Profilbild von TochterAlice

TochterAlice

Lesejury Star
offline

TochterAlice ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit TochterAlice über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 30.12.2018

Herbst und Winter 1925

Das Fest der kleinen Wunder
0

auf Gut Fennhusen in Ostpreußen werden hier geschildert und zwar aus der Sicht von Frederike, der ältesten Tochter des Hauses. Sie ist sechzehn und auf dem Sprung in die große weite Welt - im nächsten ...

auf Gut Fennhusen in Ostpreußen werden hier geschildert und zwar aus der Sicht von Frederike, der ältesten Tochter des Hauses. Sie ist sechzehn und auf dem Sprung in die große weite Welt - im nächsten Herbst soll es für sie ins Rheinland gehen - nach Bad Godesberg auf die Hauswirtschaftsschule.

Fernab von den Roaring Twenties, allerdings auch von der nahenden Wirtschaftskrise und diversen extremen politischen Strömungen leben die Fennhusens auf ihrem Gut wie anno dazumal - mit zahlreichen Bediensteten, üppigen Mahlzeiten und einer prall gefüllten Vorratskammer, von der auch die profitieren, die es nicht so gut haben wie die Herrschaften.

Wenn man sich ein bisschen mit dieser Epoche beschäftigt hat, scheint es ein wenig wie ein Leben unter der Glasglocke zu sein - hier hat der erste Weltkrieg nur wenig an den vorhandenen Gesellschaftsstrukturen geändert.

In den Mittelpunkt der Geschichte rückt mehr und mehr die schwierige Stute Caramell, was aus meiner Sicht dem Roman den Charakter eines Jugendbuchs verlieh, der mit den anderen Entwicklungen eher wenig zusammen passte.

Gut hingegen gefiel mir die stimmungsvolle Darstellung der herbstlichen und winterlichen Festsaison.

Allerdings gehen die Schilderungen nicht allzusehr in die Tiefe, der schmale Band eignet sich also eher als Lektüre für zwischendurch bspw. an dunklen und trüben Winterabenden, an denen man offen ist für ein wenig warmherzige Unterhaltung. Mehr ist es aus meiner Sicht nicht - ich bezweifle, dass mir die Handlung allzu lange im Gedächtnis bleiben wird.

Veröffentlicht am 26.12.2018

Ophelia ist am Ball

Ich, Ophelia
0

und bleibt es auch - sie kommt nämlich nicht wie in Shakespeares Originalfassung im Wasser ums Leben, sondern kann sich davonmachen, als es eng wird.

Ihr Leben als eher niedere Hofdame von Gertrud, der ...

und bleibt es auch - sie kommt nämlich nicht wie in Shakespeares Originalfassung im Wasser ums Leben, sondern kann sich davonmachen, als es eng wird.

Ihr Leben als eher niedere Hofdame von Gertrud, der Gattin des Königs und ihr "Krösgen" mit Hamlet, das eindeutig mehr als eine kleine Affäre ist, werden von amerikanischen von der Shakespeare-Forscherin Lisa Klein nicht nur in ein neues Gewand gepackt: nein, sie werden gnadelos durchgerüttelt!

Gertrud, Hamlet, dessen engster Vertrauter Horatio, aber auch Ophelias Familie und etliche Hofdamen kommen nicht nur einmal zu Wort. Ihnen allen wird eine Charakterisierung zuteil, eine neue, oft tragfähigere Rolle, als das im Original der Fall ist.

Zu beachten sei auch, dass Lisa KLein das Genre wechselt . aus dem Drama wird ein Roman, wodurch die Handlung, die Gedankengänge der einzelnen Figuren um einiges vielschichtiger werden.

Ein Wagnis, diesen Stoff, der weltweit in aller Munde ist, neu zu interpretieren, neu auszurichten, ja, daraus eine neue Geschichte zu machen. Die aus meiner sich Sicht etwas zu langatmig und verwinklet daher kommt.

Andererseits kann man der Autorin durchaus trauen, was die Vorlage und den seriösen Umgang damit anbelangt. Sie packt das Thema mit Achtung an, ja man könnte fast schon sagen, sie greift es an, denn sie traut sich so einiges damit. Ich schätze es sehr, dass Lisa Klein Ophelia und auch Hamlet eine neue Bedeutung gibt, hätte mir aber das "Wie" ein wenig greifbarer und anschaulicher gewünscht!

