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Veröffentlicht am 12.11.2018

Diesmal mit recht viel Tiefgang

Kluftinger
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Kommissar Kluftinger wohnt in Altusried im Allgäu und arbeitet bei der Kriminalpolizei im nahen Kempten. Er ist ein recht konservativer, spießiger und manchmal auch sperriger Charakter - aber ...

Kommissar Kluftinger wohnt in Altusried im Allgäu und arbeitet bei der Kriminalpolizei im nahen Kempten. Er ist ein recht konservativer, spießiger und manchmal auch sperriger Charakter - aber ein guter Ermittler. Die Leser dieser Kult-Krimis kennen schon lange eine Vorliebe für Käsespätzle, für faule Abende auf dem Sofa und seine Sparsamkeit. Und seine Zuneigung zu seiner Frau Erika und zu seinem Sohn Markus, dessen Ehefrau Yumiko und der neue Augenstern ist der gerade erst geborene Enkelsohn.

Was man bisher nicht kannte, war der Vorname von Kluftinger. Seine Kollegen nennen ihn Klufti und seine Frau nur Butzele. Aber in diesem Band der Reihe wird das Geheimnis um seinen Vornamen gelüftet. Dieser steht nämlich Allerheiligen auf einem Holzkreuz, das ein frisch aufgeschüttetes Grab ziert - obwohl es gar keine Beerdigung gab. Und Kluftinger selbst steht fassungslos daneben. Hat er Feinde? Trachtet ihm jemand nach dem Leben?

Zunächst wehrt Kluftinger auf seine unnachahmlich grummelig-verstockte Art alles an Nachforschungen ab. Aber seine Kollegen lassen keine Ruhe. Und so muss Kluftinger weit zurück in seine eigene Vergangenheit als junger Bub in Altusried zurückreisen. Und zu einer Sache, die er längst vergessen geglaubt hatte. Die ihn aber immer noch innerlich beschäftigt.

In diesem Band erfährt man eine Menge Neues über Kluftinger. Seine Jugend, seine ersten Schwärmereien, die Gründe für seine Berufswahl und natürlich der Beginn seiner Liebe zu Erika werden geschildert. Danach weiß man zwar immer noch nicht so richtig. warum Kluftinger (trotz gegenteiliger Vorsätze) doch so geizig geworden ist wie sein Vater und warum eine so hübsche und selbstbewusste Frau wie Erika im Endeffekt als Ehefrau und Nur-Hausfrau eines doch recht geizigen Kommissars enden sollte wird - aber zumindest letzteres versteht Kluftinger selbst nicht. Aber Erika und er lieben sich - also alles in Ordnung. Oder Priml - wie Kluftinger sagen würde.

Leider verliert der Kriminalfall (oder die Fälle...) durch diese ganzen Geschichten ein wenig an Struktur. Einiges wird nicht aufgeklärt. Vielleicht im nächsten Band?

Veröffentlicht am 08.11.2018

Eine lange Kneipennacht

Schwabinger 7
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Eine lange Kneipennacht
Die Schwabinger 7 ist eine legendäre Kneipe in Schwabing. Eher Spelunke als schick - und das im ansonsten sehr schicken München.


Hier treffen sich meist die immer gleichen Menschen, ...

Eine lange Kneipennacht
Die Schwabinger 7 ist eine legendäre Kneipe in Schwabing. Eher Spelunke als schick - und das im ansonsten sehr schicken München.


Hier treffen sich meist die immer gleichen Menschen, oft wohnen sie in der Nachbarschaft. Und die Kneipe ist quasi ihr zweites Wohnzimmer. Meist lieber aufgesucht als das Wohnzimmer der eigenen Wohnung. Denn viele der Menschen hier sind einsam. Und fühlen sich nur in der Kneipe wohl und wahrgenommen.

Es kommen immer einmal neue Gäste in die Kneipe - und die können das Gefüge verändern.
So lernen sich an diesem Abend Alphons und Melanassia kennen - zwei verletzte Seelen. Werden sie einander Halt geben können? Und wird Luise, das ewige Mauerblümchen, endlich jemanden finden für die so gewünschte Nähe? Und wird der Sandro, der Frauentyp, auch diesmal erfolgreich sein? Und was hat es mit dem Punk und dem Lodenträger auf sich, die sich nur hier treffen können? Und was ist mit Cordula, der erfolgreichen Karrierefrau, die zunehmend merkt, dass ihr eine Beziehung fehlt?

Alles wird untermalt von der stets passenden Musik des DJs und zusammengehalten von der Kellnerin, die nicht nur das Chaos beherrscht - sondern auch einen Blick für die Befindlichkeiten der Gäste. Und stets das richtige Getränk zur Stimmungslage.

