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Veröffentlicht am 08.08.2018

Die Pongs im Moorhotel

Tot im Winkel
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Paula Pongs ist Kriminalhauptkommissarin und hat an diesem Wochenende einen Workshop über Teamarbeit – und das mitten im Moor. Natürlich hat ihre neugierige Mutter, die so nebenbei Hobbyermittlerin und ...

Paula Pongs ist Kriminalhauptkommissarin und hat an diesem Wochenende einen Workshop über Teamarbeit – und das mitten im Moor. Natürlich hat ihre neugierige Mutter, die so nebenbei Hobbyermittlerin und Kriminalautorin ist, davon Wind bekommen und sich heimlich ebenfalls in diesem Hotel eingemietet, mitsamt ihrer Schriftsteller WG und Kater Alfred. Cosma Pongs ist absolut davon überzeugt, dass in dieser Gegend und mit so vielen „Fachleuten“ ein Kriminalfall zu lösen sein wird. Wie Recht sie hat, weiß sie spätestens, als der arrogante Star-Profiler vom Balkon fällt und tot vor ihren Füßen landet …

Auch wenn man den Vorgänger „Tot überm Zaun“ nicht kennt, kann man dieses Buch problemlos lesen und alles verstehen. Dennoch rate ich, den ersten Band zu lesen, denn so kleine Anspielungen und Entwicklungen versteht man dann besser und kann sie vor allem besser genießen.

Die Figuren sind sich weitgehend selbst treu geblieben, auch wenn sie sich – nicht zu rasant, aber spürbar – weiterentwickeln. Das ist mir sehr sympathisch und macht mir Spaß beim Lesen. Weit mehr als nur eine Randfigur ist dabei Kater Alfred. Seine Rolle gefällt mir ganz besonders! Er passt genial in den Krimi hinein, wird aber nicht vermenschlicht. Paula ist nicht die ganz so typische Ermittlerin, hat aber auch doch ein paar Altlasten. Auch ein wenig Herzklopfen ist von der Autorin ins Buch gemogelt worden, sodass die einzelnen „Zutaten“ eine ganz leckere „Lese-Kost“ ergeben.

Dennoch kann ich nicht die vollen fünf Sterne geben, denn streckenweise zog sich das Buch ein wenig. Die Ermittlungen traten auf der Stelle und für mich wurde irgendwie einfach nur wiederholt, was man schon wusste. Hier waren mir die Figuren dann auch zu sehr in ihrer Rolle gefangen. Walter hat mich mit seiner Back-Blockade genervt, genauso Cosma mit ihren wilden Verdächtigungen und Paula mit ihrer Gottergebenheit. Zum Glück fanden alle wieder aus ihrem tiefen Loch heraus und so konnten die Ermittlungen im von einem Unwetter abgeschotteten Moorhotel endlich weitergehen. Da kam es dann zu einigen Entwicklungen und Wendungen, die so nicht vorhersehbar waren, sich aber gut ins Gesamtbild fügten und auch logisch passten. Das Sahnehäubchen waren dann die Anspielungen auf die großen Detektive der Literatur – einfach köstlich!

Am Ende hatte ich dann wieder viel Spaß beim Lesen, sodass ich insgesamt auf vier Sterne komme und mich auch wieder auf weitere Fälle mit Kriminalhauptkommissarin Paula Pongs und der Schriftsteller-WG ihrer Mutter freue.

Veröffentlicht am 27.07.2018

Etwas schwacher Start, aber die Reihe ist toll!

Lost in Fuseta
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Leander Lost ist ein Kriminalkommissar aus Hamburg, der im Rahmen eines Austauschprogramms (das nicht jedem gefällt) ein Jahr in Portugal verbringen soll. Er landet in einem Fischerdorf an der Algarve, ...

