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Veröffentlicht am 06.11.2018

Mitreißender Auftakt einer fünfteiligen Serie

Die Fotografin - Am Anfang des Weges
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„Die Fotografin – Am Anfang des Weges“ ist der erste Teil der großen Saga mit voraussichtlich fünf Bänden von Petra Durst-Benning, in der sie das Leben der Fotografin Minna Reventlow schildert. Minna, ...

„Die Fotografin – Am Anfang des Weges“ ist der erste Teil der großen Saga mit voraussichtlich fünf Bänden von Petra Durst-Benning, in der sie das Leben der Fotografin Minna Reventlow schildert. Minna, genannt Mimi, ist eine fiktive Figur, die 1879 geboren wurde und in Esslingen als Tochter eines Pfarrers und seiner Frau aufgewachsen ist. Die Haupthandlung des ersten Teils spielt im Jahr 1911. Bereits das Cover vermittelt mit seiner Aufmachung ein gewisses Flair der damaligen Zeit und so wie die junge Frau auf dem Umschlag stellte ich mir beim Lesen Mimi vor.

Josef, der Bruder von Mimis Mutter, ist Wanderfotograf und Mimis großes Vorbild. Nach einigen Jahren als Angestellte in ihrem erlernten Beruf der Fotografin entscheidet Mimi sich mit Mitte 20 dazu, ihre eigenen Ideen zur Gestaltung von Fotos umzusetzen und sich selbständig zu machen. Daher beschließt sie, sich bei verschiedenen Fotografen in ganz Deutschland zu verdingen. Der Beginn ist schwierig, aber mit der Zeit erwirbt sie sich einen guten Ruf. Eines Tages erhält sie während eines Aufenthalts in Isny die Nachricht von der Erkrankung ihres Onkels, der inzwischen seine Wanderschaft aufgegeben und sich in Laichingen auf der Schwäbischen Alb niedergelassen hat. Mimi reist vor ihrem nächsten Auftrag zu ihm. Aufgrund des Fortschritts der Krankheit ihres Onkels entscheidet sie sich, noch eine Weile länger zu bleiben um ihn zu pflegen und sein Geschäft fortzuführen. Aber die Ortsbewohner sind ihr gegenüber misstrauisch und verärgert stellt sie fest, dass die meisten sich nach der Meinung eines örtlichen Fabrikanten richten der vielen von ihnen Arbeit gibt. Mimi steht nicht in seiner Gunst. Wird sie trotzdem in Laichingen bleiben?

Der erste Band der Serie erzählt die ersten Jahre Mimis in dem für eine Frau zur damaligen Zeit eher ungewöhnlichen Beruf als Fotografin. Ihre Mutter hatte bei einem Schlüsselerlebnis, bei dem Mimi sieben Jahre alt war, geschworen, dass es Mimi nie an etwas sollte. Daran hält sie sich und lässt ihrer Tochter bei der Berufsentscheidung freie Wahl. Beim Lesen war ich dabei in meine Wohlfühlzone gerückt. Doch Petra Durst-Benning macht es ihrer Protagonistin nicht leicht. Durch ihre reisende Tätigkeit reift Mimi als Persönlichkeit. In Laichingen, einem Ort der weltweit für seine Leinenweberei bekannt ist, hat sie mit vielen Gefühlen zu kämpfen. Die Sorge um ihren Onkel bringt sie dazu, zu seinem Wohl umzudenken. Aber sie lässt sich in ihren grundsätzlichen Ansichten nicht verbiegen und nicht einschüchtern. Ihr wird deutlich, dass eine finanzielle Absicherung die Freiheit mit sich bringt, eine eigene Meinung vertreten zu können.

Die Autorin hat in ihrem Roman nicht nur liebenswerte Figuren, sondern auch unfreundliche beschrieben. Ihre Charaktere haben Ecken und Kanten, sind wandlungs- und entwicklungsfähig. Mimi wurde mir schnell sympathisch. Sie verfügt über ausreichend Selbstbewusstsein, ist aber nicht überheblich, sondern geerdet, hat Herz und Verstand. Ich bin mir sicher, dass einigen Nebenfiguren wie beispielsweise Eveline und ihrem ältesten Sohn in den weiteren Bänden noch eine größere Rolle zukommen wird.

