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Veröffentlicht am 22.11.2018

Das Schicksal der Verdingkinder

Die verlorene Schwester
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Durch Zufall erfährt die erfolgreiche Investmentbankerin Anna, dass sie adoptiert wurde. Sie ist sehr enttäuscht, dass ihre Adoptiveltern nicht ehrlich zu ihr waren und muss nun ihr neues Wissen erst einmal ...

Durch Zufall erfährt die erfolgreiche Investmentbankerin Anna, dass sie adoptiert wurde. Sie ist sehr enttäuscht, dass ihre Adoptiveltern nicht ehrlich zu ihr waren und muss nun ihr neues Wissen erst einmal verarbeiten. Sie erinnert sich daran, kürzlich einen Artikel über Verdingkinder gelesen zu haben. Daher macht sie sich an die Recherche, um herauszufinden, wer ihre Mutter ist und wer sie selbst ist.
Neben diesem Handlungsstrang erfahren wir die Geschichte von Lena und ihrer zwei Jahre älteren Schwester Marie, die in der Vergangenheit (1969) spielt. Da die Mutter der Schwestern nach dem Tod des Vaters depressiv wird und sich nicht richtig um die Mädchen kümmern kann, steckt die Fürsorge die beiden zunächst ins Heim und etwas später als Verdingkinder getrennt in Pflegefamilien.
Die Autorin hat einen sehr angenehm zu lesenden Schreibstil. Während mich der Handlungsstrang um Lena und Marie vollkommen in den Bann gezogen hat, konnte mich der Teil um Anna nicht so packen.
Einerseits konnte ich die Enttäuschung von Anna nachvollziehen, als sie erfährt, dass sie adoptiert ist. Doch mir war Anna nicht besonders sympathisch, da sie mit anderen nicht so besonders freundlich umging. Auch ihre Handlungen fand ich teilweise überzogen. Mit Lena und Marie konnte ich jedoch wirklich mitfühlen, denn ihr Schicksal ist wirklich tragisch. Dabei hat Lena den schlimmeren Part gehabt. Sie musste hart arbeiten und wurde misshandelt. Marie ging es in ihrer Pflegefamilie wesentlich besser. Doch dann wird sie schwanger.
Es ist erschreckend, wie die Kinder, die von der Schweizer Fürsorge als Verdingkinder in die Familien gegeben wurden, ausgenutzt, misshandelt und missbraucht wurden. Diese Fremdunterbringung begann 1800 und wurde bis in die 1980er Jahre so gehandhabt. Ähnliches gab es aber auch in Deutschland und Schweden. Besonders betroffen gemacht hat mich, dass diese schrecklichen Dinge noch so lange möglich waren.
Es ist ein sehr emotionaler Roman, der noch lange nachhallt.

Veröffentlicht am 20.11.2018

Ein beeindruckender Roman

Marlow
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Es ist erschreckend, wie schnell sich Deutschland, Berlin und die Menschen verändern. Das pulsierende Leben im Berlin der Zwanziger Jahre ist verschwunden und man hat das Gefühl, sich in einer grauen, ...

