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Veröffentlicht am 30.09.2018

Ein eindrucksvolles Dokument gewöhnlichen Lebens in ungewöhnlichen Zeiten

Zerrissene Leben
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Konrad H. Jarauschs kollektive Biographie „Zerrissene Leben. Das Jahrhundert unserer Mütter und Väter“ ist im September 2018 bei wbg Theiss erschienen und umfasst 455 Seiten.
In seinem Sachbuch beschreibt ...

Konrad H. Jarauschs kollektive Biographie „Zerrissene Leben. Das Jahrhundert unserer Mütter und Väter“ ist im September 2018 bei wbg Theiss erschienen und umfasst 455 Seiten.
In seinem Sachbuch beschreibt Konrad Jarausch die deutsche Geschichte des 20. Jahrhunderts anhand von 80 Biographien von Männern und Frauen, die in der Weimarer Republik geboren wurden, Nationalsozialismus, den Zweiten Weltkrieg und den Wiederaufbau in Ost und West miterlebt haben, um dann ihren Ruhestand in einem wiedervereinigten Deutschland zu verbringen. Dabei stehen weniger die großen geschichtlichen Ereignisse im Mittelpunkt, sondern viel mehr individuelle Erlebnisse, die allerdings einander bedingen. So vereinigt er die Einzelschicksale zu einer großen kollektiven Biographie, die ein vielfältiges, aber dennoch in vielen Bereichen einheitliches Bild dieser Zeit ergeben.
Gerahmt werden die Biographien von einer Einführung, in der der Autor seine Arbeitsweise und Intention darstellt, und einem umfassenden Anhang mit Kurzbiographien der Protagonisten, Fußnoten, Quellenangaben und einem Register.
Bei der Darstellung der der Biographien geht der Verfasser chronologisch vor: Vom Kaiserreich über die Weimarer Republik schlägt er einen Bogen zu Kriegs- und Nachkriegszeit über die Entwicklung im getrennten Deutschland bis hin zur wiedervereinigten Bundesrepublik, wobei er in der Nachkriegszeit Ost und West getrennt betrachtet. Die einzelnen Biographien werden so nicht zusammenhängend dargestellt, sondern im jeweiligen geschichtlichen Kontext.
Zwar kommen in diesem Werk auch bekannte Persönlichkeiten wie Joachim Fest, Dorothee Sölle, Fritz Stern oder Carola Stern oder Opfer der beiden großen deutschen Diktaturen zu Wort, größtenteils handelt es sich jedoch um ganz normale deutsche Durchschnittsbürger. Wie sie mit und in der Geschichte gelebt haben, wie sie ihre Mitschuld an der großen Katastrophe erlebt und reflektiert haben, steht im Zentrum dieses Buches. Dabei stößt der Leser auf alle möglichen Facetten des Lebens und Wege, sich seiner Vergangenheit zu stellen. Somit präsentiert sich dem Leser ein eindrückliches Bild der deutschen Geschichte anhand von Individuen. Lobend sei erwähnt, dass auch die Frage nach Schuld und Wiedergutmachung (soweit sie denn möglich ist) nicht zu kurz kommt. Am Ende ergibt sich das Bild eines Deutschlands, das durchaus fähig war und ist, Konsequenzen aus seiner Geschichte zu ziehen.
Die Sprache ist eingängig, sachlich und gut zu lesen. Selbst bei Darstellungen wie den nationalsozialistischen KZs verzichtet der Herausgeber auf reißerische oder grausame Formulierungen. Bilddokumente illustrieren und verdeutlichen das Geschriebene.
Insgesamt präsentiert sich hier ein sehr lesenswerten Buch: Die letzten der in der Weimarer Republik Geborenen, die unser Land so sehr geprägt haben, sterben nach und nach. Mündliche Berichte und Erzählungen werden seltener. Erinnerungen gehen verloren, lediglich nackte geschichtliche Daten überdauern. Daher bedarf es eines solchen Buches, Erinnerungen präsent zu halten – erstrecht vor dem Hintergrund deutscher Geschichte, von der sich immer mehr Menschen zu distanzieren versuchen. Mich selber hat das Buch sehr zum Nachdenken angeregt, obwohl ich selber noch viele Zeitzeugen kennenlernen durfte und vieles von dem, was ich von ihnen gehört habe, wiedererkannte. Allen, denen dieses nicht widerfahren ist, kann ich dieses Buch nur wärmstens empfehlen.

Veröffentlicht am 29.09.2018

Nur Mut, Ferkelchen!

