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Veröffentlicht am 01.07.2018

Neuen Schwung in ihr Leben bringen

Das Paar aus Haus Nr. 9
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Das möchte Sara schon länger - ihr Leben in einer englischen Kleinstadt, als Mutter und Ehefrau kommt ihr schon länger ziemlich trist und öde vor. Die Paare, die um sie herum leben, wobei vor allem die ...

Das möchte Sara schon länger - ihr Leben in einer englischen Kleinstadt, als Mutter und Ehefrau kommt ihr schon länger ziemlich trist und öde vor. Die Paare, die um sie herum leben, wobei vor allem die Frauen ein freundschaftliches und vertrauensvolles Miteinander pflegen, empfindet sie als wenig inspirierend, ja langweilig!

So ist sie froh über ihre neuen Nachbarn Lou und Gavin, die die andere Hälfte ihres Doppelhauses bewohnen: ein Künstlerpaar, gänzlich unkonventionell, lässig, ein wenig frivol - und ausgesprochen anziehend sowohl für Sara als auch für ihren Ehemann Neil. Bald schon gibt es nicht nur regelmäßige abendliche Treffen zwischen den Ehepaaren, auch beim Beaufsichtigen der Kinder wechseln sich beide Familien ab. Und bald greift die Verbundenheit noch weiter, denn Sara und Lou beschließen, ihre Kinder nicht mehr in die wenig erquickliche lokale Schule zu schicken, sondern selbst zu Hause zu unterrichten, was juristisch offenbar möglich ist.

Ein gewagtes Miteinander, in dem es bald zu einigen Mißverständnissen und Zwistigkeiten kommt. Wird die enge Freundschaft der beiden Paare bestehen können, werden die beiden Familien möglicherweise sogar aneinander wachsen?

Eine interessante, stellenweise auch spannende Gesellschaftsstudie durchaus nicht ohne gewisse ethische Komponenten. Ich habe das Buch gerne gelesen, auch wenn mich an einigen Stellen Saras Selbstverständnis, das auch nicht von der Autorin infrage gestellt wurde, doch sehr störte. Mitunter wurde mir das Treiben zudem dann doch zu bunt, das passte nicht so ganz in den gesamten Rahmen, es wirkte überzogen.

Doch insgesamt hat mir der Roman, in dem deutlich wird, wozu Hoffnungen wie auch überzogene Erwartungen, möglicherweise auch noch ein verqueres Selbstverständnis führen können, wirklich gut gefallen. Ein leicht zu lesender Roman, der dennoch einen schalen Nachgeschmack hinterlässt, ja gar beklemmend (nach)wirkt - und damit ziele ich keineswegs auf die Qualität des Buchs, sondern auf die Botschaft, die es mir übermittelt hat. Durchaus lesenswert, wenn man bereit ist, sich stellenweise ein bisschen nerven zu lassen - auf hohem Niveau selbstverständlich!

Veröffentlicht am 11.06.2018

Pendlerschicksale

Das Mädchen, das in der Metro las
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stehen in diesem kleinen Büchlein im Vordergrund, vor allen Dingen dasjenige von Juliette, die tagein, tagaus mit der Metro zu ihrem Arbeitsplatz in einem tristen Maklerbüro fährt. Doch unterwegs taucht ...

stehen in diesem kleinen Büchlein im Vordergrund, vor allen Dingen dasjenige von Juliette, die tagein, tagaus mit der Metro zu ihrem Arbeitsplatz in einem tristen Maklerbüro fährt. Doch unterwegs taucht sie in eine andere Welt bzw. in viele unterschiedliche Welten - je nachdem, was sie so gerade liest.

Doch eines Tages steigt sie früher aus und der Zufall - ist es wirklich einer? - führt sie zum eigenbrötlerischen Soliman, der aus seiner Leidenschaft - den Büchern - nicht einen Beruf, sondern eine Passion gemacht hat. Inspiriert von Bookcrossing verteilt er Bücher - und davon hat er Tausende - unter die Menschen, aber nicht wahllos. Nein, im Gegenteil: jedem soll das Buch zukommen, das er gerade braucht.

Natürlich kann Soliman diese selbst gesetzte Aufgabe nicht allein bewältigen - nicht zuletzt aus dem Grund, dass er selbst nie das Haus verlässt, sondern setzt Kuriere für die Verbreitung der gedruckten Werke ein. Und bald schon ist Juliette eine von ihnen...

