Profilbild von Havers

Havers

Lesejury Star
offline

Havers ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit Havers über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 03.11.2018

Und jeder hat eine Mission

Teuflische Saat
0

Wer kennt sie nicht, die Bilder aus dem Südsudan, die uns mit den Nachrichten ins Haus geliefert werden. Ein Land, vom Krieg verwüstet. Lager, in denen Flüchtlinge unter menschenunwürdigen Zuständen hausen. ...

Wer kennt sie nicht, die Bilder aus dem Südsudan, die uns mit den Nachrichten ins Haus geliefert werden. Ein Land, vom Krieg verwüstet. Lager, in denen Flüchtlinge unter menschenunwürdigen Zuständen hausen. Hunger und Elend. Kein Land, in das man freiwillig reisen würde. Es sei denn, man hätte eine Mission zu erfüllen.

Wie George Bartholomew, Leutnant der Royal Air Force, der dort einen Drohnenangriff auf ein ziviles Ziel vertuschen will. Er sucht nach den Überresten des Schrapnells, um die Urheberschaft der Bombe zu verschleiern. Angetrieben von der Furcht vor ernsthaften Konsequenzen macht er sich trotz gesundheitlicher Probleme auf den Weg. Aber zu seinem Leidwesen entwickelt sich diese Expedition nicht wie geplant.

Oder wie der englische Botaniker Gabriel Cockburn, der nach der Intervention eines Kollegen davon besessen ist, eine ganz spezielle Pflanze im Südsudan aufzutreiben. Falls er diese nicht findet, sieht er sein bisheriges Forschungsprojekt in Gefahr. Aber dazu muss der egozentrische Wissenschaftler nach Afrika reisen.

Vor Ort wird letzterer von einer jungen Frau unter die Fittiche genommen, die sich ihm als Führerin anbietet. Die junge Sudanesin hat Schreckliches gesehen, aber überlebt. Doch nun ist auch sie auf einer Mission und verfolgt schlussendlich ganz andere Ziele, als Cockburn zu seiner seltenen Pflanze zu bringen.

„Teuflische Saat“, der vierte Roman des Südafrikaners Andrew Brown, wird zwar als Thriller beworben, aber das ist er beileibe nicht. Dafür hat die Story viel zu viele Längen, ist schwerfällig und kommt kaum in die Gänge. Es ist ein politischer Roman, und auch der Autor verlangt offensichtlich von sich, eine Mission zu erfüllen. Er möchte uns Lesern für die Lage im Südsudan sensibilisieren. Aufzeigen, was in dem afrikanischen Land geschieht, wer die Geschäfte macht und von ihnen profitiert. Zumindest das ist ihm gelungen, denn auch wenn der Bürgerkrieg im Südsudan weit entfernt erscheint und als afrikanisches Problem abgetan wird, tragen doch die westlichen Regierungen durch ihre Waffenlieferungen durchaus dazu bei, dass er nicht so schnell beendet wird. Aber dann könnten ja auch die Rüstungsfirmen keine Geschäfte mehr machen!

Veröffentlicht am 03.11.2018

Hochspannung und Drama

Ins Dunkel
0

„Ins Dunkel“ ist nach „Hitze“ (Originaltitel „The Dry“) der zweite Thriller Jane Harpers, australische Autorin mit englischen Wurzeln, die für ihr Debüt mit dem CWA Golden Dagger ausgezeichnet wurde. Und ...

„Ins Dunkel“ ist nach „Hitze“ (Originaltitel „The Dry“) der zweite Thriller Jane Harpers, australische Autorin mit englischen Wurzeln, die für ihr Debüt mit dem CWA Golden Dagger ausgezeichnet wurde. Und wie bereits der Vorgänger, für den sich Reese Witherspoon die Filmrechte gesichert hat, schreit auch „Ins Dunkel“ geradezu nach einer Verfilmung.

Aaron Falk, dem Leser im Idealfall bereits aus dem ersten Band bekannt (obwohl dessen Kenntnis für das Verständnis nicht unbedingt notwendig ist), ermittelt mit seiner Kollegin Carmen Cooper im Fall der verschwundenen Alice Russell, einer jungen Frau, die für ihn als Informantin tätig ist. Ihr Arbeitgeber, die Wirtschaftsprüfungskanzlei BaileyTennants, steht unter dem Verdacht der Geldwäsche. Und genau diese Kanzlei hat fünf ihrer Mitarbeiterinnen zum Zwecke der Teambildung auf eine Trekking-Tour in die Giralang-Berge geschickt, lediglich mit Kompass, Landkarte und Handy ausgerüstet und auf sich allein gestellt: die Chefin Jill sowie die Kolleginnen Lauren, Breanna , Beth und Alice – allesamt Städterinnen, die in der Konfrontation mit der unwirtlichen Natur des Buschlands sehr schnell an ihre Grenzen gelangen. Was als harmloses Outdoor-Abenteuer geplant war, entwickelt sich zu einem Albtraum, der den Frauen nicht nur physisch sondern auch emotional alles abverlangt.