Wer schon einmal eine lange Nacht in einer Kneipe verbracht hat, erst im Morgengrauen nach Hause gegangen ist, mit bis dahin komplett unbekannten Personen über hoch-philosophische Themen an der Theke diskutiert hat und/oder sich in einer solchen Nacht ansatzweise verliebt hat (oder zumindest dachte, dass es Liebe sein könnte...), der wird dieses Buch lieben.
Die Stimmung in einer solchen Kneipe und in einer solchen Nacht wird perfekt eingefangen. Und jeder wird schon einmal jemanden kennengelernt haben, der einem der geschilderten Typen ähnelt.

Mir hat das Buch sehr gut gefallen - und an manche schöne Nacht in einer Kneipe erinnert.

Veröffentlicht am 14.08.2018

Schon bei ihrem Debüt zeigte Jane Gardem ihr Talent

Weit weg von Verona
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essica Vye ist eine 12 jährige Schülerin aus einem englischen Badeort. Es ist mitten im 2. Weltkrieg und eine Gasmaske müssen die Schülerinnen immer mit sich führen. Gleichzeitig verbringen sie die Nächte ...

essica Vye ist eine 12 jährige Schülerin aus einem englischen Badeort. Es ist mitten im 2. Weltkrieg und eine Gasmaske müssen die Schülerinnen immer mit sich führen. Gleichzeitig verbringen sie die Nächte oft im Luftschutzbunker und tagsüber gibt es nur einen engen Aktionsradius, da man im Falle von Luftangriffen immer wissen muss, wo man vermisste Menschen suchen soll.

Aber trotz Krieg geht das Leben weiter. Jessica muss zur Schule, muss mit den (etwas unkonventionellen) Lebensumständen ihrer Eltern zurecht kommen, sich über ihren kleinen Bruder ärgern, sich mit ihren Klassenkameradinnen verstehen und sich überhaupt im Leben zurecht finden. Und den Übergang von der Kindheit in die Jugend schaffen.
Und da Jessica sehr gewitzt, intelligent und scharfsinnig ist - und außerdem sehr ehrlich - eckt sie öfter an. Sie ist so gar nicht das brave Mädchen, was sie zu dieser Zeit eigentlich sein sollte. Und so bekommt sie so manchen Verweis in der Schule. Aber es gibt auch Menschen und Lehrer in ihrem Leben, die ihre Begabungen erkennen und sie fördern.

Dieses Buch über eine unkonventionelle Heldin war das Debüt von Jane Gardem. Erscheint aber jetzt erst auf Deutsch. Übersetzt von Isabel Bogdan ("Der Pfau") die den Stil von Jane Gardem wunderbar ins Deutsche übertragen konnte. Diesen speziellen britischen Humor, diese Lakonie, dieses leicht Freche, dieses anscheinend so leichte Erzählen - das jedoch auch die ganze Tragik eines Lebens zeigen kann.

Nachdem ich die Trilogie "Ein untadeliger Mann", "Eine treue Frau" und "Letzte Freunde" mit Begeisterung gelesen habe, wollte ich unbedingt lesen, wie Jane Gardem am Anfang ihrer Schriftstellerkarriere geschrieben hat. Und ich muss sagen: Es war schon alles da, was Jane Gardem so besonders macht. Wenn natürlich auch in der Trilogie mehr Inhalt enthalten ist.

Ich bin sehr froh, dass der Schriftstellerin spät (aber besser als nie) auch in Deutschland inzwischen die Aufmerksamkeit gewidmet wird, die sie verdient.

Veröffentlicht am 05.07.2018

Eine Tochter, berühmte Eltern und die Suche nach einem Zuhause

Die Unruhigen
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"Vielleicht brauchten beide, Mama und Papa, einen Vater. Jemanden, der sich ihrer annahm, wenn sie sich verlaufen hatten und nach Hause sehnten.
Oder sie brauchten eine Hausfrau. Künstler brauchen Hausfrauen" ...

"Vielleicht brauchten beide, Mama und Papa, einen Vater. Jemanden, der sich ihrer annahm, wenn sie sich verlaufen hatten und nach Hause sehnten.
Oder sie brauchten eine Hausfrau. Künstler brauchen Hausfrauen" (S. 305)

Ein Mädchen wird 1966 unehelich geboren. Das war damals noch ein Skandal. Aber ihre Elten kümmert das wenig, sie sind Künstler, leben in ihrer eigenen Welt - und sind nicht geschaffen für das normale Alltagsleben: "Keiner der beiden konnte kochen; vielleicht einer der Gründe dafür, dass sie nicht in der Lage waren, weiter zusammenzuleben (...) keiner der beiden konnte bügeln oder den Fußboden putzen, keiner von ihnen wusste, wie man sich um ein Kind kümmert, ich spreche nicht von Liebe, Liebe hatten sie, ich spreche von der Arbeit, ich spreche von dem, was sich daraus ergibt, ein Heim einzurichten und eine Familie zu gründen (...). (S. 304).