Das Thema der Historischen Fotografie ist sehr gut recherchiert und aufbereitet. Man spürt beim Lesen die jahrelange Leidenschaft der Autorin für dieses Sachgebiet. Zur bildhaften Untermalung gibt es im Anhang einige Beispiele der Atelierfotografie und Postkartengestaltung aus dem Bestand von Petra Durst-Benning. Obwohl Figuren und Handlung fiktiv sind wirken sie überaus authentisch.

Mit „Die Fotografin – Am Anfang des Weges“ hat Petra Durst-Benning einen Roman geschrieben, der mich vom Thema her von Beginn an fasziniert hat. Obwohl im weiteren Verlauf einige spannende und berührende Ereignisse zu lesen sind, bleiben am Schluss manche Handlungsstränge offen. Daher freue ich mich schon auf die Fortsetzung. Gerne empfehle ich das Buch uneingeschränkt weiter.

Veröffentlicht am 15.10.2018

Ein Roman über Freundschaft, zarte Liebesbande und eine abenteuerliche Flucht

Gefährten für immer
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„Gefährten für immer“ ist ein Jugendbuch ab 13 Jahren von Anne C. Voorhoeve. Die Erzählung ist weit mehr als das Cover zunächst andeutet. Die Gestaltung des Titelbilds in Sepia deutet schon darauf hin, ...

„Gefährten für immer“ ist ein Jugendbuch ab 13 Jahren von Anne C. Voorhoeve. Die Erzählung ist weit mehr als das Cover zunächst andeutet. Die Gestaltung des Titelbilds in Sepia deutet schon darauf hin, dass die Geschichte in die Vergangenheit führt. Es ist aber nicht nur eine Geschichte, die sich um ein Pferd und seiner Reiterin dreht, sondern es ist eine Fluchtgeschichte, die von Hannover zum Trakehnergestüt Waldeck nach Ostpreußen führt. Eine Landkarte, die man auf den ersten Seiten im Buch findet, zeigt die Grenzen des Deutschen Reichs 1944 und ermöglicht es so, die Fluchtroute nachzuvollziehen.

Die 14-jährige Lotte hat ihre Mutter zu Beginn des Zweiten Weltkriegs bei einem Unfall verloren. Im Jahr 1943 wohnt sie mit ihrem blinden Vater in einer Wohnung in Hannover. Vor kurzem wurden im Stadtzentrum bei einem Tagesangriff der US-Luftflotte viele Gebäude zerstört und Menschen getötet oder schwer verletzt. Ihr Vater sorgt sich sehr um ihre Sicherheit und schickt sie nach Ostpreußen wo eine Freundin der Mutter das Gestüt ihrer Familie leitet. Emilia, eine Nichte der Freundin im gleichen Alter wie Lotte, wohnt ebenfalls dort und Harro, der wenig ältere Sohn des früheren Verwalters, übernimmt kleine Arbeiten. Lotte hat einige Schwierigkeiten sich einzuleben. Zu der Trakehnerstute Lilie entwickelt sie eine ganz besondere Beziehung. Nie hätte Lotte nach über fünf Jahren Krieg damit gerechnet, dass sie auch in ihrer neuen Heimat davon eingeholt wird. Wieder stehen Verabschiedungen an, auch von ihrem Pferd …

Mit Lotte hat die Autorin eine starke und mutige Protagonistin geschaffen. Ihr Schicksal hat mir viele Fakten des Zweiten Weltkriegs wieder in Erinnerung gerufen, auch an Schilderungen meiner Mutter über ihre Evakuierung. Lotte hat früh gelernt selbständig, aber auch hilfsbereit zu sein. Schnell hat sie meine Sympathie gewonnen. Sie handelt lebensnah und überlegt, ist einfühlsam und passt sich schnell an. Die Zeit in der sie lebt bietet ihr wenig Alternativen. Ich hoffte für sie und die ihr liebgewordenen Personen, dass es ihnen gelingt, den Krieg zu überlegen. Interessiert verfolgte ich die Entwicklung der zarten Band zu Harro, der aber ebenfalls Emilia zugeneigt ist. Die Autorin zeigt für den Konflikt zwischen den Dreien eine realitätsnahe und faire Auseinandersetzung auf. Ich war überrascht darüber, wie weit eines der beiden jungen Mädchen bereit ist, im Sinne der Freundschaft zu gehen.

