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Veröffentlicht am 20.04.2019

Keine Helden

Heldenhaft
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Nein, in Andreas Thamms neuem Jugendbuch „Heldenhaft“ kommen keine Helden vor. Auch keine heldenhaften Taten. Im Gegenteil: Andi, Ferdi und Lea sind durchschnittliche, „typische“ Jugendliche um die 17 ...

Nein, in Andreas Thamms neuem Jugendbuch „Heldenhaft“ kommen keine Helden vor. Auch keine heldenhaften Taten. Im Gegenteil: Andi, Ferdi und Lea sind durchschnittliche, „typische“ Jugendliche um die 17 Jahre. Und sie erleben wie alle Jugendliche eine ganz und gar durchschnittliche Jugend auf dem Land. Sie trinken Alkohol, auch zu viel, üben sich in Mutproben, auch gefährlichen, probieren Drogen, allerdings nur einmal. Sie schlagen über die Stränge, aber in verhaltenem Maße. Sie hören noch auf ihre Eltern, wenn auch nicht immer. Sie merken, wenn sie Grenzen überschreiten. Sie wissen instinktiv um den Wert von Freundschaft.

In dieses Landidyll passt einer nicht so richtig: Mitch. Bei ihm ist es immer einen Zacken mehr. Sogar ins Gefängnis muss er, für ein Jahr. Und als er wieder rauskommt, ist die Stimmung zwischen den Freunden etwas angespannt, denn Andi hat vor Gericht nicht für ihn gelogen. Mitch ist aber nicht Andis einziges Problem. Denn da ist noch Lea, das Nachbarsmädchen, das mit ihm in eine Klasse geht, in das er ordentlich verschossen ist. Doch traut er sich nicht nur nicht, sie anzusprechen: die Familie ist zudem noch in einer religiösen Sondergemeinschaft, Lea ist also immer unter Beobachtung.

Viel Stoff also für eine gute Handlung. Allerdings nutzt das Buch diesen Stoff nicht wirklich. Zu viel Geplänkel, zu viel Belanglosigkeit, zu wenig Ernsthaftigkeit und Konsequenz stehen dem im Wege. Während die Handlung anfangs etwas schleppend in die Gänge kommt, nimmt sie im zweiten Teil rasant an Fahrt auf – fast schon zu viel, denn der Schluss ist einer Vollbremsung ähnlich.

Insgesamt kommt das Buch ein wenig zu behäbig daher, allen Kraftausdrücken, die darin vorkommen, zum Trotz. Obwohl Mitch (nicht etwa Andi, aus dessen Perspektive die Handlung erzählt wird) die interessanteste Figur des Buches ist, bleibt sie vergleichsweise blass. Das Unberechenbare an ihm gibt ihm dennoch keine Farbe, lässt ihn nicht lebendiger wirken. Vielleicht hätte eine andere Erzählperspektive dem Buch gutgetan.

Die Protagonisten schlittern von einem ins andere, daran ändert auch Mitch nichts, der immer wieder wie aus der Versenkung wieder auftaucht. Kaum etwas nehmen sie selbst in die Hand und wenn, dann ist es schlecht bis gar nicht durchdacht und bleibt dennoch ohne Konsequenzen. Von einem Jugendbuch hätte ich mir hier etwas mehr Kontur erwartet: dass die Freunde sich aneinander (zumindest aber an Mitch) richtig reiben, dass durch Konflikte Wege geebnet werden. Die einzige aber, die das am Schluss zumindest ansatzweise tut, ist Lea.

Die Wunderkerze, die auf dem Cover des Buches dargestellt ist, fängt bei mir nicht zu funkeln an. Das Besondere des Buches fehlt mir. Ein wenig mehr Tiefgang, ein wenig mehr Folgen und Konsequenzen, ein wenig mehr bewirkte Veränderung, ein wenig mehr Ernsthaftigkeit, die ins Leben einzieht – das hätte ich mir von diesem Buch erhofft.

Veröffentlicht am 07.10.2018

Auf der Suche nach dem kleinen Stück vom Glück

Der Platz an der Sonne
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Was für eine tolle Idee, dachte ich mir, als ich den Klappentext las. Was für eine schlechte Umsetzung, dachte ich mir, während ich das Buch las. Was will mir das Buch sagen, dachte ich mir, als ich das ...

