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Veröffentlicht am 07.06.2018

Das Spiel mit dem Schmerz

Zu nah
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Frankie Sheehan, Detective im Dubliner Police Department, kehrt nach einer schweren Verletzung im Dienst zurück zur Arbeit.
Die renommierte Wissenschaftlerin Eleanor Costello hat sich erhängt, Frankie ...

Frankie Sheehan, Detective im Dubliner Police Department, kehrt nach einer schweren Verletzung im Dienst zurück zur Arbeit.
Die renommierte Wissenschaftlerin Eleanor Costello hat sich erhängt, Frankie soll ihren Selbstmord untersuchen. Doch die Polizistin findet Ungereimtheiten. Bevor sie tiefer in die Ermittlungen eintauchen kann, gibt es eine weitere Frauenleiche. Scheinbar handelt es sich bei der jungen Frau um die Geliebte von Peter Costello, Eleanors Ehemann. Auf der Suche nach dem potentiellen Mörder Peter befinden sich Frankie und ihr Team plötzlich im Darknet. Und inmitten eines Pulks schmerzhafter, sexueller Vorlieben...

"Zu Nah" ist das Thrillerdebüt der Autorin Olivia Kiernan - und hoffentlich nicht ihr letztes Buch.
Die Spannung baut sich von der ersten Seite an auf, strömt in Wellenbewegungen durch den Roman und endet phänomenal, ja fast unerträglich fesselnd.
Mit Frankie und ihren Kollegen führen uns starke Charaktere durch den Thriller. Die Wendungen und Verwirrungen der Autorin sind erstklassig, der Schreibstil ist sehr angenehm flüssig.
Auch bleibt es durchgehend realitätsnah; denn Polizeiarbeit funktioniert nicht immer auf Knopfdruck. Die Ermittlungen ziehen sich aufgrund weiterer Opfer, falscher Fährten und unglaublichen Fassaden....
Kurzum: Alles richtig gemacht!
Ich hätte allerdings nichts dagegen gehabt, ein bisschen mehr von Dublin zu lesen. Aber ich verstehe die alleinige Konzentration der Autorin auf die Handlung, deshalb; alles gut.

Besonders einige Kleinigkeiten im Buch runden die Story ganz wunderbar ab. Beispielsweise die "Verdrehung" typischer Probleme zwischen Mann und Frau, die ich des Spoilerns wegen nicht genau nennen möchte. Die künstlerischen Aspekte, oder auch die schmerzhaften Rückblicke von Frankies letztem Fall, die sie nicht loslassen wollen. Und überhaupt: jede Menge Überraschungen, die dem Leser immer wieder den Atem rauben. Dieses Buch ist wirklich alles andere als vorhersehbar!

Olivia Kiernan ist offensichtlich eine Meisterin der Verstrickungen, wie sie wahnsinnig mitreißend und intelligent verpackt in ihrem Erstling beweist.
Bitte, bitte mehr davon!

Veröffentlicht am 07.06.2018

Von miefenden Müllmonstern, pupsenden Posaunen und riesigen Rotzkugeln...

Die schlimmsten Kinder der Welt
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Schauspieler und Kinderbuchautor David Walliams ist bekannt für seine witzigen, überspitzten und einfach genialen Arbeiten.
Sein wirklich spezieller, teilweise schwarzer, Humor kratzt nicht selten an der ...

Schauspieler und Kinderbuchautor David Walliams ist bekannt für seine witzigen, überspitzten und einfach genialen Arbeiten.
Sein wirklich spezieller, teilweise schwarzer, Humor kratzt nicht selten an der Grenze des Unmöglichen.
So auch in seinem neuen Buch "Die schlimmsten Kinder der Welt".

In zehn Kapiteln werden zehn verschiedene, wirklich schlimme Kinder vorgestellt.
Zum Beispiel die fiese Heulsuse Heidi, deren kleiner Bruder sehr unter ihrem Egoismus leiden muss.
Oder die schmuddelige Schirin, die ihre überordentliche Mutter in den Wahnsinn treibt.
Besonders großartig fand ich die Geschichten um die pupsende Pia, deren Eltern nicht mehr ohne Nasenklammern leben können;
und den ernsten Ernst mit seiner Sinn-für-Humor-Störung.

Ich konnte herzlichen lachen, Kapitel für Kapitel.
David Walliams Sichtweise auf typische Probleme von Kindern ist fantastisch.
Die kindlichen Eigenarten sind sehr komplex und unglaublich kreativ dargestellt, jedes Kapitel hat seine Eigendynamik.
Und obwohl man als (erwachsener) Leser den eigentlich erhobenen Zeigefinger am Rande natürlich spürt, lässt man sich doch immer wieder überraschen.
Wie pädagogisch wertvoll es dabei ist, nun ja, das muss jeder selbst entscheiden.

