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Veröffentlicht am 15.11.2018

Killer-Mom?

Ein Teil von ihr
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Andrea und ihre Mutter Laura geraten in einem Diner unversehens in eine Schießerei. Um ihre Tochter zu schützen, stellt sich Laura dem Angreifer in den Weg. Als die Szene später im Fernsehen zu sehen ist, ...

Andrea und ihre Mutter Laura geraten in einem Diner unversehens in eine Schießerei. Um ihre Tochter zu schützen, stellt sich Laura dem Angreifer in den Weg. Als die Szene später im Fernsehen zu sehen ist, glaubt Andrea ihren Augen nicht trauen zu können. Es sieht so aus, als habe ihre Mutter den Todesschützen ziemlich kaltblütig vom Leben in den Tod befördert. Und nun muss sich die 31jährige Andrea die Frage stellen, wer ihre Mutter eigentlich ist. Eine direkte Antwort wird sie so schnell nicht bekommen, denn ihre Mutter zwingt sie mit einem gestohlenen Auto quer durch Amerika zu fliehen.

Fast schon abenteuerlich könnte man den Weg Andreas durch die Staaten nennen, wenn es nicht so erschreckend wäre, was alles auf sie einstürzt. Ihr eigenes nichts sagendes Leben als Polizeidisponentin gerät durch die Ereignisse völlig aus den Fugen. Eigentlich hatte Andrea sich damit abgefunden, dass aus ihr nichts weiter werden wird, dass es keine Karriere für sie gibt, dass sie immer Schulden haben wird. Und ausgerechnet an ihrem Geburtstag stellt ihre Mutter alle Wahrheiten auf den Kopf. Wie konnte Laura einfach einen Menschen umbringen? Auch wenn sie nichts anderes wollte als ihre Tochter zu schützen.

Kennt man seine Eltern wirklich? Das Beispiel von Andrea und Laura ist vielleicht etwas extrem, aber wahrscheinlich haben viele schon mal etwas von den Eltern erfahren, mit dem sie nicht gerechnet hat und was das Bild, was sie von Vater oder Mutter hatten, doch sehr verändert. Schließlich waren auch die Eltern einmal jung und hatten möglicherweise andere Wünsche, Ziele oder Überzeugungen. Doch was Andrea erfahren wird, ist schon schwer zu verdauen. Da kommt sie auf die wildesten Gedanken, doch die Wahrheit ist so abstrus, dass sie in keiner Phantasie gedacht werden kann. Jedoch, auch in Andrea steckt etwas von ihrer Mutter, wodurch sie deren Handlungen wenigstens zum Teil verstehen kann. Und es muss sie geben, die Kinder, deren Eltern tatsächlich ganz anders waren als sie den Lieben erzählt haben. Kommt auch für sie die Stunde der Wahrheit, in der sich die Eltern offenbaren? Oder bleiben Dinge für immer ungesagt? Und gibt es die bessere Möglichkeit?

Neben einem packenden und überraschenden Thriller hat man hier ein Buch, dass einem den Gedanken eingibt, die eigenen Eltern mal nach dem zu fragen, was sie bisher nicht erzählt haben.

Veröffentlicht am 12.11.2018

Ewige Esche

Ein Reif von Eisen
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Der alte Morwa hat vier Söhne, doch keiner vereinigt alle Eigenschaften in sich, die sich Morwa für seinen Nachfolger vorstellt. Seine Tochter Sölva ist noch zu jung und eben eine Tochter. Und so zieht ...

Der alte Morwa hat vier Söhne, doch keiner vereinigt alle Eigenschaften in sich, die sich Morwa für seinen Nachfolger vorstellt. Seine Tochter Sölva ist noch zu jung und eben eine Tochter. Und so zieht Morwa selbst in die Schlacht, die die Reiche einen soll. In der Stadt der Raben, die um und in der heiligen Esche gebaut ist, wird Leyken gefangen genommen. Schon bald aber wird sie zu einer Art Edelgefangenen, die mehr Rechte hat als die anderen. Eigentlich hat sie alles außer ihrer Freiheit. Und so bemerkt sie auch, dass die Esche ihre alte Stärke verliert. Es heißt die vergessenen Götter zürnen. Und die Raunacht ist nahe.