Was für eine tolle Idee, dachte ich mir, als ich den Klappentext las. Was für eine schlechte Umsetzung, dachte ich mir, während ich das Buch las. Was will mir das Buch sagen, dachte ich mir, als ich das Buch fertig gelesen hatte. „Der Platz an der Sonne“ von Christian Torkler lässt mich zwiegespalten zurück.

Die Handlung ist schnell umrissen: Josua kriegt im zerstörten Deutschland der 1980er Jahre keinen Fuß auf den Boden. Deshalb will er ins reiche Afrika, das als Gewinner eines langen zermürbenden Krieges emporstieg, um sein Glück zu machen. So berichtet der erste Teil des Buches vom Steh-auf-Männchen Josua, das es trotz aller widrigen Umstände, trotz aller Korruption, schafft, seine eigene Bar aufzumachen, während der zweite Teil die zermürbende Flucht nach Afrika schildert.

Die Utopie, die Christian Torkler hier aufmacht, hat zunächst ihren Reiz. Was wäre, wenn nach der Niederlage Deutschlands weitergekämpft worden wäre. Wenn die Weltmächte sich aneinander zerrieben hätten. Wenn dadurch Afrika der Aufstieg zur Weltmacht ermöglicht worden wäre. Allerdings begnügt sich Torkler in seinem Buch mit einigen wenigen Anspielungen; die alternative Weltgeschichte, die er aufmacht, bleibt weitestgehend im Dunkeln. Das ist nicht nur schade, sondern enttäuschend, weil man beim Lesen immer auf die genaueren Hintergründe wartet.

Gelungen hingegen ist, wie Torkler die Situation beschreibt, in der Josua leben muss. Überall Willkür, Machtmissbrauch, Korruption. Man bekommt als Leser irgendwann zu viel davon, und so ergeht es auch Josua. Immer mehr hat er die Schnauze voll vom tristen Leben in Deutschland. Genauso gelungen ist auch die Beschreibung der Flucht: Josua wird zwar immer wieder geholfen, doch seinen Schleppern ist er willkürlich ausgeliefert, wird sogar eine Zeitlang versklavt. Wer da Freund, wer Feind ist: es ist kaum zu erkennen.

Nicht sehr geglückt finde ich die Art und Weise, wie erzählt wird. Dass Josua seine Geschichte selbst aufschreibt, während er im Gefängnis sitzt, führt letztlich dazu, dass man zu Josua als Leser keine emotionale Bindung aufbaut. Josua berichtet, erzählt nüchtern und sachlich. Und wenn Josua nach dem Tod seines Sohnes in den Alkoholismus abdriftet, erfährt man das nur am Rande. Ebenso beiläufig sind die Wendungen des Romans: die Auseinandersetzung mit einem Taxi-Passagier und die Rettung eines Mädchens lassen die Handlung weitergehen. Das war mir etwas zu viel deus ex machina.

Die Zweiteilung des Romans finde ich irgendwie nicht gelungen. Was vor der Flucht passiert, ist plötzlich völlig unwichtig, man kann es als Leser ad acta legen und sich auf neue Begegnungen, auf neue Menschen einlassen. Wenn es darum gehen soll, wie jemand verzweifelt sein Glück sucht, dann passt das, dann sind das zwei Seiten einer Medaille, aber als Leser hätte ich mir da etwas anderes gewünscht. Zumindest ein paar rote Linien, eine Entwicklung hin zur Flucht statt eines plötzlichen Aufbruchs. Zwischen den Teilen besteht für mich kein richtiger Zusammenhang.

Das andere, was mich an dem Buch kolossal stört, ist die Sprache. Es gibt fast keine Seite in diesem Buch, auf der nicht irgendein Gespräch wiedergegeben wird. Letztlich schlittert die Handlung von Begegnung zu Begegnung, und das tut dem Roman nicht gut. Torklers Schreibstil hat nichts Fesselndes an sich. Er schreibt nüchtern, viel zu nüchtern, berichtend. Hinzu kommen sehr plumpe Versuche, die Situation sprachlich widerzuspiegeln. Da wird ständig vom „Fraß“ gesprochen, den es zu essen gibt, dann wiederum wird die fehlende Bildung der deutschen Bevölkerung während der Reise immer wieder plump durch Wortspiele angesprochen (die Landschaft heißt ähnlich wie Apfelsine – aha…).

