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Veröffentlicht am 26.11.2018

Warnherziges Porträt eines Dorfes und seiner Bewohner

Mittagsstunde
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Im Mittelpunkt dieses großartigen (Hör)Buchs von Dörte Hansen steht der 48jährige Ingwer Feddersen mit seiner Familie. Geboren und aufgewachsen in dem kleinen nordfriesischen Dorf Brinkebüll, schafft er ...

Im Mittelpunkt dieses großartigen (Hör)Buchs von Dörte Hansen steht der 48jährige Ingwer Feddersen mit seiner Familie. Geboren und aufgewachsen in dem kleinen nordfriesischen Dorf Brinkebüll, schafft er es auf die Oberschule und promoviert später sogar in Kiel. Die Großeltern Ella und Sönke, die ihn aufgezogen haben, waren damals nicht glücklich darüber, lieber wäre es ihnen gewesen, der Junge hätte die Gastwirtschaft der Familie, den alten Dorfkrug, weitergeführt. Jetzt sind die Großeltern alt und brauchen Hilfe, woraufhin Ingwer sich ein Sabbatjahr nimmt und nach Brinkebüll zurückkehrt. Für ihn bietet sich dadurch die Gelegenheit, sein bisheriges Leben Revue passieren zu lassen und zu überlegen, wie er sich seine Zukunft vorstellt.

Die Geschichte wird auf mehreren Zeitebenen erzählt, wir lernen das heutige Brinkebüll ebenso wie das Dorf, wie es in den 70er Jahren war, kennen. Vieles hat sich in der Zeit verändert. Die alten Dorfkastanien mussten weichen, die Landwirtschaft rentierte sich plötzlich nicht mehr, in der Stadt eröffnet ein Supermarkt und der von Dora Koopmann straff geführte Dorfladen (keine Selbstbedienung!) muss zumachen. Auf den alten Höfen ziehen junge Familien ein, die aus der Großstadt kommen, ihre Kinder „Fidel“ (nach ihrem Idol Fidel Castro) nennen und in Brinkebüll das Landleben zelebrieren, während die alten Brinkebüller ihre Einfahren zubetonieren und froh darüber sind, dass der Fortschritt auch ihr Dorf erreicht hat. Die Beschreibungen sind von Wehmut durchzogen, aber viele davon sind auch urkomisch. Dörte Hansen hat eine ganz besondere Begabung, Menschen und ihre Eigenheiten warmherzig und genau zu beschreiben, ohne dabei jemals verletzend zu sein. Es ist schön, dieses Dorf und seine knorrigen Bewohner so genau kennenzulernen. Am Ende des Buchs hatte ich das Gefühl, mich von guten alten Bekannten verabschieden zu müssen.

Mit „Altes Land“ hatte Dörte Hansen die Messlatte schon sehr hoch gelegt, „Mittagsstunde“ hat mir sogar noch besser gefallen. Es ist ein Buch der leisen Töne, im übrigen auch sehr gut gelesen von Hannelore Hoger, deren ruhige, fast schon eintönige Sprechweise mir zunächst nicht gefallen hat, dann habe ich aber festgestellt, dass sie die Nordfriesen sehr gut darstellt (nur ihr Singen ist ziemlich gewöhnungsbedürftig). Ich habe das (Hör)Buch sehr genossen und kann es nur empfehlen.

Veröffentlicht am 05.11.2018

Shai drabarel? Kann sie wahrsagen?

Die Unsterblichen
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Die vier Geschwister Varya, Daniel, Klara und Simon sind noch Kinder, als sie von einer Wahrsagerin erfahren, die in der Lage sein soll, das genaue Todesdatum eines Menschen vorherzusagen. Ohne ihren Eltern ...