Bis bald im Wald!
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Gundi Hergets und Kai Schüttlers Bilderbuch „Bis bald im Wald!“ ist 2018 im Magellanverlag erschienen und umfasst 32 großformatige Seiten.
Mama Susa zeigt ihren Ferkelchen die Welt. Nur vor einer Sache ...

Gundi Hergets und Kai Schüttlers Bilderbuch „Bis bald im Wald!“ ist 2018 im Magellanverlag erschienen und umfasst 32 großformatige Seiten.
Mama Susa zeigt ihren Ferkelchen die Welt. Nur vor einer Sache warnt sie sie: „Haltet euch fern vom Wald!“ Alle sind beeindruckt, nur ein Ferkel nicht. Eines Tages macht sich der kleine Kerl auf den Weg ins große Abenteuer Wald und muss feststellen, dass es dort nur halb so schlimm ist, wie Mama gesagt hat …
Schon das Cover des Buches ist farbenfroh gestaltet, und auf ihm gibt es Einiges zu entdecken, sodass es zum ruhigen Betrachten einlädt und Lust macht, das Buch gemeinsam anzuschauen.
Die Bilder sind farbenfroh und nicht überladen, sodass sie sich für kleinere Kinder gut eigenen. Außerdem ist es dem Illustrator gelungen, die Botschaft des Textes in den Bildern einzufangen. Lobend sei hinzugefügt, dass die Zeichnungen trotz der Kindlichkeit keinesfalls kitschig sind.
Schön finde ich, dass es neben der eigentlichen Angstgeschichte auch Waldtiere zu entdecken gibt und das Thema "Miteinander" angerissen wird, indem das Ferkelchen am Ende auch anderen etwas schenkt und sich nicht hochmütig von den anderen abgrenzt, die weniger mutig sind/waren.
Ein wenig problematisch erscheint mir, dass zu Beginn des Buches eine erwachsene Gestalt in dem Buch unrealistische Ängste in ihren Kindern schürt. Hier wären meiner Meinung Gleichaltrige besser geeignet gewesen.
Positiv sei noch erwähnt, dass der Magellanverlag, wie auch auf dem Cover kommuniziert, Wert auf Nachhaltigkeit legt.
Insgesamt verbreitet dieses Buch auf kindgerechte Weise die Botschaft: Überwinde deine unnötigen Ängste und du kannst stolz auf dich sein. Nichts wird so heiß gegessen, wie es gekocht wird. Es ist auf jeden Fall eine vergnügliche und lehrreiche Beschäftigung, dieses Buch gemeinsam mit Kindern im Kindergartenalter zu betrachten und es vorzulesen.

Veröffentlicht am 26.09.2018

Ein Wolf gibt sich nicht mit einer toten Ziege zufrieden, und er kommt nicht allein.

Wölfe im Münsterland
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Sabine Gronovers Kriminalroman „Wölfe im Münsterland“ ist 2018 im KBV-Verlag erschienen und umfasst 359 Seiten.

Eines Nachts im Oktober begegnet ein Autofahrer im münsterländischen Oelde einem Wolf. Doch ...

Sabine Gronovers Kriminalroman „Wölfe im Münsterland“ ist 2018 im KBV-Verlag erschienen und umfasst 359 Seiten.

Eines Nachts im Oktober begegnet ein Autofahrer im münsterländischen Oelde einem Wolf. Doch es bleibt nicht bei dieser einen Begegnung: Kurz darauf reißt das Raubtier eine Ziege. Während das Auftauchen des Tieres bei der Oelder Bevölkerung gemischte Gefühle hervorruft, sieht Mirela Schulze Brinkhoff es als ein böses Omen - und sie soll Recht behalten: Kurz darauf wird ihre Schwiegertochter mit durchbissener Kehle auf einer Pferdekoppel gefunden. Erste Untersuchungen ergeben schon bald, dass ein skrupelloser Mörder seine Hände im Spiel hatte. Als noch weitere Verbrechen geschehen, laufen Schmitts und Kempers Ermittlungen auf Hochtouren und führen weit zurück in Mirelas siebenbürgische Vergangenheit.

Die Rückkehr des Wolfes nach Deutschland - von Tierschützern und Naturliebhabern euphorisch gefeiert, von anderen kritisch und ängstlich beäugt. Ein Thema, das hierzulande immer wieder, wenn dieses Raubtier neue Reviere für sich erobern will, für heftige Kontroversen sorgt. Sabine Gronover ist es gelungen, die Argumente der Befürworter und Gegner in diesen Krimi informativ, spannend und unterhaltsam zugleich einzuflechten.

