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Veröffentlicht am 29.06.2018

Paris - die Stadt der Liebe und der Morde

Die Toten von Paris
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steht hier im Mittelpunkt und zwar in einer düsteren Zeit, nämlich im Jahr 1944, unmittelbar nach dem Ende der Vichy-Ära - die Deutschen und ihre Freunde sind zwar geschlagen, doch immer noch herrscht ...

steht hier im Mittelpunkt und zwar in einer düsteren Zeit, nämlich im Jahr 1944, unmittelbar nach dem Ende der Vichy-Ära - die Deutschen und ihre Freunde sind zwar geschlagen, doch immer noch herrscht Krieg und eine ziemliches Durcheinander in der Stadt. Und so richtig klar ist das mit den Gewinnern und den Verlierern sowieso noch nicht.

In dieser Zeit begegnen wir Pauline, einer Tochter der Stadt, die für die Résistance aktiv war und ist und in dieser Position aktuell dazu gezwungen ist, mit einem Nazi anzubandeln - und mehr. Der ist kurz darauf tot, ein Fall, der dem jungen Kommissar Ricolet, einem Südfranzosen, der neu in der Stadt und dazu noch Protestant ist, übertragen wird.

Schnell wird klar, dass möglicherweise eine Menge Geld im Spiel ist und zwar in Form von Kunst, also von Gemälden. Ricolet und Pauline hängen sich beide hinein in die Ermittlungen - und kommen sich näher.

Was aus meiner Sicht vollkommen überflüssig ist, denn ab hier verkommt der Fall und damit das bislang ganz spannende und vor allem atmosphärische Geschehen zum Schundroman. Pauline wird mehr und mehr zu einer Art kriegsgestählter Mata Hari und Ricolet geht das Ermitteln stellenweise so leicht von der Hand, dass eigentlich Zauberkräfte im Spiel sein müssten. Ich fühlte mich sehr stark an Hanni Münzer erinnert, die ich aus genau dem Grund seit längerem meide.

Aus meiner Sicht ein vielversprechender historischer Krimi, der leider nicht hält, was er verspricht, der aber dennoch vor allem für Frankophile und Parisreisende (wie mich) den ein oder anderen stimmungsvollen Moment birgt. Aber bitte nicht zu viel erwarten!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Spannung
  • Figuren
  • Geschichte
  • Erzählstil
Veröffentlicht am 13.06.2018

Ein Deutscher im australischen Busch

Die Schlingen der Schuld
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Und dazu noch tot! Dieter Schäfer, der seine besten Jahre bereits überschritten hat und als ehemaliger Polizist inzwischen in Australien seinen Ruhestand genießt, ist auf brutalste Weise ermordet worden. ...

Und dazu noch tot! Dieter Schäfer, der seine besten Jahre bereits überschritten hat und als ehemaliger Polizist inzwischen in Australien seinen Ruhestand genießt, ist auf brutalste Weise ermordet worden. Aber warum? Der Hamburger und bekennender HSV-Fan, der in der - zugegebenermaßen nicht gerade überbevölkerten - weiteren Umgebung bekannt war wie ein bunter Hund, war eigentlich recht beliebt und selbst denen, bei denen er nicht ganz so hoch im Kurs stand, kann Ermittler Clement beim besten Willen kein deutliches Mordmotiv sehen. Oder erkennt er da einige ganz wesentliche Zusammenhänge nicht?

Denn der Cop - seinerseits ganz klar im besten Mannesalter und nicht gerade unattraktiv - ist nicht immer ganz bei der Sache. Grund dafür ist die Trennung von seiner Frau Marilyn, an der er noch immer hängt - und vor allem das dadurch nicht mehr ganz unkomplizierte Verhältnis zu seiner Tochter Phoebe, an der er sehr hängt. Dass er ihre Entwicklung nun nicht mehr auf Schritt und Tritt begleiten kann - damit kommt er nur sehr schwer zurecht.

