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Veröffentlicht am 24.11.2018

Wenn die Römer ein Lager am Rhein bauen

Die Römer kommen!
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Wie könnte die Gründung Kölns abgelaufen sein? Mit dieser Frage beschäftigt sich Armin Maiwald in „Die Römer kommen!“. Acht Legionäre und ein Hauptmann, dazu drei Zivilisten – diese kleine Gruppe soll ...

Wie könnte die Gründung Kölns abgelaufen sein? Mit dieser Frage beschäftigt sich Armin Maiwald in „Die Römer kommen!“. Acht Legionäre und ein Hauptmann, dazu drei Zivilisten – diese kleine Gruppe soll einen geeigneten Platz für ein Lager direkt am Rhenus finden. Späher des nahe gelegenen germanischen Dorfes beobachten argwöhnisch, wie ein Holzpflock genau dort in die Erde gehauen wird, wo sie ihre Toten begraben. Hier muss ein Frieden ausgehandelt werden, während um den Pflock herum die ersten Zelte aufgebaut werden. Als nächstes wollen die Römer einen Brunnen bauen und Lehm finden. Doch dabei haben sie mit einigen Herausforderungen zu kämpfen: Die Vorräte sind knapp, Verstärkung lässt auf sich warten und es gibt aufständische Germanen, die nicht daran denken, die Römer in Ruhe zu lassen…

Viele Städte sind stolz darauf, dass sie einst von den Römern gegründet wurden. Doch der Autor stellt völlig zurecht die Frage, wie es in diesen Gegenden eigentlich zugegangen ist, bevor die Römer kamen. Natürlich lebten hier schon Menschen, und diese waren nicht alle damit einverstanden, dass die neue Macht aus dem Süden sich bei ihnen niederließ. Ich fand die Idee spannend, den Ablauf einer römischen Stadtgründung in fiktiver Form sowohl aus der Perspektive der Römer als auch der Germanen zu beschreiben

Zu Beginn des Buchs findet eine kleine Gruppe Römer einen geeigneten Lagerplatz auf der linken Seite des Rheins und markiert das Gebiet mit einem Holzpflock. Dabei hatte ich schon nach wenigen Seiten jede Menge gelernt: Acht Legionäre und ein Hauptmann sind ein contubernium, eine Zelteinheit. Sie achten vor allem auf eine erhöhte Lage, die Schutz vor Hochwasser bietet, und nach der Markierung muss der Lagerbau erst vom Prätor freigegeben werden. Der Ton ist locker und oft musste ich über die Kommentare der Römer und Germanen schmunzeln. Die Geschichte ist so unterhaltsam aufbereitet, dass man sie zügig lesen kann und sie alle Altersgruppen gleichermaßen anspricht. Dazulernen kann hier jeder noch etwas.

Immer wieder kommt es zu spannenden Momenten: Werden die Germanen Frieden halten? Können die Römer den Lehm finden, den sie für den Brunnen und ihre Häuser brauchen? Dabei lernt man einzelne Germanen und Römer besser kennen, zum Beispiel den Hauptmann Quintus Agrippa, der so manche brenzlige Entscheidung treffen muss, den Druiden Ansgar, der bedacht agiert und nicht verraten will, warum er Latein sprechen kann und Demosthenes, der wegen eines Geiselaustauschs bis auf weiteres bei den Germanen leben muss und damit überfordert ist, dass ihm gleich mehrere Damen im Dorf schöne Augen machen. Der Fokus liegt auf dem Aufbau des Lagers, es kommt dabei aber auch zu kleineren Kämpfen. Hier geht der Autor nicht ins Detail, sodass die Geschichte auch von einem jüngeren Publikum gelesen werden kann. Viel zu schnell ist schließlich der Winter da, mit dem das Buch schließt und der dem Leser die Möglichkeit gibt, zu überlegen, wie es wohl in den nächsten Jahren weitergegangen ist, bis aus dem Lager eine echte Stadt wurde.

