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Veröffentlicht am 08.06.2018

Eine schicksalhafte Liebe

Das Apfelblütenfest
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Jules war neun Jahre alt, als er eine Stellenanzeige in den größten Baum im Apfelhain der Familie ritzt. Er suchte damals eine Haushälterin für seinen Vater, dem nach dem Tod seiner Frau alles über den ...

Jules war neun Jahre alt, als er eine Stellenanzeige in den größten Baum im Apfelhain der Familie ritzt. Er suchte damals eine Haushälterin für seinen Vater, dem nach dem Tod seiner Frau alles über den Kopf wuchs. Nun sind zwanzig Jahre vergangen, sein Vater ist längst tot, und Jules hat das Hofgut übernommen, auf dem Calvados und Cidre produziert werden. Als sich die junge lebenslustige Lilou, die eigentlich Heilpraktikerin ist, um die Stelle bewirbt, nimmt Jules widerstrebend ihre Hilfe an. Ihr gelingt es Stück für Stück, Jules für die Schönheit der Natur und für die Lebensfreude zu begeistern. Als dann auch noch Liebe ins Spiel kommt, scheint das Glück perfekt, doch das Schicksal greift folgenschwer ein.

"Intelligenz und Liebe haben weniger gemeinsam als Essig und Öl. Und das ist auch gut so." Zitat Seite 101

Dieser Roman schafft es, dass sich der Leser in die schöne Landschaft der Normandie hineinträumt und die Schönheiten der Natur miterleben kann. Das normannische Dorf wird fühlbar, fast kommt es einem Urlaubsbericht gleich.

Die Geschichte von Lilou und Jules beginnt mit ihrem Kennenlernen und man erkennt schnell, dass Lilou mit ihrer überschäumenden, fröhlichen, dafür aber auch eigensinnigen und ehrlichen Art, den trockenen, als Brummbär bekannten Jules mitreißt und sich allmählich zwischen ihnen eine Liebesgeschichte entwickelt. Diese Beziehung ist am Anfang geprägt von beiderseitigem Verhalten wie zwischen Hund und Katze, doch allmählich entspannt sich ihr Verhalten.
Es ist schön zu sehen, wie Lilou den zurückgezogenen Jules zu gemeinsamen Unternehmungen aktiviert, die ihm gar nicht in den Sinn gekommen wären. Sie bringt ihm das Leben wieder näher und er fängt an, es zu genießen.

Jules hat familiäre Schicksalsschläge erlitten und ihn beunruhigen krankhafte Symptome seiner Beine. Zusätzlich belasten ihn die schlecht gehenden Geschäfte rund um sein Hofgut. Sein mürrisch wirkendes Verhalten kann man daher gut verstehen. Allerdings hat er auf mich eher wie ein gesetzter älterer Mann gewirkt und nicht wie jemand mit gerade mal Anfang 30.

Carsten S. Henn hat eine schöne angenehme Schreibweise, die auf eine völlig unkitschige Weise romantische Gefühle weckt und Personenbeziehungen deutlich darstellt. Die humorvoll frechen Dialoge der Protagonisten liest man gern und auch die melancholische Stimmung nach Jules Erkrankung ist glaubhaft dargestellt. Seine Vorliebe und sein Sachverstand für Weinbau werden im Roman nur zu deutlich und man merkt ihm sein Interesse für Calvados und Cidre an. Hier hätte man gerne während des Lesens eine entsprechende Kostprobe gereicht bekommen.