Sie geht bei Soliman und seinem Töchterchen Zaide ein und aus - und eines Tages kündigt Soliman sein baldiges Verschwinden an und bittet Juliette um Hilfe.

Ein Romänchen über die Leidenschaft von Büchern ist dies, könnte man sagen, wenn "Romänchen" nicht einen so abfälligen Beigeschmack hätte. Doch ich muss gestehen, ein wenig neige ich doch zum Gebrauch dieses Wortes, fehlt mir doch ganz eindeutig das Futter, bzw. die Würze, die diese Geschichte zu einer ganz besonderen macht. Die Figuren sind nicht sehr eindringlich beschrieben, auch den ganzen Botschaften, die durch die Inhalte der Bücher gesendet werden (sollen), fehlt es oftmals an Saft und Kraft. Die Geschichte eines geheimnisvollen Mannes aus dem Orient und einer Französin, die ihre Berufung findet, ist zwar nicht richtig daneben gegangen, auf der anderen Seite ist sie aber auch nicht so richtig gelungen. Ich jedenfalls hätte mir einiges mehr an Wendungen, auch an Irrungen gewünscht, ein paar Wege mehr, die mit den Büchern beschritten werden, ein paar richtig "saftige" Figuren, die man ähnlich Momo oder auch der Bücherdiebin Liesel nie wieder vergisst.

Märchenhafter Realismus ist es, der den Leser während seiner Lektüre umfängt, aber eben nicht vollständig - man wird davon stellenweise berührt, nicht jedoch umhüllt. Deswegen leider ein paar Abstriche in der Bewertung dieses so vielversprechenden Romans!

Veröffentlicht am 30.04.2018

Eine Femme fatale

Alles Begehren
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im wahrsten Sinne des Wortes, das ist Kate Andrews, die es gewohnt ist, zu bekommen, was sie sich wünscht: eine Karriere bei Film und Fernsehen, ein Leben im Scheinwerferlicht - und Männer.

Bei ...

im wahrsten Sinne des Wortes, das ist Kate Andrews, die es gewohnt ist, zu bekommen, was sie sich wünscht: eine Karriere bei Film und Fernsehen, ein Leben im Scheinwerferlicht - und Männer.

Bei Callum, einem verheirateten Lehrer aus Edinburgh - auch Kates Heimat - hat das beim ersten Anlauf 1985 - da war sie erst Anfang zwanzig und Studentin - nicht geklappt. Als die heimliche Affäre aufflog, ist er in den Schoß seiner Familie zurückgekehrt. Doch 2002 gibt es ein unverhofftes Wiedersehen und nun denkt Kate nicht dran, locker zu lassen. Obwohl sie mittlerweile selbst Ehefrau und Mutter ist.

Eine verhängnisvolle Affäre also, aber eine der eher ungewöhnlichen Art, die sich nach langen Jahren wieder belebt. Aber kann es eine Beziehung zwischen dem eigentlich glücklichen Callum und der rastlosen Kate geben? Kann sie sich überhaupt von ihrem Ehemann Matt, der ihr stets den Rücken freihält und sie immer unterstützt, wenn sie einmal wieder ihren zahlreichen Süchten erliegt? Und stets auch für die fünfjährige Tochter da ist, wenn sie mal anderes im Sinn hat, was durchaus nicht selten vorkommt.

Ein wahres Drama ist dies, mit zwei, nein eigentlich vier Hauptdarstellern - Kates Ehemann Matt und Callums Ehefrau nehmen ebenfalls zentrale Rollen ein und um all dies herum scharen sich Kinder, Freunde und weitere Verwandte der beiden Ehepaare.

Ein Roman, der von einer Leidenschaft, ja Obsession erzählt. Einer, die jenseits jeder Logik angesiedelt ist, auch langjährige Bindungen und Gewohnheiten, ja sogar Lieben werden mir nichts, dir nichts über Bord geschmissen. Eine kraftvolle Macht ist dies, die alles überrollt, doch dadurch wird aus meiner Sicht der Roman zu wenig facettenreich und vielschichtig. Auch, wenn es eigentlich viele Baustellen gibt, die durchaus hätten enger und geschickter miteinander verzahnt werden können.

Wer gerne über pure Leidenschaft liest, der ist hier an der richtigen Adresse! Alle anderen werden sicher den anschaulichen, teilweise auch poetischen Stil der Autor Ruth Jones, einer walisischen Schauspielerin goutieren, doch könnte ich mir vorstellen, dass ihnen - ebenso wie mir - ein Fitzelchen fehlen wird!