In „Die Römer kommen“ gelingt es Armin Maiwald, mit seinen Worten Geschichte lebendig werden zu lassen. Unterhaltsam und lehrreich, ohne belehrend zu wirken, erzählt er vom Aufbau eines römischen Lagers am Rhein, bei dem sowohl friedlicher als auch kämpferischer Kontakt zu Germanen nicht ausbleibt. Mir hat die Lektüre, die zweifelsohne ein All Age Roman ist, sehr viel Spaß gemacht!

Veröffentlicht am 24.11.2018

Was wird Tiggy über ihre Wurzeln herausfinden?

Die Mondschwester
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Tiggy, die fünfte der von Pa Salt adoptierten Schwestern, möchte in Schottland einen neuen Job antreten. Ihr Zoologie-Studium hat sie erfolgreich abgeschlossen, doch die Arbeit an der Universität konnte ...

Tiggy, die fünfte der von Pa Salt adoptierten Schwestern, möchte in Schottland einen neuen Job antreten. Ihr Zoologie-Studium hat sie erfolgreich abgeschlossen, doch die Arbeit an der Universität konnte sie nicht erfüllen. In Schottland soll sie für ihren neuen Chef Charlie, der von seinem Vater ein großflächiges Anwesen geerbt hat, Wildkatzen ansiedeln. Sie kommt gut mit den anderen Bediensteten zurecht und die Aufgabe ist interessant, auch wenn sie nicht viel Zeit in Anspruch nimmt. Doch Charlies Frau setzt sie zunehmend unter Druck, da sie der Meinung ist, dass Tiggy ein Auge auf ihn geworfen hat. Als Tiggy Chilly begegnet, einem alten Zigeuner aus Andalusien, der auf dem Anwesen lebt, erkennt der in ihr die Nachfahrin einer Frau, die er einst kannte. Er beginnt, Tiggy die Geschichte ihrer Großmutter zu erzählen. Doch um mehr zu erfahren, muss sie dahin zurückkehren, wo alles begann.

Meine Beziehung zu der Sieben Schwestern-Reihe von Lucinda Riley ist geprägt von einem Auf und Ab. Während mir Band eins und drei sehr gefallen haben, fand ich Band zwei und vier durchwachsen. Nichtdestotrotz habe ich nach wie vor große Lust, weiterzulesen und nicht nur mehr über die Herkunft der sechs Schwestern zu erfahren, sondern auch endlich das Geheimnis der siebten Schwester zu lüften.

Auf Tiggy trifft der Leser kurz nach deren Ankunft in den schottischen Highlands, wo sie gerade einen neuen Job antritt und Wildkatzen betreuen soll. Den Brief, den ihr Pa Salt hinterlassen hat, hat sie schon etliche Male gelesen. Er enthält genaue Informationen, wo sie von wem mehr über ihre Herkunft erfahren kann. Bislang hat sie jedoch nicht das Bedürfnis verspürt, nach Andalusien zu reisen und die Person aufzusuchen. In Schottland hingegen hat sie bald das Gefühl, angekommen zu sein. Die Arbeit in der Natur macht ihr viel mehr Spaß als die an der Universität. Doch nicht alles ist perfekt: Charlies Frau erweist sich als unangenehme Zeitgenossin, der Job lastet sie bei weitem nicht aus und Zed, der als Gast vor Ort ist und bei den sie ein komisches Bauchgefühl hat, macht ihr Avancen. Hat sie dort trotzdem eine Zukunft?

Die Begegnung mit Chilly und die ersten Einblicke in das Leben ihrer Großmutter Lucía wecken in Tiggy schließlich doch die Neugier, mehr über das Volk zu erfahren, von dem sie abstammt. Der Leser wird mitgenommen ins Granada zu Beginn des 19. Jahrhunderts, wo Lucías Talent für den Flamenco schon früh entdeckt wird. Trotz ihres jungen Alters und gefördert von ihrem Vater lässt sie ihre besorgte Mutter und ihre Brüder zurück, um in Barcelona aufzutreten. Wird es Lucía gelingen, sich mithilfe ihres Talents aus der Armut zu befreien? Und warum wurde ihre Enkelin Jahrzehnte später adoptiert?

