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Veröffentlicht am 11.09.2018

Lügen und ihre Folgen

Vier.Zwei.Eins.
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15 Jahre ist es her, dass Laura in einem Vergewaltigungsprozess aussagte und kurze Zeit später ihr gesamtes Leben aus den Fugen geriet. Seit den damaligen Ereignissen leben sie und ihr Mann Kit unter einem ...

15 Jahre ist es her, dass Laura in einem Vergewaltigungsprozess aussagte und kurze Zeit später ihr gesamtes Leben aus den Fugen geriet. Seit den damaligen Ereignissen leben sie und ihr Mann Kit unter einem neuen Namen ein möglichst anonymes Leben, immer in der Angst, dass die Frau, der Laura helfen wollte, sie wieder aufspüren könnte. Jetzt ist Laura schwanger und Kit begibt sich alleine auf einer Reise. Wird alles gut gehen oder wird die Vergangenheit sie einholen?

Mit „Vier. Zwei. Eins“ hat Erin Kelly einen raffinierten Thriller über Lügen und deren Auswirkungen geschrieben. Fast jeder in diesem Buch hat sich mindestens in eine bedeutende Lüge verstrickt und hadert mehr oder weniger mit den Folgen. Ich konnte sehr gut nachvollziehen, wie es zu der offensichtlichsten Lüge kommen konnte und warum sich jemand scheut, dazu zu stehen und die weitreichenden Konsequenzen zu tragen. Die anderen Unwahrheiten, die sich im Endeffekt als noch schlimmer herausstellen, kommen erst nach und nach zu Tage.
Mich hat positiv überrascht, dass ich das Ende und die letzten Entwicklungen so nicht habe kommen sehen. Dafür schien alles zu sehr in eine offensichtliche Richtung zu laufen.

Dreh- und Angelpunkt dieses Thrillers sind Sonnenfinsternisse. Sowohl Kit als auch Laura reisen diesem Phänomen weltweit hinterher, es ist mehr als nur ein Hobby für sie. Bei einer Sonnenfinsternis 1999 in Cornwall wird sich beispielsweise ihr Leben für immer verändern, allerdings ganz anders als gedacht.
Jedes Mal, wenn die Atmosphäre während einer Sonnenfinsternis geschildert wurde, hatte ich eine Gänsehaut. Ich hatte das Gefühl, als wäre ich dabei, wenn sich der Mond vor die Sonne schiebt, der Wind zunimmt und die Natur scheinbar stillsteht und verstummt.
Passend dazu ist das Buch in fünf große Abschnitte eingeteilt, nämlich erster und zweiter Kontakt, Totalität, dritter und vierter Kontakt. Dies beschreibt nicht nur die Kennwerte einer Sonnenfinsternis, sondern auch das wiederkehrende Aufeinandertreffen der Hauptfiguren bis zum großen Höhepunkt.

Fazit: Ein spannender Thriller mit einem überraschenden Ende und einer großartigen Atmosphäre.

Veröffentlicht am 21.08.2018

In Manchesters Drogenmilieu

Dreckiger Schnee
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„Dreckiger Schnee“ ist ein Begriff aus dem Drogenmilieu und steht für verunreinigtes Heroin. Genau in dieses Milieu von Manchester taucht Detective Aidan Waits ein, als er sich auf die Suche nach der Politikertochter ...

„Dreckiger Schnee“ ist ein Begriff aus dem Drogenmilieu und steht für verunreinigtes Heroin. Genau in dieses Milieu von Manchester taucht Detective Aidan Waits ein, als er sich auf die Suche nach der Politikertochter Isabelle Rossiter macht. Isabelle ist von Zuhause abgehauen und wurde zuletzt in der Umgebung eines stadtbekannten Drogendealers gesehen.