Zudem hat sein Vorgesetzter auch noch ein Auge auf ihn - die Sache ist also nicht ganz einfach. Es gibt eine Menge Zeugen und damit mögliche Tatverdächtige, so dass der Leser munter mit spekulieren kann.

Aber: so eindringlich, wie die Beschreibungen der australischen Landschaft und ihrer Bewohner sind, so behäbig gestaltet sich die Entwicklung des Kriminalfalls. Zumindest meiner Ansicht nach. Ich musste mich von Zeit zu Zeit sogar zum Weiterlesen zwingen, denn so richtig neugierig war ich trotz des durchaus sympathischen und attraktiven Protagonisten nicht immer.

Teile der Auflösung waren aus meiner Sicht dann auch durchaus vorhersehbar und diejenigen, die wirklich überraschend kamen, waren alles andere als spektakulär. Weit davon entfernt jedenfalls, mich für meine Geduld zu belohnen.

Aus meiner Sicht ein mittelmäßiger Krimi, der Australienfans aber sicher Spaß bringen wird!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Atmosphäre
  • Spannung
  • Charaktere
  • Geschichte
Veröffentlicht am 26.05.2018

Auf zu neuen Ufern

Die Inselgärtnerin
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egibt sich Sonja, nachdem sie sich - noch nicht ganz in der Mitte des Lebens angelangt - vor einem Scherbenhaufen wiederfindet: Alles, was für sie von Bedeutung war, ist zerbrochen. An der Seite ihres ...

egibt sich Sonja, nachdem sie sich - noch nicht ganz in der Mitte des Lebens angelangt - vor einem Scherbenhaufen wiederfindet: Alles, was für sie von Bedeutung war, ist zerbrochen. An der Seite ihres Ehemannes steht nun eine andere, jüngere Frau und trotz langen Jahren ihrer Tätigkeit dort und der Loyalität zu der Firma verliert sie ihre Arbeitsstelle.

Da passt es ganz gut, dass sie von Sandy, der kürzlich verstorbenen älteren Schwester ihrer Mutter, die sie kaum kannte, ein Haus in Florida geerbt hat - dort begibt sie sich in der bisher dunkelsten Stunde ihres Lebens hin. Was zunächst nur als Ausbruch aus dem Alltag in Norddeutschland gedacht war, wird bald zu einer längerfristigen Lösung, zumindest was Sonja, nun Sunny, angeht. Denn neben wunderbaren neuen Freunden entdeckt die Gartenarchitektin eine Möglichkeit, ihren beruflichen Traum, die Gestaltung umweltfreundlicher und naturnaher Gärten, zu realisieren.

Auch ihr Privatleben erhält durch völlig neue Aktivitäten, bspw. als Background-Sängerin in einer Motown Band, neue Impulse - und das nicht zu knapp. Zudem ist sie völlig gefangen von ihrer neuen Umgebung in Florida - und zieht den Leser gleich mit.


Denn die Beschreibung der Landschaft und der Lebensbedingungen, des Alltags und des gesellschaftlichen Miteinanders in Florida, ist eindeutig eine der Stärken des Romans - zumindest aus meiner Sicht. Auch wenn natürlich nicht mehr als ein kleiner Auszug geboten wird, hat mich Autorin Sylvia Lott so sehr mitgerissen, dass ich mich schon beim Planen meines nächsten Urlaubs - selbstverständlich in Florida - wiederfinde. Pflanzen, ewig lange Sandstrände und nicht zuletzt die Schilderung der regionalen Fauna - ich sage hier nur "Delphine" - und das alles immer mit einem warmherzigen Blick auf das Thema Umweltschutz haben mich nicht kalt gelassen.

Leider gab es jedoch in der Geschichte selbst immer wieder Entwicklungen, die für mich in der dargestellten Form nicht nachvollziehbar waren - Sunnys Weg ins neue Leben erschien stellenweise zu vereinfacht, sie selbst zu naiv - das alles passte nicht so ganz. Einerseits hat sie sich - aus Norddeutschland kommend - ohne das kleinste Problem in Bezug auf sprachliche oder soziale Neuorientierung in einer völlig fremden Umgebung - quasi nahtlos in das neue Umfeld eingefügt. Andererseits läuft sie mit großer Naivität - die überhaupt nicht zu den anderen Entwicklungen passen will - immer wieder in ganz offensichtliche Fallen.