Verschiedene Männer streben nach der Macht in einem Reich, das an seinen Rändern zerfasert. Zu satt sind die Menschen geworden, zu sehr sind sie an das gute Leben gewöhnt, die reichen Ernten, zu unbesorgt haben sie Raubbau an der Natur betrieben. Und nun zürnen die alten Götter, die aus Bequemlichkeit vergessen wurden. Da gibt es Dürren, wo sonst keine herrschen, und es gibt Regen, wo es sonst trocken ist. Das Gleichgewicht der Natur ist schon gestört und es scheint immer schlimmer zu werden. Können die Menschen dem noch etwas entgegensetzen, kann die Katastrophe vermieden werden?

In diesem ersten Band der Königschroniken werden die Protagonisten zunächst in ihrer Umgebung vorgestellt. Und die verschiedenen Landstriche werden beschrieben. Dies nimmt zwangsläufig etwas Zeit in Anspruch. Nach und nach erschließt sich allerdings, dass Handlungen und Personen alle irgendwie zusammenhängen, auch wenn sie sich nicht kennen oder begegnen. Man fragt sich, ob alle in der gleichen Zeit leben und auch, wer wen lenkt. In diesem ersten Band der Trilogie wird dies weder geklärt, noch wird erläutert, ob sich diese Frage überhaupt stellt. Dennoch verfolgt man mit immer größerer Anspannung wie sich der Ring um die Protagonisten immer weiter zuzieht. Das Interesse am Kaiserreich der Esche wird mit fesselnden Worten geweckt, wobei positiv hervorzuheben ist, dass zwei junge Frauen eine wichtige Rolle spielen.

Veröffentlicht am 10.11.2018

Unkonventionell

Schmerzensgeld
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Nach Jahren im Polizeidienst hat Silvio Cromm denselben verlassen. Nicht angewiesen auf das Geld teilt er seine Zeit zwischen der Geschäftsführung in einem der Restaurants der Familie und seiner Tätigkeit ...


Nach Jahren im Polizeidienst hat Silvio Cromm denselben verlassen. Nicht angewiesen auf das Geld teilt er seine Zeit zwischen der Geschäftsführung in einem der Restaurants der Familie und seiner Tätigkeit für die Gesellschaft für unkonventionelle Maßnahmen auf. Letzte wurde gegründet, um den kleinen Leuten zu ihrem Recht zu verhelfen. Der alten Dame, die durch einen gestellten Unfall viel Geld verloren hat, oder auch den Anlegern, die durch Bankberater zu riskanten Investitionen überredet wurden und bei den beginnenden Verlusten im Stich gelassen wurden. Inzwischen hat jedoch auch die Polizei Wind von den Machenschaften der Gesellschaft bekommen und bei dem dortigen Kommissar Dreier bestehen Zweifel an der Legalität der Aktivitäten von Cromm und seinen Mitgesellschaftern.

Ein durchaus frecher Ansatz für die Gesellschaft für unkonventionelle Maßnahmen. Irgendwie nehmen sie das Recht in die eigenen Hände, wobei die Rechtmäßigkeit der Aktionen durchaus manchmal bezweifelt werden kann. So wie dem Kommissar Dreier recht schnell der Gedanke an Selbstjustiz kommt, so schnell kann man sich des Gedankens nicht erwehren, dass es denen, auf die es die Gesellschaft abgesehen hat, einfach recht geschieht. Schließlich gibt es viele, die das System ausnutzen und damit durchkommen, während die eigentlich Geschädigten ziemlich dumm dastehen und vom sogenannten Rechtsstaat wenig Hilfe bekommen. Schön jedenfalls, dass man sich sowohl größerer als auch kleinerer Fälle annimmt.

