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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 10.12.2018

Es wird wirr im Staate Dänemark

Ich, Ophelia
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Hier wird Ophelias Geschichte erzählt, die als junges Mädchen als Hofdame der Königin arbeitet, sich in Hamlet verliebt, mit ihm eine Beziehung eingeht und dann, als er allmählich den Verstand verliert, ...

Hier wird Ophelias Geschichte erzählt, die als junges Mädchen als Hofdame der Königin arbeitet, sich in Hamlet verliebt, mit ihm eine Beziehung eingeht und dann, als er allmählich den Verstand verliert, beginnt sich zu emanzipieren und eigene Entscheidungen zu treffen.

Erzählt wird aus Ophelias Sicht. Die Qualität schwankt stark, es beginnt durchaus überzeugend, Ophelia wird nachvollziehbar erzählt, die Sprache wechselt zwischen modern und altmodisch, ergibt aber ein stimmiges Gesamtbild. Als die eigentliche Hamlet Handlung anfängt, wird Ophelia – wie Hamlet – zunehmend verwirrend dargestellt. Ihre Handlungen und Entscheidungen sind für mich nicht mehr nachzuvollziehen, ich habe zunehmend den Zugang zu ihr verloren und hatte das Gefühl ihre Handlungen und Gefühle wie durch einen Filter zu lesen. Hier hätte ich mir mehr Direktheit und mehr Nähe zur Figur gewünscht.

Ophelia hat zwar Momente in denen sie sich emanzipiert und auf den unfairen Umgang gegenüber Frauen eingeht, der Weg dahin ist für mich jedoch nicht wirklich nachvollziehbar und bleibt oberflächlich. Auch den Weg, den die Autorin für Ophelia wählt, finde ich enttäuschend und hätte mir hier viel mehr erwartet.

Das Cover ist wirklich schön, das Buch liegt gut in der Hand und hat eine tolle Haptik!

Die Grundidee, Hamlet aus Ophelias Sicht und gleichzeitig fokussiert auf die Sicht aller Frauen aus Shakespeares Stück zu erzählen, finde ich sehr spannend. Leider klappt die Umsetzung nur bedingt, Ophelias Charakter bleibt kühl und wenig schlüssig, ihre Motivation ist für mich nicht richtig durchschaubar und so bleibt sie mir bis zum Ende des Buchs fremd.

Veröffentlicht am 18.08.2018

Streckenweise fehlt der Grund weiterzulesen

Manhattan Beach
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Es beginnt mit der Einführung der drei Protagonisten, Anna begleitet ihren Vater als Elfjährige auf ein geschäftliches Treffen bei Dexter Styles. Sie soll mit seinen Kindern spielen während ihr Vater und ...

Es beginnt mit der Einführung der drei Protagonisten, Anna begleitet ihren Vater als Elfjährige auf ein geschäftliches Treffen bei Dexter Styles. Sie soll mit seinen Kindern spielen während ihr Vater und Mr Styles geschäftliche Dinge klären.
Später lernen wir, dass Styles ein Gangsterboss ist, der mit organisiertem Verbrechen seinen Lebensunterhalt bestreitet und seine Familie versorgt. Sie trifft ihn als Erwachsene in einem Nachtclub wieder ohne zu erkennen zu geben, dass sie sich schon einmal begegnet sind. Ihr Vater ist mittlerweile verschwunden, sie kümmert sich zusammen mit ihrer Mutter um ihre Schwester Lydia, die sich nicht selbstständig bewegen kann und nicht sprechen kann. Sie arbeitet in einer Fabrik am Hafen und möchte Taucherin werden, was ihr entgegen aller Umstände auch gelingt. Aber erst in der zweiten Hälfte des Buchs.

Das Buch liest sich über weite Strecken spannend und durchaus mitreißend, besonders der Gangsterhandlungsstrang von Dexter Styles gestaltet sich jedoch uninteressant und langatmig. Die Dynamik zwischen Anna und Styles, die mir am Anfang noch gut gefallen hat, verkehrt sich ins Gegenteil. Die Bootshausszene hat mir das Buch und auch die Figuren extrem unsympathisch werden lassen und auch nach Beendigung verstehe ich immer noch nicht die Relevanz.
Am besten haben mir die Szenen auf See gefallen, die sehr spannend und bewegend geschrieben waren.