Bei der Handlung kommt es ungefähr in der Mitte des Buches zu einem Bruch. Beide Hauptfiguren haben persönliche Krisen zu meistern, die tragisch erscheinen, aber auf die sie unnatürlich reagieren. Ein paar Aspekte wirken schon etwas übertrieben oder klischeehaft. Es folgen Reaktionen und Verhaltensweisen der Protagonisten, die ich zum Teil nicht nachvollziehen kann. Zu engstirnig, lebensfremd und unreif agieren die Personen meiner Meinung nach, meine Sympathie zu ihnen schwand enttäuscht langsam dahin. Mich konnte die Darstellung der Krankheit nicht überzeugen und emotional packen, es wirkte ein wenig unrealistisch auf mich. Auch Lilous großer Wunsch nach einem Kind wurde mir nicht natürlich genug dargestellt.
Doch das Ende konnte mich dann wieder mit den Personen und einer einzigartigen traurigen Atmosphäre versöhnen.
Die den Kapiteln vorangehenden Haikus wirken auf mich seltsam und oft erschliessen sie sich mir nicht eindeutig genug.

Dieser Roman lässt sich gut lesen, unterhält mit einer schicksalshaften Liebesgeschichte und netten Nebenfiguren und entführt in die französische Lebensart der Normandie. Hier zwischen Meer und Apfelgärten mit kulinarischen Köstlichkeiten bekommt man sehnsüchtige Urlaubsgefühle.


Veröffentlicht am 08.06.2018

Viel kriminelle Energie, zu viele Mitstreiter und dadurch blieb die Spannung auf der Strecke.

Leuchtturmmord
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Dieses ist mein erster Krimi der Autorin und ich habe mich gespannt auf die Lektüre gefreut.
Zuallererst habe ich den Leuchtturm auf dem Cover vermisst, hier hätte ich keine Seebrücke erwartet. Das ist ...

Dieses ist mein erster Krimi der Autorin und ich habe mich gespannt auf die Lektüre gefreut.
Zuallererst habe ich den Leuchtturm auf dem Cover vermisst, hier hätte ich keine Seebrücke erwartet. Das ist jedoch nur eine Anmerkung am Rande.

Das Konzept des Krimis mit der Verbindung mehrerer Fälle von illegalen Wettgeschäften, Geldwäsche und Intrigen gefällt mir recht gut. Dadurch kommt viel kriminelle Energie ins Spiel. Wenn jedoch die etlichen Verbrechen von noch mehr Figuren ermittelt oder verbrochen werden, geht der rote Faden schnell verloren. Ich kann schon recht viele Personen und Namen verkraften und auseinanderhalten, wenn sie jedoch mal mit Vornamen und mal mit dem Nachnamen betitelt werden, wird das Lesen unweigerlich zu einer nicht nötigen Namenssuche. So etwas nervt mich und hält mich im Lesefluss auf, was sich leider auch als Spannungskiller auswirkt. Einige Personen, die für den Verlauf der Aufklärung wichtig sind, wurden auch erst im letzten Drittel eingeführt.

Bei den Verbrechen wird sich nicht in Details verrannt, sie werden aber auch nur mehr oder weniger sachlich erwähnt. Hier fehlt mir die inhaltliche Tiefe, die nicht unbedingt blutig und grausam geschildert sein muss, aber so, dass sie Betroffenheit beim Leser ausübt.

Die Charaktere sind sehr vielschichtig und gut beschrieben. Es ist wie gesagt die Personenmenge, in der die Ermittler fast untergehen. Romy Beccare hätte ich als Hauptfigur mehr im Mittelpunkt des Geschehens erwartet. In diesem Fall arbeiten jedoch zwei Teams sehr erfolgreich daran, um die miteinander verknüpften Verbrechen aufzulösen. So wechseln sich die Ermittler und Orte häufig ab. Private Dinge spielen keine große Rolle, sie dienen nur als Randnotiz.
Meine Lieblingsperson ist Gerit Schlegel, deren Charisma sich deutlich von den anderen Figuren abzeichnet.

Vielleicht sollte man erst die Vorgängerbände gelesen haben, ehe man in die Reihe quer einsteigt.

Dieser Krimi hat mich mit den kriminellen Verknüpfungen gereizt, es aber nicht mit genug Spannung ausgefüllt. Für Rügenfans gibt es einige schöne Hinweise.