Als Mirela Schulze Brinkhoff dann auch noch die Prophezeiung „Ein Wolf gibt sich nicht mit einer toten Ziege zufrieden, und er kommt nicht allein. Die wirklich gefährlichen Wölfe folgen erst noch.“ (S. 27) ausstößt, baut sich ein Spannungsbogen auf, der den Leser bis zum Ende nicht mehr loslässt. Aufrechterhalten wird die Spannung nicht zuletzt dadurch, dass immer wieder neue Motive und Verdachtsmomente auftauchen, die Ermittler und Leser nicht zur Ruhe kommen lassen und jedes Mal neue Fragen aufwerfen. Dieses lässt diesen Roman zu einem rasanten Leseerlebnis werden.

Im Zentrum der Geschichte steht jedoch die Frage, welches Geheimnis Mirela Schulze Brinkhoff wohl hütet. Erscheint Mirela anfangs einfach nur als gut situierte Witwe eines Großbauern, die auf dem Hof ihren Lebensabend verbringt und – wie im Münsterland noch heute üblich - hilft, wo sie nur kann, rückt sie durch die allmähliche Preisgabe neuer Informationen aus ihrer persönlichen Geschichte mehr und mehr in den Fokus des Geschehens. Dadurch, dass dieses zum großen Teil durch die Wiedergabe ihrer Gedanken geschieht, ist der Leser auf weiten Strecken des Romans den Protagonisten an Wissen voraus. Dieses tut der Spannung trotzdem keinen Abbruch, lässt die Lösung des Rätsels doch nach einem dramatischen Finale bis zum Schluss auf sich warten.

Die im Titel erwähnten Wölfe begleiten den Roman in mehrerlei Hinsicht: Natürlich als das leibhaftige Raubtier, doch auch als Symbol für das Böse, was schon in Mirelas Vorhersage angedeutet wird. Darüberhinaus lässt Mirelas Herkunft aus den Karpaten, in denen Aberglaube noch heute weit verbreitet ist, natürlich auch den Wolf als mythisches Wesen nicht aus dem Blickfeld.

Dem Roman fehlt es zudem nicht an humoristischen Elementen, die zum großen Teil der Tierphobie des Kommissars Schmitt entspringen. Doch auch ansonsten konstruiert die Verfasserin immer wieder Szenen, die beim Leser ein Lächeln auf die Lippen zaubern.

Gronovers Sprache ist schnörkellos und leicht zu lesen. Von Zeit zu Zeit tauchen Nebenschauplätze auf, z.B. im Privatleben des Bürgermeisters Tillmann, die mit der eigentlichen Handlung nichts zu tun haben. Sollte es von diesem Buch Nachfolgeromane geben, ist dieses ein meiner Meinung nach durchaus sinnvolles Vorgehen, sorgt es doch für eine durchgehende Handlungsebene. Bei einem Einzelband hätte die Autorin darauf meines Erachtens aber besser verzichten sollen, um so den Handlungsverlauf geradliniger verlaufen zu lassen, fehlt es ja ansonsten nicht an Überraschungsmomenten und Sackgassen in diesem Buch.

Das Cover des Buches ist im Vintage-Stil gehalten und zeigt einen großen Wolfskopf vor münsterländischer Landschaft, passt sich also sehr gut dem Inhalt des Buches an.

Dieses ist das erste Buch, das ich von Sabine Gronover gelesen habe, und ich bin wirklich angetan von Geschichte und Erzählweise. Einziger Wehrmutstropfen ist für mich persönlich die Einstellung der Charaktere zu Mirelas Geheimnis: Wie sie am Ende präsentiert wird, passt sie – ohne zu viel verraten zu wollen und zu dürfen – doch nicht so ganz in mein Weltbild. Aber das soll jeder Leser für sich entscheiden. Insgesamt ist dieser Kriminalroman ein Buch, das meiner Meinung nach Krimiliebhabern, die gleichzeitig auch ein Faible für das Münsterland, Wölfe und ungewöhnliche Geschichten besitzen, sicher ein paar spannende und vergnügliche Lesestunden zu bescheren vermag.

Veröffentlicht am 25.09.2018

Biographie eines Jahrhunderts

Jules Verne
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Ralf Junkerjürgens 261-seitige, bebilderte Biographie „Jules Verne“ ist im August 2018 in Darmstadt bei wbg Theiss erschienen.
„20.000 Meilen unter dem Meer“, „Die Reise zum Mittelpunkt der Erde“ oder ...

