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Veröffentlicht am 06.12.2018

Märchenhafte Geschichte von einer jungen Frau, die anderen Menschen in die Seele blickt und sich selbst noch nicht gefunden hat

Juli verteilt das Glück und findet die Liebe
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Juli Mahlo ist nicht ganz von dieser Welt. Sie liebt es, inmitten vertrauter Dinge zu sein, besonders in ihrem Blumenladen, eingehüllt von tausenderlei Farben und Düften. Und sie fürchtet das Schweigen ...


Juli Mahlo ist nicht ganz von dieser Welt. Sie liebt es, inmitten vertrauter Dinge zu sein, besonders in ihrem Blumenladen, eingehüllt von tausenderlei Farben und Düften. Und sie fürchtet das Schweigen nicht, das sie umgibt. So still sie selbst ist, so groß ist ihre Gabe, andere zum Sprechen zu bringen. So gelingt es ihr immer wieder, Menschen von einer dunklen Erinnerung zu befreien. Nur ihrem eigenen Glück steht Juli im Weg. Dann lernt sie Oskar kennen, der so schön ist wie Gregory Peck. Bei ihm fühlt sie sich geborgen, und es scheinst, als wäre für Juli die Zeit des Alleinseins endlich vorbei. Doch sie ahnt nicht, dass die Liebe sie zu einem Geheimnis aus ihrer eigenen Familie führen wird.

Schon der Klappentext gibt dem Leser einen Hinweis wie die Autorin mit der Sprache zu spielen versteht. Die Art wie diese Geschichte erzählt wird ist eine ganz Besondere. Es schwingt bei ihrer Hauptfigur Juli immer eine gewisse Unschuld mit, die für eine erwachsene Frau doch recht ungewöhnlich ist. Juli ist eine sehr ungewöhnliche aber ausgesprochen liebenswerte Person, die die Gabe hat ihren Mitmenschen in die Seele zu schauen. Man hat den Eindruck, wenn sie Menschen begegnet, nimmt sie auch deren leiseste Schwingungen wahr und ist eine meisterhafte Zuhörerin. Und sie tut noch mehr als einfach zuzuhören, sie versucht ihren Begegnungen in ihren Nöten zu helfen. Das ist wirklich anrührend.

Diese Gabe mit Menschen umzugehen muss ihr entweder schon in die Wiege gelegt worden sein, oder sie hat es gelernt in den Jahren, in denen sie zu Hause Mutter und Großmutter gepflegt hat. Viel Kontakt zu anderen Menschen hat sie nämlich nie gehabt. Sie lebt recht abgeschirmt in den alten Möbeln noch mit Wählscheibentelefon und ganz ohne Internet und trifft höchstens mal den Briefträger. Sie hat ein paar liebenswerte Macken, die so gar nicht erwachsen sind, wie das Führen eines Angstalmanachs und das Schnüffeln an Mutters Keksdose um traurige Gedanken zu vertreiben.

Das Buch lebt aber auch von den Lebensbeichten die Juli anvertraut werden, nachdem sie sich endlich heraustraut in die Welt. Aber erst am Ende des Buches und durch ein Familiengeheimnis das sie persönlich betrifft, trifft sie endlich ihre eigenen erwachsenen Entscheidungen und stellt sich ihren Ängsten.

Dieses Buch hat mir ehrlich gesagt zum Ende immer besser gefallen. Vielleicht muss man sich an diese besondere Person Juli Mahlo auch erst ein bisschen gewöhnen. Das Buch ist für mich ein modernes Märchen, das auf jeden Fall auch sehr gut in die Weihnachtszeit passt. Und wenn man sich einmal auf die Protagonistin eingelassen hat, fühlt und fiebert man mit ihr mit.

Veröffentlicht am 23.05.2024

Das Leben ist kein Nullsummenspiel

Vom Ende der Einsamkeit
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Die unbeschwerte Kindheit der Geschwister Jules, Liz und Marty endet abrupt als die Eltern bei einem Autounfall ums Leben kommen. Sie kommen auf ein Internat und müssen irgendwie mit ihrer Trauer klarkommen ...

Die unbeschwerte Kindheit der Geschwister Jules, Liz und Marty endet abrupt als die Eltern bei einem Autounfall ums Leben kommen. Sie kommen auf ein Internat und müssen irgendwie mit ihrer Trauer klarkommen und ihr Leben weiterleben.