Die Kapitel sind relativ kurz und springen zwischen den beiden Gruppen und zwei zeitlichen Ebenen hin und her, zum einen dem Handlungsstrang rund um Falk und Cooper in der Gegenwart, zum anderen der Tour der Frauen in der Vergangenheit. Gepaart mit zahlreichen fiesen Cliffhangern erzeugt das eine hoch spannende, ja dramatische Story mit durchgängig hohem Tempo, die den Leser kaum zu Atem kommen lässt. Da stört es auch kaum, dass die gruppendynamischen Prozesse, die fernab jeglicher Zivilisation das Verhalten der Frauen zunehmend verändern, das eine oder andere Mal an Goldings „Herr der Fliegen“ erinnern. Auch Autoren brauchen schließlich Vorbilder...

Veröffentlicht am 03.11.2018

Dunkles Manchester

Dreckiger Schnee
0

„Dreckiger Schnee“, das Debüt des englischen Autors Joseph Knox, wird von der britischen Tageszeitung „The Guardian“ mit Ian Rankins Edinburgh-Krimis auf eine Stufe gestellt. Nicht die schlechteste Referenz, ...

„Dreckiger Schnee“, das Debüt des englischen Autors Joseph Knox, wird von der britischen Tageszeitung „The Guardian“ mit Ian Rankins Edinburgh-Krimis auf eine Stufe gestellt. Nicht die schlechteste Referenz, aber dennoch gewagt, denn Rankin ist, zumindest für mich, das Maß aller Dinge in der Gattung des „Urban Noir“.

Manchester als Handlungsort ist interessant, wurde die Stadt doch noch nicht zig Mal in Krimis/Thrillern beackert (mir fällt hier nur die Mark Heckenburg-Reihe von Paul Finch ein). Ist aber eigentlich auch egal, könnte auch Buxtehude sein, denn die Unterwelt funktioniert überall nach den gleichen dreckigen Regeln. Im Zentrum der Handlung DC Aidan Waits, kein strahlender Held, sondern ein abgestürzter Polizist, der Drogen konsumiert und auch dem Alkohol nicht abgeneigt ist. Aber gerade diese Eigenschaften prädestinieren ihn nach Meinung seiner Vorgesetzten für einen Undercover-Job im Drogenmilieu. Isabell, Tochter eines hochrangigen Politikers, ist verschwunden und hat sich offenbar mit Zain Carver zusammengetan. Großdealer, ein schlimmer Finger, der immer wieder minderjährige Mädchen für seine schmutzigen Geschäfte einspannt. Sie verschwinden spurlos von der Bildfläche, bleiben unter dem Radar, und sollten sie doch wieder auftauchen, sind sie üblicherweise tot. Keine leichte Aufgabe für Waits, denn wie er bei seinem Ausflug in Manchesters Unterwelt feststellen muss, hat er es nicht nur mit den Drogenbossen zu tun. Denn es geht nicht nur um verschwundene Mädchen sondern auch um korrupte Politiker und bestechliche Kollegen.

Flüssig geschrieben, Spannung ab Beginn, ordentlich Tempo in der Geschichte, interessantes Personal, eine Hauptfigur mit Kanten und zahlreichen Narben auf der Seele. Sympathisch, mitfühlend, der aber auch ordentlich zulangen kann, wenn’s denn sein muss. Und sein muss es oft. Für meinen Geschmack insgesamt etwas zu ausschweifend erzählt, hier hätte man ohne Probleme das eine oder andere Mal den Rotstift ansetzen können, um die Handlung zu straffen.

Aber dennoch ist „Dreckiger Schnee“ alles in allem ein guter, solider Reihenauftakt, der zwar noch Luft nach oben hat, aber hoffen lässt. Denn auch Ian Rankin benötigte für seine Rebus-Krimis eine gewisse Anlaufzeit, bis sich deren Qualität entfaltete.

Veröffentlicht am 03.11.2018

Nichts währt ewig

Mittagsstunde
0

„Mittagsstunde“ ist ein Heimatroman. Wer allerdings idyllischen Kitsch à la Förster-im-Silberwald erwartet, wird enttäuscht sein. Ihr geht es eher darum zu zeigen, was das dörfliche Leben ausmacht und ...

„Mittagsstunde“ ist ein Heimatroman. Wer allerdings idyllischen Kitsch à la Förster-im-Silberwald erwartet, wird enttäuscht sein. Ihr geht es eher darum zu zeigen, was das dörfliche Leben ausmacht und wie es sich im Lauf der Jahre verändert hat.