Das Mädchen wächst also sehr unstet auf, zunächst in Schweden, dann in Oslo, später auch in den USA. Ihre Mutter ist eine weltbekannte Schauspielerin und reibt sich auf zwischen Arbeit, künstlerischem Anspruch, Geldverdienen und Kindererziehung. Ihr wird es angekreidet, dass sie keine Vollzeitmutter ist und das Kind oft von Kindermädchen betreut wird.
Der Vater dagegen ist völlig gefeit vor solchen Vorwürfen - er hätte sie sich wohl auch nicht zueigen gemacht. Er hat 9 Kinder von 6 Frauen und verbietet sogar seiner letzten Frau Ingrid (diese ist dann wirklich zum ersten Mal eine "Hausfrau" und keine Künstlerin) ihre anderen 3 Kinder mit ins gemeinsame Heim zu bringen. Nur eine Tochter (Maria) darf zeitweise bei ihnen wohnen (wie sich erst später herausstellt, ist sie auch eine frühe, uneheliche Tochter des späteren Ehemanns).

Einmal im Jahr, im Sommer, verbringen das Mädchen und einige andere Kinder des Vaters einige Ferienwochen auf der Insel Farö, dem Sommerdomizil des Vaters. Eigentlich war das Domizil für das Mädchen und seine Mutter und den Vater gebaut worden, aber jetzt wohnt dort der Vater mit Ingrid, seiner letzten Ehefrau. Obwohl es sich nach Inselromantik und unbeschwerten Sommerwochen anhört, so gibt es doch für alle strenge Regeln. Und der Vater schreibt im Sommer - und darf nicht gestört werden. Dies alles erinnert sehr stark an die Erinnerungen der Kinder von Thomas Mann. Auch er ein sehr begabter Künstler - aber im täglichen Leben musste Ordnung herrschen.

Hier ist aber von Ingmar Bergman die Rede, dem weltberühmten Regisseur. Und die Mutter ist Liv Ullmann, die einmal einige Jahre mit Bergman liiert war - aber nie verheiratet. Und die Tochter ist Linn Ullmann, heute eine bekannte und bedeutende Autorin.

Dieses Buch ist ein Roman - einiges ist wohl fiktiv - aber es ist auch eine autobiographische

Veröffentlicht am 14.06.2018

Morde in Australien - und die Spuren führen nach Deutschland

Die Schlingen der Schuld
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Daniel Clement ist Detective und hat lange in Perth in Westaustralien gelebt und gearbeitet. Und er wollte nie in seine Heimatstadt Broome zurück. Als sich jedoch seine Frau von ihm trennte und mit der ...

Daniel Clement ist Detective und hat lange in Perth in Westaustralien gelebt und gearbeitet. Und er wollte nie in seine Heimatstadt Broome zurück. Als sich jedoch seine Frau von ihm trennte und mit der gemeinsamen Tochter nach Broome zurückzog, hat sich auch Clement zum Umzug entschlossen. Denn er möchte seiner Tochter so nah wie möglich sein - und gleichzeitig hängt er noch an seiner Ex-Frau.


Broome selbst liegt sehr idyllisch am Ozean und ist ein beliebter Urlaubsort - aber beruflich scheint sich Clement weitab vom Schuss zu befinden, ist die nächste Großstadt doch mehr als 2.000 Kilometer entfernt.
Aber dann passiert ein rätselhafter Mord an einem Deutschen, der schon lange in der Gegend lebt. Und schon ist Clement wieder eingespannt in eine Mordermittlung, die sich als sehr schwierig erweist. Zunächst laufen alle Ermittlungen ins Leere - aber irgendwann scheint sich doch ein Muster zu ergeben.
Und zwischendurch kämpft Clement mit privaten Problemen. Und mit den riesigen Entfernungen in Australien, die die Ermittlungsarbeit nicht gerade erleichtern.

Es gibt in diesem Buch viel Sonne, viel Hitze, viele idyllische Strände mit gar nicht so idyllischen Vorkomnissen, viel Outback und viele Wasserstellen mit vielen Krokodilen. Und am Schluss kumuliert alles zu einem mächtigen Showdown inmitten eines Zyklons.

Dieser Krimi ist sehr spannend geschrieben, gut komponiert und bietet neben ganz viel Lokalkolorit auch einen Nebenschauplatz in Deutschland. Und einen Blick hinter die Kulissen des nur auf den ersten Blick entspannten Lebens in Australien. Und es gibt durchaus Tragik und Sozialkritik.

Ich persönlich mag diese Kombination sehr - ich lese aus diesem Grunde auch skandinavische Krimis sehr gerne. Und Australien ist sowieso ein Traumland von mir.

Daher war ich begeistert - und freue mich schon auf weitere Fortsetzungen der Reihe. Wenn auch die Australien-Krimis von Gerry Disher immer noch ein klein wenig besser sind...

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