Mir hat manchmal der Grund weiterzulesen gefehlt, weil das Thema des Buchs oder Annas Ziel so wenig ersichtlich war. Ich weiß über weite Strecken eigentlich nicht worum es geht und warum ich das Buch überhaupt zu Ende lesen sollte.

Bei der Übersetzung hat mich vor allem Börsenkrach irritiert, die geläufige Version wäre hier sicherlich Börsencrash. Und auch das N-Wort will ich eigentlich nicht mehr lesen, auch wenn es vielleicht historisch korrekt ist.

Veröffentlicht am 24.07.2018

Zwiegespalten

Spinster Girls – Was ist schon normal?
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Evie, 16, leidet unter einer Angststörung die sie dazu zwingt sich ständig zu waschen und sich bewusst zu sein, was so alles schief gehen kann im täglichen Alltag. Frisch im College gründet sie mit ihren ...

Evie, 16, leidet unter einer Angststörung die sie dazu zwingt sich ständig zu waschen und sich bewusst zu sein, was so alles schief gehen kann im täglichen Alltag. Frisch im College gründet sie mit ihren zwei neuen Freundinnen, Amber und Lottie, einen feministischen Club, der sich mit Fragen aller Art zum Thema Feminismus auseinandersetzt. Dabei werden Pink Taxes, also Steuern auf Tampons und andere Menstruationsprodukte ebenso behandelt wie offensichtlicher und verinnerlichter Sexismus. Leider beschränkt sich die Autorin hier auf weiße, heterosexuelle, cis-gender (also Menschen die sich mit ihrem biologischen Geschlecht identifizieren, im Gegensatz zu transgender) Frauen und Mädchen.

Ich hätte mir mehr Diversität gewünscht, bei einem Buch das sich mit so vielfältigen, wichtigen und aktuellen Themen auseinandersetzt. Aber wenn ich Sätze lesen muss wie: „die Periode macht uns zu Mädchen“ und „ist das einzige Ding, das uns zu Frauen macht“ frage ich mich ob nur die Formulierung unglücklich ist oder ob die Autorin Transmädchen und Frauen nicht berücksichtigt hat.
Leider ist auch keine der Figuren explizit nicht-weiß, zwei sind blond, eine rothaarig und eine wird nicht näher beschrieben. Und wenn frau ein Buch, vor allem ein Jugendbuch über Feminismus schreibt, dürfen ausdrücklich diverse Charakter nicht fehlen!

Evie ist großer Filmfan, da Filme lange Zeit das einzige waren, was sie von ihrer Erkrankung abgelenkt hat. Etwas irritiert hat mich, dass Evie, die sich zu Recht über Vergewaltigungen und Gewalt gegen Frauen in Filmen beschwert, mit Woody Allen als Regisseur offenbar keine Probleme hat.

Da das Buch sich mit sehr vielen und sehr grafisch beschriebenen Aspekten von Evies Angsterkrankung auseinandersetzt und überwiegend an Jugendliche adressiert ist, hätte ich mir im Anhang eine Liste mit Internetadressen und Telefonnummern gewünscht, bei denen die Leserinnen Hilfe bekommen können, falls sie nach/bei der Lektüre des Buches Schwierigkeiten haben.

Evies Geschichte ist wohl der Auftakt zu einer mehrteiligen Serie, adressiert an junge (weiße) Mädchen, die sich mit einer Reihe von gesellschaftsrelevanten feministischen Themen auseinandersetzt. Das ist leider nur teilweise geglückt, weil die Autorin sich leider auf heterosexuelle, weiße, cis-gender Mädchen beschränkt und nur die üblichen Jungsprobleme behandelt. Entgegen der offenbar landläufigen Meinung ist nur ein Bruchteil der Gespräche zwischen Teenagermädchen über Jungs und die damit behafteten Probleme.

Für die feministischen Inhalte und Hauptfigur mit psychischer Erkrankung würde ich gerne die volle Punktzahl geben, aber leider fehlt mir komplett die Diversität der Figuren und deshalb kann ich nur 3 Sterne geben.