Anne C. Voorhoeve deutet an einigen Stellen an, was Lotte in der nahen Zukunft zu erwarten hat, was die Spannung erhöhte. Ihre eignen Erfahrungen mit Trakehner fließen in ihre Geschichte ein, so dass das Miteinander zwischen Pferd und Reiter authentisch wirkte. Der Roman ist an die wahren Ereignisse der Flucht von Marion Gräfin Dönhoff angelehnt, wie aus dem Nachwort zu erfahren war.
„Gefährten für immer“ ist ein Roman über Freundschaft, über zarte Liebesbande, über eine abenteuerliche Flucht und große Zuneigung zu Pferden. Er ist gefühlvoll und realistisch geschrieben und gerade daher so berührend. Das Buch ist geeignet für Jugendliche ab 13 Jahren, jedoch genauso interessant für ältere Leser. Gerne gebe ich hierfür eine Leseempfehlung.

Veröffentlicht am 04.10.2018

Zeigt viele Facetten des Lebens und tiefe Gefühle

Meine beste Bitch
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„Meine beste Bitch“ ist im gleichnamigen Roman von Nataly Elisabeth Savina die Ich-Erzählerin und Protagonistin Faina Maris für die ein Jahr ältere Berenice, von allen Nike genannt, und umgekehrt. Verbunden ...

„Meine beste Bitch“ ist im gleichnamigen Roman von Nataly Elisabeth Savina die Ich-Erzählerin und Protagonistin Faina Maris für die ein Jahr ältere Berenice, von allen Nike genannt, und umgekehrt. Verbunden mit dem Begriff „Bitch“ ist für mich Lebensfreude und Selbstbewusstsein. Zu der Protagonistin will die Betitelung zunächst nicht so richtig passen. Sie lebt in einer Kleinstadt und besucht dort die Oberstufe des Gymnasiums. Faina ist hochsensibel und wird von ihrer Mutter, einer Psychiaterin, vor allem vermeintlichem Unbill beschützt. Dennoch kommt sie immer wieder in Panik und ihre Haut juckt oft unerträglich ohne ersichtlichen Grund. Zur Beruhigung geht sie spazieren, gerne mit dem nahegelegenen Friedhof als Ziel. Aber sie ist auch ein High Sensitive Seeker, immer auf der Suche nach neuen Erfahrungen und aufregenden Erlebnissen. Sie wünscht sich ein Leben, das bunt und prickelnd ist und immer wieder Ungewöhnliches bietet. Das Cover zeigt ein Stück solcher Ausgelassenheit. Sie möchte sich wohlfühlen wie bei einer Performance mit einem Stück Melone in der Hand und das gefärbte Wasser in der Wanne zum Rumspritzen nutzend.



Nachdem sie die ein Jahr ältere Nike bei einer Streikaktion kennengelernt hat werden die beiden sehr schnell vertraut miteinander. Faina fühlt sich von ihr verstanden. Nike hat immer neue, manchmal übersprudelnde Ideen und hilft ihr auch dabei, dem Aktionskünstler Julian näherzukommen, den sie auf einem ihrer Spaziergänge getroffen hat. Faina hat noch keine klaren Zukunftsvorstellungen. Ihre Mutter plädiert für ein Studium in einem bodenständigen Fach. Ihr bester Schulfreund bietet ihr schließlich die Wohnung seines abwesenden Bruders in Berlin zur vorläufigen Benutzung an. In der pulsierenden Großstadt fühlt sie sich sofort wie zu Hause und hier wohnt inzwischen auch Julian. Natürlich ist die inzwischen in Hamburg wohnende Nike als Gast gerne gesehen, wäre da nicht eine Nähe zu Julian, die Faina mit zwiespältigen Gefühlen beobachtet und ihre enge Freundschaft in Frage stellt.