Benedict Wells zeigt in berührender Weise, dass jeder anders mit Verlust und Trauer umgeht und für Kinder ist die Erfahrung besonders schwer. Aus dem fröhlichen Jules wird ein verschlossener, trauriger Einzelgänger. Die große Schwester Liz stürzt sich ins Leben und verliert sich dabei fast und Marty wird zum Nerd und Streber, unnahbar für jeden. Die Geschwister nähern sich erst im Erwachsenenalter wieder an.

Deshalb ist es für Jules, aus dessen Perspektive die Geschichte erzählt wird, um so wichtiger in Alva eine Freundin zu finden, die ihn versteht, weil auch sie eine große Traurigkeit in sich trägt.

In dem Roman begleiten wir die Geschwister auf ihrem Lebensweg, der immer wieder neue Überraschungen mit sich bringt. Es war ein Buch voller Gefühl aber auch voller Traurigkeit und Melancholie, dass den Leser bei allen Schicksalsschlägen aber nicht hoffnungslos zurücklässt. Der Autor zeichnet seine Personen sehr liebevoll und lebensecht und man kommt ihnen beim Lesen sehr nah.

Ich habe mich am Anfang etwas schwer getan in das Buch hineinzukommen. Das hat sich aber zum Glück schnell gegeben.

Alles in allem kann ich den Roman wirklich empfehlen. Er bringt den Leser dazu über das Leben nachzudenken, über das was wirklich wichtig ist und glücklich macht.

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Veröffentlicht am 04.05.2024

Ein eindringlicher Klimaroman

Der Eisbär und die Hoffnung auf morgen
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Wieder lässt John Ironmonger, vielen sicherlich bekannt durch „Der Wal und das Ende der Welt“ seinen Roman im kleinen Örtchen St.Piran beginnen. Die beiden „Cornishmen“ Tom Horsmith, junger Student und ...

Wieder lässt John Ironmonger, vielen sicherlich bekannt durch „Der Wal und das Ende der Welt“ seinen Roman im kleinen Örtchen St.Piran beginnen. Die beiden „Cornishmen“ Tom Horsmith, junger Student und Klimaaktivist und der gut 20 Jahre ältere Monty Causley, Politiker mit Ambitionen und bekennender Klimakrisenleugner treffen in der örtlichen Kneipe bei einem heftigen Streitgespräch aufeinander, das mit einer Wette auf die Zukunft endet. Der Einsatz ist nicht weniger als das Leben des einen gegen das des anderen. Das Ereignis wird zudem noch von Tom‘s besten Freund aufgezeichnet, geht anschließend viral und kann somit nicht zurückgenommen werden, mit fatalen Konsequenzen für Monty‘s politische Karriere.


Der Einstieg in die Geschichte war mir etwas zu zäh und es hat eine ganze Weile gedauert bis die Story mich wirklich gepackt hat. Durch die Wette werden die Leben der beiden Protagonisten, die unterschiedlicher nicht sein könnten über Jahrzehnte eng miteinander verwoben. Es gibt riesige Zeitsprünge, denn die Wette selbst läuft genau 50 Jahre. So altern unsere Protagonisten natürlich schnell und aber auch die Auswirkungen des Klimawandels werden dramatisch sichtbar. Der Autor hat hier gut recherchiert und seine erdachten Lösungsansätze fand ich höchst interessant. Optimistisch kann man nach der Lektüre nicht sein aber nicht handeln ist keine Option, ganz im Gegenteil.


Fazit: Neben einem spannenden Abenteuer erfährt man als Leser viel Wissenswertes über die Auswirkungen des Klimawandels, die Erdgeschichte im Rückblick aber auch Ideen für Gegenmaßnahmen.

Am Anfang muss man durchhalten, die Geschichte entwickelt sich noch und wird dann wirklich interessant und spannend und macht natürlich sehr nachdenklich.

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Veröffentlicht am 18.04.2024

Spannende Romanbiografie

Lorenz
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Ilona Jerger‘s Romanbiografie über den bekannten, wie umstrittenen Verhaltensforscher Konrad Lorenz ist interessant und spannend zu lesen. Geschickt und informativ bettet die Autorin die Lebensgeschichte ...

Ilona Jerger‘s Romanbiografie über den bekannten, wie umstrittenen Verhaltensforscher Konrad Lorenz ist interessant und spannend zu lesen. Geschickt und informativ bettet die Autorin die Lebensgeschichte des Biologen in das Weltgeschehen des 20. Jahrhunderts ein. So verfolgt man ganz nebenher als Leser auch noch andere bekannte Zeitgenossen von Lorenz .