Veröffentlicht am 04.06.2018

Solider Thriller mit einer unprofessionellen Ermittlerin und viel Blut

Elli Werner Reihe / Märchenblut
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Dieser Thriller zeigt eine grausame Gedankenwelt eines kranken Mörders, der mit Hilfe von Märchenzitaten Verbindungen zu seinen Opfern herstellt.

Die Autorin hat einen Schreibstil, der mir zusagt. Aber ...

Dieser Thriller zeigt eine grausame Gedankenwelt eines kranken Mörders, der mit Hilfe von Märchenzitaten Verbindungen zu seinen Opfern herstellt.

Die Autorin hat einen Schreibstil, der mir zusagt. Aber leider geht es bei den Grausamkeiten des Mörders schon blutig und sehr genau ins Detail. Diese schockierenden Beschreibungen muss man vertragen können.

Das Buch ist in drei Handlungsstränge aufgeteilt. Da ist die Hauptprotagonistin Elli zuerst zu nennen, von ihr erfahren wir auch sehr viel Privates. Dann gibt es die sehr authentisch dargestellte Sicht des Täters und die schrecklichen Erzählungen eines Kindes aus einem Kinderheim.

Die Thrillerhandlung ist schlüssig aufgebaut und durch die skrupellose Gewalt des Täters sehr spannend dargestellt. Ich finde jedoch, hier hätten auch weniger Leichen und Misshandlungen aufgeführt werden können.

Elli ist eine Frau, die früher sportlich fit war und in ihrer langjährigen Beziehung zu einer dicken Couchpotaoe wurde. Jetzt verliert sie sich in ihren privaten Problemen und Lebensfragen. Sie ist außerdem auch recht unprofessionell, das zeigt sich am Ende des Buches, wo sie durch eigene Dummheit in Gefahr gerät. Ihre Figurprobleme und Schwärmereien für ihren Chef wurden mir dann doch zuviel. Auch wie sie sich ihm gegenüber verhalten hat, war mehrfach daneben. Das Private hätte man ruhig etwas kürzer fassen können, es hätte der Länge des Thrillers auch gut getan.

Die Darstellung der Misshandlungen ist sehr genau, fast zu brutal und gewaltätig und interessanterweise an Märchensprüche angelehnt. Hinter der Fassade des Täters lautert eine traurige Vergangenheit, die er jetzt rächen will. Wie ihm in seiner Kindheit mitgespielt wurde, klingt unsagbar grausam. Dieses Leid hat sich im Laufe seines Lebens auf ein unerträgliches Mass angesammelt und die kranke Seele wird sehr gut deutlich. Da muss man schon durchdrehen.
Die Darstellung im Kinderheim kommt mir allerdings auch etwas übertrieben vor. Die ständigen Misshandlungen durch die Pflegerinnen hätten durchaus behandelnden Ärzten auffallen müssen.


Was mir aber gar nicht gefällt, sind die schnellen Wechsel zwischen heiteren Einschüben und den brutalen Handlungen. Dieser Wechsel zwischen fröhlicher Heiterkeit bei Elli und ihren Kollegen und der Gewalt macht mir Probleme. Auch hatte ich sehr früh den wahren Täter in Verdacht.


Märchenblut gibt tiefen Einblick in die kranke Seele eines Psychopathen und fesselt mit gewaltsamen Szenen, die man als Leser vertragen muss. "Achtung, blutig! Nichts für schwache Nerven" - heißt es denn auch warnenderweise auf der Rückseite des Buches.


Veröffentlicht am 04.06.2018

Etwas mittelmäßige Familiengeschichte

Das Haus der Schwestern
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Dieser Roman ist im typisch fesselnden Charlotte Link-Schreibstil gehalten, der trotz der über 600 Seiten spielend über die Geschichte hinweg trägt.
Die Rückblenden zur Lebensgeschichte der Gray-Schwestern ...