Nataly Savina ist es gelungen, die emotionale Zerrissenheit ihrer Hauptfigur gelungen darzustellen. Faina war immer schon einfühlsam. Ihre Eltern waren oft entgegengesetzter Meinung über ihre Erziehung und auch über andere Dinge haben sie gestritten bis ihr Vater ausgezogen ist. Früh hat sie sich also schon mit verschiedenen Ansichten auseinander setzen müssen und doch nicht herausfinden können, welche die bessere ist. Ein Anschlag auf ihre Mutter hat ihr vor Augen geführt, wie leicht man einen nahestehenden Menschen verlieren kann. Von ihrem Vater hat sie vermutlich den Sinn für die schönen Künste, ihre Mutter denkt eher rationaler. Bereits bei ihrer ersten Begegnung ist sie fasziniert von Nikes Ausdrucksfähigkeit und wird auch im Folgenden davon nicht enttäuscht. Durch Julian wird ihr Interesse an Kunst noch weiter geweckt.



Durch ihre Freunde kommt Faina bei ihrem Aufenthalt in Berlin in eine ungewohnte Umgebung, deren Eindrücke sie wie einen Schwamm einsaugt. Zuerst verbessert sich dadurch ihr Hautleiden und so fühlt sie sich bestätigt in ihrer Annahme, dass sie hier richtig am Platz ist. Aber bald stellt sich Ernüchterung ein, denn ihre Feinfühligkeit lässt sie auch die Schattenseiten wahrnehmen. Ihre widerstreitenden starken Gefühle zu Julian laugen sie aus, ihre Suche nach Selbstverwirklichung hält an. Dennoch zeigt sich letztlich, dass wahre Freundschaft oft auch verlangt, über seinen eigenen Schatten zu springen.



Nataly Savina zeigt in ihrem Roman „Meine beste Bitch“ tiefe Gefühle und viele Facetten des Lebens. Ohne Schnörkel bringt die Autorin jede Beschreibung auf den Punkt, hinterließ aber bei mir den Eindruck einer reichhaltigen Darstellung. Faina ist eine sympathische Charaktere die voller Zwiespalt steckt bei der Suche nach einem sinnerfüllten Leben. Lachen löst Weinen ab, Wut und Hass Liebe, Verstehen folgt auf Unverständnis. Es ist bewegend, Fainas Weg zu verfolgen und bleibt in Erinnerung. Gerne empfehle ich das Buch weiter an Jugendliche ab 14 Jahren und Erwachsene die nach einer anspruchsvollen Geschichte suchen

Veröffentlicht am 29.09.2018

Historischer Roman mit SciFi-Elementen und beunruhigendem Szenario

NSA - Nationales Sicherheits-Amt
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Das Buch „NSA – Nationales Sicherheits-Amt“ von Andreas Eschbach ist ein historischer Roman mit Elementen der Science-Fiction. Die Idee, die dem Roman zugrunde liegt ist die Vorstellung, dass es bereits ...

Das Buch „NSA – Nationales Sicherheits-Amt“ von Andreas Eschbach ist ein historischer Roman mit Elementen der Science-Fiction. Die Idee, die dem Roman zugrunde liegt ist die Vorstellung, dass es bereits im Zweiten Weltkrieg Computer und Mobiltelefone gegeben hat. Ich fand den Gedanken sehr interessant und war gespannt auf die Umsetzung. Passend zum Inhalt wurde die äußere Gestaltung des Buchs vorgenommen. Das Cover ist wie ein Plakat der 1940er gestaltet, der Zeit also, in der die Haupthandlung spielt. Ein stilisiertes Auge nimmt einen breiten Platz auf dem Umschlag ein und symbolisiert die Möglichkeit einer ständigen Überwachung allerorts.

Im Oktober 1942 kämpft das Nationale Sicherheits-Amt in Weimar um seine Daseinsberechtigung, denn auch das Reichssicherheits-Hauptamt in Berlin kommt einer ähnlichen Aufgabe nach. Als sich der Besuch eines Reichsführers ankündigt, möchten die Mitarbeiter mit einer neuen Möglichkeit der Datenauswertung überzeugen. Zum Team des NSA gehören die beiden Protagonisten des Romans Helene Bodenkamp und Eugen Lettke. Helene ist 21 Jahre alt, Programmiererin und ebenso wie der einige Jahre ältere Datenanalyst Eugen in keiner festen Partnerschaft. Ein Erlebnis in der Vergangenheit bringt Eugen dazu, Rache an den damals daran beteiligten Personen zu üben, wobei ihm die Zugriffsmöglichkeiten seines Jobs zugutekommen.