Bekannt geworden ist Konrad Lorenz durch seine Tierbeobachtungen, insbesondere seiner Forschung zu den Graugänsen und der publikumswirksamen Demonstration der Prägung einer Junggans auf ihn selber. Graugans Martina akzeptierte den Forscher als seine „Mutter“ und Lorenz hatte fortan für deren Ernährung und Sicherheit zu sorgen, bis „Martin“ auftauchte und mit „ Martina“ eine Familie gründete. Diese und viele andere tolle Geschichten des talentierten Erzählers und Tiefreundes Lorenz, die er gerne in der Öffentlichkeit zum Besten gab und die ihm viele Sympathien einbrachten, lassen fast seine Mitgliedschaft in der NSDAP und seine nach dem Krieg totgeschwiegenen Äußerungen zu Erbgesundheit und Selektion vergessen. Lorenz, daran ist nicht zu rütteln, war ein überzeugter Nationalsozialist und würde heute wohl keinen Nobelpreis mehr bekommen. 1973 aber bekam der Österreicher gemeinsam mit Nikolas Tinbergen und Karl von Frisch den Nobelpreis für Medizin verliehen. Seine bahnbrechenden Forschungen im Bereich der vergleichenden Verhaltenforschung wurden so gewürdigt.

Ilona Jerger‘s Romanbiografie habe ich ausgesprochen gerne gehört. Ihre ambivalente Haltung zu Lorenz ist nachvollziehbar. Die Autorin schafft es sowohl auf die Verdienste des Biologen einzugehen, als auch seine Vergangenheit während der Hitler Diktatur kritisch zu beleuchten.

Das Hörbuch, gesprochen von Maria Hartmann hat mir gut gefallen.

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Veröffentlicht am 05.04.2024

Beklemmend

Geordnete Verhältnisse
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In diesem Roman geht es um eine toxische Beziehung, die schon in der Kindheit der beiden Protagonisten beginnt.

Philipp ist ein Kind mit vielen Problemen. Er wächst ohne Vater bei seiner alkoholabhängigen ...

In diesem Roman geht es um eine toxische Beziehung, die schon in der Kindheit der beiden Protagonisten beginnt.

Philipp ist ein Kind mit vielen Problemen. Er wächst ohne Vater bei seiner alkoholabhängigen Mutter und zeitweise bei seiner lieblosen und herrischen Tante auf und ist in der Schule ein Außenseiter, der keine Freunde findet.

Als die aus der Ukraine stammende Faina in seine Klasse kommt, beschließt Philipp, dass sie seine Freundin werden soll. Er hilft ihr bei den Hausaufgaben und beim Verbessern ihrer Deutschkenntnisse und bald sind die beiden ein festes Gespann. Diese Freundschaft, die für Philipp eine Seelenverwandtschaft ist, hält bis ins Erwachsenenalter an, bevor sich Faina im Streit von Philipp zurückzieht.

Eines Tages steht sie jedoch wieder vor seiner Tür, schwanger und pleite und bittet ihn um Hilfe. Von der eigenen Familie kann sie sich keine Hilfe erwarten, leider.

Das Buch ist so aufgebaut, dass zunächst Philipp, dann Faina von ihrem Leben in der Ich - Perspektive berichten, bevor der letzte Abschnitt der mit Faina und Philipp überschrieben ist aus einer neutralen Perspektive erzählt wird.

Das ist schlau gemacht, denn man kann sich bei den ersten beiden Abschnitten nicht sicher sein, wie zuverlässig sowohl Philipp als auch Faina als Erzähler sind.

Die Geschichte wird von Seite zu Seite zunehmend beklemmender. Themen wie Mobbing, häusliche Gewalt, Asexualität, Bisexualität, psychische Erkrankungen Drogensucht, Antisemitismus fließen in den Roman mit ein.

Die Vielzahl der Themen ist schon gewagt, wie ich finde. Trotzdem wirkt die Geschichte nicht überladen. Ein bisschen gestört haben mich die Klischees, derer sich die Autorin bedient.

Die finale Zuspitzung des Konflikts der beiden Protagonisten endet für mich mit keiner großen Überraschung. Trotzdem fand ich das Buch stark. Die Autorin analysiert sehr gut diesen Teufelskreis, in den Frauen geraten, die häuslicher Gewalt ausgeliefert sind. Auch das Aufwachsen in einer dysfunktionalen Familie, ohne dass eine psychologische Aufarbeitung der Kindheitserfahrungen erfolgt, kann gravierende Folgen haben, wie die Autorin es hier beispielhaft erzählt. Léna Lux prangert mit ihrem Roman natürlich auch unser gesellschaftliches System an, wie es auf häusliche Gewalt reagiert und wie Frauen alleingelassen werden.

Lesenswert!

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