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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 15.12.2018

Leere im Ruhestand

Herr Katō spielt Familie
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Auf jeden Fall sollte man wissen, dass die Autorin japanische Wurzeln hat und die Geschichte in einer Tokioter Vorstadt angesiedelt ist. Japanische Bücher trafen bisher nur selten meinen Lesegeschmack. ...

Auf jeden Fall sollte man wissen, dass die Autorin japanische Wurzeln hat und die Geschichte in einer Tokioter Vorstadt angesiedelt ist. Japanische Bücher trafen bisher nur selten meinen Lesegeschmack. Vorliegendes Buch ist da aber eine Ausnahme.
Der Protagonist Herr Kato weiß mit seinem neuen Lebensabschnitt als Ruheständler nichts anzufangen. Seine Frau und er leben nebeneinander her, einstige Träume und Wünsche hat er aufgegeben. Auf einem Spaziergang begegnet er der jungen Mie, die die Agentur „Happy Family“ betreibt und deren Mitarbeiter als sog. Stand-ins bzw. Einspringer Menschen spielen, die es so nicht gibt. Herr Kato lässt sich zur Mitarbeit überreden und übernimmt etwa die Rolle eines Großvaters, der von seinem Enkel nichts wissen will, oder des Ehemannes, der endlich einmal seiner Frau zuhört. Es bleibt nur bei wenigen Einsätzen, aber seine Tätigkeit verändert ihn dann auch zum Positiven in seinem eigenen Ehetrott. Gerade diese allmähliche Wandlung zu lesen, fand ich faszinierend. Allerdings hätte ich mir etwas mehr Länge gewünscht. Der poetische, melancholisch anmutende Schreibstil gefällt mir gut.

Veröffentlicht am 27.11.2018

Ein ernsthafteres Buch als die früheren Romane des Autors

Die Ballade von Max und Amelie
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Den Autor David Safier verbinde ich zwangsläufig mit Geschichten über Mensch und Tier, vor allem aber mit dem Thema Karma (etwa sein Buch „Mieses Karma“). Zu ersteren zählt auch das vorliegende Buch; was ...

Den Autor David Safier verbinde ich zwangsläufig mit Geschichten über Mensch und Tier, vor allem aber mit dem Thema Karma (etwa sein Buch „Mieses Karma“). Zu ersteren zählt auch das vorliegende Buch; was letzteres anbelangt, so tritt an die Stelle der Karma-Geschichte die Reinkarnation.
Soweit es um den wunderbar aus hündischer Perspektive geschriebenen Strang Tier-Mensch geht, hat mir das Buch bestens gefallen. Es ist eine wirklich rührende Liebesgeschichte zwischen dem Haushund Max und der Wildhündin Narbe. Max wurde von seinen Herrchen ausgesetzt und trifft auf einer Müllhalde auf die dort lebende Hündin Narbe. Gemeinsam machen sie sich auf den beschwerlichen Weg voller Gefahren und Abenteuer zu Max‘ Zuhause, auf dem sich eine innige, unverbrüchliche Liebe mit hundertprozentigem für einander einstehen zwischen den beiden Tieren entwickelt, an der sich so mancher Mensch ein Beispiel nehmen kann. Wer Geschichten über Tiere und vermenschlichte Tiere liebt, wird seine helle Freude an dem Buch haben.
Der zweite Strang über die Reinkarnationsthematik ist mir hingegen doch zu wirklichkeitsfremd, als dass er mir wirklich gefallen konnte. Hier werden verschiedene Episoden – zumeist in Gestalt von Träumen - aus früheren, mehrere tausend Jahre zurückliegenden Leben der beiden tierischen Protagonisten eingeflochten, die sich als Liebespaar der immer erneuten Rache eines Menschen ausgesetzt sehen. Das läuft darauf hinaus zu zeigen, dass beide füreinander bestimmt sind.
Ein Buch nicht nur für Hundefreunde und vor allem ernsthafter als die früheren Romane des Autors.

Veröffentlicht am 04.11.2018

Abenteuer- und Liebesgeschichte

Liebe und Verderben
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Meine anfängliche Vermutung, es sei geraume Zeit notwendig, um diesen immerhin 588 Seiten langen Roman durchzulesen, erwies sich als falsch. Einmal mit Lesen begonnen, mochte ich das Buch nicht mehr aus ...

Meine anfängliche Vermutung, es sei geraume Zeit notwendig, um diesen immerhin 588 Seiten langen Roman durchzulesen, erwies sich als falsch. Einmal mit Lesen begonnen, mochte ich das Buch nicht mehr aus der Hand legen. Zu interessant war die mehrjährige Episode im Leben der US-amerikanischen Familie Allbright, die sich nach rastlosem Umherziehen in den 1970er Jahren in der Wildnis von Alaska niederlässt, vor allem, damit der Vater sein psychisches Trauma aus dem Vietnam-Krieg überwindet, der ihn zu einem jähzornigen, gewalttätigen und unberechenbaren Mann gemacht hat. Nicht vorhersehbar war für sie allerdings der Umstand, dass die langen Winter seinen Zustand noch verschlechtern würden, so dass sich eine Katastrophe anbahnt mit schlimmen Folgen für die gesamte Familie.
Wie angedeutet, liest sich die Geschichte leicht. Naturverbundenen Lesern werden die Schilderungen des rauen Lebens in Alaska gefallen, die die Autorin besonders kundig darstellt, weil ihre eigene Familie sich dort ein Leben aufbaute. Interessant ist auch die Darstellung der Rolle der Frau in den 1970er Jahren, die ihrem Ehemann gegenüber ziemlich rechtlos war und Gewalttätigkeiten hinnahm. Der Liebesgeschichtenanteil erscheint mir leicht schwülstig, denn es ist doch eher lebensfremd, dass ein vierzehnjähriges Mädchen in einem gleichaltrigen Jungen den Mann fürs Leben findet und ihn auch nach Jahren der Trennung nie vergisst.
Aber trotzdem: Das Buch hat mich gut unterhalten.