Diesmal haben mir sowohl die Ereignisse in der Gegenwart als auch die Einblicke in die Vergangenheit sehr gut gefallen. Ich fand es spannend, mehr über die spanische Kultur und insbesondere den Flamenco zu erfahren. Für Tiggy ist es gleichzeitig eine Reise zu sich selbst, auf der sie mehr darüber herausfindet, was sie ausmacht und was sie wirklich machen will.

Wer schon alle Teile der Reihe kennt, der wird sich über die kurzen Episoden freuen, in denen man erfährt, wie es einigen der anderen Schwestern geht. Und auch ein allererster Mini-Schritt in Richtung der Lüftung von Pa Salts Geheimnis wird endlich getan. Nach einem wirklich schönen Abschluss gibt es einen kurzen Ausblick auf die Geschichte von Elektra, die von den Schwestern wohl das exzentrischste Leben hat.

Für Fans der Reihe ist „Die Mondschwester“ ein Must Read. Es lässt sich aber auch ohne Vorkenntnisse lesen, wenn man es hinnimmt, ein paar Spoiler vor allem in Bezug auf die Geschichte der Sturmschwester Ally zu bekommen. Ein wirklich gelungener fünfter Teil der Sieben Schwestern Reihe!

Veröffentlicht am 23.10.2018

Einblicke ins geheime Leben der Zufallsstifter

Als der Zufall sich verliebte
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Guy arbeitet als Zufallsstifter, eine Tätigkeit, die in erster Linie geheim ist und bei der man dazu gewissermaßen als Agent arbeitet. Seit seinem Ausbildungsbeginn vor drei Jahren hat er rund 250 Aufträge ...

Guy arbeitet als Zufallsstifter, eine Tätigkeit, die in erster Linie geheim ist und bei der man dazu gewissermaßen als Agent arbeitet. Seit seinem Ausbildungsbeginn vor drei Jahren hat er rund 250 Aufträge ausgeführt: Er hat zum Beispiel Paare zusammengebracht und Künstler inspiriert, wobei auch manchmal Schritte wie ein Jobverlust nötig sind. Eric und Emily, die gemeinsam mit ihm ausgebildet wurden, sind seine einzigen Freunde, mit denen er sich regelmäßig austauscht. Emily wäre gern mehr als eine Freundin für ihn. Doch Guy kann seine verlorene Liebe nicht vergessen. Sein neuer, mysteriöser Auftrag stellt ihn schließlich vor eine folgenschwere Entscheidung.

Das Cover ist mit seinen herbstlichen Farben ein echter Hingucker und zeigt einige Schmetterlinge. Der Schmetterlingseffekt beschreibt ein Phänomen, bei dem nicht vorhersehbar ist, wie sich kleine Aktionen langfristig auf das große Ganze auswirken. Außerdem ist es eine Anspielung auf die Abschlussprüfung des Protagonisten, über die der Leser später mehr erfährt. Damit passt der Schmetterling gut zur Grundidee des Buches, die beim Lesen der Buchbeschreibung meine Neugier sofort wecken könnte. Überall sind ganz im Geheimen sogenannte Zufallsstifter aktiv, die entscheidende Wendungen minutiös planen und durch viele kleine Manipulationen so geschickt umsetzen, dass niemand auf die Idee kommt, jemand hätte hier seine Finger im Spiel gehabt.

Im ersten Kapitel erhält der Leser gleich eine Kostprobe dieser Tätigkeit. Nach intensiver Vorbereitung sorgt der Zufallsstifter Guy dafür, dass eine Kellnerin und ein Student, der regelmäßig das Café besucht, den Abend am Strand gemeinsam verbringen und es dort endlich zwischen ihnen funkt. Der Plan funktioniert jedoch nur, nachdem Guy der Kellnerin vorher einen schrecklichen Tag beschert hat. Der Leser merkt dabei schnell, dass die Zufallsstiftung auch seine Schattenseiten hat. Auch Rückschläge oder Enttäuschungen auszulösen, die auf einen größeren Plan einzahlen, gehört dazu.