Bei Helene steht eines Tages ein Freund, mit dem sie einen bezaubernden Abend verbracht hat, vor der Tür des Elternhauses indem sie immer noch wohnt. Arthur ist von der Front geflohen und erfreut darüber, dass Helene ihm hilft, ein Versteck zu finden. Fortan sieht die junge Frau ihre Arbeit mit anderen Augen, denn zu den Aufgaben des NSA gehört die Auswertung von Daten rund um Haushalt und der in ihm lebenden Personen, um daraus auf untergetauchte Personen zu schließen.
Dem Autor ist es gelungen, die realen historischen Personen mit den ihnen zugeschriebenen Eigenschaften treffend darzustellen und ihnen ergänzend seine eigenen Charaktere wirklichkeitsnah zur Seite zu stellen. Die Protagonisten Helene und Eugen sind gekonnt gezeichnete mehrschichtige Figuren, die von ihrer Art her perfekt ins Bild passen.

Es ist ungewohnt, sich vorzustellen, dass es bereits vor hundert Jahren die Technik von heute gegeben haben soll. Andreas Eschbach schafft es, das Thema sachlich umzusetzen und passend in die historische Umgebung einzubinden. Dazu hat er beispielsweise die Bezeichnungen so verändert, dass ich sie nach der heutigen Auffassung als antiquiert bezeichnen würde. Auch die Hardware entspricht von der Größe her dem Ambiente der 1940er und beinhaltet doch Software auf dem neuesten Stand. Etliche historische Daten und Figuren hat der Autoren beibehalten, jedoch an einigen Stellen der Zeitgeschichte eine Änderung gegeben, was der Erzählung eine Überraschungskomponente gegeben hat.

Was mir durch den Roman nochmal bewusst wurde und vom Autor in leicht überspitzem Maße aufgezeigt wird, ist die Rolle der Frau in der Gesellschaft der nationalsozialistischen Zeit. Deutlich wird die Trennung der Geschlechter in der Schilderung vor allem in der Zuweisung von Aufgaben in Alltag und Beruf. Helene übt beispielsweise als Programmiererin einen Job aus, der in Deutschland ausschließlich für Frauen vorgesehen ist. Die daraus folgende Aufgabe der korrekten Auswertung der so gewonnenen Daten wird ihnen nicht zugetraut, dazu wird die Analysefähigkeit der Männer genutzt, denen im Gegenzug die Auseinandersetzung mit einfachen Tätigkeiten wie das Schreiben eines Programms nicht zugemutet wird.

Es wirft sich die große Frage danach auf, ob unsere heutige Technik Fluch oder Segen in den heute herrschenden Kriegen ist und ob mit ihr ein weiterer Weltkrieg verhindert werden kann oder erst möglich gemacht wird. Beunruhigend sind gestern wie heute nicht nur die Möglichkeiten der Gewinnung von Daten und deren Auswertung, sondern auch die Macht, die die analysierten Daten denjenigen geben, die in deren Besitz sind. „NSA“ ist ein Buch, das beängstigende Szenarien aufzeigt und mich darüber ins Grübeln brachten, wie durchschaubar wir heute inzwischen tatsächlich sind. Mir erscheint das Szenario realistisch, undenkbar der Gedanke selber weiterzuspinnen und sich das Hier und Jetzt auszumalen, wenn es sich so wie von Eschbach geschildert dargestellt hätte. Der Roman ruft förmlich schon nach einer Fortsetzung …

Veröffentlicht am 19.09.2018

Spannende Suche nach verschwundenem Vater am Rhein im Jahr 1868

Die vergessene Burg
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Ein breiter Fluss, ein Schloss an seinem Ufer … zunächst dachte ich bei dem Cover des Romans „Die vergessene Burg“ an eine englische Landschaft, doch die Mönchengladbacherin Susanne Goga entführte mich ...

Ein breiter Fluss, ein Schloss an seinem Ufer … zunächst dachte ich bei dem Cover des Romans „Die vergessene Burg“ an eine englische Landschaft, doch die Mönchengladbacherin Susanne Goga entführte mich mit ihrer Geschichte an den wunderschönen Rhein nach Bonn. Ich begleitete die Protagonistin Paula Cooper im Jahr 1868 bei der Suche nach ihrem Vater, der seit Jahren verschwunden ist. Ihre Nachforschungen führen sie bis zur Ruine der Burg Ehrenfels unweit von Rüdesheim am Rhein. Die Innenklappen des Buchs sind liebevoll gestaltet und zeigen einige Fotos von Bonn und der Landschaft um den Drachenfels am Rhein, die die Autorin selbst aufgenommen hat.