Also ein sehr facettenreiches und vielschichtiges Leseerlebnis, das ich alles in allem genossen habe. Vor allem, weil es mir Florida geschenkt hat. Eine Region, die für mich bisher unter ferner liefen rangierte, nun aber definitiv in den Fokus meines Interesses gerückt ist. Noch mehr jedoch wegen der Bedeutung von Umwelt und Natur, die wie ein roter Faden die Handlung durchdringt: eine Fürsprache zur Achtsamkeit, von der sich andere Autoren eine ganz dicke Scheibe abschneiden können. Trotz meiner Kritik an anderer Stelle werde ich das Buch dadurch lange in Erinnerung halten, verbunden mit dem Wunsch, dass es ins Englische übersetzt und einem gewissen Herrn in Washington D.C. (ja, richtig: orangefarbene Haut und gelbe Haare) als Pflichtlektüre vorgelegt wird.

Veröffentlicht am 07.05.2018

Eine Art Nachruf

Eine Liebe, in Gedanken
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Aber ein ganz besonderer ist es, den hier eine Tochter auf ihre gerade erst verstorbene Mutter Antonia, genannt Toni, hält: sie spürt einer längst vergangenen Beziehung Tonis nach, die sich lange vor ihrer ...

Aber ein ganz besonderer ist es, den hier eine Tochter auf ihre gerade erst verstorbene Mutter Antonia, genannt Toni, hält: sie spürt einer längst vergangenen Beziehung Tonis nach, die sich lange vor ihrer eigenen Geburt zutrug.

Edgar und Toni, Toni und Edgar: das lief mehrere Jahre, aber dann... Die - namenlose - Tochter macht sich ihre eigenen Gedanken, ihr Abschied von der plötzlich verstorbenen Mutter, der in der Gegenwart spielt, bildet sozusagen den Rahmen um längst Vergangenes. In einer Art Tagebuch, das sie mosaikartig aus im Nachlass Gefundenem und eigenen Gedanken zusammengesetzt hat, setzt sie ihrer Mutter, bzw. dieser einen Beziehung ihrer Mutter ein Denkmal, versucht sie, die in gewisser Weise Rastlose zu verstehen. Daraus geht hervor, dass Toni bereits in den 1960ern auf eine bestimmte Art und Weise ihrer Zeit voraus war. Kein Heimchen am Herd war sie, nein, eine berufstätige Frau, die Edgar ein schönes Leben zeigte. So sieht Edgar selbst es nach fünfzig Jahren. Und ging aus beruflichen Gründen nach Hong Kong - auch er gewissermaßen ein Rastloser. Warum es dann kein Miteinander, keine gemeinsame Lebensplanung gab, das bleibt in weiten Teilen im Dunkeln.

Eigentlich ein geschickter Schachzug, den ich sehr zu würdigen gewusst hätte, wenn die weiteren Bestandteile gestimmt bzw. gepasst hätten. Einige Elemente, zum Beispiel die Wahrnehmungen der Tochter beim Räumen der mütterlichen Wohnung, sind sehr eindringlich dargestellt, aber sehr vieles bleibt zu statisch, es gibt zu wenig Handlung gerade auch in Bezug auf Emotionen - und das, obwohl der Stil keineswegs Kühle transportiert. Da wiederholt sich vieles.

Toni und Edgar - zwei rastlose Gestalten, die aneinander vorbeigeeilt sind? Irgendwie schon, so wie die Handlung teilweise auch an mir vorbeigeglitten ist. Mir hat dieser Roman um einiges besser gefallen als der Erstling der Autorin Kristine Bilkau, aber trotzdem, so ganz warm werde ich mit ihr nicht.