Ralf Junkerjürgens 261-seitige, bebilderte Biographie „Jules Verne“ ist im August 2018 in Darmstadt bei wbg Theiss erschienen.
„20.000 Meilen unter dem Meer“, „Die Reise zum Mittelpunkt der Erde“ oder auch „Reise um die Welt in 80 Tagen“ – Wer kennt diese Werke nicht? Wer ist nicht schon einmal mit Jules Verne in fremde Welten gereist? Mit seiner neuen Biographie über den Erschaffer all dieser Werke legt Ralf Junkerjürgen ein Werk vor, dass Vernes Leben vor dem Hintergrund der Zeit-, Literatur- und Lebensgeschichte beschreibt.
Die Aufteilung dieser Verne-Biographie in drei Teile (Kindheit und Anfänge, Hauptschaffensperiode, weitere Jahre und Alltag eines Schriftstellers) ist logisch und praktikabel. Im Anhang befinden sich zudem eine Zeittafel, die auch geschichtliche Ereignisse beinhaltet und somit die historische Einordnung der Ereignisse erleichtert, ein Werkverzeichnis und Literaturangaben gefolgt von einem Personenregister.
Im Zentrum dieser Lebensbeschreibung steht weniger Vernes privates Leben, sondern sein Werk, allem voran seine „Außergewöhnlichen Reisen“, die wohl zu den berühmtesten, bei Leibe aber nicht einzigen seiner allein 65 Romane zählen. Da diese in ein pädagogisches Konzept eingebettet waren, unternimmt der Verfasser Exkurse in Bereiche wie „Erziehung und Schulsystem im Frankreich des 19. Jahrhunderts“ und legt großen Wert darauf, Vernes Werke als „Wissenschaftsromane“ von der „Science-Fiction“, als Vorläufer Letzterer werden seine Bücher ja gern gesehen, abzugrenzen.
Überhaupt greift Junkerjürgen immer wieder auf große Verne’sche Romane zurück, um an ihnen Vernes Menschen- und Weltbild, das tief in seiner gutbürgerlichen und christlichen Biographie verwurzelt war, zu manifestieren. Für Leser, die in den Romanen dieses Franzosen nicht allzu bewandert sind, sind die zahlreichen Zusammenfassungen eine gute Hilfe beim Lesen und wecken das Interesse, sich näher mit den Erzählungen zu beschäftigen.
Wendet man sich Vernes persönlichem Schicksal zu, fällt auf, dass der Beziehung zu seinem Sohn Michel, der auch die posthumen Werke herausgegeben hat, ein relativ großer Raum beigemessen wird. Mag dieses anfangs verwundern, so begründet der Herausgeber es damit, dass Vernes Leben doch zum großen Teil von Vater-Sohn-Beziehungen geprägt war. Schließlich hat Verne sich auch als „bürgerlicher Schriftsteller“ verstanden, dem nicht allein daran lag, seine künstlerischen Ambitionen auszuleben, sondern auch seinen Pflichten der Familie, seinem Verlag und der Gesellschaft gegenüber nachzukommen. In diesem Zusammenhang erhält der Leser auch Einblick in Vernes Arbeitsweise, die ebenfalls eng an sein Pflichtgefühl gebunden war.
Nicht zuletzt unternimmt Junkerjürgen eine Einordnung des Verne’schen Werkes in die Literatur(geschichte) des 19. Jahrhunderts, indem er auf Autoren eingeht, die Verne inspiriert haben, aber auch auf Zeitgenossen, mit denen Verne in mehr oder weniger enger Verbindung stand. Welchen Einfluss die nationale und Weltgeschichte mitsamt ihren technischen Neuerungen und Herausforderungen auf die schriftstellerische Tätigkeit hatte, verliert der Biograph ebenfalls nicht aus den Augen und wartet mit einem großen Schatz an Informationen auf.
Warum Verne bis in 20. Jahrhundert nichts an seiner Faszination verloren hat, stellt der Verfasser anhand der Rezeptionsgeschichte im Film dar: Seine Bücher boten Filmemachern immer wieder Anreize, neue Technologien und Effekte auszuprobieren, was Verne zu einem auch heute noch präsenten Vertreter der französischen Literatur macht.
Zahlreiche Illustrationen - vor allem die Originalzeichnungen aus den französischen (Erst-)Ausgaben - begleiten diese Biographie und vermögen, das Geschriebene sowohl zu veranschaulichen als auch zu konkretisieren.
Junkerjürgens Schreibstil ist zwar etwas anspruchsvoller, aber dennoch sehr verständlich. Dort, wo es für den Laien nötig ist, gibt es Erklärungen und kleinere Exkurse, sodass man dem Geschehen problemlos folgen kann. Lediglich das Heranziehen anderer und der Vergleich mit anderen Autoren der französischen Literatur, wie z.B. Zola, bereiteten mir beim Lesen hin und wieder Probleme. Positiv sei noch angemerkt, dass der Verfasser immer wieder betont, an welchen Stellen er seine eigene Meinung anbringt, was es dem Leser wiederum ermöglicht und ihn einlädt, sich seine eigene Meinung zum Gelesenen zu bilden.

