Die Geburtsstunde Westberlins
Die Schwestern vom Ku'damm: Jahre des AufbausAlso das Ende des zweiten Weltkriegs und die Wochen und Jahre danach bildet den zeitlichen und räumlichen Rahmen für diesen Roman um die Familie Thalheim, mit dem Autorin Brigitte Riebe eine Trilogie ...
Also das Ende des zweiten Weltkriegs und die Wochen und Jahre danach bildet den zeitlichen und räumlichen Rahmen für diesen Roman um die Familie Thalheim, mit dem Autorin Brigitte Riebe eine Trilogie beginnen lässt. Drei Schwestern - Rike, Silvie und Florentine - sind die Protagonistinnen: jeder der drei ist ein Band gewidmet.
Diesmal steht Rike, die älteste der drei Thalheim-Schwestern im Mittelpunkt, eine umsichtige und pragmatische Person, die versucht, ihre durchaus vorhandene Emotionalität im Verborgenen auszuleben, was nicht immer gelingt. Nachdem sich die Männer der Familie - Vater und Bruder - zunächst nicht aus dem Krieg zurückmelden, sieht Rike sich gezwungen, das Zepter in die Hand zu nehmen und erste Schritte zu tätigen, um das ehemals große Modekaufhaus, das zu großen Teilen in Besitz der Familie Thalheim wieder, zumindest in kleinerem Format wieder auferstehen zu lassen. Auch nach der Rückkehr ihres Vaters aus der Gefangenschaft bleibt sie am Ball.
Doch auch die Entwicklungen, in diesen ersten Jahren also hauptsächlich die Sorgen und Nöte weiterer Protagonisten, der beiden Schwestern, der Stiefmutter sowie anderer Familienmitglieder und Freunde kommen nicht zu kurz und wir dürfen mit Familie Thalbach den allmählichen Wiederaufbau Westberlins, aber auch die entgültige Spaltung Deutschlands in Ost und West erleben.
Brigitte Riebe ist promovierte Historikerin und hat ein Händchen dafür, spannende und interessante, oft vergessene reale Alltagsereignisse der von ihr jeweils geschilderten Zeitspanne in den Handlungsverlauf einzubauen: Eine "Spezialität", die ich ganz besonders genieße.
Also ein richtiggehender Lesegenuss, bei dem mir einzig die etwas zu zahlreichen Zufälle, die immer wieder vor allem Rikes Schicksal bestimmten und ihm eine neue Wendung gaben, des Guten zu viel waren.
Insgesamt jedoch ein Roman, der in mir ein warmes, wohliges Gefühl interlässt, weil es so viele meiner (Lese-)Bedürfnisse befriedigt hat: eindringliche Charaktere, literarischer und historischer Anspruch, gute Unterhaltung, ein angenehmer, nicht zu gefällige Stil, der etwas erfrischend Freches an sich hat - ein gelungener Start in die Trilogie , der mir den Einstieg in den nasskalten Herbst versüßt hat. Schon jetzt bin ich mehr als gespannt auf Band 2 und 3 - also auf die lebenshungrige, spontane Silvie und die verträumte, künstlerisch begabte Florentine, zumal die Autorin in Band 1 zum Ende hin mit nicht nur einem Cliffhanger aufwartet.