Leander Lost ist ein Kriminalkommissar aus Hamburg, der im Rahmen eines Austauschprogramms (das nicht jedem gefällt) ein Jahr in Portugal verbringen soll. Er landet in einem Fischerdorf an der Algarve, wo die Menschen sehr speziell sind. Das passt ganz gut, denn Leander ist Asperger mit Inselbegabung und infolge dessen ebenfalls recht speziell. Die neuen Kollegen müssen sich zunächst an Leander gewöhnten und es kommt immer mal wieder zu amüsanten, aber auch dramatischen Zwischenfällen. Mit der Zeit merken die Portugiesen, dass Losts Schwäche auch eine große Stärke beinhaltet …

Dieser erste Teil der Leander-Lost-Reihe macht den Leser bzw. Hörer mit den Figuren vertraut. Ich habe tatsächlich mit dem zweiten Band begonnen, fand den genial und wollte deshalb unbedingt noch Band eins kennenlernen. Der ist gar nicht mal so übel, aber ich gebe zu, würde ich Lost nicht in Band zwei so sehr ins Herz geschlossen haben, hätte ich den ersten Band wohl abgebrochen. Hier zieht es sich meiner Meinung nach ein wenig und Losts Inselbegabung, seine Eigenarten und seine Art kommt hier nicht so sympathisch rüber, wie im Folgeband. Über weite Strecken fand ich Leander so nervig und belastend, wie es die meisten seiner neuen Kollegen auch taten. Auch ist es etwas schwierig, dem eigentlichen Kriminalfall zu folgen, da dieser recht im Hintergrund abläuft und mehr das Zwischenmenschliche zum Tragen kommt.

Das ist an sich nicht schlecht, aber für einen Einstieg möglicherweise doch anstrengend. Am Ende stellt sich der Fall als völlig anders dar, wie man zunächst hätte annehmen können. Fast wie ein Eisberg: der kleinste Teil guckt oben raus. Da der Kriminalfall etwas unwichtiger und weniger ausführlich, teils sogar quasi nebenbei und mit viel Zufall abläuft, sehe ich die Gefahr, dass Krimifans, die hier einen handfesten Krimi erwartet haben, sehr enttäuscht sein werden. In meinen Augen ist es eher ein Roman mit eingeflochtenen Krimiaspekten. Gar nicht schlecht, aber eben nicht für jeden etwas.

Andreas Pietschmann liest das Buch sehr gut ein und verleiht Leander Lost und den anderen Charakteren sehr viel Leben. Das gefällt mir sehr gut. Auch die Gefühle transportiert er wunderbar.

Da ich aber weiß, dass mich der zweite Band sehr viel mehr begeistern konnte, kann ich nur einen Stern abziehen. Fazit: Hätte ich mit diesem Band begonnen, bekäme er drei Sterne. Da ich aber weiß, dass sich alles steigert, gebe ich vier Sterne.

Veröffentlicht am 27.07.2018

In Franken wird ermittelt

Bülent Rambichler und die fliegende Sau
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So wirklich gern ist Bülent Rambichler, Sohn einer Fränkin und eines Türken, nicht Kriminaler geworden. So irgendwie und überhaupt ist das eher auf sanften Druck von Daheim so gekommen. Kein Wunder also, ...

So wirklich gern ist Bülent Rambichler, Sohn einer Fränkin und eines Türken, nicht Kriminaler geworden. So irgendwie und überhaupt ist das eher auf sanften Druck von Daheim so gekommen. Kein Wunder also, dass er so gut wie möglich jede Aktivität außerhalb des Schreibtischplatzes vermeidet. Sehr zum Missfallen seiner Assistentin Astrid – und seines Vaters Erkan. Der nutzt die Chance, seinen Sohn aus Nürnberg „nach Hause“ nach Strunzheim zu holen, als ein Mord geschieht. Seiner Meinung nach kann ein „Einheimischer“ den Fall am besten lösen. Dass er das alles auch für seine Wahl in den Gemeinderat nutzen möchte, tut ja nix zur Sache. Blöd nur, dass alles anders läuft, als sich alle so denken …

Was der Eberhofer für Bayern, ist der Rambichler für Franken – und mir persönlich sagt der Frankenkrimi tatsächlich eher zu. Ja, die Franken bekommen hier ihr Fett weg, besonders die aus der ländlichen Gegend. Aber Anja Bogner bedient die Klischees mit einem zwinkernden Auge und mit so viel Herz, dass es kein bisschen fies rüberkommt, sondern einfach nur zum Schmunzeln und Wohlfühlen.