Veröffentlicht am 11.07.2018

Gewöhnliche Liebesgeschichte auf ungewöhnliche Art präsentiert

Der will doch nur spielen
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Kate, 25, nicht wirklich To-Do-Listen-Fan, verliebt sich in Mitch, Anwalt, Menschenfreund und unglaublich gutaussehend. Aber weil beide nicht so richtig mit ihren Gefühlen rausrücken wollen, dauert es ...

Kate, 25, nicht wirklich To-Do-Listen-Fan, verliebt sich in Mitch, Anwalt, Menschenfreund und unglaublich gutaussehend. Aber weil beide nicht so richtig mit ihren Gefühlen rausrücken wollen, dauert es fast 400 Seiten bis dann doch etwas zwischen ihnen passiert.
Immer an Kates Seite ist dabei Jen, ihre beste Freundin und Arbeitskollegin, die gerade versucht ein Baby zu machen. Widersacherin und Bösewichtin ist Amy, ihre Chefin und deren Verlobter Stuart, gleichzeitig Bruder von Mitch.
Außerdem gibt es da noch Dale, Kates Ex-Freund und jetziger Stalker. Und Ida, begnadete Bäckerin, die aber dazu neigt ihre Waren nach eigenem moralischem Ermessen nur an Leute zu verkaufen die sie auch verdient haben und deswegen gefeuert wird.

Die Geschichte ist über weite Strecken trivial und ausführlich erzählt. Das ist allerdings auch durch die ungewöhnliche Form bedingt, denn es gibt keine klassische Erzählerin, alles wird in Emails, Chats, Anrufbeantwortern dargestellt. Dabei sind die Rollen der Figuren relativ eindeutig verteilt und klar zwischen gut und böse zu unterscheiden.
Zum Ende hin wird die Geschichte aber trotzdem interessant, weil sich herausstellt, dass Amy offenbar noch viel schlimmer ist als erwartet und Mitchs Schwester Sean eine Zitat: „lesbische Neigung“ hat. Gut gefallen hat mir, dass auch die erschreckende Praxis der Umerziehungscamps von Homosexuellen angesprochen wird, die leider bis heute in den USA existiert.
Dass das Buch erstmalig 2004 erschienen ist, merkt man ihm an manchen Stellen deutlich an, Serien (Charmed!!) und technische Geräte lassen Nostalgie aufkommen.

Außerdem gut gefallen hat mir die ausführliche Beschreibung der Nebenfiguren und deren Probleme! Auch dass so wichtige Themen wie Homophobie und Antisemitismus in diesem Liebesroman aufgegriffen werden, finde ich bewundernswert und nicht selbstverständlich. Ich würde mir wünschen, dass die in Ansätzen vorhandene Diversität der Figuren weiter ausgebaut wird!

Das Cover und den Titel finde ich nicht so passend, beides hat wenig mit dem Inhalt zu tun.

Für einen Liebesroman aber trotzdem eine ordentliche Leistung, die mich vor allem gegen Ende mit mehr Tiefgang überrascht als erwartet.

Veröffentlicht am 23.09.2018

Mehr Fragen als Antworten

Hier ist es schön
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Irma und Sam sind die Auserwählten, die die Erde verlassen und auf einem neuen Planeten eine neue Heimat aufbauen sollen. Davor mussten sie eine Auswahl in einer Arena durchlaufen, die weltweit in Form ...

Irma und Sam sind die Auserwählten, die die Erde verlassen und auf einem neuen Planeten eine neue Heimat aufbauen sollen. Davor mussten sie eine Auswahl in einer Arena durchlaufen, die weltweit in Form von Fernsehsendungen übertragen wurde. Sie bereiten sich 10 Jahre lang fern von Familie und Freunden auf ihre Mission vor und eines Tages öffnet Sam eine Tür auf der Ausgang steht. Irma begleitet ihn nach draußen und zusammen machen sie sich auf eine Reise an deren Ende nichts so ist wie zuvor.