Ähnlich einem Drogenrausch ist der Einstieg, die ersten Kapitel wirken konfus und verwirrend, ohne erkennbaren Zusammenhang. Doch Durchhalten lohnt sich, stellt sich später nämlich heraus, dass es sich bei diesen scheinbar konfusen Kapiteln um Vorblenden handelt. Dennoch war ich erst so verwirrt, dass ich überlegt hatte, ob ich möglicherweise etwas überlesen hätte.
Auch der Zugang zu Aidan Waits fällt nicht leicht, die ersten Begegnungen mit ihm sind nicht gerade vertrauensbildend, er scheint ein menschliches Wrack zu sein, das ganz unten angekommen ist. Die Rolle des korrupten und kaputten Polizisten spielt er perfekt. Doch auch nachdem schnell klar ist, dass dies nur eine Tarnung für den Einsatz im Drogenmilieu ist, bleibt der Detektive eine zwielichtige Gestalt. Allein sein kontinuierlicher Konsum von Speed trägt dazu bei, dass er perfekt in die Unterwelt zu passen scheint.
Dass das Eintauchen in die Unterwelt Manchesters nicht folgenlos bleibt, hätte Aidan Waits nicht überraschen dürfen. Dennoch ist sein fast zwangsläufiger Abstieg bestürzend zu verfolgen und ich habe mich mehrmals gefragt, ob und wie er da je wieder rauskommen soll.
Die Person des Aidan Waits zeigt, dass es in Joseph Knoxs Thriller kein klares Schwarz oder Weiß gibt, die Figuren sind vielschichtiger angelegt. Deshalb fällt es als Leser auch nicht leicht, Stellung zu beziehen, häufig scheinen die Figuren keiner bestimmten Seiten zuzuordnen, teilweise verschwimmen die Grenzen.

Mitreißend ist dieser Thriller auf jeden Fall, aber es ist keine Gänsehautspannung, die dafür sorgt, dass ich vor dem Schlafengehen vorsichtshalber unter das Bett gucke. Ich war vielmehr fasziniert davon, wie viele Fäden Autor Jopseh Knox in den Händen hält, diese erst parallel verlaufen lässt und dann am Ende zusammenfügt.
Beim Lesen von Büchern laufen vor meinem inneren Auge immer Bilder ab. Vielleicht war es vom Cover beeinflusst, aber alles, was ich zu „Dreckiger Schnee“ gesehen habe, war vor allem in diversen Grautönen mit etwas Schwarz oder Weiß gehalten, passend zu der sehr düsteren und deprimierenden Stimmung des Romans. Mir hat es gefallen.

„Dreckiger Schnee“ ist übrigens der Auftakt zu einer Reihe.

Veröffentlicht am 19.08.2018

Gewobene Geschichten

Hazel Wood
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Seit ihrer Kindheit fühlt es sich für Alice so an, als seien sie und ihre Mutter auf der Flucht. Jetzt ist Alice siebzehn Jahre alt, lebt mit ihrer Mutter in New York und plötzlich kommt die Nachricht, ...

Seit ihrer Kindheit fühlt es sich für Alice so an, als seien sie und ihre Mutter auf der Flucht. Jetzt ist Alice siebzehn Jahre alt, lebt mit ihrer Mutter in New York und plötzlich kommt die Nachricht, dass ihre Großmutter, die Märchenautorin Althea Proserpine, verstorben sei. Kurz darauf verschwindet ihre Mutter und Alice wird von merkwürdigen Gestalten verfolgt. Alice ahnt, dass alles mit Hazel Wood, dem Ort, wo ihre Großmutter lebte, und den sie nie besuchen durfte, zusammenhängt.

Für den Einstieg in „Hazel Wood“ brauchte ich ein paar Kapitel. Zwar ist der Jugendroman von Anfang an spannend und unterhaltsam geschrieben, aber der richtige Funke sprang erst etwas später über, dafür war das Ende umso fesselnder. Überhaupt ist dies kein Buch, das sich so einfach nebenbei lesen lässt. Allerdings hätte ich mir gewünscht, dass gerade das letzte Drittel eine größere Gewichtung durch mehr Seiten und Kapitel bekommen hätte.