Veröffentlicht am 29.04.2018

Altered Images

Was nie geschehen ist
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Der Name einer längst aufgelösten schottischen Post-Punk-Band ist mir beim Lesen dieses Buches, der Familiengeschichte von Nadja Spiegelman, immer wieder in den Sinn gekommen. Denn die deutschsprachige ...

Der Name einer längst aufgelösten schottischen Post-Punk-Band ist mir beim Lesen dieses Buches, der Familiengeschichte von Nadja Spiegelman, immer wieder in den Sinn gekommen. Denn die deutschsprachige Bedeutung ist: manipulierte bzw. verfremdete Bilder. Ein Phänomen, das in diesem Buch wieder und wieder vorkommt.

Denn Nadja Spiegelman widmet sich in diesem Buch - ich würde es als eine Familienbiografie bezeichnen - ihren Vorfahren mütterlicherseits. Und zwar den Frauen: die Hauptrollen in diesem Buch kommen ihrer Mutter Francoise und ihrer Großmutter Josette zu, die neben eigenen Erlebnissen auch die maßgeblichen Quellen und damit die Grundlage für dieses Buch darstellten. Die Männer: Nadjas Vater, der Zeichner und Autor der berühmten "Maus"-Bücher Art Spiegelman ihr Bruder sowie ihr Groß- und Urgroßvater finden zwar durchaus Erwähnung, nehmen jedoch eher Nebenrollen ein.

Ich ging mit recht hohen Erwartungen an die Lektüre, hatte ich doch gerade den sehr kraftvollen Roman der deutschen Autorin Franziska Hauser, in der es um ihre Familiengeschichte über Generationen hinweg ging, gelesen. Eine sehr schmerzvolle und intensive Lektüre, die auch mir viel Kraft abverlangte. sich aber unbedingt gelohnt hat und unter deren Einfluss ich auch jetzt noch stehe.

Nadja Spiegelmans Buch hat eine ganz andere Grundlage, die Ereignisse entwickeln sich nicht entlang historischer Gegebenheiten, sondern werden sehr sprunghaft dargestellt, immer wieder aus unterschiedlichen Perspektiven, in denen dann auch die oben bereits erwähnten manipulierten Bilder immer wieder eine Rolle spielen. Denn jedes Ereignis, um das es hier geht, wird von den Beteiligten - so auch von Nadja selbst, wenn sie involviert ist - in verschiedenen Sichtweisen dargestellt - in der Erinnerung unterscheiden sich die Wahrnehmungen oft sehr stark. Damit gibt es so viele Wahrheiten, wie es Erzähler gibt, was aus meiner Sicht auch die maßgebliche Botschaft und für mich die persönliche Erkenntnis aus diesem Buch ist.

Ansonsten hat es mich eher veriwirrt, denn es ist im Grunde nichts anderes als ein veröffentlichtes Tagebuch - bzw. die Zusammenfügung mehrerer solcher Tagebücher aus verschiedenen Generationen einer Familie. Auch wenn es stellenweise durchaus packend geschrieben war, stellte sich mir mitunter die Frage, ob die Autorin die Veröffentlichung und auch die Übersetzung nicht zu einem großen Teil ihrem berühmten (Nach)Namen zu verdanken hat.
Denn es werden viele sehr persönliche Ereignisse geschildert, die ich als heftig und teilweise auch erschütternd empfand, doch sie verloren sich in den Wirrungen der unterschiedlichen Episoden und Perspektiven. Ich habe mich öfter gefragt, was eigentlich die Autorin treibt und bin zu keiner Schlussfolgerung gekommen. Es steckt Neugierde hinter dem Buch und mitunter auch Wut, aber es fehlt an Kraft und vor allem an einem durchdachten Konzept.

Ich empfand das Buch nur stellenweise als interessant, die Lektüre war für mich durchaus anstrengend. Wer sich für Familiengeschichten mit unterschiedlichen Wahrheiten interessiert, den könnte dieses Buch interessieren. Die Betonung lege ich auf "könnte"!