreas Schröfl versteht nicht nur eine Menge vom Bier, er versteht es auch einen gelungenen Kriminalroman mit Lokalkolorit zu schreiben.

Veröffentlicht am 18.06.2018

Intrigen in Versailles

Commissaire Le Floch und der Brunnen der Toten
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Nicholas le Floch ist Commissaire in Paris. Das Wohlwollen des Königs ruht auf ihm, er verfügte persönlich die Ernennung. Nicholas ist ehrgeizig, jung und vor allem mit einem unbestechlichen Blick ausgezeichnet. ...

Nicholas le Floch ist Commissaire in Paris. Das Wohlwollen des Königs ruht auf ihm, er verfügte persönlich die Ernennung. Nicholas ist ehrgeizig, jung und vor allem mit einem unbestechlichen Blick ausgezeichnet. Er selbst ist der uneheliche Spross eines Adligen und wuchs bei einem Vormund auf, der ihm eine gute Erziehung ermöglichte. Der Weg zu einer Karriere im Beamtenapparat Ludwig des XV ist mit Intrigen gepflastert.

Als er eines Abends in der Oper auf die königliche Tochter Adelaide achten soll, wird er zu einem Todesfall gerufen. Der Sohn des Comte de Ruissec liegt in seiner von innen verschlossenen Bibliothek, die Pistole scheint ihm aus der Hand gefallen, das Gesicht von der Schussverletzung entstellt. Selbsttötung ist im französischen, katholischen Königreich ein Kapitalverbrechen und würde der Familie Ruissec schaden. Aber das ist es nicht allein, was le Floch stutzig macht, er findet Anzeichen für ein Verbrechen und ist mehr als verwundert, dass der alte Graf davon nichts wissen möchte und jede Untersuchung behindert. Als die Gräfin um ein geheimes Treffen bittet, wird sie ebenfalls getötet.

Le Floch ist auf sich gestellt, zwar halten seine Vorgesetzten eine schützende Hand über ihn, aber er weiß, wenn er sich zu weit vorwagt, steht er für sich allein. Die politischen Ränken und Intrigen in Versailles sind allgewärtig. Sogar die Maitresse Madame de Pompadour scheint mit zu mischen und umschmeichelt le Floch.

Die Figur des jungen le Floch hat mir sehr gut gefallen. Um ihn herum stellt der Autor in seinem zweiten Roman eine Reihe historischen Figuren, die sehr gut in die Handlung eingepasst wurden. Sehr detailreich und immer unglaublich interessant ersteht ein Bild der Zeit vor meinen Augen. Versailles, die Welt der Theater und Oper in Paris, die großen Boulevards der Stadt, das alles wird farbig und lebendig beschrieben. Ich bin richtig in diesen Roman versunken, der dicht und stimmungsvoll erzählt ist. So stelle ich mir einen gelungen historischen Krimi vor und meine Erwartungen sind übererfüllt worden.

Ein ausführliches Personenregister rundet das Buch ab. Ich habe das als richtiges Bonusmaterial empfunden und französische Geschichte aufgefrischt.
Da ich inzwischen weiß, dass es in Frankreich schon mehrere Bände gibt, bin ich sehr gespannt auf weitere Bücher um le Floch und werde in der Zwischenzeit den ersten Band nachholen.

Veröffentlicht am 17.06.2018

Tokyo Manga

Inspektor Takeda und der lächelnde Mörder
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Es scheint ein klarer Fall zu sein. Der junge Simon Kallweit hat eine Frau vor die einfahrende S-Bahn gestoßen. Die Überwachungsbilder zeigen ihn entrückt lächeln und mit erhobenen Händen. Aber so einfach ...

Es scheint ein klarer Fall zu sein. Der junge Simon Kallweit hat eine Frau vor die einfahrende S-Bahn gestoßen. Die Überwachungsbilder zeigen ihn entrückt lächeln und mit erhobenen Händen. Aber so einfach ist es nicht, die Aufnahmen liefern keinen gerichtsverwertbaren Beweis, die Zeugen widersprechen sich oder sind unsicher. Inspektor Takeda und Kommissarin Harms bleibt nichts übrig, als Simon laufen zu lassen. Grade Takeda hatte einen Draht zu Simon gefunden, der ganz in der Welt der japanischen Mangas zu leben scheint.

