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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 24.10.2018

Guter historischer Roman, weniger guter Krimi

Alchimie einer Mordnacht
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Christian Stern ist einer der unsympathischsten Protagonisten, die mir in letzter Zeit begegnet sind. Immerhin erkennt er als alternder Ich-Erzähler, der mit Abstand auf die Geschehnisse des Romans zurückblickt, ...

Christian Stern ist einer der unsympathischsten Protagonisten, die mir in letzter Zeit begegnet sind. Immerhin erkennt er als alternder Ich-Erzähler, der mit Abstand auf die Geschehnisse des Romans zurückblickt, dass er in seiner Jugend ziemlich viel Selbstmitleid empfand. Ansonsten tapst er ahnungslos durch die Handlung. Völlig unverdient wird Stern Vertrauter des Habsburger Kaisers Rudolf II, dessen Hof in Prag sitzt. Er soll den Mord an der jungen Geliebten des Monarchen aufklären. Da Stern gerade erst in Prag angekommen ist, hat er keine belastbaren Kontakte. Von offizieller Seite wird er nicht über neue Entwicklungen der Untersuchungen informiert, stattdessen machen ihn mehrere gelangweilte Höflinge zu ihrem Spielball. Zeitweise tritt der Mordfall auch komplett in den Hintergrund, ansonsten entwickelt er sich nur schleppend weiter. Immer wieder stellt sich der Ich-Erzähler die Frage, was denn passiert sein könnte und wiederholt die dürftigen bisherigen Erkenntnisse. Das wird streckenweise ganz schön langatmig.

Die anderen Charaktere sind auch nicht gerade komplex, aber Figuren wie Caterina Sardo und Germanico Malaspina haben immerhin ein höheres Unterhaltungspotential und sind deutlich cleverer als der Protagonist. Der historische Aspekt des Romans ist hingegen gelungen, auch wenn sich der Autor (wie er selbst erklärt) bei den handelnden Personen einige Freiheiten genommen hat. Aber das stört nicht, schließlich handelt es sich hier nicht um ein Sachbuch. Mit Stadtbeschreibungen, Speisen, Bräuchen, Reisearten, Musik, Kleidung und vielem mehr zeichnet Benjamin Black ein lebendiges Bild des Lebens in Prag rund um die Jahrhundertwende 1599/1600.

Veröffentlicht am 15.07.2018

Interessante Ideen, aber zu konventionelle Umsetzung

Höllenjazz in New Orleans
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Die erste Hälfte zieht sich aufgrund der Struktur ziemlich stark hin, während die knappe zweite Hälfte deutlich spannender ausfällt. Insgesamt ist „Höllenjazz“ ein solider und durchaus unterhaltsamer Kriminalroman, ...

Die erste Hälfte zieht sich aufgrund der Struktur ziemlich stark hin, während die knappe zweite Hälfte deutlich spannender ausfällt. Insgesamt ist „Höllenjazz“ ein solider und durchaus unterhaltsamer Kriminalroman, der seinem Hype für meinen Geschmack jedoch nicht ganz gerecht wird.

Musik, Mafia, Mord: Das Romanumfeld bietet enorm viel Potential. Zwischen der verruchten Jazz-Szene in New Orleans, der mysteriösen Mordserie und dem extremen Kulturclash zwischen verschiedenen Einwanderergruppen habe ich eine besondere Atmosphäre erwartet, die vor Spannung und Exzentrizität knistert. Das war leider nicht der Fall. „Höllenjazz“ ist ein ziemlich konventioneller Krimi. Das ist nicht unbedingt schlimm, immerhin lässt er sich sehr flüssig lesen. Für mich hat jedoch das Besondere gefehlt.

