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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 27.07.2018

Die Familie muss sich neu orientieren

Der perfekte Sohn
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Im Alter von erst 47 Jahren erleidet Ella einen Herzinfarkt - und ist klug genug, das nicht nur als Warnung, sondern als Stoppschild zu sehen, starb doch ihre Mutter im selben Alter. Und Ella wird noch ...

Im Alter von erst 47 Jahren erleidet Ella einen Herzinfarkt - und ist klug genug, das nicht nur als Warnung, sondern als Stoppschild zu sehen, starb doch ihre Mutter im selben Alter. Und Ella wird noch gebraucht - von Sohn Harry, der ,mit dem Tourette-Syndnrom eine ausgesprochen ungewöhnliche Belastung bzw. Behinderung hat und vom smarten Ehemann Felix, der als Investment-Banker bisher nur die Kohle nach Hause brachte, sich jedoch von Harry möglichst distanzierte.

Jetzt geht das nicht mehr, da Ella ausfällt, ist Harry nun auf seinen Vater angewiesen, der nicht die geringste Ahnung hat, wie er mit dieser Situation umgehen soll.

Eine Familie auf dem Prüfstand: werden Harry und Felix zueinander finden, sich gegenseitig vertrauen können? Wie man sich denken kann, ist dies eine Geschichte mit Höhen und Tiefen, die mich nur stellenweise berührte. Vor allem, da es mich als Leserin zu sehr in den amerikanischen Alltag katapultierte, ganz ohne Übergänge (was dann wohl der Übersetzung und deutschsprachigen Redaktion geschuldet ist, die hier möglicherweise hätte einiges mit Anmerkungen versehen bzw. ein eigenes Nachwort einbauen können. Aber man findet sich zurecht - es ist eben eine Geschichte aus dem Leben.

Es geht um Vertrauen, um das Bereitsein, sich aufeinander einzulassen, miteinander einen Weg zu gehen, auch in schwierigen Zeiten. Ein emotionaler Familienroman, der unter die Haut geht.

Veröffentlicht am 27.07.2018

Der seltsame Frieden der Dächer

Gray
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den wusste Elliot Fairbanks, ein ausgesprochen unangenehmer Student, sehr zu schätzen (S.182). Er war ein passionierter Fassadenkletterer, der überraschend verschied: durch einen Sturz bei ebendieser Tätigkeit. ...

den wusste Elliot Fairbanks, ein ausgesprochen unangenehmer Student, sehr zu schätzen (S.182). Er war ein passionierter Fassadenkletterer, der überraschend verschied: durch einen Sturz bei ebendieser Tätigkeit. Elliot hatte nicht nur dieses ungewöhnliche Hobby, nein, er wurde zudem auf Schritt und Tritt vom Papageien Gray, einem ausgesprochen vorwitzigen Gesellen, begleitet.

Nun ist Gray der (selbstgewählte) Gefährte von Dr. Augustus Huff, seines Zeichens Dozent an der Universität Cambridge und Elliots Tutor, der in Bezug auf Elliots Tod unversehens in die Rolle des Ermittlers gerät, wobei er auf Schritt und Tritt von Gray begleitet wird. Was ist geschehen? War es ein Unfall, wie es zunächst offiziell heißt, oder doch Selbstmord oder gar Mord? Kaum jemand, der Elliot hinterher trauert. Lediglich seine Mutter Lady Fairbanks, die weiße Viscountess, ein ätherisches Geschöpf, das gewisse Saiten in Huff zu rühren vermag. Doch selbst ihr ist klar, dass ihr Junge kein Engel war.

Und was war die Ursache für was auch immer? Familienzwistigkeiten, Konkurrenzkampf, Frauengeschichten oder gar Erpressung? Huff hat so einiges zu tun und die unterschiedlichen Begegnungen zu meistern, wobei er auf Schritt und Tritt von Gray begleitet wird, der ihn so manches Mal in die Bredouille bringt.

Die Meisterin der tierischen Krimis Leonie Swann hat nach ihrer selbstbestimmten Schafherde von Glennkill einen neuen Helden kreiert, der der munteren Horde in nichts nachsteht. Im Gegenteil, hier geht es fast noch eigenwilliger und origineller zu und der Krimi gewinnt ganz außerordentlich durch den Handlungsort: die ehrwürdige Universitätsstadt Cambridge. Doch leider ist aus meiner Sicht auch dieser Krimi - wie bereits der Vorgänger - nicht frei von Längen, weswegen ich mich streckenweise doch sehr zusammenreißen musste, um am Ball zu bleiben. Zugegeben, ich wurde jedes Mal reichhaltig fürs Dranbleiben belohnt: durch witzige Ideen und überraschende Wendungen, aber ich hätte mich dennoch gefreut, wenn ich von der ein oder anderen ausgedehnten Episode verschont geblieben wäre.

