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Veröffentlicht am 26.08.2018

Ein schaurig düstres Märchen

Hazel Wood
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Alles begann in Hazel Wood: Die Geschichte von Althea Proserpine, der berühmt-berüchtigten Autorin, die genau einen Bestseller geschrieben hat. Ausgerechnet Märchen, Märchen aus dem Hinterland. Denn ohne ...

Alles begann in Hazel Wood: Die Geschichte von Althea Proserpine, der berühmt-berüchtigten Autorin, die genau einen Bestseller geschrieben hat. Ausgerechnet Märchen, Märchen aus dem Hinterland. Denn ohne Althea gäbe es nicht Ella Proserpine, die Mutter von Alice. Ella und Alice haben keinen Kontakt zu der Matriarchin, vermutlich aus guten Gründen. Alice vermutet, dass das Unglück, das sie verfolgt, in irgendeiner Hinsicht mit Althea zu tun hat. Doch dann stirbt Althea und Ella scheint erleichtert - zumindest solange, bis sie plötzlich verschwindet. Entführt. Und Alice steht mit ihren 17 Jahren allein da und der einzige Hinweis, den sie auf den Verbleib ihrer Mutter hat, ist Hazel Wood. Und dann ist da noch Ellery Finch, ihr seltsamer Klassenkamerad, der alles dafür tut, um ihr zu helfen und den Anfang ihrer eigenen Geschichte zu finden ...

Wow. Das ist mal ein Buch, das ganz in der Tradition der alten Grimm-Märchen geschrieben wurde. Grausig, schaurig, düster und brutal nimmt es den geneigten Leser mit in eine Welt der Märchen, die zum Fürchten sind. Hier wird bewusst mit gängigen Klischees gebrochen. Alice ist sperrig und nicht unbedingt ein Sympathieträger und Ellery ist kein strahlender Held, der sooooo heiß und sooooo cool ist. Immerhin hat er Geld, was bei der Suche hilfreich ist. Wer diese Geschichte liest, muss sich drauf einlassen können, darf Originalität erwarten und bekommt sie - manchmal auch in your face. Das Buch ist anders, besonders und nichts für Prinzessinnen.

Eine Warnung zum Schluss: Nein, hier gibt es keine unsterbliche Liebe zwischen zwei Teenies. Nein, das Mädchen verliert nicht alle Gehirnzellen, weil der Junge nett zu ihr ist. Nein, Walt Disney ist weit entfernt von diesem Märchen, ja, hier fließt Blut und der Tod ist ständig spürbar. Wer nicht ohne Klischees auskommt - Finger weg. Wer hotte Typen mit "coolen" Sprüchen braucht - Finger weg. Wer nicht mehr als drei Protagonisten verträgt - Finger weg. Wer Twists für eine Zimmerpflanze hält - Finger weg. Wer mit einem in die Tiefe gehenden Schreibstil überfordert ist - Finger weg.
Ihr werdet einfach keinen Spaß an diesem Buch haben. Alle anderen: Wenn ihr mutig und reinen Herzens seid, werdet ihr diese Reise überleben.
Vielleicht.

Veröffentlicht am 22.08.2018

Nur ein neues Abenteuer

Emily Bones
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Der Tod ist für den gut vorbereiteten Geist nur ein neues Abenteuer, hat Albus Dumbledore gesagt, und der muss es schließlich wissen. Nun, gut vorbereitet war Emily mit Sicherheit nicht. Schließlich ist/war ...

Der Tod ist für den gut vorbereiteten Geist nur ein neues Abenteuer, hat Albus Dumbledore gesagt, und der muss es schließlich wissen. Nun, gut vorbereitet war Emily mit Sicherheit nicht. Schließlich ist/war sie erst 13, als sie jemand ermordete und sie in ihrem eigenen Grab untot erwachte. Natürlich ist sie verwirrt, und da ist es im ersten Moment (oder zwei oder drei) auch nicht hilfreich, dass sich ein Irrlicht und ein Zombie um sie kümmern. Doch schnell findet sie ihren Mut zurück und damit auch ihre Entschlossenheit: Obwohl alles dagegen spricht - schon allein die Gesetze der Untoten auf dem Friedhof -, beschließt sie, ihren Mörder zu suchen und sich das ihr gestohlene Leben zurückzuholen. Und der alte Vampirkrieger Balthasar soll ihr dabei helfen ...