Brinkebüll, in kleines Dorf in Nordfriesland. Ingwer Feddersen ist dort geboren, aufgewachsen und weggegangen, hat studiert, lebt jetzt in einer Dreier-WG in Kiel und kommt an den Wochenenden zurück, um seine mittlerweile tütteligen Großeltern zu versorgen. Mit seinen Augen sehen wir auf die Veränderungen, den Wandel, der auch vor Brinkebüll nicht Halt gemacht hat. Er ist ein Wanderer zwischen zwei Welten, der sich in keiner der beiden richtig heimisch fühlt. Da ist einerseits das großstädtische Leben, in dem jeder für sich ist, andererseits aber auch der dörfliche Kokon, in dem jeder von jedem alles weiß. Wer Frau und Kinder schlägt oder nicht ganz richtig im Kopf ist. Wo man die Eigenheiten des anderen kennt und toleriert. Ein Ort der Sicherheit, Beständigkeit.

Aber nichts währt ewig, es ist die große Flurbereinigung in den sechziger Jahren, die die Moderne einläutet. Äcker werden begradigt, neu verteilt, zusammengelegt, um die Bewirtschaftung zu optimieren. Ein Schlag mit der Axt, der alte Strukturen aufbricht, Vertrautes verschwinden lässt, das Leben im Geestdorf nachhaltig verändert.

Ein Roman über Verwurzelung, über Kindheit und Erwachsenwerden, über Weggehen und Heimkommen. Nie sentimental, aber immer mit einem melancholischen Blick auf das, was verloren ist. Um mit Joni Mitchell zu sprechen: „Du weißt nicht, was du hattest, bis es verschwunden ist…sie haben das Paradies gepflastert und einen Parkplatz daraus gemacht“ (übersetzte Textzeile aus: Big yellow taxi).

Veröffentlicht am 25.10.2018

Die Cevennen müssen brennen

Brennende Cevennen
0

„Urlaubskrimis“ gibt es wie Sand am Meer, speziell Frankreich hat es offenbar nicht nur den Autoren sondern auch den Lesern angetan. Besonders seit den Erfolgen von Jean-Luc Bannalecs Bretagne-Krimis wird ...

„Urlaubskrimis“ gibt es wie Sand am Meer, speziell Frankreich hat es offenbar nicht nur den Autoren sondern auch den Lesern angetan. Besonders seit den Erfolgen von Jean-Luc Bannalecs Bretagne-Krimis wird der Buchmarkt regelrecht mit Krimis überschwemmt, deren Handlungsorte bei unseren westlichen Nachbarn verortet sind. Ein weißer Fleck auf der Landkarte war bis vor Kurzem das Département Ardèche, aber mittlerweile ist auch diese Lücke durch Anne Chaplet aka Cora Stephan geschlossen, die sich für ihre neue Krimireihe mit der ehemaligen Anwältin Tori Godon das Vivarais am Fuße der Cevennen ausgesucht hat.

Eine faszinierende, geschichtsträchtige Gegend, in der Chaplet seit vielen Jahren lebt. Geprägt von den Hugenotten und den Kamisardenkriegen, ehemals das Zentrum der Seidenspinnerei. Eine Landschaft mit Höhlen, der Garrigue und undurchdringlichen Wäldern, Schaf- und Ziegenherden, kleinen Dörfern, in denen die Zeit stehengeblieben scheint. Wie in Belleville.

Doch manchmal kann die ländliche Idylle auch trügerisch sein, so auch in Chaplets „Brennende Cevennen“, dem zweitem Band um und mit Tori Godon, in dem eine Reihe von mysteriösen Wald- und Weidebränden Keile zwischen die Alteingesessenen und die zugezogenen Aussteiger, „Expats“ wie Chaplet sie verständnisvoll nennt, treibt. Es gilt den Schuldigen zu finden, ehe es weitere Todesopfer gibt und noch mehr Menschen zu Schaden kommen. Müssen die Cevennen tatsächlich brennen, damit die Zugezogenen verschwinden? Das Zusammenleben schien doch relativ konfliktfrei zu funktionieren? Aber dann wird auch Tori mittels eines einen anonymen Drohbriefs direkt angegangen. Sie, die sich über das französische Erbe ihres Mannes mit dem Dorf und seinen Bewohnern identifiziert. Gemeinsam mit Nico, einem Freund und ehemaligen Drogenfahnder, versucht sie Licht ins Dunkel zu bringen und Schaden von ihrer neuen Heimat abzuwenden.

Anne Chaplet liebt ihre zweite Heimat, hat viel Sympathie für die knorrigen Bewohner, die in weiten Bereichen so unzugänglich wie die Landschaft sind. Die Krimihandlung ist zwar in weiten Teilen so lala, ziemlich beliebig und kann mich nicht recht überzeugen. Was aber bereits in Band 1 „“Tiefe Schluchten“ mein Interesse geweckt hat, sind die Informationen zur Historie, die sie gekonnt in die Handlung einarbeitet und die dazu animieren, sich in die Geschichte dieser Region zu vertiefen. Im Idealfall natürlich vor Ort!