Der Roman beginnt mit den Briefen die Irmas Familie und Freunde ihr in die Arena schicken. Wir lernen Irma aus Sicht ihres Umfeldes kennen und versuchen ihre Beweggründe sich für die Mission zu bewerben zu verstehen. Außerdem lernen wir die Welt kennen in der sie lebt, es herrscht Endzeitstimmung, Lebensmittel sind knapp, Benzin noch knapper, und die Elektronik scheint auf 90er Jahre Stand zu sein: Computer existieren, aber mit Maus.

Die Stimmung ist düster, der Himmel ist ständig von schwefelgelben Wolken bedeckt, die Sonne hat seit Jahren keiner mehr gesehen und der Regen schmeckt sauer.

Wir erfahren kaum etwas über das Warum. Warum die Welt kurz vor dem Untergang steht, warum ausgerechnet Irma ausgewählt wurde, warum sie 10 Jahre warten mussten, um auf ihre Mission zu gehen.
Der Roman wirft mehr Fragen auf, als er jemals Antworten geben könnte. Das ist auch die größte Schwäche des Buchs: Über weite Strecken wird nichts erklärt, zu den Hintergründen oder zu Sams rätselhafter Vergangenheit oder zu Irmas wahrer Motivation. Es klärt sich auch äußerst wenig am Ende, der Leserin wird vieles zur eigenen Interpretation überlassen.

Die wenigen Hinweise und dass die Auflösung ausschließlich ans Ende gesetzt wurde, reichen nicht um die Leserin bei der Stange zu halten. Spannung kommt kaum auf und die Leserin hat so viel Zeit sich ihre eigenen Gedanken über die Erklärungen zu machen, dass die echte Auflösung enttäuscht.

Hinzu kommt, dass das Buch Computerspielcharakter aufweist, Lösungen kommen scheinbar aus dem Nichts oder scheinen von einer höheren Macht platziert:


„Dann die letzte Tür. Das Schloss lässt sich nur öffnen, wenn man die rostige Brechstange findet, die in der Ecke an der Wand lehnt. Sie hätten sich die Verriegelung auch sparen können, aber so sieht es vermutlich besser aus.“

Das erinnert zweifelsohne an die Tribute von Panem oder Die Truman Show, nur fehlt diesem Buch die emotionale Reichweite, da Irmas Handlungen für die Leserin wenig bis gar nicht nachvollziehbar sind.

Eine Abwechslung dazu soll wohl Sam bilden, der kindlich naiv und unzureichend auf seine Aufgabe vorbereitet ist, die aber sein einziger Existenzgrund zu sein scheint. Die Rolle die in vielen Science Fiction Filmen für gewöhnlich einer Frau zukommt, wird dieses mal von einem jungen Mann übernommen. Er weckt den Beschützerinstinkt in seinen Mitmenschen, ist was Zwischenmenschliches angeht eher unbedarft, hat aber ein enormes theoretisches Wissen über Maschinen und andere nützliche Dinge, die man zum Überleben braucht. Er ist außerdem schwul, soll aber mit Irma eine neue Menschheit auf dem neuen Planeten gründen.

Seine Erziehung oder besser gesagt Aufzucht ist meiner Meinung nach extrem unlogisch gestaltet. Es würde vielleicht zu einer Dystopie die vor 20-30 Jahren geschrieben wurde passen, aber die Wissenschaft ist doch heute eigentlich schon viel weiter und weiß, dass ein Kind, ohne menschliche Zuwendung aufgezogen, bestenfalls naiv, schlimmstenfalls zum Psychopathen wird. Außerdem hätte irgendein moralisch denkender Mensch zu irgendeinem Zeitpunkt Zweifel an der Art von Sams Erziehung. Jede Ethikkommission würde hier die Wände hochgehen!

Dieses Buch will uns offensichtlich irgendetwas Wichtiges mitteilen, das gelingt aber nur bedingt, weil der Zugang zur Geschichte durch die umständliche und etwas schleppende Erzählweise erschwert bzw. versperrt wird. So bleibt nur zu sagen, dass der Plot durchaus interessant klingt, das Buch durch die umständliche Umsetzung und die unzureichenden Erklärungen aber leider enttäuscht.

Wer gerne interpretiert wird hier seinen Spaß haben, aber wer gerne eine abgeschlossene Geschichte mit nachvollziehbarer Handlung und Charakteren liest, wird dieses Buch vermutlich nicht mögen.