Gleich vier Ermittler bearbeiten den Fall um den mysteriösen Axeman:

Detective Lieutnant Michael Talbot leitet die offiziellen Ermittlungen der Polizei und hofft, durch einen Erfolg endlich den Respekt seiner Kollegen zu gewinnen. Ihm zur Seite steht der irische Detective Kerry Behan, der seine eigene Agenda hat.
Der ehemalige Polizist Luca D’Andrea, der gerade seine Gefängnisstrafe wegen Korruption verbüßt hat, soll den Fall für den lokalen Mafiaboss aufklären.
Ida Davis arbeitet als Sekretärin in einer Detektivagentur. Sie ermittelt heimlich selbst im Fall Axeman, um sich ihren Traum, Detektivin zu werden, zu erfüllen. Ida ist mit Lewis Armstrong befreundet und bittet ihn ab und zu um Hilfe.
Der opiumsüchtige Journalist John Riley berichtet über den Fall für die Lokalzeitung.

Viele Personen (Eine vier Seiten lange Personenliste leitet den Roman ein… uff.), viele Motivationen. Durch die ständig wechselnden Erzählperspektiven dauerte es ziemlich lange, bis ich eine Bindung zu den Charakteren aufbauen konnte. Gerade im ersten Drittel war es teilweise schwer, den Überblick zu behalten, wer bereits welche Informationen herausgefunden hatte. Obwohl ich alle vier Perspektiven für sich genommen interessant fand, verloren sie durch die kurzen Kapitel und die ständigen Perspektivwechsel viel von ihrer Wirkung. Wahrscheinlich hätte mir der Roman besser gefallen, wenn sich der Autor auf zwei Ermittlungsansätze konzentriert und diese intensiver ausgebaut hätte.

Veröffentlicht am 15.07.2018

Brutaler Thriller, der gut zum aktuellen politischen Klima passt

Fake
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"Fake" spielt geschickt mit politischen Ambitionen, der Manipulierbarkeit der Medien, übertriebener Sensationsgier, internationalen Verschwörungen und skrupelloser Selbstüberschätzung. Die US-amerikanische ...

"Fake" spielt geschickt mit politischen Ambitionen, der Manipulierbarkeit der Medien, übertriebener Sensationsgier, internationalen Verschwörungen und skrupelloser Selbstüberschätzung. Die US-amerikanische Ärztin Catherine Finch, in Syrien vom IS entführt, wird zum Spielball unterschiedlicher Männer, die alle auf Catherines Kosten ihre eigenen Interessen durchsetzen wollen. Da zunächst die vielen verschiedenen Charaktere mit ihren teils sehr unterschiedlichen Ambitionen vorgestellt werden, fand ich den Anfang etwas ermüdend. Dabei sind die Widersacher auch noch echte Klischee-Bösewichte, die durch und durch schlecht sind. Die Protagonisten, die angeblich aus Sympathie für den Friedensprozess handeln, sind hier deutlich komplexer gestaltet, da keiner wirklich gut oder uneigennützig denkt.
Erst später nach der Vorstellung aller Charaktere baut sich echte Spannung auf, die James Rayburn durch einige überraschende Wendungen aufrechthält. Der Autor nutzt eine ausdrucksstarke Sprache und einen anschaulichen Schreibstil, sodass man gedanklich sofort mit ihm in die USA, nach Syrien, Jordanien und Indonsesien reist. Allerdings wirken dadurch auch die Gewalt- und Kampfszenen sehr plastisch und äußerst brutal, was mir manchmal etwas zu viel wurde. Auch die immer wieder verwendeten Schachtelsätze mit ihren oft überflüssigen oder umständlich eingebauten Einschüben stören den Lesefluss ein bisschen.

Veröffentlicht am 17.09.2021

Guter Einstieg ins Thema

Influencer
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In sozialen Medien wurde das Buch von vielen Personen, die ich fachlich sehr schätze, hochgelobt. Daher waren am Ende wohl meine Erwartungen viel zu hoch. Das Buch liefert einen guten, runden und informierten ...

In sozialen Medien wurde das Buch von vielen Personen, die ich fachlich sehr schätze, hochgelobt. Daher waren am Ende wohl meine Erwartungen viel zu hoch. Das Buch liefert einen guten, runden und informierten Einstieg ins Thema Influencing, bringt aber keine wirklich bahnbrechenden neuen Erkenntnisse mit sich. Wer sich noch nicht mit der Influencer-Kultur beschäftigt hat, wird hier aber kompetent informiert.

