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Veröffentlicht am 12.10.2018

Spurensuche

Der Apfelbaum
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Der Apfelbaum ist die Spurensuche eines Mannes nach dem Leben seiner Eltern.
Die Form, in der Christian Berkel dabei erzählt ist entscheidend und überzeugend.

Sala ist halbjüdin, obwohl sie sich vor 1933 ...

Der Apfelbaum ist die Spurensuche eines Mannes nach dem Leben seiner Eltern.
Die Form, in der Christian Berkel dabei erzählt ist entscheidend und überzeugend.

Sala ist halbjüdin, obwohl sie sich vor 1933 nie als Jüdin fühlte. Otto wird später Arzt und muss in den Krieg ziehen und bleibt 5 Jahre in russsicher Gefangenschaft.
Sala und Ottos Liebe ist also von Anfang an unter schweren Bedingungen gestanden und von vielen Trennungen gekennzeichnet. Beide müssen viel durchmachen und es ist fast ein Wunder, das sie überleben. Auch die Nachkriegszeit wird nicht einfach. Der Krieg veränderte die Menschen.

Christian Berkel erzählt sorgfältig und es entsteht ein Text voller Intensität. Manchmal ist es auch sehr ausführlich, weil Berkel viel abdeckt, auch die Geschichte der Eltern des Paares. Als Leser muss man da sehen, das man dranbleibt, aber beim überwiegenden Anteil des Romans klebt man als Leser am Buch.

Bei einigen Passagen übertreibt der Autor es fast mit kraftvollen, bildgewaltigen Sprache, z.B. bei dem Traum von einem unheilverkündenden Vogel und ähnlichen extremen Szene.

Es gab in letzter Zeit einige bedeutende Bücher über die deutsche Geschichte, dabei herausragend „Deutsches Haus“ von Annette Hess. Aber auch Christian Berkel kann mit seinem Buch da mithalten.

Ein reichhaliges und sehr lesenswertes Buch über die schlimme Zeit in Deutschland.

Veröffentlicht am 12.10.2018

Türkei der Gegenwart

Die Zähmung der Tiere
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Die Zähmung der Tiere ist ein neuer Roman von Ada Dorian, die mit ihrem Erstling Die betrunkenen Bäume aufgefallen war und das neue Buch zeigt deutlich eine literarische Weiterentwicklung. Die Zähmung ...

Die Zähmung der Tiere ist ein neuer Roman von Ada Dorian, die mit ihrem Erstling Die betrunkenen Bäume aufgefallen war und das neue Buch zeigt deutlich eine literarische Weiterentwicklung. Die Zähmung der Tiere thematisiert die Türkei und den momentanen Zustand dort nach dem Putsch. Es ist ein komplexer roman mit vielen Figuren, die kapitelweise wechseln. Nicht allen Figuren kommt man als Lesre nahe, wenn sei nur kurz auftreten, aber alle tragen mit ihren Eindrücken dazu bei, ein umfassendes Bild der Türkei zu zeigen.Im Mittelpunkt unter anderen ein Mann, dessen Schwester am Tag des Putsches verschwunden ist, vermutlich verhaftet. Dann gibt es noch eine Modedesignerin, die in der Türkei fertigen lässt und eine Frau, die jedes Jahr in die Türkei in Urlaub fuhr und jetzt enttäuscht andere Ziele sucht, udn tatsächlich neue Perspektiven findet.

Ada Dorian geht sorgfältig vor, um ein realistisches Bild der Türkei zu zeigen, unvoreingenommen, aber in aller Deutlichkeit.
Es ist ein ernstes Buch, dass die Sehnsucht der Menschen zeigt, aber wenig Hoffnung gibt.

Veröffentlicht am 01.10.2018

Roman einer Stadt und einer Zeit

Chicago
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Das Werk des Filmschaffenden und Dramatikers David Mamet war schon immer beeindruckend. Jetzt hat er einen Roman hinzugefügt. Dafür hat er seinen Stil in stimmige Prosa angepasst. Er schreibt ausdrucksvoll ...

Das Werk des Filmschaffenden und Dramatikers David Mamet war schon immer beeindruckend. Jetzt hat er einen Roman hinzugefügt. Dafür hat er seinen Stil in stimmige Prosa angepasst. Er schreibt ausdrucksvoll und kraftvoll.