Die vier Geschwister Varya, Daniel, Klara und Simon sind noch Kinder, als sie von einer Wahrsagerin erfahren, die in der Lage sein soll, das genaue Todesdatum eines Menschen vorherzusagen. Ohne ihren Eltern Bescheid zu geben, suchen sie die Frau auf, nicht ahnend, welch weitreichende Folgen der Besuch bei der Wahrsagerin für ihr weiteres Leben haben wird.
Das Buch umspannt vier Jahrzehnte und ist in ebenso viele Teile gegliedert, in denen jeweils das Leben eines der Geschwister geschildert wird.
Nach dem frühen Tod des Vaters, eines streng gläubigen Judens, beschließen die beiden Jüngsten, Klara und Daniel, New York zu verlassen und an die Westküste der USA nach San Francisco zu ziehen. Für den homosexuellen Daniel, der seine Neigung bisher nicht ausleben konnte, ist dies ein Befreiungsschlag, denn San Francisco in den 1970er Jahren ist ein El Dorado für Schwule. Er genießt sein Leben in vollen Zügen. Erst als die ersten Fälle von AIDS auftreten, einer Krankheit, für die es damals noch keinen Namen, geschweige denn ein Heilmittel, gab, beginnt die schöne neue Welt Risse zu bekommen.
Klara, die zunächst noch mit Daniel zusammen wohnt, hält sich mit Aushilfsjobs über Wasser, doch dann erfüllt auch sie sich ihren Lebenstraum und tritt als Zauberkünstlerin in Clubs und Variétés auf. Als sie Raj kennenlernt, der als ihr Partner und Bühnenpartner große Pläne für ihre persönliche und berufliche Zukunft schmiedet, scheint sie ihren Platz im Leben gefunden zu haben, doch sie ist eine Getriebene, die, genau wie ihre Geschwister, die Worte der Wahrsagerin nie vergessen hat.
Die beiden älteren Geschwister bleiben zunächst an der Ostküste in der Nähe der Mutter Gerti, die durch den Tod ihres Mannes und dem plötzlichen Verschwinden ihrer beiden Jüngsten den Boden unter den Füßen verloren hat. Daniel studiert Medizin, Varya Biologie. Beide schließen ihr Studium ab und haben gute Jobs, doch die Vorhersage der Wahrsagerin liegt wie eine dunkle Wolke über ihrem Leben. War die Frau eine Betrügerin oder hat sie wirklich die Fähigkeit, das Todesdatum eines Menschen vorherzusagen? Daniel findet heraus, dass sie einem Clan angehört, der vom FBI gesucht wird, und beschließt, der Sache auf den Grund zu gehen.
Varya lebt nur für ihre Arbeit, der Altersforschung. Sie ist Leiterin eines Versuchslabors, in dem an Affen die Auswirkung der Ernährung auf die Lebensdauer getestet wird. Ihr Leben ist bestimmt von Zwangsstörungen, von anderen Menschen hält sie sich fern. Ihr Leben gerät aus den Fugen, als ein junger, wissbegieriger Journalist die Einrichtung besucht.
„Die Unsterblichen“ ist ein spannender und emotionaler Roman, der unter die Haut geht. Er beschreibt nicht nur das Leben der einzelnen Personen, sondern zeichnet auch ein Bild der jeweiligen Zeit vor dem Hintergrund von Ereignissen wie der ersten Mondlandung und 9/11. Er wirft Fragen auf, wie man sein Leben am besten lebt. In vollen Zügen, um so viel wie möglich zu erleben, mit allen damit zusammenhängenden Risiken, oder gemäßigt und vorsichtig? Ist es ein Segen zu wissen, wie viel Zeit man auf Erden hat oder ist es ein Fluch? Mich hat diese Geschichte einer jüdischen Familie fasziniert.

Veröffentlicht am 22.10.2018

Atemlose Spannung

Stern des Nordens
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Die amerikanische Studentin Soo-min verschwindet eines Tages spurlos zusammen mit ihrem Freund von einem Strand in Südkorea. Ihre Zwillingsschwester Jenna will sich auch zwölf Jahre nach ihrem Verschwinden ...

Die amerikanische Studentin Soo-min verschwindet eines Tages spurlos zusammen mit ihrem Freund von einem Strand in Südkorea. Ihre Zwillingsschwester Jenna will sich auch zwölf Jahre nach ihrem Verschwinden nicht mit der offiziellen Version zufrieden geben, wonach die beiden ertrunken sind.
Jenna ist inzwischen Universitätsdozentin und Nordkoreaspezialistin. Als sie vom CIA angeworben werden soll, reagiert sie zunächst ablehnend, doch dann erfährt sie von einem nordkoreanischen Geheimprogramm, das über Jahre hinweg Ausländer mit koreanischen Wurzeln entführen und nach Nordkorea verschleppen ließ. War ihre Schwester Opfer dieses Programms? Ist Soo-min am Leben und in Nordkorea gefangen? Jenna beginnt mit der Ausbildung beim CIA und bekommt bald die Chance auf ein Treffen mit einer nordkoreanischen Delegation unter Leitung des linientreuen Diplomaten Cho.
In einem zweiten Handlungsstrang erleben wir die Nordkoreanerin Moon, die verzweifelt versucht, durch Handel sich und ihren Mann am Leben zu halten. Anhand ihrer Lebensumstände erfährt der Leser von den bitter armen Verhältnissen der einfachen Menschen in Nordkorea, die am Verhungern sind, während der „geliebte Führer“ Kim il Sun ein Leben in unvorstellbarem Luxus lebt.
Cho, der zunächst nach seiner erfolgreichen diplomatischen Mission in seinem Heimatland gefeiert wird, fällt in Ungnade und wird in ein Arbeitslager geschickt, jedoch schafft er es zuvor, Jenna wichtige Informationen zukommen zu lassen.
D.B. John, dessen spannender Roman all diese Handlungsstränge geschickt miteinander verknüpft, hat selbst Nordkorea bereist und ein Großteil der im Roman beschriebenen Umstände basiert auf wahren Tatsachen. „Stern des Nordens“ ist spannender Thriller, der unter die Haut geht. Normalerweise bin ich äußerst skeptisch, wenn ein bekannter Autor, in diesem Fall Lee Childs, ein Buch in höchsten Tönen anpreist, doch in diesem Fall gebe ich ihm recht. Absolute Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 18.10.2018

Home, sweet home

Sieben Tage Wir
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Die Familie Birch verbringt zum ersten Mal seit Jahren Weihnachten zusammen in ihrem Landhaus in Norfolk. Das Wiedersehen ist nicht ganz unbelastet, da Olivia, die ältere Tochter, gerade von einem Einsatz ...