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Veröffentlicht am 24.08.2021

Nicht ganz, was ich erwartet hatte

Wir für uns
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Barbara Kunrath stellt uns zwei interessante Frauen vor: die 41-jährige Josi, die von ihrem verheirateten Freund schwanger wird, und Kathi, die kurz vor ihrem 50. Hochzeitstag frisch verwitwet ist. Beide ...

Barbara Kunrath stellt uns zwei interessante Frauen vor: die 41-jährige Josi, die von ihrem verheirateten Freund schwanger wird, und Kathi, die kurz vor ihrem 50. Hochzeitstag frisch verwitwet ist. Beide lernen sich durch einen Zufall kennen, aus dem sich eine unerwartete Freundschaft entwickelt. Beide finden sich an ungeplanten Weggabelungen wieder und müssen sich entscheiden, wie ihre Zukunft aussehen soll.

Eine spannende Prämisse, die die Autorin aus meiner Sicht leider mit vielen Banalitäten und frustrierenden Handlungsentscheidungen verschenkt. Die Geschichte um Kathis Laden hat mich z.B. nicht sonderlich begeistert. Auch wenn immer mal anklingt, dass das keine einfache Sache ist, was Kathi dort aufbaut, wird der eigene Laden für mich zu sehr romantisiert. Auch das Frauenbild finde ich fragwürdig: Es gibt kaum eine weibliche Figur in diesem Roman, die nicht betrogen oder verlassen wurde und trotzdem noch lauter Entschuldigungen für den jeweiligen Mann findet. Hier hätte ich mir mehr Vielfalt gewünscht. Am unerträglichsten ist Josies "Beziehung" zu Bengt. Neun Jahre ist sie seine Geliebte. Erst als sie ungewollt schwanger wird und er sie zu einer Abtreibung drängen will, erkennt Josie langsam, dass er vielleicht doch nicht ganz der Traumprinz ist, für den sie ihn gehalten hat.

Dazu kommt auch, dass die Handlung von vielen Zufällen beeinflusst wird: Kathi könnte eine größere Summe für ihren Traum benötigen? Sie findet richtig viel Geld, von dem sie nichts wusste, im Nachlass ihres Mannes! Josi überlegt, ob sie ihr ungeborenes Kind auf eine Trisomie testen lassen soll? Sie trifft zufällig ein liebenswertes Mädchen mit Downsyndrom und dessen Mutter! Das alles ist leider nicht besonders realistisch und wirkt konstruiert. Außerdem sorgen die ganze Zufälle dafür, dass die Frauen einige Probleme nicht aktiv lösen, sondern immer wieder fremdbestimmt wirken.

Das ist vermutlich mein größtest Problem mit dem Roman: Die Charaktere handeln selten aus eigenem Antrieb, sondern immer weil die Umstände, Ereignisse oder Menschen in ihrem Leben sie zu einer Reaktion zwingen.

Die Erinnerungen der Protagonistinnen nehmen ebenfalls viel Raum in der Geschichte ein. Sie erklären natürlich viele Verhaltensweisen oder Entscheidungen, die die beiden treffen, daher sind die Rückblenden durchaus wichtig. Leider wiederholen sie sich zum Teil unnötig und sind mir nach einer Weile etwas zu viel geworden. Da hätte ich mir einen größeren Fokus auf die Gegenwart gewünscht, denn wichtige Momente in der Handlungsgegenwart wie Josies dramatischer Mosel-Urlaub mit ihrer Mutter oder der unverständliche Umgang mit der Homosexualität eines Verwandten werden für mein Empfinden zu sehr nebenbei behandelt.

Die Geschichte wird abwechselnd aus der Perspektive der beiden Frauen erzählt, wobei Josie Ich-Erzählerin ist und Kathis Kapitel in personaler Sie-Perspektive geschrieben sind. Der Schreibstil ist angenehm und das Buch lässt sich leicht und flüssig lesen, aber das ändert für mich leider nichts an den deutlichen Längen. Die Geschichte hat mich leider emotional nicht angesprochen.

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