Dieser Roman ist im typisch fesselnden Charlotte Link-Schreibstil gehalten, der trotz der über 600 Seiten spielend über die Geschichte hinweg trägt.
Die Rückblenden zur Lebensgeschichte der Gray-Schwestern haben mir sehr gut gefallen. Es ist eine historische Reise, die schonungslose Einblicke in die Zeit der Weltkriege und in die Frauenbewegung in England ermöglicht. Frances schliesst sich den Suffragetten an, die für das Frauenwahlrecht kämpften. Auch die quälenden Erinnerungen von überlebenden Soldaten an ihre Kämpfe im ersten Weltkrieg werden deutlich beschrieben.
Hier offenbahren sich folgenschwere Schicksalsschläge in Frances Grays Leben. Man erlebt eine andere Generation hautnah mit und erlebt, unter welch schwierigen Umständen Frances damals schon fortschrittlich gedacht und sich durchgesetzt hat.

Angeblich identifiziert sich Barbara mit Frances, ich konnte jedoch keine gemeinsamen Punkte erkennen. Barbaras Verhalten wirkt einfach nur haarsträubend und irrational. Der wesentliche Bezug der Frauenfiguren miteinander fehlt mir leider.

Wer Familiengeschichten aus dem 20. Jahrhundert Englands mag oder Charlotte Link Romane gerne liest, dem ist das Buch zu empfehlen.

Veröffentlicht am 04.06.2018

Etwas unspannend

Bevor der Morgen graut
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Isländische Literatur übt immer einen ganz besonderen Reiz auf mich aus. Die Landschaftsbeschreibungen und die Lebensgewohnheiten interessieren mich, die spezielle Stimmung auf der Insel, die Geysire, ...

Isländische Literatur übt immer einen ganz besonderen Reiz auf mich aus. Die Landschaftsbeschreibungen und die Lebensgewohnheiten interessieren mich, die spezielle Stimmung auf der Insel, die Geysire, die Lichtverhältnisse ziehen mich magisch an. Es ist für mich eine unbekannte Welt.

Daher hat mich dieser Krimi auch sehr angesprochen. Die Graugansjagd scheint üblich zu sein, hat mich aber etwas erschreckt. Doch hier wird mal der Spiess umgedreht und der Jäger wird zur Beute.

Besonders das Ermittlerduo hat mir gut gefallen. Da ist Gunnar, ein grober raubeiniger Isländer, der gemeinsam mit Birkir, einem aus Vietnam stammenden Kollegen ermittelt. Zu ihnen gesellt sich noch ein unbedeutender dritter Mann, ein Schriftsteller, bei dem man das Gefühl hat, der Autor stellt sich selbst dar. Gemeinsam durchstreifen sie die Einöde Islands und suchen nach Hinweisen.

Es ist dieses originelle Duo, dass diesem Krimi seinen speziellen Reiz gibt. Die Handlung zieht sich nach einem spannenden Anfang in die Länge, es gibt unsinnige Nebenhandlungen und zu viele Zufälle. Die Charaktere sind recht fade und blass und teilweise ohne Bedeutung für die Auflösung. Auch die privaten Einschübe überzeugen nicht richtig. Das Ende wird zwar noch einmal spannend, der Täter ist aber vorhersehbar und die Lösung nicht richtig genial.

Die interessanteste Sache sind die Literaturrätsel, die die beiden Polizisten per E-Mail vom Serientäter erhalten. Sie zu erraten gelingt den Ermittlern mit einiger Mühe.


Die Ruhe und stimmungsvolle Schilderung der isländischen Natur hat mir gefallen, dieser Anteil und die speziellen Ermittler sind die hervorzuhebenden Pluspunkte dieses Krimis. Ansonsten ist es vielleicht für Gänsejäger interessant, jedoch kein unbedingt zu lesender Krimi.