Richtig klar geworden ist mir nicht, was Christian Torkler mit seinem Buch erreichen will: will er eine alternative Weltgeschichte durchspielen? – dann wäre das Buch ob der geringen Hintergründe schlichtweg peinlich. Will er Sympathie für Flüchtlinge wecken? – dann hätte das Buch nicht so emotional verkorkst sein dürfen. Will er die Geschichte eines kleinen Mannes erzählen, der einfach nur auf der Suche nach einem Stück vom Glück ist? – dann hätte es einer stärkeren Akzentuierung bedurft.

Was übrig bleibt ist ein Buch, das interessante Seiten hat, mich aber letztlich nicht überzeugen konnte.

Veröffentlicht am 02.09.2018

Frauen-Schicksalsroman, der leider im Kitsch endet

Das rote Adressbuch
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Frauenschicksale, so scheint es, sind wieder stark in Mode. Wurde zunächst viel Tamtam um Ida gemacht, so folgt nun (freilich – noch – nicht in überregionalen Medien) „Das rote Adressbuch“ von Sofia Lundberg. ...

Frauenschicksale, so scheint es, sind wieder stark in Mode. Wurde zunächst viel Tamtam um Ida gemacht, so folgt nun (freilich – noch – nicht in überregionalen Medien) „Das rote Adressbuch“ von Sofia Lundberg. In beiden Hörbüchern müssen sich Frauen in den Wirren der Zeit zwischen dem ersten und dem zweiten Weltkrieg behaupten. Und dabei müssen die beiden Frauen viele Schicksalsschläge hinnehmen.

Während „Ida“ von Katharina Adler sich eher im Geschichtlichen verliert, drückt „Das rote Adressbuch“ ordentlich auf die Tränendrüse und wird am Schluss zum großen Herzschmerzkino. Das Geschichtliche wird hier eher zur Nebensache, denn in den USA unterscheidet man sowieso keine Länder und spricht vom Krieg in Europa. Sofia Lundberg konzentriert sich ganz und gar auf ihre Protagonistin. Wenn sie die Armut im Stockholm der 1920er Jahre aufgreift, dann erfährt man nicht mehr als dass das Kind weggegeben wurde, weil die Familie arm war.

Die Stärken von Sofia Lundbergs Debütroman sind daher anderswo zu finden: Hauptfigur ist die 96-jährige Doris, die auf ihr Leben zurückschaut. Und so ist auch immer wieder in dem Hörbuch das Leben im (hohen) Alter thematisiert. Die Unterstützung im Haus durch ausländische Pflegekräfte, die Frage nach einem Platz im Pflegeheim, der Umgang mit alten Patienten im Krankenhaus. All das ist eingebettet in den Rückblick auf ein bewegtes Leben. Wo sonst oft die rüstige Greisin erzählt, kommen hier auch Schmerzen und Leid zum Vorschein.

Das Zweite, das ich an diesem Hörbuch spannend finde, ist die Einstellung einer Generation von Frauen zu ihrem Schicksal. Es wird hingenommen. Und so macht auch Doris kein besonderes Aufheben um ihr Schicksal. Sie wird weggegeben: als Hausmädchen hat sie es besser. Überrascht stellt sie fest, als sie Mannequin wird: das ist ja mehr Arbeit als Hausmädchen. Nach einem Jahr meldet sich ihr Freund aus den USA – sie fährt zu ihm, um ihn zu heiraten. Natürlich bleibt Doris oft nichts anders übrig, als mit dem zu leben, was ihr widerfährt. Was aber meines Erachtens typisch für diese Generation ist und von der Autorin wunderbar eingefangen ist, ist die Art, wie darüber berichtet wird. Doris jammert nicht.