Es ist erschreckend, wie schnell sich Deutschland, Berlin und die Menschen verändern. Das pulsierende Leben im Berlin der Zwanziger Jahre ist verschwunden und man hat das Gefühl, sich in einer grauen, bedrohlichen Wolke zu befinden. Das bemerkt auch Charly, als sie feststellt, dass alles piefiger wird. Ihr hat man die Zukunft genommen und sie muss sich als Anwaltsgehilfin und Privatdetektivin durchschlagen. Frauen gehören halt an den Herd und haben Kinder zu gebären. Sie hadert mit allem und besonders damit, dass ihr Pflegesohn Fritze sich bei der HJ engagiert. Das nimmt sie ihm übel und lässt ihn das spüren, vor allem als der sich aufmacht zum Reichsparteitag nach Nürnberg.
Gereon Rath versucht sich mit den politischen Verhältnissen zu arrangieren und, auch wenn sie ihm nicht gefallen. Er ist inzwischen befördert worden, aber auch nicht zufrieden, da ihn Gennat nach dem letzten Fall ziemlich kaltgestellt hat. Nur noch unspektakuläre Fälle bekommt er zugeteilt. Als er zu einem merkwürdigen Verkehrsunfall gerufen wird, entdeckt er etwas, an dem er sich die Finger verbrennen könnte. Obwohl er dies Problem auf Rath-Art beseitigt, lässt ihm der Fall keine Ruhe, denn es gibt zu viel, das ihm seltsam vorkommt. Ein Besuch von Wilhelm Böhm bei den Raths bringt dann eine Sache in Gang, die viele aufschreckt und gefährlich wird. Auch Charlys Vergangenheit, die Volker Kutscher in „Moabit beschrieben hat und die Charly so beharrlich weggeschoben hat, spielt nun eine Rolle. Doch wie hängt die Vergangenheit mit dem jetzigen Fall zusammen? Auch als er zum LKA versetzt wird, lässt Gereon die Geschichte keine Ruhe.
Gereon ist froh, dass er schon ein Jahr lang nichts mehr von Marlow gehört hat, auch wenn ihm und seiner Familie die Geldspritzen fehlen. Doch diese Freude wird nicht anhalten, denn Marlow ist wieder in Berlin und wird auch Gereons Weg kreuzen. Johann Marlow ist wie ein Chamäleon. Er kann sich dem Umfeld gut anpassen, wenn es ihm und seinen Geschäften dient. Seine illegalen Geschäfte hat er abgestoßen und nutzt nun die Notlage anderer aus. Damit seine Aktivitäten nicht gestört werden, geht er auch über Leichen.
Zwischendurch erfahren wir in einem weiteren Handlungsstrang etwas aus der Vergangenheit der Familie Larsen, die im Großherzogtum Mecklenburg-Schwerin das Gut Altendorf besessen hat. Aus Tsingtau brachte der Vater eine Chinesin mit aufs Gut, die dann dort mit ihrem kleinen Sohn lebte.
Mir sind Rath und Familie ans Herz gewachsen, auch wenn ich Gereon manchmal schütteln möchte bei seinen sehr speziellen Aktionen. Aber er ist ein guter Kriminalist, der seine Fälle klären möchte, auch wenn seine Wege dorthin nicht immer ganz astrein sind. Ihn verbindet so viel mit Wilhelm Böhm, schade, dass sich die beiden nicht grün sind. Böhm imponiert mir, mit dem was er tut.
Gereon und Charly haben über die Zeit hin immer wieder Geheimnisse voreinander, was ihrer Ehe nicht unbedingt guttut. Wenn sie dann gezwungen werden, miteinander zu reden und offen zu sein, bahnt sich gleich wieder eine neue Geheimnistuerei an. Ganz besonders tut es mir für Fritze leid, der schon so viel hinter sich hat und nun in einem Alter ist, wo er Halt und Sicherheit braucht. Das finde er zwar teilweise bei der HJ, nicht aber im emotionalen Bereich.
Wie immer ist es Volker Kutscher ausgezeichnet gelungen, durch die vielen authentischen Details den Leser in die damalige Zeit zu versetzen. Wir erleben eine Zeit, in der man seine Meinung nicht äußern darf, Denunziantentum gang und gäbe ist, Recht und Gesetz keine große Bedeutung mehr haben und die Presse ihren Aufgaben als vierte Gewalt nicht mehr wahrnimmt.
Ich fand es ganz erschreckend, dass sogar ein Gereon Rath beim Reichsparteitag in Nürnberg mitgerissen wurde, obwohl ihm selbst danach übel war. Wie können Menschen behaupten, sie hätten nicht gewusst, was vor sich geht, wenn dort das Gedankengut des Regimes ganz offen verkündet wurde?
Ein großartiger, gut recherchierter Kriminalroman, den ich nur empfehlen kann.

Veröffentlicht am 18.11.2018

Warten auf das Kriegsende

Unter der Drachenwand
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Veit Kolbe wurde kurz vor Weihnachten 1943 in Russland schwer verwundet und nun hält er sich am Mondsee unter der Drachenwand auf, um sich zu erholen. Er ist erschöpft und ausgelaugt und hofft, dass er ...