Dafür, dass das Mädchen erst 13 ist, ist sie ganz schön tough, und vielleicht in manchen Situationen zu tough. Trotzdem oder vielleicht gerade deshalb gefiel mir Emily sehr gut, denn sie ist ein gutes Role Model für die Leser. Es müssen nicht immer supercoole Jungs sein, die sich behaupten, Mädels können das genauso oder besser. Sie ist stur, schlagfertig und eine sympathische Freundin, für die Familie und Freunde alles sind. Außerdem gibt sie niemals auf, egal wie hart die Rückschläge sind. Diese Eigenschaften sind es auch, die mir gefallen haben, und selbst ihre ewige Flucherei (und dass Balthasar es ihr ständig abgewöhnen wollte) ließen die ganze Geschichte in all ihrer Fantastik authentisch wirken. Klasse Geschichte, die von mir aus gern ein Sequel erhalten dürfte.

Veröffentlicht am 28.07.2018

Eine Kerbe für die Auserwählten

Die Rabenringe - Odinskind (Bd. 1)
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Hirka ist der einzige Mensch ohne einen Schwanz in Ymsland. Ein Wolf hat ihn ihr abgerissen, als sie noch ein Baby war, hat ihr Vater ihr erzählt. Das macht das Leben für sie nicht unbedingt einfach, denn ...

Hirka ist der einzige Mensch ohne einen Schwanz in Ymsland. Ein Wolf hat ihn ihr abgerissen, als sie noch ein Baby war, hat ihr Vater ihr erzählt. Das macht das Leben für sie nicht unbedingt einfach, denn es gibt Legenden über Schwanzlose, die Menskr, die schreckliche Monster sind und nicht umarmen können, auch keine Gaben besitzen. Mit fünfzehn, kurz bevor die Zeit für die jungen Menschen in Ymsland kommt, ihre Gabe während einer großen Zeremonie vor dem Rat der Zwölf anzunehmen, erklärt ihr der Vater, dass er sie belogen hat. Sie ist wirklich ein Menskr, und deshalb müssen sie beide fliehen, bevor der Rat dahinter kommt und die Schwarzröcke ausschickt, die lautlosen Killer, um sie zu töten. Plötzlich ist Hirka eine Aussätzige, gejagt, gehasst und verwickelt in politische Machenschaften, und alles, um eine tausendjährige Lüge aufrechtzuerhalten und einem Mann unvorstellbare Macht zu verschaffen. Nun kann ihr nur noch ihr Jugendfreund Rime helfen, aber wird er dazu bereit sein? Immerhin stammt er aus einer der zwölf edelsten Familien, zu alledem hat er sich den Schwarzröcken angeschlossen.

Ich weiß nicht, ob es wirklich schon ein moderner Klassiker ist. Fakt ist jedoch, dass es sich hierbei um den Auftakt einer fantastischen Trilogie handelt, die gleichzeitig Jugendfantasy ist und doch mit so originellen neuen Ideen aufwartet, verbunden mit nordischer Mythologie, dass man nur applaudieren kann. Es enthält alles, was man sich für spannende Abende nur wünschen kann: Freundschaft, Abenteuer, Mystik, hervorragend ausgearbeitete Charaktere, die man entweder schnell ins Herz schließt oder ob ihrer genialen Bosheit und fiesen Durchsetzungskraft widerwillig bewundert. Es gibt eine zart angedeutete Liebesgeschichte, die - den Menskr oder Ymslingen sei Dank - nicht aufdringlich ist und sich dezent in das Geschehen einfügt. Ein fantastisches Abenteuer, das trotz der 600+ Seiten keine einzige Zeile langweilig war und hibbelnd auf die Fortsetzung warten lässt.

Veröffentlicht am 26.07.2018

Im Kampf um Hygiene

Der Horror der frühen Medizin
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Wenn man im 19. Jahrhundert gezwungen war, sich bei einem Chirurgen unters Messer zu legen, konnte man davon ausgehen, dass das letzte Stündlein geschlagen hatte. Chirurgen waren kaum mehr als Metzgermeister, ...