Diese Einstellung ändert sie bis zu ihrem Tod nicht. In ihrem roten Adressbuch, das sie als Kind vom Vater zu ihrem zehnten Geburtstag geschenkt bekam, schreibt sie neben alle Verstorbenen „tot“ an den Rand. Als Leser spürt man, dass sie sich einsam fühlt, sagen würde es Doris von sich selbst allerdings nicht. Sie nimmt es hin, so wie sie auch die vielen Schicksalsschläge, die sie ereilen, hinnimmt. Gerade weil diese Schicksalsschläge mit vielen Wendungen in der Handlung einhergehen, eignet sich das Buch ganz wunderbar als Hörbuch. Man fragt sich als Zuhörer, was diese Frau noch alles ertragen soll und folgt atemlos ihrer Odyssee nach Frankreich, in die USA und zurück nach Schweden.

Veröffentlicht am 25.07.2018

Mörderisches Klassentreffen

Nichts ist verziehen
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Ein Klassentreffen ist ist der Ausgangspunkt von Ninni Schulmans neuem Krimi „Nichts ist verziehen“. In einer Hütte mitten im Wald soll übernachtet werden, so wie sie es früher in der neunten Klasse bereits ...

Ein Klassentreffen ist ist der Ausgangspunkt von Ninni Schulmans neuem Krimi „Nichts ist verziehen“. In einer Hütte mitten im Wald soll übernachtet werden, so wie sie es früher in der neunten Klasse bereits taten, inklusive nächtlicher Gespensterwanderung. Doch dann wird Jack, der Serienstar geworden ist, während der Wanderung ermordet. Und es bleibt nicht bei einem Toten.

So spannend es ist, zu sehen, wie die alten Beziehungsgeflechte der Schulzeit während des Klassentreffens wieder reaktiviert werden: ein Klassentreffen bedeutet viele Personen und dies wiederum führt in „Nichts ist verziehen“ zu einer großen Unübersichtlichkeit, die sich nur sehr langsam auflöst, indem einzelne Personen wie etwa der alkoholabhängige Ted stärker in den Fokus gerückt werden.

Hinzu kommen noch jede Menge Ermittler, die jedoch mehr mit sich selbst und ihren Beziehungsproblemen beschäftigt sind als dass sie den Fall lösen. Letztlich wird die Journalistin Magdalena Hansson, die selbst beim Klassentreffen war, zur Ermittlerin, die dem Täter auf die Spur kommt. Warum Ninni Schulman in ihrem Krimi den anderen Ermittlern so viel Raum gegeben hat, ist nicht erkennbar. Gutgetan hat es dem Krimi jedenfalls nicht.

Einigermaßen überzeugen konnte mich der Krimi erst am Schluss. Nachdem er nur langsam in Fahrt kommt, wird er zum Ende hin fast zu rasant inklusive einer Verfolgungsjagd. Die Auflösung ist recht interessant, sie bietet vor allem viel Stoff, um über die Beweggründe nachzudenken. Allerdings gibt die Autorin einen viel zu großen Schuss Weichspüler hinzu, um das Privatleben der Ermittler wieder ins Lot zu bringen. Warum Ninni Schulman es vorher aus dem Lot bringen musste, bleibt ihr Geheimnis. Interessant ist daran jedenfalls nichts. Die Journalistin Magdalena Hansson überzeugt da schon eher als Figur, wenn auch einiges aus ihrer Vorgeschichte im Unklaren bleibt. Auch wenn „Nichts ist verziehen“ der dritte Band der schwedischen Värmland-Krimis ist, hätte man sich doch mehr Informationen in Kurzform über sie – und ihren Sohn – gewünscht.

Mir persönlich hat zudem nicht gefallen, dass es – neben dem extrem ausgebreiteten Beziehungsleben der zudem kaum ermittelnden Ermittler noch Nebenhandlungen gibt, die mit dem Fall so gar nichts zu tun haben, jedoch immer wieder aufgegriffen werden. Sicherlich: es sind falsche Fährten, die jedoch so weit ausgeführt sind, dass man sich mehr wünscht, als dass sie einfach nur unwichtig sind.

Auch die Rückblicke, die mehrfach eingestreut sind, haben mich nicht überzeugt. Sie wirken einfach nur wie ein Fremdkörper, auch wenn sie später noch eine Funktion bekommen. Das hätte man auch anders lösen können.