Veröffentlicht am 30.11.2018

Eine Familie in Vergangenheit und Gegenwart

Mädelsabend
0

Die Ärztin Sara und ihre Großmutter Ruth sind seit jeher ein Herz und eine Seele. Kein Wunder, dass Sara ihre Großeltern - auch ihren Opa Walter liebt sie über alles, ist sie doch schließlich zu einem ...

Die Ärztin Sara und ihre Großmutter Ruth sind seit jeher ein Herz und eine Seele. Kein Wunder, dass Sara ihre Großeltern - auch ihren Opa Walter liebt sie über alles, ist sie doch schließlich zu einem Teil bei ihnen aufgewachsen - auch nach ihrem Umzug in ihre Altersresidenz auf Burg Winnenthal. Bald bekommt sie mit, dass das Miteinander ihrer Großeltern keineswegs ein harmonisches war und dass vor allem Ruth auf vieles verzichten musste. Aus wohlhabender Familie stammend und mit Ambitionen auf ein Studium musste sie sich nach ihrer Heirat der Familie ihres Mannes und vor allem dem überaus strengen und egozentrischen Regiment des Schwiegervaters unterordnen. In Rückblicken wird ihr Leben von Jugendtagen an beleuchtet.

Da ist es bei Sara es heute ganz anders: sie ist - wie auch ihr Vater Klaus - Ärztin geworden und steht am Beginn einer verheißungsvollen Karriere mit Aussicht auf eine Habilitation. Parallel führt sie mit ihrem Lebensgefährten Lars eine harmonische Beziehung, die seit einem Jahr durch Söhnchen Paul bereichert wird. Eine moderne Powerfrau also. Doch ist es auch bei ihr nicht einfach - ein Forschungstipendium in Cambridge lockt - dafür müsste Sara allerdings für ein paar Jahre quasi ein Schmalspur-Familienleben führen. Wird das möglich sein?

Die Autorin Anne Gesthuysen arbeitet sorgfältig die Unterschiede beider Leben heraus und stellt sie einander gegenüber. Die Fortschritte der Entwicklung des Miteinanders beider Geschlechter werden hier klar und deutlich dargelegt, dazu kommt eine gehörige Portion niederrheinischen Lokalkolorits, mit viel Charme und einer Prise Humor vermittelt.

Dass mich das vorliegende Buch doch nicht so restlos begeistern konnte wie der Vorgängerroman "Sei mir ein Vater", liegt an den Wertvorstellungen, die die Autorin aus meiner Sicht trotz vielfacher Herausstellung der verbesserten Situation der Frau in der Gegenwart im Vergleich zur Nachkriegszeit vermittelt. Denn letztendlich sollte man einerseits (in Ruths Fall) verzeihen und zwar nahezu grenzenlos, andererseits (Sara) sollte man auch heute seine eigenen Interessen hinter die der Familie stellen. Dass es gerade für Sara abgesehen von der vorgestellten Alternative zahlreiche andere Möglichkeiten gegeben hätte, wird leider ausgeklammert.

Mein Fazit also: Ein eindringlicher Roman über das Leben am Niederrhein - vor allem aus weiblicher Sicht - von den 1950ern bis in die Gegenwart. Doch ist das Fazit aus meiner Sicht ein nahezu niederschmetterndes, beinhaltet es doch für mich die Botschaft, dass das wahre Glück einer Frau in ihrer Familie liegt und sie weitere Interessen, ja Berufungen hintenan zu stellen hat. Und zwar immer noch mehr, als das bei einem Mann der Fall ist.

Veröffentlicht am 22.11.2018

Eine besondere Party

Frau Duan feiert ein Fest
0

soll gefeiert werden und zwar der 80ste Geburtstag der Mutter und Großmutter des Familienclans. Sie erwartet so einiges - können ihre drei Kinder ihr das bieten? Eigentlich hat Frau Duan, die gar nicht ...

soll gefeiert werden und zwar der 80ste Geburtstag der Mutter und Großmutter des Familienclans. Sie erwartet so einiges - können ihre drei Kinder ihr das bieten? Eigentlich hat Frau Duan, die gar nicht Duan, sondern Xue heißt (Duan: das war ihr verstorbener Gatte) ja eine festgefahrene Meinung zu jedem ihrer drei Kinder und auch ganz bestimmte Erwartung an jedes der drei - wird das Bestand haben?