Wenn man im 19. Jahrhundert gezwungen war, sich bei einem Chirurgen unters Messer zu legen, konnte man davon ausgehen, dass das letzte Stündlein geschlagen hatte. Chirurgen waren kaum mehr als Metzgermeister, die knietief in Blut wateten und sich mehr auf die Schnelligkeit ihrer Skalpelle verließen als auf die Hoffnung, den Patienten durchzubringen. Hygiene war ein Fremdwort, die Kleidung der Chirurgen starrten von Dreck, Blut, Eingeweide, Eiter und was sich sonst noch Leckeres in einem Schlachthaus ansammelte. Bis Mitte des Jahrhunderts mussten die Patienten die Operationen noch bei vollem Bewusstsein über sich ergehen lassen, bis zur Erfindung des Äthers. Dabei waren es weniger die Schmerzen und schrecklichen Verletzungen, welche die Todesopfer forderten - es waren die scheußlichen Verhältnisse, in welcher operiert und die Kranken dann gelagert wurden.

Zu dieser Zeit trat ein junger Chirurg die medizinische Laufbahn an, der sich nicht mit all den Toten abfinden wollte. Joseph Lister, aus einem wissenschaftlich interessierten Quäkerhaushalt stammend und mit einem scharfen Geist und viel Empathie ausgestattet. Obwohl aus London kommend startete seine Karriere in Edinburgh, wo er unter dem bekannten Chirurgen Syme lernte. Lister begriff schnell, dass die hygienischen Verhältnisse für viele Tode verantwortlich war und er setzte alles daran, das zu verbessern. Dabei machte er sich nicht nur Freunde, viele namhafte Chirurgen der damaligen Zeit versuchten auf alle möglichen Weisen, ihm Knüppel zwischen die Beine zu werfen. Doch unter anderem mit der Hilfe von Louis Pasteur schaffte er es schließlich, Keimen den Kampf anzusagen und die Medizin wahrhaftig in ein neues Zeitalter zu führen. Für mich las sich das Buch beinahe spannender als mancher Krimi, weil man nicht nur einen tiefen Einblick in die Medizin des 19. Jahrhunderts bekommt, sondern auch in die damalige Zeit, die gleichzeitig so erschreckend und modern war.

Veröffentlicht am 21.07.2018

Knochendeuter und Schmerzwandlerin

Der Totengräbersohn: Buch 3
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Ritter Emicho trägt das Mal des Unaussprechlichen und befindet sich damit in seiner Gewalt. Doch Farin ist nicht bereit, kampflos aufzugeben und er sucht nach einem Weg, ihn zu retten. Ausgerechnet in ...

Ritter Emicho trägt das Mal des Unaussprechlichen und befindet sich damit in seiner Gewalt. Doch Farin ist nicht bereit, kampflos aufzugeben und er sucht nach einem Weg, ihn zu retten. Ausgerechnet in ihrer alten Burg befindet sich ein Buch, in welchem sich möglicherweise die Lösung findet - doch sowohl Buch als auch Lösung befinden sich in verschiedenen Teilen des Weltenreiches. Farin und drei Gefährten machen sich auf einen gefahrvollen Weg. Doch auch Aross befindet sich auf einer gefahrvollen Reise - als Schifssjunge hat sie auf der Barbarossa angeheuert, um endlich Antworten auf ihre Fragen nach der Herkunft zu bekommen. Weder Farin noch Aross ahnen, wie nahe ihnen beiden der Feind ist.

Schon Band 3 und es wird nur noch einen geben! Eigentlich kann ich mit High Fantasy, Quests, tapferen Rittern und dem Kampf zwischen Gut und Böse sowie Auserwählten oder Prophezeiungen nichts anfangen. Doch obwohl alles hier vorkommt, fesselt mich die Geschichte noch immer und scheinbar mit jedem Band mehr. Das ist zum einen den humorvollen Wortspielereien und dem allgemeinen Witz der Story geschuldet, zum anderen, dass Feuerbach trotz aller Klischees, die er benutzt, ständig mit einem Feuerwerk an originellen Ideen und Wendungen aufwartet. Nicht zu vergessen Robert Frank, der Sprecher der Hörbücher, der auch sichtlich (hörbar!) Spaß daran hat, die Figuren in seinem Sinne agieren zu lassen. Eine außergewöhnliche Fantasyreihe, von der ich nun einen außergewöhnlichen Abschluss erwarte(n darf).