Fazit: Ein Krimi, der nur bedingt überzeugt. Zu viele Personen, zu viel Nebenhandlung durch – letztlich überflüssige – Ermittler. Viel Verwirrung also, die durch die interessante Auflösung der Morde nicht aufgewogen wird.

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Veröffentlicht am 28.12.2017

Falsche Gottesvorstellungen

Lügen, die wir uns über Gott erzählen
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William Paul Young ist durch sein Buch „Die Hütte“ berühmt geworden. In seinem neuen Buch „Lügen, die wir uns über Gott erzählen“ geht er auf falsche Vorstellungen von Gott ein. Wer seinen Roman „Die Hütte“ ...

William Paul Young ist durch sein Buch „Die Hütte“ berühmt geworden. In seinem neuen Buch „Lügen, die wir uns über Gott erzählen“ geht er auf falsche Vorstellungen von Gott ein. Wer seinen Roman „Die Hütte“ gelesen hat, kennt einige davon bereits.

So ist das Buch vor allem für Leser interessant, die bereits „Die Hütte“ kennen. Denn Young geht immer wieder darauf ein, erklärt, wie das Buch entstanden ist, begründet seine Darstellungen. Zudem erfährt man einiges über Youngs Leben, unter anderem wie ihn seine Kindheit mit einem allzu strengen Vater geprägt hat.

Wer sich für diese Hintergründe nicht interessiert, dürfte mit Youngs Buch über weite Strecken nicht allzu viel anfangen. Für mich waren die 28 „Lügen“ über den Glauben, die Young auflistet, selbstverständlich Irrtümer, der Erkenntnisgewinn war daher eher gering. Die meisten Argumentationen Youngs basieren auf der Bestimmung des Menschen als Beziehungswesen, das Verhältnis zu Gott ein Beziehungsgeflecht. Der Mensch als sündiges Wesen, das sich von Gott trennt? Gott ein Christ? Für Young gehört das zum Glauben seiner Kindheit, den er überwunden hat. Mühsam überwunden hat. Wem eine Selbstverständlichkeit ist, kann Youngs Eifer – wie ich – wohl nicht nachvollziehen bei der Gegenrede.

Manches an Youngs Argumentationen ist für mich gelinde gesagt befremdlich. Wenn er das Wort „Christus“ als verspottende Bezeichnung für Christen darstellt, ohne dabei darauf einzugehen, dass damit der Messias, der Gesalbte, gemeint ist. Ebenso ist verstörend, dass Young behauptet, es gebe im Griechischen kein Wort für Prinzip und Priorität – weil er es in einem Lexikon nicht gefunden hat. Als ob es nicht die Tugend gebe und die Vorherrschaft…

Interessant sind Youngs Ausführungen, wo er sich als Querdenker erweist. So verteidigt er vehement an einigen Stellen, dass dem Menschen Freiheiten geschenkt sind, die Gott akzeptiert – Gott sei ein „fügsamer“ Gott, schreibt Young. Interessant, aber nicht ganz klar sind seine Ausführungen zum Zufall. So wendet er sich vehement gegen die Vorstellung, dass es einen Zufall gebe, wo alles von Gott geschaffen ist, spricht sich aber gleichermaßen gegen die Vorstellung der Vorherbestimmung. Interessant waren für mich auch die Ausführungen zu Jesu Kreuzigung. Zunächst geht Young da der Frage nach, ob Gott die Kreuzigung gewollt habe (seine Antwort: natürlich nicht!) und zum Tod, mit dem eben nicht alles aus sei, sondern ein „heilsamer Prozess“ beginne, der hin zu Gott, zur Liebe, führe. Und dort erst gebe es die Liebe ohne Leiden, in einer Welt ohne Tod. Interessant fand ich auch, wie stark Young verteidigt, dass Gott eben nicht nur den Christen, sondern der ganzen Welt das Heil bringe. Dies war Young so wichtig, dass er an den Schluss seines Buches eine ganze Beweiskette an Bibelzitaten dazu auflistet.

„Lügen, die wir uns über Gott erzählen“ hat für mich beim Lesen ganz unterschiedliche Seiten gezeigt: streckenweise sehr mühsam zu lesen, mit sich ähnlich wiederholenden Begründungsspiralen, streckenweise aber auch interessant zu lesen, mit Aussagen, die zum Nachdenken anregen.