In der Ankündigung heißt es, das Buch sei wie ein Rausch. Das passt sicherlich, allerdings sollte bedacht werden, dass ein Rauschzustand nicht immer schön sein muss und diese Bilder verstörend sein können.
Dreh- und Angelpunkt sind die Märchen, die Althea Proserpine, die Großmutter von Alice, geschrieben hat. Diese Märchen haben nichts mit denen der Brüder Grimm gemein, sie sind vor allem düster, teilweise brutal und trostlos. Sie sind das dunkle Pendant zu den Volksmärchen, meist ohne Moral am Ende der Geschichte.
Referenzen zu bekannten Märchen oder Figuren daraus darf der Leser nicht erwarten, wenn überhaupt, dann geht es in „Hazel Wood“ eher Richtung Elfensagen. Doch diese Wesen sind keineswegs niedlich, sondern es handelt sich vielmehr um die Gestalten, die sich am dunklen Hof der Sidhe tummeln.
Gut gefiel mir, dass die Autorin der märchenhaften Handlung ihren eigenen besonderen Spin verpasst hat. Nicht nur die unheimlichen Geschichten spielen eine große Rolle, sondern auch das Erzählen dieser Märchen. Melissa Albert spielt dabei mit der Idee, welchen Einfluss das Geschichtenerzählen auf die Figuren dieser Erzählungen hat und was wohl passiert, wenn sich diese selbstständig machen.
Positiv überrascht hat mich das Ende des Romans, das sicherlich so gar nicht den Erwartungen einiger Leser entsprechen dürfte, aber konsequent dem Grundtenor des Buchs folgt. Melissa Albert lässt sich damit allerdings auch die Tür für eine Fortsetzung offen.

Alice selbst ist ein sperriger Charakter, sie ist manchmal mürrisch und mitunter aufbrausend. Dennoch und vielleicht gerade deswegen konnte ich mich gut in sie hineinversetzen. Doch im Laufe der Geschichte wird immer klarer, warum Alice diesen Charakterzug hat und die Leute manchmal vor den Kopf stößt.

Wer die Fantasyromane von Holly Black liebt, sollte auch diesem Buch hier eine Chance geben. Themen und Atmosphäre sind vergleichbar.

Fazit: „Hazel Wood“ war anders als erwartet, aber dennoch gut und lesenswert, wobei sicherlich erwähnenswert ist, dass Dark Fantasy zu meinen Favoriten gehört. Positiv hervorzuheben ist außerdem, dass Autorin Melissa Albert viele eigene Märchen- und Fantasyideen in das Buch einbringt und diese mit bekannten Elementen verknüpft.

Veröffentlicht am 12.08.2018

Liebe nach Drehbuch?

I love you heißt noch lange nicht Ich liebe dich
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Lilly leidet unter Liebeskummer. Da passt es ganz gut, dass sie die Gelegenheit bekommt, für einen Hollywood-Blockbuster die weibliche Hauptrolle zu synchronisieren. Allerdings wird der männliche Part ...

Lilly leidet unter Liebeskummer. Da passt es ganz gut, dass sie die Gelegenheit bekommt, für einen Hollywood-Blockbuster die weibliche Hauptrolle zu synchronisieren. Allerdings wird der männliche Part von Ben gesprochen, der zwar unglaublich schroff ist, aber trotzdem eine enorme Anziehungskraft auf Lilly hat. Bald wird für sie wird die Zusammenarbeit mit Ben immer schwieriger, besonders während der Synchronisation von Liebesszenen.

Mit „I love you heißt noch lange nicht Ich liebe dich“ hat das Autorenduo, das unter dem Pseudonym Cleo Leuchtenberg schreibt, einen sehr charmanten und teilweise auch lebensnahen Jugendroman über die erste richtig große Liebe geschrieben.
Dabei geht es um die siebzehnjährige Lilly, die erst kürzlich mit ihren Eltern nach Berlin gezogen ist und eine Schauspielschule besucht. Weil ihr Vater Diplomat ist, ist sie viel um die Welt gereist, aber nirgendwo richtig sesshaft geworden. Trotz ihrer vielen Kontakte wird schnell klar, dass Lilly eigentlich ziemlich einsam ist. Anders als viele ihrer Altersgenossinnen ist sei kein kichernder, oberflächlicher Teenager, sondern hat ein festes Ziel vor Augen. Lilly war mir trotz kleiner Fehler auf Anhieb sympathisch.
Anders sieht das mit Ben aus, der nur ein wenig älter als Lilly ist. Ben hat familiäre Probleme und kommt gerade so über die Runden. Seine Einsamkeit versucht er zu überspielen, indem er alle, die ihm zu nahe kommen drohen, vor den Kopf stößt. Weil sich Ben sofort zu Lilly hingezogen fühlt, macht ihm dies Angst und er ist besonders gemein zu ihr. Manchmal habe ich mich darüber geärgert, wie voreilig er immer gleich das Schlechteste von ihr denken und auf Konfrontation gehen musste. Deswegen dauerte es eine Weile, bis er bei mir Sympathiepunkte sammeln konnte.
Natürlich kommen sich Lilly und Ben trotzdem näher und diese Entwicklung ist gut nachvollziehbar und schön beschrieben, ich konnte dabei wunderbar abschalten und mich in die Geschichte fallen lassen. Dadurch, dass die Kapitel nicht nur aus Lillys Sicht geschrieben sind, sondern auch viele aus Bens, lässt es sich gut in das Innenleben der beiden Hauptfiguren eintauchen.