Veit Kolbe wurde kurz vor Weihnachten 1943 in Russland schwer verwundet und nun hält er sich am Mondsee unter der Drachenwand auf, um sich zu erholen. Er ist erschöpft und ausgelaugt und hofft, dass er nicht mehr zurück an die Front muss. In seinem Quartier ist auch die Darmstädterin Margot, die mit ihrem Kind hier gelandet ist. Mit der Kinderlandverschickung ist die Lehrerin Margarete und über dreißig Mädchen aus Wien in diesen Ort gekommen. Dann ist da auch noch der Gärtner, der davon träumt, nach Brasilien zurückzugehen. Veit wird ein Jahr hier verbringen und der Leser lernt diese Menschen kennen, die hoffnungslos sind und einfach nur überleben wollen. Aber da ist auch Trude Dohm, die Zimmerwirtin, die immer noch ihre Durchhalteparolen von sich gibt.
Die ganze Zeit spürt man die Hoffnung, die die Menschen haben auf eine bessere Zeit nach dem Kriegsende. Aber es ist auch eine unterschwellige Bedrohung spürbar. Es ist ein melancholisches Buch,
Veit hat so viel mitgemacht, auch wenn er nicht in der vordersten Linie dabei war, dass er nicht mehr an die Wehrmacht und nicht an den Sieg glaubt. Er will nicht mehr an die Front und versucht mit allen Mitteln, seine Erholungsphase zu verlängern. Dabei helfen im Margot und die „Panzerschokolade“. Doch für Veit ist der Krieg noch nicht zu Ende, denn es kommt ein neuer Einberufungsbefehl.
Arno Geiger bringt unter der Drachenwand die unterschiedlichsten Menschen zusammen und wir dürfen ihre Gedanken, ihre Sehnsüchte und Hoffnungen kennenlernen.
Es ist keine leichte Lektüre und mehr als einmal musste ich schlucken aufgrund des Pragmatismus, mit dem die Menschen versuchten, in diesen Ausnahmezeiten zu überleben.
Ein packender und sehr eindringlicher Roman, der noch lange nachhallt.

Veröffentlicht am 16.11.2018

Wolfskind

Das Mädchen mit dem Schmetterling
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Ich mag die emotionalen Romane von Kristin Hannah sehr. Dieses Buch ist bereits 2008 unter dem Titel „Wohin das Herz uns trägt“ erschienen.
Die Kinderpsychologin Julia Cates landete vor Gericht, da eine ...

Ich mag die emotionalen Romane von Kristin Hannah sehr. Dieses Buch ist bereits 2008 unter dem Titel „Wohin das Herz uns trägt“ erschienen.
Die Kinderpsychologin Julia Cates landete vor Gericht, da eine ihrer Patientinnen andere mit in den Tod genommen hat. Obwohl Julia freigesprochen wurde, haben Zweifel, ob sie alles richtig gemacht hat, und der Medienrummel tiefe Wunden bei Julia hinterlassen. Als in ihrem Heimatort Mystic Lake ein verwahrlostes Kind mit einem Wolfswelpen auftaucht, wird sie von ihrer Schwester, der Polizistin Ellie, gebeten sich um das Mädchen zu kümmern. Da man herausfinden ill, wer das Mädchen ist, werden die Medien eingeschaltet. Es fällt Julia schwer, sich wieder der Öffentlichkeit zu stellen, aber sie nimmt es in Kauf, weil sie helfen möchte. Der Arzt Max unterstützt sie, denn er glaubt an Julia.
Der einfühlsame Schreibstil der Autorin begeistert mich jedes Mal aufs Neue. Die Geschichte der Kleinen ging mir sehr nahe, denn ihre Gedanken zeigen eine schreckliche Geschichte und auch die Wunden legen davon Zeugnis ab.
Auch Julia trägt Verletzungen in sich, die bis in ihre Kindheit zurückreichen und die noch nicht überwunden sind. Doch je länger sie sich mit dem traumatisierten Mädchen, das sie Alice genannt hat, beschäftigt und dabei Fortschritte erzielt, umso mehr heilen auch ihre Wunden.
Julia versucht mehr über „Wolfskinder“ herauszufinden. Es gibt nur wenige bekannte Fälle und die sind alle irgendwann hinter Anstaltsmauern gelandet sobald der Forschergeist der behandelnden Ärzte befriedigt war. Das will Julia auf jeden Fall verhindern. Dabei helfen ihr die Menschen von Mystic Lake, die alle etwas verschroben sind, ganz besonders aber ihre Schwester und deren Kollegen, sowie Max, der sein Päckchen zu tragen hat.
Auch wenn sich da eine Liebesgeschichte entwickelt, steht eindeutig die psychologische Arbeit mit dem Mädchen im Vordergrund. Man fiebert die ganze Zeit mit und wartet mit Julia darauf, dass sich Erfolge zeigen. Doch zunächst muss eine Vertrauensbasis geschaffen werden. Aber nicht nur Julia stößt manchmal an ihre Grenzen, auch die Polizisten müssen mit hoffnungsvollen Eltern, die ihre Kinder vermissen, und mit merkwürdigen Menschen, die angeblich helfen wollen, fertig werden.
Eine sehr emotionale Geschichte, die mich wirklich berührt hat.