So ganz kann der Autor Michael Opoczynski seinen Hintergrund als Wirtschaftsjournalist nicht verleugnen. Als TV-Moderator wird er vielen Lesern wohlbekannt sein. Indem er seinen ersten Roman nicht unter einem anderen Pseudonym veröffentlicht hat, hat er sich eine eigene Messlatte gesetzt. Zum Glück kann man nach der Lektüre sagen, sie war nicht zu hoch und sie wurde auch nicht gerissen. Mit flinken Worten zeichnet der Autor seine unkonventionelle Gesellschaft, gewitzt hangeln sich die Gesellschafter am Rande der Legalität entlang und stellen die Täter bloß und verschaffen den Opfern wenigstens ein Gefühl von Gerechtigkeit. Man wünschte sich, in der Wirklichkeit möge es auch solche Helfer geben, doch man wird weiter auf das vorhandene Recht hoffen müssen.

Ein gelungenes Debüt über eine zusammengewürfelte Gesellschaft der Aufrechten, die den Abgehängten zu Beachtung verhelfen.

Veröffentlicht am 09.11.2018

Bremer Jung

Kronhardt
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Um den Tod seines Vaters hat es immer ein Rätsel gegeben. Doch der Unternehmersohn Willem Kronhardt hat die Erklärung, es habe sich um eine Embolie gehandelt akzeptiert. Was er allerdings nicht ohne Weiteres ...


Um den Tod seines Vaters hat es immer ein Rätsel gegeben. Doch der Unternehmersohn Willem Kronhardt hat die Erklärung, es habe sich um eine Embolie gehandelt akzeptiert. Was er allerdings nicht ohne Weiteres anerkennt, ist der Wunsch der Mutter ihn zum rechten Firmenerben zu formen. Willem zieht es nicht in die Kunststickerei in Bremen, die den zweiten Weltkrieg erstaunlich unbeschadet überstanden hat. Lieber freundet er sich mit Jungen aus dem einfachen Volk an oder verfolgt später reaktionäre Ideen. Zur großen Freude der Mutter bringt Willem schließlich doch eine Frau nach Hause, die Mutter und Stiefvater gefällt. Bald stellt sich heraus, dass Barbara ihren Kopf sehr wohl durchzusetzen weiß.

Auch wenn oberflächlich betrachtet, der Tod des Vaters in seinem erwachsenen Leben keine so große Rolle mehr spielt, haben sie Ereignisse Willem nie losgelassen. Der Gedanke, der schon damals aufkam, es könne sich um Mord gehandelt haben, ist während der ganzen Zeit in seinem Hinterkopf geblieben. Die Umtriebe der Mutter ekeln Willem manchmal an, dennoch kann er sich auch nicht völlig von seinem Elternhaus lösen. Einem Studium in Berlin zieht er die Naturwissenschaften vor. Tatsächlich kann er seinen Abschluss in Wirtschaft für eine Halbtagsstelle in der elterlichen Firma nutzen. Sein stiller Protest findet eher in der anderen Tageshälfte statt.

Ein beinahe lebensumspannender Roman, der die frühen Nachkriegsjahre aus Sicht des jungen Willem erzählt, die Zeit des Wirtschaftswunders, der 68er, des Terrorismus und später die ruhigeren Gefilde der mittleren Jahre. Irgendwie rebelliert Willem, aber nur ein bisschen. Die Bequemlichkeit, die sein Elternhaus bietet, mag er doch nicht missen. Und doch ist der Gedanke da, was wäre gewesen, wenn der Vater nicht gestorben wäre. Hätten sich die Eltern, die sich nicht besonders verstanden, getrennt? Wäre Willem beim Vater in der Schweiz geblieben? Gibt es doch etwas am frühen Versterben des Vaters, das Fragen aufwirft.