Chicago ist ein Portrait der Stadt in den zwanziger Jahren. Die Zutaten sind üppig. Detailreich schildert Mamet die Gegend mit Gebäuden und Straßen. Es fehlen weder die Hochbahn noch Al Capone. Es gibt die Clubs und Bars und die Chicago Tribune. Hier arbeitet der Zeitungsreporter Mike Hodge mit seinem Kollegen Parlow und dem Chefredakteur Crouch und vielen anderen.

Die markigen Dialoge prägen Maments Stil, zumal die Hauptfigur Mike nicht auf den Mund gefallen ist. Es stecken Hardboiled-Elemente darin.

Einen Tiefschlag muss Mike hinnehmen, als seine Verlobte Annie erschossen wird. Mike ist fassungslos, da er kein Motiv sieht. Das zieht sich durch den Roman und am Ende wird Mike dem Mörder gegenüberstehen.

Chicago ist ein gelungener Roman und man muss hoffen, dass David Mamet weitere Bücher schreibt.

Veröffentlicht am 27.09.2018

Die Aufarbeitung

Deutsches Haus
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Ich habe das Hörbuch gehört, das von Eva Meckbach gelesen wird.
Ihre leicht getragene, aber sorgfältige und passende Art zu lesen, spricht mich an.

Das Thema des Romans halte ich für immer noch relevant ...

Ich habe das Hörbuch gehört, das von Eva Meckbach gelesen wird.
Ihre leicht getragene, aber sorgfältige und passende Art zu lesen, spricht mich an.

Das Thema des Romans halte ich für immer noch relevant und in dieser Form selten umgesetzt. Die Hauptfigur, die junge Dolmetscherin Eva ist ahnungslos, was in den Lagern bis Kriegsende passiert ist. Doch im Prozess, in dem sie polnisch übersetzt, erfährt sie viel.
Von den meisten wird das Geschehen nach dem Krieg bis Mitte der sechsziger Jahre verdrängt. Niemand weiß etwas oder will etwas wissen. Doch das Nichtwissen über die Verbrechen ist nicht glaubwürdig. Und außerdem gibt es die, die uneinsichtig leugnen.

Je mehr Eva erfährt, desto mehr versteht sie auch, dass es sie selbst etwas angeht und ihre Kindheit nicht so klar, wie gedacht. Auch die Rolle der Eltern wird in Frage gestellt.
Diese Erfahrung verändert sie. Letztlich ist es ein Entwicklungsroman!

Veröffentlicht am 26.09.2018

warmherzig und humorvoll

Honig aufs Herz
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Honig aufs Herz ist ein komischer Titel, über den sich auch der männliche Protagonist wundert als Eve, die weibliche Hauptfigur, sich verspricht. Eigentlich wollte sie sagen „Hand aufs Herz“, aber es passt ...

Honig aufs Herz ist ein komischer Titel, über den sich auch der männliche Protagonist wundert als Eve, die weibliche Hauptfigur, sich verspricht. Eigentlich wollte sie sagen „Hand aufs Herz“, aber es passt trotzdem, denn die Story ist honigsüß. Eve startet als Privatdetektivin, obwohl sie auf den ersten Blick nicht besonders talentiert dafür scheint. Doch es war der Traum von ihr und ihrem verstorbenen Vater.
Ihr neuer Nachbar Nicolaj ist Taxifahrer und nach einem anfänglichen schmerzhaften Zusammenstoß freunden sie sich an.

Bei Romanen dieser Art ist mir wichtig, dass die Figuren sympathisch sind und Humor haben. Das ist hier der Fall, das primizive oder die Arroganz anderer Liebesromanhelden spürt man hier nicht.
Eher sind die beiden lange zurückhaltend. Komik ergibt sich auch aus anderen Passagen, z.B. in den Dialogen, wenn z.B. Eves Exfreund sie immer Äffchen nennt, ein unmöglicher Kosename. Auch zwischen Eve und ihrer Schwester gibt es lebhafte Dialoge, die funktionieren. Fast sind die Szenen zwischen Eve und Nicolaj die ernsthaftesten, vielleicht weil sie beide eine Vergangenheit verarbeiten müssen. Bei Nicolaj bleibt lange unklar, was es in seiner Vergangenheit gab.Als es endlich klar wird, versteht man seinen Zustand.

Der Plot funktioniert manchmal nicht ganz, aber es bleibt immer so interessant, dass man am Buch dranbleibt. Es gibt auch ein klein weng Action.
Es ist kein anspruchsvoller Roman, aber warmherzig und humorvoll und das ist mir am wichtigsten.