Die Figuren muss man einfach mögen. Ein Türke, der kein bisschen türkisch ist und den Nachnamen seiner Frau angenommen hat, ein Kommissar, der keiner sein will, eine Assistentin, die herzensgut und total esoterisch ist, eine Dorfgemeinschaft, die alles toppt – und ein Kriminalfall, der recht verzwickt ist und ebenfalls ein paar Vorurteile beinhaltet und andere dafür wieder über den Haufen wirft. Wunderbar schräg und ein klein wenig bissig, aber vor allem mit ganz viel Liebe zu ganz besonderen und speziellen Charaktereigenschaften. Das Lesen macht durchweg Spaß! Es gibt massig skurrile Sätze wie: „Ein zweistimmiges Schweigen erfüllte den Raum.“. Ich hab so etwas dann immer bildhaft vor Augen und kann mich königlich amüsieren!

Da ist noch viel Raum für weitere Entwicklungen der beiden Kriminalbeamten Bülent und Astrid. Das ist auch wichtig für einen Serienstart. Und auch wenn klar abzusehen ist, dass sich eine kleine Romanze anbahnt, ist das nicht abgedroschen.

Die Autorin bringt viel Fränkisch rein, aber so, dass auch Nicht-Franken verstehen, um was es geht. Der Humor ist nicht zu platt, die Figuren sind glaubwürdig. Nervenaufreibend spannend ist der Krimi nicht, aber durchaus unterhaltsam. Vor allem kommt zwar kein explosiver Showdown, dafür aber eine kleine Wendung am Ende, die mehr oder weniger alle aufatmen lässt. Die Idee finde ich sehr gelungen und sie passt zum kompletten Buch.

Wer sich gern hin und wieder einfach nur entspannen möchte beim Lesen und Spaß an Sprachwitz hat, der liegt hier genau richtig. Für den einen oder anderen Holperer (manche Witze lassen mit der Zeit einfach nach) ziehe ich einen Stern ab. Dennoch bleiben sehr gute vier Sterne für diesen Reihenauftakt!

Veröffentlicht am 23.07.2018

Rache serviert man am besten kalt!

A Stranger in the House
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Karen Krupp lebt mit ihrem Mann ein ganz normales Leben. Als sie einen schweren Unfall in einer sehr üblen Gegend ihrer Stadt hat und im Krankenhaus mit einer Amnesie erwacht, beginnt ein Alptraum. Seltsame ...

Karen Krupp lebt mit ihrem Mann ein ganz normales Leben. Als sie einen schweren Unfall in einer sehr üblen Gegend ihrer Stadt hat und im Krankenhaus mit einer Amnesie erwacht, beginnt ein Alptraum. Seltsame Dinge geschehen in ihrem Haus. Als dann noch in der Nähe des Unfallortes eine Leiche gefunden wird, vermutet die Polizei einen Zusammenhang. Was geschah tatsächlich und welche Gefahr lauert auf Karen?

Schon „The Couple next Door“ hat mich gefesselt und fasziniert und so freute ich mich sehr auf ein weiteres Werk von Shari Lapena. Auch „A Stranger in the House“ hat mich fasziniert, gefesselt, sehr gut unterhalten und brachte die eine oder andere erfrischende Wendung. Dennoch ist dieses Buch schwächer. Der „Wow-Effekt“ ist kaum da, die Wendungen sind stimmig und überraschend, hauen aber nicht vom Hocker. Damit will ich nicht sagen, dass mir das Buch nicht gefallen hätte – es war eine tolle Lesezeit, ich habe sehr viel spekulieren können, aber die fünf Sterne erreicht das Buch einfach nicht.

Mit den Figuren sympathisiert man, wenn überhaupt, recht spät. Das ist für meinen Geschmack nicht schlimm, sondern sogar ein Vorteil. Ich fühle mich als Leser dann eher in der Person des Ermittlers, der emotional genug Abstand zu allen hat, um klar kombinieren zu können. Zu viel Gefühl verblendet leicht. Sehr schön ist auch, dass die Anzahl der Figuren recht übersichtlich ist und ein alter Bekannter auftaucht. Dennoch ist für mich dieses Buch keine Fortsetzung, sondern ein völlig eigenständiges Buch, eben mit einer Figur, die man aus dem ersten Buch schon kennt. Nicht mehr und nicht weniger. Es wird auch in keiner Weise auf „The Couple next Door“ angespielt.

Der Stil liest sich sehr angenehm und schnell. Nichts verwirrt – man muss nicht zurückblättern, weil etwas unklar oder schräg erscheint. Alles baut systematisch und logisch aufeinander auf. Umso erstaunlicher sind dann die Wendungen!