Veröffentlicht am 14.11.2018

Erschreckend

NSA - Nationales Sicherheits-Amt
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Ich habe in letzter Zeit einiges über die deutsche Geschichte angefangen in der Weimarer Republik bis zum Kriegsende gelesen. Es ist ein furchtbarer Teil der deutschen Geschichte. Aber als wäre das nicht ...

Ich habe in letzter Zeit einiges über die deutsche Geschichte angefangen in der Weimarer Republik bis zum Kriegsende gelesen. Es ist ein furchtbarer Teil der deutschen Geschichte. Aber als wäre das nicht schon schlimm genug, setzt der Autor Andreas Eschbach noch eins drauf. Er führt uns mit diesem Buch vor, wie es gewesen sein könnte, wenn das damalige Regime die technischen Möglichkeiten des Internets und Mobilfunks gehabt hätte. Konnte man damals vielleicht noch davonkommen, indem man sich abduckte, wäre mit diesen Techniken nicht mehr möglich gewesen.
Helene Bodenkamp ist Programmiererin beim Nationalen Sicherheits-Amt und schafft damit die Voraussetzungen, die eine flächendeckende Überwachung möglich macht. Es dauert lange, bis Helene merkt, was wirklich läuft. Erst als ihr Geliebter desertiert und sie ihn schützen will, gerät sie mit in die Machenschaften ihres Vorgesetzten Eugen Lettke, der das alles auch für persönliche Zwecke benutzt.
Der Schreibstil von Eschbach ist gut und flüssig zu lesen. Es gibt eine ganze Reihe von speziellen Ausdrücken, die an die Zeit angepasst wurden, aber eindeutig sind.
Es ist eine spannende, aber auch sehr erschreckende Geschichte, die uns Eschbach in diesem gewichtigen Werk von 800 Seiten erzählt. Die Charaktere sind alle gut gezeichnet. Helene Bodenkamp wirkt etwas verschüchtert, obwohl sie höchst intelligent ist. Lettke dagegen ist ein widerlicher und rücksichtsloser Psychopath.
Hat man sich beim Erscheinen von George Orwells Roman „1984“ noch über eine solche Überwachung Sorgen gemacht, so hat die Wirklichkeit dieses Szenario schon vor vielen Jahren überholt. Wir sind bereits gläsern, auch wenn es von vielen ignoriert wird, denn die Sammelwut unserer Daten durch die großen Firmen wie Facebook, Google usw. wächst und wächst. Man mag sich gar nicht vorstellen, was dieses Werkzeug in falschen Händen anrichten kann.
Es ist ein Buch, in dem vieles nur schwer zu ertragen ist. Aber gerade, weil es so erschreckend ist, macht es nachdenklich und hallt nach.