Guys Freunde Emily und Eric sind ebenfalls Zufallsstifter. Sie haben vor drei Jahren gemeinsam die Ausbildung beim General durchlaufen. An diese Zeit erinnert sich Guy oft zurück und lässt den Leser an den Lektionen teilhaben. Diese zu Lesen ist oft amüsant, bringt aber auch ins nachdenken. Da geht es um Vorhersagen beim Billard spielen und Wetten, bei denen alle Bewohner eines Hauses gleichzeitig ihre Wäsche aufhängen sollen, aber auch um die Frage, wie Glück berechnet wird und welche Fehler beim Treffen einer Wahl gemacht werden.

Die Geschichte wird in ruhigem Tempo erzählt, der Autor baut vieles auf, dessen Verbindungen erst später überraschend offenbar werden. Mir haben die vielen kreativen Ideen rund um die Tätigkeit als Zufallsstifter sehr gut gefallen. In dieser Hinsicht ist auch der Buchtitel etwas irreführend, denn im Zentrum steht die Frage, was Guy aus seinem Leben als Zufallsstifter machen möchte. Liebe spielt zwar eine Rolle, insbesondere die verlorene Liebe von Guy, doch ich würde das Buch nicht als Liebesgeschichte im engeren Sinne bezeichnen.

Guy gewinnt als Zufallsstifter zunehmend an Routine, erinnert sich aber immer wieder an seine Vergangenheit als eingebildeter Freund. Zwar bietet sein neues Dasein einige Vorteile, doch er hat dabei Kassandra verloren, der seine Liebe nach wie vor gilt. Lange erfährt der Leser nicht mehr über sie, zu schmerzhaft scheint die Erinnerung für Guy zu sein. Dieser will sich deshalb nicht auf etwas neues einlassen, ganz zum Leidwesen von Emily. Auch in seinem neuesten Auftrag wird er mit seiner Vergangenheit konfrontiert. Zum Ende hin wird es spannend, denn die Charaktere müssen wichtige Entscheidungen treffen und nach dramatischen und ungewissen Momenten findet das Buch zu einem Abschluss, der mir richtig gut gefallen hat.

In „Als der Zufall sich verliebte“ begleitet der Leser Guy, der im Geheimen komplexe Pläne umsetzt und damit Zufälle stiftet. Doch seine Vergangenheit und vor allem seine verlorene Liebe kann er nicht ganz loslassen. Seine Tätigkeit bietet viele unterhaltsame Momente. Gleichzeitig wird auch thematisiert, inwiefern man in den Verlauf der Ereignisse eingreifen darf, wenn es einem höheren Zweck dient und die grundsätzliche Frage gestellt, was eigentlich Glück bedeutet. Der Autor hat seine kreative Grundidee gelungen umgesetzt und lässt nach und nach alle Puzzlestücke an ihren Platz fallen. Ich spreche eine klare Leseempfehlung aus!

Veröffentlicht am 23.10.2018

Temporeich und spannend

Das Gold der Krähen
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Kaz Brekker und seine Mannschaft, die eine geradezu unglaubliche Mission erfüllen konnten, sind zurück in Ketterdam. Doch ihre Belohnung blieb aus. Stattdessen wurde die Person entführt, die Kaz am meisten ...