Die Familie Birch verbringt zum ersten Mal seit Jahren Weihnachten zusammen in ihrem Landhaus in Norfolk. Das Wiedersehen ist nicht ganz unbelastet, da Olivia, die ältere Tochter, gerade von einem Einsatz in Liberia zurückgekehrt ist, wo sie Patienten versorgt hat, die mit dem tödlichen Haag-Virus infiziert waren. Dies bedeutet, dass die gesamte Familie Birch sich einer 7tägigen Quarantäne unterziehen muss. Dass dies nicht ganz einfach ist, versteht sich von selbst, zumal jedes Familienmitglied Geheimnisse hat, die es vor den anderen zu verbergen gilt.
Der Vater, Andrew Birch, hat erst vor kurzem erfahren, dass er einen unehelichen erwachsenen Sohn in Amerika hat, der über Weihnachten in England ist und ihn gerne kennenlernen möchte. Andrew glaubt das Problem aus der Welt schaffen zu können, indem er nicht auf Jesses Emails reagiert, doch da hat er sich getäuscht.
Seine Frau Emma ist an Krebs erkrankt, doch weil sie ihrer Familie Weihnachten nicht verderben will, hat sie die Diagnose bisher nur ihrer Freundin anvertraut. Phoebe, die jüngere Schwester, ist frisch verlobt, doch so ein richtiges Glücksgefühl will sich nicht bei ihr einstellen. Ihr Verlobter lernt ausgerechnet am Weihnachtsabend im Pub den unehelichen Sohn von Andrew Birch kennen und der Abend entwickelt sich anders als gedacht. Olivia wiederum hat große Probleme damit, sich nach dem Leid und der Armut in Liberia wieder in England zurechtzufinden, wo das größte Problem mancher Leute ist, nicht das richtige Weihnachtsgeschenk bekommen zu haben...
Sieben Tage wir ist ein Buch, das mir ganz hervorragend gefallen hat. Es ist teilweise urkomisch, aber auch spannend und ein echter Pageturner. Eines jener Bücher, bei denen es mir schwerfiel, es aus der Hand zu legen, weil ich zu gerne gewusst hätte, wie die Geschichte für die einzelnen Mitglieder der Familie Birch weitergeht.

Veröffentlicht am 09.10.2018

Die Hetzjagd geht weiter

Redemption Point
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Von einem Tag auf den anderen ist nichts mehr, wie es war: Der Polizist Ted Conkaffey hat das Pech, zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein. Dutzende Zeugen haben ihn gesehen, wie er an einer Bushaltestelle ...

Von einem Tag auf den anderen ist nichts mehr, wie es war: Der Polizist Ted Conkaffey hat das Pech, zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein. Dutzende Zeugen haben ihn gesehen, wie er an einer Bushaltestelle anhielt, von der wenig später die 13jährige Claire verschleppt und vergewaltigt wurde. Seine Frau und seine Kollegen wenden sich von ihm ab, er wird inhaftiert. Mangels Beweisen wird Conkaffey freigelassen, doch sein Leben ist ein Spießrutenlauf, er ist der meistgehasste Mann Australiens. Er verzieht sich in das Kaff Crimson Lake, wo er die skurrile Amanda kennenlernt, die dort als Privatdetektivin arbeitet. Als Partner in ihrer Detektei findet er ein Stück weit zu einem normalen Leben zurück, bis der Vater des damaligen Vergewaltigungsopfers eines Tages bei ihm auftaucht und ihn bedroht.
Conkaffey liegen von Amanda gesammelte Unterlagen vor, die Hinweise auf den wahren Vergewaltiger enthalten. Claires Vater bekommt Zweifel, ob Conkaffey der Täter ist. Doch dann werden neue Vorwürfe gegen den Ex-Cop erhoben und Conkaffey bleibt nichts anderes übrig als sich endlich auf die Suche nach Claires Vergewaltiger zu machen.
Zur gleichen Zeit geschieht in einer zwielichtigen Kneipe in Crimson Lake ein Doppelmord. Der Vater des einen Mordopfers bittet Ted und Amanda zu ermitteln.
„Redemption Point“ ist die äußerst gelungene und im übrigen hervorragend übersetzte Fortsetzung von „Crimson Lake“. Einer der besten Krimis, die ich in diesem Jahr gelesen habe.