Die 32jährige Paula lebte in den vergangenen Jahren als Gesellschafterin bei einer älteren, kränklichen Cousine ihrer Mutter in einer kleinen Ortschaft unweit Londons. Eines Tages erreicht sie ein Brief von einem ihr bisher unbekannten Onkel aus Bonn. Darin steht, dass er schwer erkrankt sei und sie bitte, ihn noch vor seinem Tod zu besuchen. Als sie das Grab ihres Vaters wieder einmal aufsucht, erfährt sie durch Zufall, dass das Grab leer ist. Paula ist nicht nur in ihrer Stellung unzufrieden, sondern durch die Ereignisse verständlicherweise auch über ihre Mutter und deren Lügen sehr verärgert, so dass sie beschließt nach Bonn zu reisen.

Ihr Onkel, der Andenkenhändler Rudy Cooper, weiß leider auch nichts Genaues über den Verbleib ihres Vaters, doch sie gewinnt sehr schnell sein Vertrauen. Daher unterstützt Rudy die Idee, ihren Vater zu suchen. Begleitet wird sie von dem englischen Fotografen Benjamin Trevor, den sie in Bonn kennen gelernt hat. Nicht nur das Verschwinden ihres Vaters ist Paula rätselhaft, sondern ihr fallen auch ein seltsames Verhalten ihres Onkels und das des Fotografen auf, die sie nicht einordnen kann. Durch ihre Hartnäckigkeit gelingt es ihr mit und mit den Geheimnissen auf die Spur zu kommen.

Die Figur der Paula und ihre Entwicklung hat mir sehr gut gefallen. Lange Zeit hat sie dem Wunsch der Mutter entsprochen, sich um deren Cousine zu kümmern und dadurch ein versorgtes Leben zu führen. Sie hat sich dabei einen gewissen gesellschaftlichen Stand erhalten, ohne von einem Ehemann abhängig zu sein. Allerdings traten ihre eigenen Interessen in den Hintergrund und sie hat verlernt, Entscheidungen für sich selbst zu treffen. Der Brief ihres Onkels bringt sie zum Nachdenken über ihre Zukunft, sie beginnt sich selbst und ihre Gefühle zu hinterfragen. Während sie bisher noch nie außerhalb von England war, so fasst sie jetzt den Mut zu einer Reise bei der sie auf sich allein gestellt sein wird. Das Gelingen stärkt ihr Selbstwertgefühl. Bei ihrem Onkel wartet bereits eine neue Herausforderung. Sie ist stolz, als sie diese ebenfalls ohne große Probleme meistert. Doch auch die weiteren Charaktere zeichnet Susanne Goga abwechslungsreich und interessant durch die kleinen Geheimnisse die jeder verbirgt wie beispielsweise Paulas Onkel Rudy, dessen besten Freund, Paulas Mutter und Benjamin Trevor.

Es hat mich gefreut, dass der Roman in einer Gegend spielt, die ich auch schon mehrfach besucht habe. Die Autorin versteht es die zauberhafte Landschaft trefflich zu beschreiben. In ihren Schilderungen ist ihre eigene Liebe für die Umgebung zu spüren. Ein Gedicht von Heinrich Heine erinnerte mich an dessen Vertonung. Rund um die Berufe der handelnden Personen Rudy und Benjamin erfuhr ich mehr über Andenken und den Stand der Fotografie im Jahr 1868. Dank ihrer sehr guten Recherche und entsprechend genauer Beschreibung befand ich mich auf den Spuren der damaligen Touristen am Rhein, zu denen auch Mitglieder der Englisch Community in Bonn gehörten.

Susanne Goga schreibt leicht lesbar und unterhaltsam. Mehrere Familiengeheimnisse hat sie geschickt in die Handlung eingebunden und deckt diese in kleinen Teilen auf, so dass bis zum Schluss eine unterschwellige Spannung vorhanden ist. Das Setting hat mich angesprochen ebenso wie die Einbindung von zeitlich passenden kulturellen Elementen. Der Roman hat mir sehr gut gefallen und daher empfehle ich ihn gerne weiter an alle Leser historischer Romane.