Kaz Brekker und seine Mannschaft, die eine geradezu unglaubliche Mission erfüllen konnten, sind zurück in Ketterdam. Doch ihre Belohnung blieb aus. Stattdessen wurde die Person entführt, die Kaz am meisten am Herzen liegt. Nun schmieden die Gefährten einen Plan für eine erfolgreiche Befreiung. Kaz ist sich zudem sicher, dass es doch noch eine Chance auf ihre Belohnung gibt, wenn sie alle ihre besonderen Fähigkeiten nutzen und einige Steine ins Rollen bringen. Ketterdam ist jedoch gefährlicher als je zuvor, denn neben den bekannten Feinden streifen unheimliche Wesen durch die Stadt, die Jagd auf alle Grischa machen…

Endlich ist mit „Das Gold der Krähen“ der heiß ersehnte Abschluss der Dilogie erschienen. Der erste Band, „Das Lied der Krähen“, konnte mich vor einem Jahr absolut begeistern. Nach einem offenen Ende war die Neugier groß, wie es für Kaz und seine Mannschaft weitergeht. Den ersten Band sollte man unbedingt gelesen haben, denn die Geschichte geht nahtlos weiter. Sie wirft den Leser mitten hinein ins Geschehen und die Vorbereitungen auf die Befreiung der gefangenen Inej. Hierzu hat Kaz einen neuen, komplexen Plan erarbeitet, bei dem die besonderen Talente der Mitstreiter wieder gefragt sind.

Schon nach wenigen Seiten war ich wieder ganz drin in der spannenden, temporeichen Handlung. Waghalsige Aktionen und überraschende Wendungen sind an der Tagesordnung und es machte Spaß, die sechs Krähen in Aktion zu erleben. Mit dem verschlagenen Krämer Van Eck, dem Betrüger Pekka Rollins und den Grischa jagenden Wesen gibt es gleich drei mächtige Gegner, die es zu bekämpfen und überlisten gilt. Dabei läuft bei weitem nicht alles nach Plan, denn auch die Gegenseite versucht, die nächsten Schritte vorauszusehen und diese zu vereiteln.

Die Kapitel sind wieder abwechselnd aus den Perspektiven von Kaz, Inej, Nina, Matthias, Jesper und Wylan geschrieben. Die sechs Charaktere sind mir inzwischen richtig ans Herz gewachsen. Man erfährt noch mehr über ihre Hintergrundgeschichten und erlebt mit, wie sie an den neuen Herausforderungen wachsen. Beispielsweise wird Wylan durch seine erfolgreichen Einsätze immer selbstbewusster und kann sein Handicap dadurch besser akzeptieren. Und bei Nina funktionieren ihre Kräfte nicht mehr so wie einst. Dafür entdeckt sie eine neue, erstaunliche Macht.

Die Geschichte lässt dem Leser nur wenig Zeit zu verschnaufen, bevor die nächste Herausforderung wartet. Die Autorin hat einen Spannungsbogen geschaffen, der hervorragend funktioniert. Rückschläge und Erfolge wechseln sich ab und neben spannenden Kämpfen und hitzigen Wortgefechten gibt es auch emotionale und nachdenkliche Momente. Ich habe jede einzelne Seite des Buches genossen bis hin zu seinem bittersüßen Ende, das ein würdiger Abschluss der Geschichte ist. Für mich ist die Krähen-Dilogie ein absolutes Fantasy-Highlight, das man gelesen haben muss!

Veröffentlicht am 23.10.2018

Eindringliche Geschichte mit beeindruckender Erzählweise, die mich betroffen machte

Die Katze und der General
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Die junge Georgierin Katze lebt in Berlin und arbeitet als Schauspielerin. In ihrem Leben läuft vieles gerade nicht nach Plan: Sie steht kurz vor der Trennung, das Verhältnis zu ihrer Familie ist belastet, ...

Die junge Georgierin Katze lebt in Berlin und arbeitet als Schauspielerin. In ihrem Leben läuft vieles gerade nicht nach Plan: Sie steht kurz vor der Trennung, das Verhältnis zu ihrer Familie ist belastet, sie muss ihre Wohnung räumen und hat noch kein nächstes Engagement in Sicht. Da wird sie von einem Handlanger Alexander Orlows, genannt „Der General“, angesprochen. Der russische Oligarch will sie für ein Video engagieren, in dem sie ein totes Mädchen spielt, dem sie zum Verwechseln ähnlich sieht. Gemeinsam mit dem Journalisten Onno Bender, der seit Jahren die Wahrheit darüber veröffentlichen will, welches Verbrechen Orlow im Tschetschenien-Krieg tatsächlich begangen hat, ist sie bald Teil eines umfassenden Plans rund um Abrechnung, Schuld und Sühne.