Sehr detailverliebt in Schrift und Form wird das Kinderbuch perfekt abgerundet. Mit offensichtlichem Herzblut und vielen feinen Kleinigkeiten ist dieses Buch ein wahrer Schatz.
Mr Walliams hat ALLES richtig gemacht mit diesem Werk.
"Die schlimmsten Kinder der Welt" hat eindeutig Lieblings-Potential im Genre "Besonderes Kinderbuch" für mich.

Und die Moral von der Geschicht: Lest dieses Buch, auch wenn der Autor meint: Tut es nicht.

Veröffentlicht am 07.06.2018

Anwärter zum Jahreshighlight!

Krokodilwächter
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In einem dänischen Wohnhaus wird eine übel zugerichtete Frauenleiche gefunden.
Bei der blutüberströmten jungen Frau, die eine Art Scherenschnitt im Gesicht hat, handelt es sich um Studentin Julie Stender. ...

In einem dänischen Wohnhaus wird eine übel zugerichtete Frauenleiche gefunden.
Bei der blutüberströmten jungen Frau, die eine Art Scherenschnitt im Gesicht hat, handelt es sich um Studentin Julie Stender. Sie ist erst kürzlich für ihr Studium in die Hauptstadt gezogen und der Tod der Tochter aus scheinbar gutem, behüteten Hause wirft allerhand Fragen auf.
Anette und Jeppe von der Kopenhagener Mordkommission beginnen in dem Fall zu ermitteln und Julies ältere Vermieterin gerät in den Fokus. Denn Pensionärin Esther de Laurenti versucht sich gerade als Autorin und hat erst wenige Wochen zuvor einen sehr ähnlichen Mord niedergeschrieben.
Doch auch wenn die ältere Dame mit dem Opfer unter einem Dach gewohnt hat und ein infrage kommendes Motiv schnell gefunden wird; wäre Esther wirklich körperlich dazu in der Lage, einen solch brutalen Mord zu begehen?

"Krokodilwächter" ist der Auftakt einer sehr vielversprechenden Kopenhagen-Thriller-Reihe um das Ermittler-Duo Jeppe und Anette. Die beiden Dänen sind bereits seit acht Jahren ein eingespieltes Team, wobei in diesem Buch Jeppe die deutlich größere Rolle spielt.

Autorin Katrine Engberg hat mit ihrem literarisch angehauchten Spannungsroman einen absoluten Volltreffer gelandet. Ich selbst bin eigentlich kein Fan von skandinavischem Crimethrill, doch hin und wieder teste ich diese Richtung erneut. Und Gott sei Dank hatte ich beim "Krokodilwächter" den richtigen Riecher!
Die Story ist von vorne bis hinten perfekt durchdacht. Das ermordete nette, hübsche Mädchen hat wohl doch kein so braves Leben geführt, wie ihr Schein vermuten ließ. Neben Esther tauchen immer mehr potentielle Kandidaten auf, die ein Mordmotiv haben könnten.
... und Frau Engberg führt uns ruhig, doch in Halbkreisen und leichtem Zickzack durch den Thriller.

Mit ihrer leichtfüßigen, kreativen Art beschreibt die Autorin eine düstere, rätselhafte und leicht melancholischen Geschichte. Sprachlich eine wahre Freude, inhaltlich voller kluger Kniffs und sehr spannenden Wendungen. Auch die Protagonisten sind toll gezeichnete und vielschichtige Charaktere, mit denen man gerne Zeit verbringt. Teilweise, weil man sie fasziniert beobachten mag, teilweise weil es wahre Sympathieträger sind. Dank Engbergs fantastischer Art zu schreiben hatte ich Jeppe, Esther & Co auch stets lebhaft vor Augen.
Und für mich das alles ideal abrundende i-Tüpfelchen an der Story: Der Bezug zur Literaturwelt, der sich durch das ganze Buch zieht.

Bravo, Frau Engberg. Band Zwei kann ich kaum erwarten!

Veröffentlicht am 07.06.2018

Gelbgrün, Pistaziengrün, Flaschengrün

Arthur und die Farben des Lebens
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Der Pariser Arthur hat erst kürzlich einen Job in der Bunstiftfabrik Gaston Cluzel angenommen, als diese Konkurs anmeldet.
Am letzten Produktionstag mischt Arthur gerade die Inhaltsstoffe der 24 verschiedenen ...

Der Pariser Arthur hat erst kürzlich einen Job in der Bunstiftfabrik Gaston Cluzel angenommen, als diese Konkurs anmeldet.
Am letzten Produktionstag mischt Arthur gerade die Inhaltsstoffe der 24 verschiedenen Minen zusammen, als er spontan die Dosis der Pigmente auf das Maximum erhöht. Wozu noch sparsam arbeiten, ab Morgen ist eh alles vorbei!
Zufrieden betrachtet er die außergewöhnlich stark leuchtenden Farben und geht mit dem Gefühl, zum Schluss noch etwas Besonderes geschaffen zu haben.
Doch plötzlich verschwindet auf der ganzen Welt die Farbe gelb. Und kurz darauf verblassen auch alle anderen Farben zu grau.
Die Menschen werden traurig und depressiv in diesem schwarz-weißen Chaos. Die Droge LSD wird zum Bestseller, weil man durch sie für einen Moment wieder in einen Farbrasch verfällt.
Arthur wird zum Alkoholiker und verbringt seinen Alltag damit, die hübsche Nachbarin Charlotte mit ihrer kleinen Tochter Louise zu beobachten. Bis er Louise eines Tages einen ehemals rosafarbenen Stift von Gaston Cluzel schenkt. Denn kurz darauf mein Arthur, die Farbe rosa wieder sehen zu können. Oder spielt nur der Alkohol in ihm verrückt?