Aus meiner Sicht rückt dieser runde Geburtstag, auf den ja eigentlich alles hinausläuft, nur gelegentlich in den Mittelpunkt des Geschehens. Eigentlich steht der jüngere Sohn, Shengjiang, Vater der Erzählerin (über die wir aber rein gar nichts erfahren) und sein wahrhaft liederliches Leben im Fokus. Es ist er, dessen Verhältnis zu allen anderen Akteuren von zentraler Bedeutung ist und der mit seinem leichtfertigen Lebenswandel nicht nur sich selbst Probleme bereitet.

Ein Buch, von dem ich mir viel, nicht zuletzt auch opulente kulinarische Szenarien versprach und das mich - trotz des durchaus fesselnden Stils - in weiten Teilen kalt ließ.

Frau Duan nimmt aus meiner Sicht - auch wenn sie durch ihre Ansichten einen gewissen Einfluss ausübt - eine viel zu geringe Rolle im Handlungsverlauf ein, als dass ihr Name - der noch nicht einmal ihr richtiger ist - Teil des Titels sein sollte. Ich fand einige Darstellungen ziemlich verwirrend, wobei das sicher auch an der Übersetzung liegen könnte - aber nicht muss. Ein Roman für China-Fans? Vielleicht, es lohnt sich, ihn zu testen!

Veröffentlicht am 22.11.2018

Aus der Zeit gefallen

Juli verteilt das Glück und findet die Liebe
0

Das ist Juli Mahlo, sozusagen ein spätes Mädchen: sie hat wenig Erfahrung mit Männern und gar keine mit dem Internet und nach dem Tod von Mutter und Großmutter ist sie ganz auf sich gestellt. Und trägt ...

Das ist Juli Mahlo, sozusagen ein spätes Mädchen: sie hat wenig Erfahrung mit Männern und gar keine mit dem Internet und nach dem Tod von Mutter und Großmutter ist sie ganz auf sich gestellt. Und trägt eine Menge mit sich herum - von was, das weiß sie oft selbst nicht so genau.

Doch auf einmal, ihr ist selbst nicht ganz klar, wie das kommt, finden sich Freunde und zwar direkt im Haus: Marie und Max, das Paar, das den ehemaligen Blumenladen von Julis Mutter pachtet.

Und Juli trifft Menschen, die sie in Begegnungen mit ihrer Vergangenheit unterstützt, denen sie Kraft und Stärke gibt, denen sie Farbe, manchmal auch Liebe - also jetzt nicht ihre eigene - ins Leben bringt. Und dann trifft sie nach langen Jahren einen ganz besonderen Mann, nämlich Oskar. Aber seine und ihre Vergangenheit machen ihnen einen Strich durch die Rechnung - oder doch nicht?
Juli hilft Menschen aus der, aber auch in die Vergangenheit. Das Buch ist also definitiv etwas für Leser, die nicht nur, aber auch im Früher leben und die ein Gespür für Vergangenes haben: das eigene, aber auch das anderer Menschen.

Gute Ideen, aber zu sehr an Amélie angelehnt und sprachlich zu gewollt putzig. Wie schon der Titel, erscheint mir auch der Aufbau der Handlung ein wenig umständlich. Und die Sprache war stellenweise gar nichts für mich, das war so überzuckert, dass mir fast ein bisschen kodderig wurde beim Lesen. In der Danksagung wurde dann auch klar, warum: die Autorin Tanja Kokoska bedankt sich u.a. bei ihrer Kollegin Susann Rehlein fürs Durchsehen des Textes. Ihre Handschrift war es, die mir ein deja vu-Erlebnis der unangenehmeren Art bescherte, denn mit deren Texten tue ich mich ausgesprochen schwer. Ich hoffe sehr, dass sich Tanja Kokoska im nächsten Roman stilistisch wieder mehr an ihren Vorgängerroman "Almuth spielt auswärts" annähert, der mir richtig gut gefiel!