Dann passiert ein weiterer unerklärlicher Mord und wieder war Simon in der Nähe des Tatorts, aber wieder gibt es keine Beweise.
Ken Takeda und Claudia sind ein besonderes Ermittlergespann. Der japanische Austauschpolizist hat eine ganz andere Herangehensweise als seine deutsche Kollegin. Nie wird er direkt, er ist ein Mann der Zwischentöne, während Claudia manchmal barsch und ruppig erscheint. Trotz dieser Gegensätze sind sie ein gutes Team, sie haben ihren Rhythmus gefunden und arbeiten gut zusammen. Manchmal blitzt auch ein ganz besonderes Prickeln auf, Gegensätze scheinen sich anzuziehen. Die innere Zerrissenheit Takedas, die nächtlichen Streifzüge, oft mit viel japanischem Whisky oder mit einsamen Saxophonspiels in einem Park, zeigen den Inspektor als einsamen Wolf.

Aber nicht nur die Ermittler haben mir gefallen, der Plot berührt viele Dinge unseres alltäglichen Lebens. Jugendliche aus Wohlstandsfamilien, die sich in eine dunkle Fantasiewelt zurückziehen und sich in der Welt des Internets verlieren, Schüler, die hemmungslos mobben, während die Klasse und die Lehrer wegschauen, das alles kommt zur Sprache.

Genau wie die Faszination für Jazz, die auf mich übersprang. Wenn Takeda seinen Stimmungen in offenen Jazzclubs am Saxophon auslebt, kommt eine ganz besondere Atmosphäre auf. Das ist noch einmal eine ganz andere Ebene. Genauso interessant fand ich Takedas Blick auf Deutschland und im Besonderen auf den Arbeitsalltag in der Dienststelle. Wie er hinterfragt, reflektiert und mit Japan vergleicht, diesen Blick von außen fand ich besonders reizvoll.

Die Geschichte so raffiniert aufgebaut, sehr vielschichtig und immer ganz nah an der Realität, ein toller Krimi, der nur einen Fehler hatte: ich war viel zu schnell durch. Ich freue mich schon, mehr von diesen Ermittlern zu lesen.


Veröffentlicht am 04.06.2018

Erwachsen werden kann weh tun

Der rote Swimmingpool
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Adams Eltern scheinen ein Traumpaar zu sein. Sie ist Französin, eine etwas zerstreut - liebevolle Mutter, charmant und alle Schul- und Jugendfreunde Adams scheinen für sie zu schwärmen. Der Vater ist als ...

Adams Eltern scheinen ein Traumpaar zu sein. Sie ist Französin, eine etwas zerstreut - liebevolle Mutter, charmant und alle Schul- und Jugendfreunde Adams scheinen für sie zu schwärmen. Der Vater ist als erfolgreicher Unternehmensberater sehr viel unterwegs, aber die Vater-Sohn-Beziehung ist fest und vertrauensvoll.

Doch dann bricht Adams Welt in Stücke, die Eltern trennen sich, über die Gründe schweigen sich Beide aus und Vater Wictor bricht den Kontakt völlig ab. Er weigert sich mit seinem Sohn zu sprechen, ist weder telefonisch, noch persönlich für ihn zu erreichen. Die Mutter geht zurück nach Paris und Adam ist völlig isoliert und dann verliert auch noch die letzte Bindung zu seinem Elternhaus, denn Wictor zieht sofort mit seiner neuen Beziehung und deren Kindern ein. Das führt zu einer Kurzschlusshandlung von Adam, die ihn vors Jugendgericht bringen wird und so lernen wir Adam kennen: bei der Ableistung seiner aufgebrummten Sozialstunden.

Das Buch zeigt das Innenleben eines Teenagers, dessen Leben völlig aus den Fugen geraten ist. Er hat Halt und Vertrauen verloren. Aber er reift auch an seinen Erfahrungen. Mir hat Adam als Figur besonders gut gefallen, sensibel und mit Sympathie schildert die Autorin diesen Charakter. Für mich strahlte der ganze Roman sehr viel Optimismus und Empathie für die Schwierigkeit des Erwachsen-werdens aus. Daneben gefiel mir auch der subtile Humor, die immer wieder witzigen Aktionen und Dialoge. Auch bei allen Nebenfiguren trifft der Roman immer den richtigen Ton.

Für mich war das Ende ein sehr befriedigender, weil optimistischer Abschluss. Es zeigt Adam als einen gereiften, gefestigten jungen Mann. Er ist mit diesem Familiendrama stärker geworden und kann auf seinen Vater zugehen. Mehr noch, er gibt seinem Vater nun den Halt und die Aussicht auf einen Neubeginn, die er zuvor gebraucht hätte und zu der der Vater nicht fähig war.

Mir hat das Buch sehr gut gefallen, ich habe mich wie ein stiller Beobachter in dieser Familie gefühlt, war also immer ganz nah dabei. Das ist ein Buch, dem ich auch viele junge Leser wünsche.

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