Dennoch ein empfehlenswertes und ungewöhnliches Buch, das leider nicht ganz so leichtfüßig daherkommt, wie es ihm anstehen würde. Aber alles in allem: seinen Spaß hat man damit allemal und erlebt zudem ein richtig schönes rundes Ende mit einer gelungenen Auflösung des Falls!

Veröffentlicht am 27.07.2018

Eine mutige Frau

Über dem Meer die Freiheit
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ist Charlotte aus Neustadt in der Pfalz, tritt sie doch öffentlich für ihre politische Überzeugung ein! Das wäre heute schon lobenswert, doch die junge Frau tut dies im Jahre 1832 und nimmt mit ihrem Verlobten ...

ist Charlotte aus Neustadt in der Pfalz, tritt sie doch öffentlich für ihre politische Überzeugung ein! Das wäre heute schon lobenswert, doch die junge Frau tut dies im Jahre 1832 und nimmt mit ihrem Verlobten am Hambacher Fest teil, eine Aktion, die er schlussendlich mit seinem Leben bezahlen muss und die somit auch Charlotte teuer zu stehen kommt. Und auch Charlottes Vater, der ebenfalls kein Freund der herrschenden Zustände ist, ist in Schwierigkeiten.

Kurz gesagt, sieht die junge Frau keine andere Möglichkeit, als sich nach Übersee einzuschiffen, in eine völlig neue, andere Welt. Für sie ist New York etwas vollkommen Neues, aber auch für den Leser ist das so, denn Amerika war damals noch etwas ganz anderes als heute.

Spannend und eindringlich schildert die Autorin Katrin Tempel die Erlebnisse der jungen Charlotte. Ihr ist ein spannender Roman gelungen, der einen Einblick in lang zurückliegende Zeiten gewährt. Mir hat das Buch gut gefallen, zumal die Autorin als studierte Historikerin gut recherchiert hat, aber auch überzeugend schreibt. Ein kluges Buch, dem es auch an Emotionen und Unterhaltungswert nicht mangelt, denn auch schreiben kann die Autorin wirklich gut! Ein gelungener Roman, der Liebhabern historischer Themen sicher die ein oder andere unterhaltsame Stunde bereiten wird!

Veröffentlicht am 27.07.2018

Ein Lied geht hinaus in die Welt

Die Melodie meines Lebens
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Ein Brief aus längst vergangenen Zeiten, der vor über 30 Jahren geschrieben wurde, taucht wieder auf - und das ist ein ganz besonderes Schreiben. Der Arzt Alain erhält von einer Plattenfirma einen Brief, ...

Ein Brief aus längst vergangenen Zeiten, der vor über 30 Jahren geschrieben wurde, taucht wieder auf - und das ist ein ganz besonderes Schreiben. Der Arzt Alain erhält von einer Plattenfirma einen Brief, der seiner Band "Les Hologrammes" einen Vertrag anbietet. Nur: diese Band existiert seit ebenfalls über 30 Jahren nicht mehr, Alain hat zu keinem der Mitglieder noch Kontakt und diese sind zudem in alle Winde verstreut. Und haben sich auseinanderentwickelt: vom Rechtsextremen bis zum Aktionskünstler ist alles dabei. Alain möchte die Kassette finden - ja, die gab es damals noch - mit den Liedern - vor allem mit einem ganz bestimmten, das zum Megahit hätte werden können und beginnt eine Suche nach den ehemaligen Gefährten, die alsbald eine gewisse Eigendynamik entwickelt. Doch an die Kassette von damals zu kommen - das scheint aussichtslos.

Ich würde dieses Buch eher mit einem französischen Film als mit einem französischen Roman vergleichen: ungewöhnlich, manchmal absurd, mit einem ganz besonderen, eben dem französischen trockenen Humor und definitiv mit Pfiff. Manchmal taucht ein - möglicherweise ebenfalls ziemlich französisches - Chaos auf, das der Autor aus meiner Sicht gern hätte bleiben lassen können, aber ohne das geht es wohl nicht. Kenne ich schon aus den erwähnten Filmen - alles wunderbar, aber manchmal dann doch etwas too much.