Bei einem Roman von über 900 Seiten sind ein paar Längen oder ein paar Passagen, deren Sinn sich nicht so gut erschließt, fast nicht zu vermeiden. Und doch fesselt dieser Lebensroman oder Todesroman gerade, wenn es um den jungen Willem bis zum Beginn des Studiums geht und später wenn er doch noch den Versuch startet, näheres über seinen leiblichen Vater herauszufinden. Auch die Manipulationen durch die Mutter bewirken einen Widerwillen gegen ihre Persönlichkeit. Und so geht es bei der Lektüre manchmal ab mal auf, gewisse Längen wechseln sich mit spannenden Abschnitten ab, welche schließlich dazu führen, dass auch 920 Seiten keine Abschreckung darstellen und der Roman in relativ kurzer Zeit bewältigt ist.

Veröffentlicht am 08.11.2018

Helden von Cork

Glorreiche Ketzereien
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Schon mit 15 hat Ryan Cusack das Gefühl, sein Leben geht den Bach runter. Sein Vater war schon immer ein Säufer und nach dem Tod der Mutter ist es für Ryan, den Ältesten, und seine fünf Geschwister auch ...

Schon mit 15 hat Ryan Cusack das Gefühl, sein Leben geht den Bach runter. Sein Vater war schon immer ein Säufer und nach dem Tod der Mutter ist es für Ryan, den Ältesten, und seine fünf Geschwister auch nicht besser geworden. Mit kleinen Dealereien versucht Ryan, zu etwas zu kommen. Obwohl eigentlich gut in der Schule, schafft Ryan den Rauswurf. Wie ein Licht in dieser Welt ist Ryans Freundin Karine. Doch eine Kette unerwartet schlimmer Ereignisse wird durch den eher zufälligen Totschlag ausgelöst, den Maureen, die Mutter des Gangsters Jimmy Phelan, begeht.

Über fünf Jahre wird der Absturz der Beteiligten, unter ihnen zuerst Ryan Cusack, gezeigt. Sie alle halten sich mit mehr oder weniger unsauberen Geschäften über Wasser, sie bezichtigen sich mehr oder weniger großer Sünden, sie haben grundsätzlich nicht Schuld und mit ihren Handlungen versuchen sie, das Schicksal zu ihren Gunsten zu wenden und erreichen doch das Gegenteil. Der wirtschaftliche Niedergang einer ganzen Stadt scheint sich in Cusacks kleiner Welt widerzuspiegeln. Sein Viertel mit Sozialwohnungen, Kleinkriminalität, Hoffnungslosigkeit und Armut. So garnicht passt das zu dem öffentlichen Bild von Cork, das eher einer heiteren, offenen und wohlhabenden Kommune entspricht. Bei aller Ausweglosigkeit, gibt es nicht immer Momente, in denen andere Entscheidungen getroffen werden können?

Trotz aller Düsternis weist dieser Debütroman von Lisa McInerney doch einige von dem für Cork anscheinen typischen Humor auf. Wenn Maureen den Einbrecher mit einer Heiligenstatue erschlägt, kann man sich ob der Absurdität kaum ein Grinsen verkneifen. Allerdings gefriert dieses schnell auf den Lippen, wenn man die weiteren Ereignisse in Betracht zieht. Irgendwie scheint es für die Protagonisten, die wahrlich nur kleine Helden sind, immer nur weiter abwärts zu gehen. Natürlich ist es schwer aus seinem Milieu herauszukommen, aber wenn man schon quasi einen Fuß draußen hat, warum zieht man den anderen nicht nach. Klar ist es schwierig, wenn man keine Unterstützung hat. Doch nimmt man zum Beispiel Ryan, dessen Geschichte in einem Folgeband weitererzählt wird, warum geht er nicht wieder zurück zur Schule, nur weil er dann ein paar Jahre älter ist? Wenn man wirklich raus will, ist das doch nicht das größte Problem.

Dieser Roman fesselt mit einer ausgesprochen düsteren Geschichte, bei der man den Protagonisten manchmal den Verstand zurechtschütteln möchte.