Jean-Gabriel Causse, Farbdesigner und nun auch Buchautor, hat mit "Arthur und die Farben des Lebens" einen ganz außergewöhnlich Roman geschaffen. Allein die Idee zu dieser Geschichte ist genial und so viel komplexer, als man im ersten Augenblick denkt. Denn für uns Menschen ist die bunte Welt doch absolut selbstverständlich und einfach normal. Warum sollten wir darüber nachdenken, wie die Welt ohne braun oder violett aussehen würde...?

Sehr humorvoll und äußerst intelligent erzählt Causse diese aberwitzige Geschichte um die verschwundenen Farben. Beim Lesen flog ich nur so durch die Seiten - im wahrsten Sinne. Denn ich habe dieses Buch an nur einem Tag gelesen. Das ist mir schon lange nicht mehr passiert und ich habe es wahnsinnig genossen, den Tag mit allerhand charmanten Protagonisten zu verbringen. Mit dem entspannten Arthur, der aufgeweckten Louise, der blinden Wissenschaftlerin Charlotte, den wahrlich komischen Bewohnern eines unkonventionellen Altenheims und dem indischen Taxifahrer Ajay.

Für mich: ganz große Klasse im Unterhaltungssegment.
Ein amüsanter, schwungvoller Roman mit einer klaren, bedeutenden Botschaft. Jean-Gabriel Causse hat für mich mit diesem vielschichtigen Buch alles richtig gemacht. So viele großartige Kniffe und herrliche, teilweise widersprüchliche Verknüpfungen. Bravurös!
"Arthur und die Farben des Lebens" bereitet großes Lesevergnügen, regt zum Nachdenken und regerer Wahrnehmung an dank überzogener Spitzen und auch ruhigen, gräulichen Momenten. Ein Glücklichmacher!

Veröffentlicht am 29.07.2018

Monster der Vergangenheit...

Der Fremde am Strand
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Beim Spaziergang mit ihren Hunden, spricht die alleinerziehende Alice einen fremden, vom Regen durchnässten Mann am Strand vor ihrem Haus an. Der Mann wirkt traurig, verwirrt und behauptet, sein Gedächtnis ...

Beim Spaziergang mit ihren Hunden, spricht die alleinerziehende Alice einen fremden, vom Regen durchnässten Mann am Strand vor ihrem Haus an. Der Mann wirkt traurig, verwirrt und behauptet, sein Gedächtnis verloren zu haben und nicht zu wissen, wer er ist.
Aller Vernunft zum Trotz bietet Alice dem Fremden ihre Hilfe an und nimmt ihn bei sich zu Hause auf, sehr zum Missfallen ihrer Kinder.
Zur selben Zeit am anderen Ende des Landes, gibt die junge Ukrainerin Lily eine Vermisstenanzeige auf, da ihr frisch angetrauter Ehemann Carl plötzlich verschwunden ist.
Sowohl Alice als auch Lily beginnen zu recherchieren - und treffen quasi in der Vergangenheit aufeinander...

Eigentlich bin ich überhaupt kein Fan von Spannungsromanen, in denen Jemand sein Gedächtnis verloren hat. Meistens ist die Auflösung nämlich wenig zufriedenstellend.
Dennoch reizte mich, aufgrund der vielen guten Besprechungen, "Der Fremde am Strand". Und Autorin Lisa Jewell hat mir gezeigt, dass man dieses Thema auch plausibel bearbeiten kann!
Der Roman ist von der ersten bis zur letzten Seite spannend, schlüssig, einfühlsam und einfach klasse geschrieben. Ein sehr guter Plot, gelungene und großartige Wendungen und ein toller Charakter-Mix; alles, was ein gutes Buch braucht!
Mit Alice, Frank, Russ und Co habe ich angenehme, kurzweilige Lesestunden verbracht und als Hundemensch waren Alices Vierbeiner für mich das persönliche i-Tüpfelchen.

Ich habe nur wenige Kritikpunkte, wie zum Beispiel den schnellen Volltreffer von Alice und ihrer Freundin bei der Recherche zu Franks Jugend. Oder ein paar, für mich, wenig nachvollziehbare Handlungen von Lily, deren Charakter für mich irgendwann etwas widersprüchlich wurde.

4,5 von 5 Sternen vergebe ich abschließend für "Der Fremde am Strand".