Veröffentlicht am 17.10.2018

Die eigene Familiengeschichte des Autors

Der Apfelbaum
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Über das schlimmste Kapitel der deutschen Geschichte, die Zeit des Nationalsozialismus, gibt es so viele Romane. Und mit dem vorliegenden tritt ein weiterer hinzu. Doch auch ihn zu lesen lohnt sich. Vielleicht ...

Über das schlimmste Kapitel der deutschen Geschichte, die Zeit des Nationalsozialismus, gibt es so viele Romane. Und mit dem vorliegenden tritt ein weiterer hinzu. Doch auch ihn zu lesen lohnt sich. Vielleicht liegt es daran, dass er aus der Feder des bekannten deutschen Schauspielers Christian Berkel stammt. Wer ihn kennt, hat gleich ein vertrautes Bild vom Erzähler vor Augen. Berkel hat für das Buch einige Jahre akribisch recherchiert, Archive und Originalschauplätze aufgesucht sowie lange Gespräche mit seiner zu der Zeit schon dementen Mutter geführt. Er erzählt, wie seine Mutter von den Nationalsozialisten wegen ihrer (halb)jüdischen Abstammung verfolgt wird und sie das aus Berlin wegführt mit Stationen in Madrid, Paris, einem Lager in den französischen Pyrenäen, Argentinien. Ähnlich dramatisch ist das Schicksal des Vaters, der als Arzt des Roten Kreuzes im Zweiten Weltkrieg dient und anschließend fünf Jahre in russische Kriegsgefangenschaft gerät, um dann endlich mit der Frau zusammenzukommen, die er schon als 17jähriger in den 30er Jahren geliebt hat. Überhaupt sind Berkels Vorfahren sind ungewöhnlich, teils schillernd. Seine Großeltern mütterlicherseits sind Anarchisten.
Berkels Motiv für dieses Buch war, seine eigene Identität zu hinterfragen, die im Alter von sechs Jahren ins Wanken geriet, als er von seiner Mutter erfuhr, „ein bisschen“ jüdisch zu sein. Resultat ist ein Beitrag für die nachfolgende Generation, die Vergangenheit besser zu verstehen.

Veröffentlicht am 23.09.2018

Makabre Geschichte über fehlgeschlagene Suizidversuche

Man muss auch mal loslassen können
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Die Beschreibung des Buchs auf dem Buchrücken, in der der urkomische schwarze Humor der Geschichte in den Vordergrund gestellt wird, trifft so zwar nicht zu. Denn um eine satirische Abhandlung des ernsten ...

Die Beschreibung des Buchs auf dem Buchrücken, in der der urkomische schwarze Humor der Geschichte in den Vordergrund gestellt wird, trifft so zwar nicht zu. Denn um eine satirische Abhandlung des ernsten Themas Tod handelt es sich nicht. Eher würde ich sagen, dass auf makabre Weise über fehlgeschlagene Suizidversuche geschrieben wird. Von diesen gibt es in der Tat eine ganze Reihe, unternommen von den drei sich zufällig begegnenden Protagonistinnen Charlotte, Wilma und Jessy, die aus ganz unterschiedlichen Gründen ihres Lebens überdrüssig sind – Krankheit, berufliches Scheitern, Existenzangst, Liebeskummer. Sie treffen auf Ralle und Moritz, die aus einer Bierlaune heraus einen dilettantischen Raubüberfall begehen und derer sich die Frauen bedienen wollen, um ihr Ziel endlich zu erreichen.

Die Romanfiguren sind sehr unterschiedlich. Eine schöne charakterisierende Kurzbeschreibung ist auf dem Klappeninnendeckel zu finden. Nicht jede wird jedem Leser gleichermaßen gefallen. Ich für meinen Teil hatte etwa Schwierigkeiten, mit Jessy warm zu werden, deren „prollige“ Sprechweise gewöhnungsbedürftig ist. Und auch Moritz mit seinen „linken“ politischen Ansichten blieb mir eher fern. Weitaus näher standen mir da schon die bodenständigen Ralle und Wilma, die sich vor dem Aus ihrer wirtschaftlichen Existenzgrundlage sehen. Und dann gibt es noch die schöngeistige Charlotte. Alle Figuren vermitteln sehr schöne Lebensweisheiten und Ratschläge, über die sich wirklich nachzudenken lohnt. Daher würde ich das Buch auch nicht bloß als unterhaltende Lektüre für zwischendurch bezeichnen. Ins Buch eingearbeitete wunderbare Zitate sind noch einmal gesammelt mit Quellenangaben im Anhang zu finden, z.B. der mir am besten erinnerliche Satz „Man macht andere nur glücklich, wenn man selbst glücklich ist“. Dass die Geschichte mit einem Happy End schließt, versteht sich eigentlich von selbst.

Ein lesenswertes Buch.