Aber dass der Autor hier etwas richtig Visionäres eingebaut hat, das im Nachhinein in die Annalen eingehen wird, das konnte er natürlich selbst nicht ahnen, wie denn auch! Ich verrate Ihnen auch nicht, was es ist (im Laufe der Lektüre zeichnet es sich allerdings recht schnell ab) und sie müssen auch schon bis zum Ende lesen, um es in Gänze zu erfahren. Aber das Buch ist nicht dick, ausgesprochen unterhaltsam und die Figuren sind gekonnt und mit einer gehörigen Portion französischen Charmes gezeichnet, selbst der Rechtsradikale, gegen den selbst Marine LePen noch wie eine linke Ratte wirkt. Ach ja, auch Ratten beeinflussen den Verlauf der Geschichte, aber raten Sie nicht, da würden Sie nie drauf kommen!

Auf jeden Fall enthält das Buch eine gehörige Portion Gesellschaftskritik der besonderen Art - Antoine Laurain versteht es eben, diese Dinge auf Französisch zu erledigen. Das Buch wird durchgehend von einer Melodie begleitet, die so richtig auch erst am Ende erklingt, die ganze Geschichte aber erst ins Rollen gebracht hat. Dann geht tatsächlich ein Lied hinaus in die Welt! Absolut ungewöhnlich, klug kombiniert und wirklich nur im Ansatz gelegentlich ein kleines bisschen kitschig. Unbedingt lesenswert - seien Sie gespannt!

Veröffentlicht am 27.07.2018

Fahrradrückgabe

Fahrräder für Utrecht
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Was tun, wenn sich der geliebte Großvater auf dem Totenbett als Naziverbrecher erweist, der an der Judenvernichtung beteiligt war? Als Schreibtischtäter ganz im Westen, nämlich in Holland, was das Ganze ...

Was tun, wenn sich der geliebte Großvater auf dem Totenbett als Naziverbrecher erweist, der an der Judenvernichtung beteiligt war? Als Schreibtischtäter ganz im Westen, nämlich in Holland, was das Ganze aber keinen Deut besser macht. Weswegen Enkel Hauke aber nicht aufhört, ihn zu lieben, den herzlichen Opa, der einsprang, als die Eltern viel zu früh verunglückten. Ist ja auch richtig, beides voneinander getrennt zu betrachten. Und Opa Heinrich ist schon lange kein Nazi mehr, sondern bereut - und bittet Hauke um Wiedergutmachung.

Und zwar aus mehreren Gründen: neben dem oben genannten stellt sich nämlich noch heraus, dass Hauke eine holländische Tante hat. Sie sind neugierig geworden? Dann sollten sie zum Buch greifen, auch wenn es manchmal ein bisschen gewollt schrägt ist und auch gewollt lässig, insgesamt kann man nur sagen: passt schon!

Hauke nimmt nämlich die Verantwortung an und zwar auf seine eigene Art und Weise. Er ist nämlich ein Kind seiner Zeit - ebenso wie der Autor. Außerdem sind es sozusagen auch familiäre Gründe, die ihn dazu bewegen, die Aktion "Fahrräder zurück nach Holland" durchzuziehen. Zumal seine Freunde Safi und Lars wie so oft treu an seiner Seite sind!

Und zwar werden die Fahrräder im Rahmen einer medienwirksamen Fahrradtour nach Holland gebracht - zumindest ist es so geplant. Doch wie so oft im Leben, kommt alles ganz anders. Also eine Mordstour, die da unternommen wird? Nein, eigentlich eher das Gegenteil!

Es ist schon ziemlich klischeehaft und manchmal gewollt lässig, dennoch hatte ich viel Freude an dem Buch. Ja, Geschichte kann uns auch heute noch einholen und das stellt Autor Jochen Baier durchaus eindringlich dar. Sehr sympathisch war mir das Thema vor allem deswegen, weil ich meine ganz eigene familiäre Fahrradhistorie habe. Und die ist inzwischen schon über ein Jahrhundert alt - vielleicht wird sie ja auch mal aufgeschrieben. Aber lesen sie erst mal diese - ein ebenso lohnendes wie unterhaltsames Buch über ein Stück deutscher Geschichte und ein Stück deutscher Gegenwart von der Sorte, wie man sie nicht so oft hört bzw. in diesem Falle liest!