Die Autorin zeichnet die Umgebung und die Figuren mit nur wenigen Pinselstrichen ausdrucksstark. Sie verliert sich nicht in ausschweifenden Beschreibungen, sodass Raum genug für Kopfkino bleibt und der Lesefluss nicht unterbrochen wird. Der Thriller mag nicht hochanspruchsvoll sein, dennoch unterhält er gut genug, um ihm vier Sterne zu geben.

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Veröffentlicht am 15.07.2018

Manchmal ist der Trostpreis der Hauptgewinn

Familie und andere Trostpreise
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Sonny führt ein ganz eigenes Leben. Es bleibt ihm mit seinen Neurosen und Phobien auch nicht viel anderes übrig. Sein Vormund Thomas ist für ihn sowohl Vaterfigur als auch bester Freund. Deshalb ist Sonny ...

Sonny führt ein ganz eigenes Leben. Es bleibt ihm mit seinen Neurosen und Phobien auch nicht viel anderes übrig. Sein Vormund Thomas ist für ihn sowohl Vaterfigur als auch bester Freund. Deshalb ist Sonny klar, dass er auf eine ganz spezielle Reise gehen muss, als er zu seinem 21. Geburtstag nicht nur die üblichen Geschenke (die er sehr liebt) bekommt, sondern fünf Briefe (ganz übel, wenn man an einer Umschlagphobie leidet), Cassetten mitsamt einem Abspielgerät und ein riesiges Vermögen – sein Erbe. Also macht er sich auf nach England und verknüpft die Suche nach seinen Wurzeln mit Schauplätzen aus seinem Lieblingsfilm „Shaun of the Death“. Je mehr er in die Vergangenheit reist, desto klarer wird ihm, wie seine Zukunft aussehen soll …

Nein, in diesem Buch ist nichts und niemand so, wie man selbst oder seine Nachbarn. Hier trifft man ausnahmslos auf Ausnahmeerscheinungen. Aber das ändert nichts daran, dass alles ganz genau so geschehen sein könnte! So irre vieles ist, so glaubhaft ist es dennoch.

Ein wenig schwer tat ich mich mit der Tatsache, dass sich Sonny an arg wenig aus seiner Kindheit erinnern kann. Das grenzt schon an eine Amnesie. Auch wundert es, dass er erst an seinem 21. Geburtstag auf die Idee kommt, mehr über sich selbst herauszufinden. Nie Fragen gestellt? Nie gewisse Menschen vermisst? Ich kann mir das nur sehr schwer vorstellen.

Dafür finde ich fast alle seine Schlüsse und Handlungen, die aus seinen Entdeckungen resultieren, sehr nachvollziehbar und oft auch bewundernswert. Die eine oder andere Entdeckung ist in meinen Augen Grund genug, Neurosen und Phobien zu entwickeln und ich könnte mir sehr gut vorstellen, dass Sonny in seiner Zukunft ein paar davon wieder ablegen wird.

Seine Reise in die Vergangenheit ist gleichzeitig der Start in seine Zukunft. Das ist wunderbar gelungen und fühlt sich kein bisschen konstruiert an. Martine McDonagh hat für ihren Protagonisten eine männliche Figur gewählt und erzählt in der Ich-Form. Das ist ihr sehr gut gelungen. Seine Entwicklung, die natürlich sehr eng mit seiner Reise verknüpft ist, gefällt mir sehr gut. Trotz aller Änderungen bleibt er in wichtigen Punkten sich selbst treu und handelt auch in Extremsituationen nie überstürzt. Mit einer erstaunlichen Leichtigkeit lässt sie den Leser Figuren mögen oder hassen, ohne dass sie das direkt schreibt. Ganz dezent beschreibt sie die Handlungen und überlässt dem Leser seine Wahl.

So entwickeln sich aus einem anfangs urkomischen, mit der Zeit dann aber immer ernster werdenden Roadtrip die Reise zu sich selbst und die Erkenntnis, was Familie bedeutet und ausmacht. Dass gute Menschen manchmal auch schlechte und schlimme Dinge tun, zeigt die Autorin hier ebenfalls. Auch wenn der Stimmungsumschwung einen kleinen Bruch in den Lesefluss bringt, mag man insgesamt gar nicht aufhören zu lesen. So still dieses Buch ist, so viel hat es zu sagen.

Ein sehr tiefgründiges Buch. Ganz ohne verschönernde romantische Verklärung. Teils knallhart - aber genau das macht es gut. Von mir gibt es dafür vier Sterne!