Veröffentlicht am 25.09.2018

Ein Ritualmord, zwei originelle Ermittler und viel Witz sorgen für ein echtes Lesevergnügen

Der letzte Sterz
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Günther Pfeifers Österreichkrimi „Der letzte Sterz“ ist 2018 bei emons: erschienen und umfasst 287 Seiten.
Ein Ritualmord im steirischen Stainz: Statt der Erzherzog-Johann-Skulptur befindet sich ein in ...

Günther Pfeifers Österreichkrimi „Der letzte Sterz“ ist 2018 bei emons: erschienen und umfasst 287 Seiten.
Ein Ritualmord im steirischen Stainz: Statt der Erzherzog-Johann-Skulptur befindet sich ein in Beton gegossener Toter auf dem Sockel nahe der Stadt. Dieses ruft die Wiener Kommissare Hawelka und Schierhuber auf den Plan. Doch statt sie zu unterstützen, legen ihnen die Einheimischen lauter Steine in den Weg, was zu turbulenten Ermittlungen führt.
Gleich zu Beginn wird ein Spannungsbogen aufgebaut und bis zum Ende auch latent aufrechterhalten, der allein aus der Beschreibung des Deliktes resultiert: Ausgerechnet in der beschaulichen Steiermark ereignet sich ein solch grausames Verbrechen.
Dass niemand der Wiener Mordkommission wirklich Lust verspürt, sich diesem Fall zu widmen, wird gleich auf lustige Art und Weise durch Hawelkas Gedanken deutlich. Überhaupt sind dessen Gedanken ein Element, das den Leser den ganzen Roman hindurch immer wieder laut auflachen lässt. Doch sind sie nicht nur von Humor geprägt, sondern sie zeugen darüber hinaus von großartiger Beobachtungsgabe, die die großen und kleinen Marotten der Mitmenschen und insbesondere der steirischen Urgesteine ans Licht befördern.
Als die beiden Wiener dann schließlich am Ort ihrer Recherche ankommen, gelingt es dem Autor ebenso witzig, die Widerstände, auf die sie dort stoßen, darzustellen. Dabei bleibt der Witz keinesfalls an der Oberfläche, trifft er doch auch die Gesellschaft an sich, wenn z.B. zum ersten Mal die Familie Belosek wegen des Falls befragt wird oder „der Kommunist“ seinen Senf dazugeben muss.
Immer wieder stoßen die Ermittler auf neue Spuren, die dann aber in Sackgassen führen. Doch dank dem „Auskunftsbüro“, das als einzige Instanz stets hilfreich zur Seite steht, gelingt es nach und nach, Licht in die Sache zu bringen. Das eigentliche Verbrechen rückt im Laufe all der skurrilen Ereignisse einige Male in den Hintergrund, doch schafft es der Autor gegen Ende des Romans durch eine actiongeladene und chaotische Szene den Leser wieder in den Bann zu ziehen.
Die durchweg komisch gestalteten Dialoge beinhalten zum großen Teil Dialekt, was dem nicht österreichischen Leser schon Einiges an Konzentration abverlangt. Dennoch ist es auch dem hochdeutschen Leser ohne größere Probleme möglich, diese und den Witz dahinter zu verstehen. Vor allem aus dem Dialekt entspringt oft Kuriosität, und er charakterisiert und überzeichnet die den Österreichern zugeordneten Attribute. Ergänzend erwähnt seien hier auch die recht zahlreichen Fußnoten, in denen Pfeifer auf humorige Weise Eigenarten dieses Alpenstaates erklärt.
Insgesamt ist „Der letzte Sterz“ ein Kriminalroman, der meiner Meinung nach seine Faszination weniger aus der Spannung, die dennoch stets unterschwellig vorhanden ist, als vielmehr aus seiner Skurrilität und seinem Exzentrik heraus schöpft. Ein Buch, dass ich jedem, der neben Spannung auch tiefgründigen Humor mag, einfach nur zu lesen empfehlen kann.