Veröffentlicht am 18.04.2018

Fieser Fund am Decksteiner Weiher

Zirkus Mortale
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m neuen Köln-Krimi von Bärbel Böcker "Zirkus Mortale" spielt das Thema Zirkus eine eher untereordnete Rolle: illegale Adoption aus Drittländern - Guatemala in diesem Fall - ist das große Thema.

Eine Leiche ...

m neuen Köln-Krimi von Bärbel Böcker "Zirkus Mortale" spielt das Thema Zirkus eine eher untereordnete Rolle: illegale Adoption aus Drittländern - Guatemala in diesem Fall - ist das große Thema.

Eine Leiche - eine Enddreißigerin mit Mann und - wie sich herausstellt - adoptierter Tochter wird mit entstelltem Gesicht am Decksteiner Weiher gefunden. Kein schöner Anblick für den Findenden, einen Rentner und die Polizei und keine schönen Gedanken für den Journalisten Florian Halstaff, ihre Jugendliebe, der - wie schon im vorhergehenden Fall "Henkersmahlzeit" wie zufällig in die Ermittlungen gerät, denn Sabrina Delson - so der Name der Toten - wurde entstellt.

Und was für eine Rolle spielt die Guatemaltekin Dele, die beim Zirkus Roncalli jobbt, in dieser Geschichte?

Ein spannender Krimi. mit ein paar Längen und Unklarheiten zwar, trotzdem ein Lesegenuss, der vor allem Liebhabern des kölschen Lokalkolorits wärmstens ans Herz zu legen ist. Die kölsche Seele kommt hier definitiv nicht zu kurz! Wer die Krimis von Brigitte Glaser um die Spitzenköchin Katharina Schweitzer, die von Stephan Brüggenthies um Kommissar Zbigniew Meier oder auch die von Myriane Angelowski um die Ermittlerinnen Lou Vanheyden und Maline Brass liebt, wird auch die Bücher von Bärbel Böcker lieben.

Veröffentlicht am 02.04.2018

Wie alles anfing

Blasse Helden
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nach dem Ende nämlich. Was war so los nach dem Ende der Sowjetunion? Anton aus Deutschland hat schon immer gern in Extremen gelebt und so geht er kurz nach der Auflösung dieser riesigen Staatengemeinschaft ...

nach dem Ende nämlich. Was war so los nach dem Ende der Sowjetunion? Anton aus Deutschland hat schon immer gern in Extremen gelebt und so geht er kurz nach der Auflösung dieser riesigen Staatengemeinschaft nach Moskau, um Business zu machen.

Und er stösst auf eine andere Welt: eine, in der sozusagen alles möglich ist - naja, vieles zumindest. Die Menschen gehen an ihre Grenzen, probieren aus, was alles so möglich ist. Das Russland Jelzins strotzt nur so vor Dollars, schillernden Gestalten - und vor Korruption. So besucht er zum Beispiel eine Feier in der Wohnung eines russischen Intellektuellen, einem heruntergekommenen Loch, das jedoch prall gefüllt ist mit den wunderbarsten und seltensten Büchern. Und ihm wird ein - Business ist Business - ein tiefgefrorener Mammut angeboten, dessen Artgenosse leider schon verspeist wurde.

Ja, es geht rund in Russland und in der Ukraine, in die sich Anton auch begibt. Ganz klar kann man hier die Anfänge des Oligarchentums, von dem heutzutage wieder und wieder die Rede ist, ausmachen. Andererseits muss der Leser sich klarmachen, dass er hier auf einen kleinen und engen Mikrokosmos trifft, auf einen kleinen Teil dessen, was es gab. Das Leben auf dem Lande war sicher ganz anders.

Atmosphärisch ist stets die Schilderung der Umgebung, eher gesichtslos die Figuren: also blasse Helden im wahrsten Sinne des Wortes. In diesem Roman wird viel gezeigt, vieles bleibt aber auch ungeschrieben. Eine interessante Geschichte, die leider - wie die Menschen der damaligen Zeit - auch wieder und wieder an ihre Grenzen stößt. Dennoch ist dies ein Einblick, der sich lohnt - ein Blick auf eine teilweise vergangene Welt, die uns jedoch vieles verstehen lässt. Wohlgemerkt: verstehen, aber nicht gutheißen.

Ein Roman, den ich Lesern empfehle, die sich gerne zurückversetzen lassen in die 1990er - und mal schauen, was damals so los war hinter dem Eisernen Vorhang, der keiner mehr war.