Leider gibt es im letzten Viertel eine Szene, bei der sich die Geister scheiden könnten. Früher hätte ich den dort geschilderten Vorfall unverzeihlich gefunden, mit meiner jetzigen Lebenserfahrung sehe ich das mittlerweile aber etwas gelassener.

Was mir besonders gut an diesem Roman gefällt, ist das interessante und wohl auch realistische Umfeld. Ich war noch nie in einem Synchronstudio, gehe aber mal davon aus, dass die Autorinnen sich hier auskennen. Die dort beschriebene Arbeit fand ich faszinierend, sie trägt viel zur Atmosphäre des Buchs bei.

Veröffentlicht am 08.08.2018

Sehr berührend

Das rote Adressbuch
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In „Das rote Adressbuch“ wartet die 96-jährige Doris eigentlich nur auf ihren Tod und blickt noch einmal auf ihr Leben zurück. Bis auf ihre Großnichte Jenny, die weit weg in New York lebt, sind mittlerweile ...

In „Das rote Adressbuch“ wartet die 96-jährige Doris eigentlich nur auf ihren Tod und blickt noch einmal auf ihr Leben zurück. Bis auf ihre Großnichte Jenny, die weit weg in New York lebt, sind mittlerweile alle ihre Verwandten und Freunde verstorben, sodass Doris‘ einzige Kontakte nur noch in dem wöchentlichen Skype-Termin mit Jenny und den Besuchen des Sozialdienstes bestehen.

Doris‘ Geschichte wird auf zwei Zeitebenen erzählt. Einmal ist da das Jetzt, in dem Doris alt und gebrechlich ist und der Leser mitbekommt, wie einsam sie mittlerweile ist. Um ihrer Großnichte Jenny etwas zu hinterlassen, schreibt Doris ihre Geschichte auf. Dabei orientiert sie sich an ihrem roten Adressbuch, das sie als Kind von ihrem Vater geschenkt bekam. Dort hat sie die Namen aller Personen, die sie getroffen hat, erfasst. Mittlerweile steht hinter fast jedem dieser Namen der Vermerk „Tot“.

Durch die vielen knappen Kapitel gestaltet sich das Lesen sehr kurzweilig. Das erste Drittel konnte mich noch nicht so ganz packen, doch je mehr ich über Doris‘ weiteres Leben erfahren habe, desto weniger konnte ich das Buch aus der Hand legen. Trotzdem musste ich immer mal wieder eine Zwangspause machen, weil mich die Geschichte zu sehr berührt hat. Das mag allerdings auch an meiner persönlichen Situation liegen, da es in den letzten zwei Jahren viele Todesfälle in meiner Familie gab, darunter auch meine Großmutter, die nur wenig jünger als Doris war. Zum Glück kann ich sagen, dass meine Großmutter auch zu ihrem Lebensende mehr soziale Kontakte als die Protagonistin hatte, dennoch tat es mir beim Lesen im Herzen weh.
Nicht nur Doris‘ Einsamkeit im hohen Alter hat mich betroffen gemacht, sondern auch ihre gesamte Lebensgeschichte. Schon als Mädchen und als junge Frau musste sie sich mehr oder weniger alleine durch das Leben kämpfen, schwere Schicksalsschläge gehörten dazu. Fast jeder Mensch, den Doris im Laufe des Lebens traf, war in irgendeiner Form einsam und auf der Suche nach mehr.
Auch wenn das Buch in gewisser Weise versöhnlich endet, ist es keins, das mich glücklich gemacht hat. Es hat mir vielmehr vor Augen geführt, wie es vielen alten Menschen ergeht und dass ich so auf keinen Fall enden möchte.