Beim Blick aufs Buchcover fällt sofort der abgebildete Zauberwürfel auf. Er spielt im Buch eine zentrale Rolle, denn er gehört Nura, die man im Prolog kennenlernt. Im Jahr 1995 lebt sie mit ihrer Familie in Tschetschenien in einem abgelegenen Tal bei Grosny. Den Zauberwürfel hat sie von der Lehrerin Natalia erhalten, einer zugezogenen Russin, die zu ihrer Vertrauten wird. Diese ist es auch, die Nura in ihrem Wunsch bestärkt, das Tal und im selben Zug das Mittelmaß eines Tages hinter sich zu lassen. Doch dann kommt der Krieg in ihr Dorf.

Lange erfährt man keine Details über Nuras Schicksal. Stattdessen lernt man in der Gegenwart drei zentrale Personen kennen. Der Schauspielerin Katze fehlt eine Orientierung, wie es für sie weitergehen soll. Vieles läuft nicht so, wie sie es gern hätte, doch in was soll sie ihre Energie stecken? Das Angebot des Generals klickt merkwürdig und gefährlich, aber auch verlockend. Er scheint bereit, ihr für ihre Mitarbeit eine große Summe zu zahlen, die ihr eine neue Perspektive gibt. Davon kann sie jedoch erst Onno Bender überzeugen. Der auf Russland spezialisierte Journalist möchte seit Jahren ein Buch über Orlow schreiben, was im Tschetschenien-Krieg tatsächlich vorgefallen ist und warum dieser sich selbst anzeigte und es doch nie zu einem richtigen Prozess kam.

Das Buch nimmt sich Zeit, die drei Protagonisten ausführlich vorzustellen und ihre Vergangenheit zu beleuchten. Man erfährt zum Beispiel, dass der General nie in den Krieg wollte und dass seine Verachtung für Onno nicht nur von dessen Buchambitionen herrührt, sondern viel tiefer greift. Sehr interessant fand ich auch die Einblicke in Katzes Kindheit in Georgien und das Leben von ihr und ihrer Familie als Einwanderer in Berlin. Es machte mir begreiflich, warum sie Orlows Angebot annimmt und Nura für sie bald nicht mehr nur die Person ist, die sie in einem Video verkörpern soll, sondern viel mehr.

Die Sprache der Autorin ist klar und feinfühlig, während sie den Leser allmählich mit der grausamen Wahrheit konfrontiert. Sie nimmt den Leser mit in die Vergangenheit nach Tschetschenien, wo die russische Armee lagert und der Oberst die ausbleibenden Kämpfe nicht aushält, überall Verschwörer sehen will. Ein schreckliches Verbrechen und weitreichende Vertuschungsversuche werden beschrieben, die meinen Wunsch nach Gerechtigkeit immer weiter stärkten. Was genau hat der General nun mit seinem Video an die Personen vor, die mit ihm in die Sache verstrickt sind?

Der Plan des Generals bleibt undurchschaubar, Otto eine Schachfigur auf seinem Feld, Katze eine unberechenbare Variable, die eine Ahnung zu haben scheint. So strebt die Geschichte unaufhaltsam einer Konfrontation mit ungewissen Ausgang entgegen. Auf dem Weg dahin sog ich jedes Wort auf, um die Konsequenzen der über ein Jahrzehnt zurückliegenden Schicksalsnacht zu begreifen. „Die Katze und der General“ ist eine eindringliche, dramatische Geschichte, die mich betroffen machte und deren Erzählweise mich beeindrucken konnte. Ich gebe eine klare Leseempfehlung!