Profilbild von TochterAlice

TochterAlice

Lesejury Star
offline

TochterAlice ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit TochterAlice über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 01.01.2019

Gab es eine Wahl?

Stella
0

Ein wenig erinnern mich die Protagonisten des Romans mit ihrem Hunger nach Leben an die heutige Generation junger Erwachsener, die sich einfach nimmt, was sie will: so auch Friedrich, der sich als Schweizer ...

Ein wenig erinnern mich die Protagonisten des Romans mit ihrem Hunger nach Leben an die heutige Generation junger Erwachsener, die sich einfach nimmt, was sie will: so auch Friedrich, der sich als Schweizer einfach mal für ein Jahr nach Berlin begibt und es ist nicht irgendein Jahr, sondern 1942: eines der Jahre also, in denen sich die meisten, die die Wahl hatten, lieber von Deutschland fernhielten.

Nicht so Friedrich, der finanziell und eben auch durch seine Staatsbürgerschaft abgesichert ist und dessen Eltern sich nicht zuletzt wegen des Nationalsozialismus trennten: sein Vater war ein ebenso erbitterter Gegner wie seine Mutter eine fast schon fanatische Befürworterin des Regimes, zumindest ein Fan von Hitler.

Friedrich lernt in Berlin die lebenslustige Kristin kennen, die sich ihm zunächst fast schon aufdrängt, von der er dann aber bald selbst nicht lassen kann. Kristin muss ihre Gier nach dem prallen Leben teuer bezahlen, nämlich durch einen Verrat an allem, was ihr lieb und teuer ist, nicht zuletzt an sich selbst. Denn sie ist in Wirklichkeit Stella, eine Berliner Jüdin aus ärmlichen Verhältnissen. Ich habe mich gefragt, ob sie eine Wahl hatte, ob sie - gerade in Bezug auf ihren Charakter, ihren Lebenshunger, ihren Überlebenswillen anders hätte handeln können.

Besonders bemerkenswert: Stella Goldschlag, an der sich die Figur der Kristin/Stella orientiert, hat tatsächlich gelebt und in Nazideutschland aus der Sicht der Nachwelt eine alles andere als eine ruhmreiche bzw. positive Rolle gespielt. Allerdings ist die Handlung, die hier erzählt wird, eine fiktive.

Eine Geschichte, in der Ethik und Moral eine übergeordnete Funktion einnehmen, gerade auch mit Blick an den wahren Begebenheiten, an denen sich der Roman orientiert. In der der Leser - zumindest ich - gleichsam vor der schwerwiegenden Entscheidung steht, Kristin und auch Friedrich zu verurteilen oder auch zu verstehen. Ich entziehe mich diesem Urteil auf elegante Art und Weise, in dem ich auf die extreme Situation beider Protagonisten hinweise, in die ich mich aus heutiger Sicht unmöglich hineinversetzen kann.

Takis Würger schreibt fesselnd und eindringlich und schafft durch das Einflechten von realen Prozessakten am Ende eines jeden Kapitels eine besondere Präsenz, eine Verbindung zur objektiven Wahrheit. Sozusagen. Denn es ist eine Wahrheit, die den Leser der Gegenwart wütend macht, auch ohnmächtig. Denn was kann man gegen die Vergangenheit tun, abgesehen von dem Versuch, so zu leben, dass so etwas nicht wieder passiert? Was - wenn möglich - mein Ohnmachtsgefühl noch verstärkt, denn angesichts der aktuellen politischen Entwicklungen in Deutschland scheint eine solche Situation zwar nicht greifbar nahe, aber unglaublicherweise doch wieder eine Option für die Zukunft zu sein. Ein, die eigentlich ausgeschlossen sein muss.

Wie man sieht: ein Roman, der mich zum Nachdenken gebracht und aufgerüttelt hat, und zwar nachhaltig. Ein Buch, das ich nicht so bald vergessen werde. Was meine Begeisterung dennoch ein wenig beeinträchtigt, ist der Umstand, dass in meiner Wahrnehmung einige Charaktere - allen voran die beiden Protagonisten - so gezeichnet sind, dass sie von ihrer Ausrichtung her eher in die Gegenwart als in die 1940er Jahre passen, sich quasi aus dem 21. in das 20. Jahrhundert verirrt haben. Doch das mag eine überaus subjektive Wahrnehmung sein und so empfehle ich dieses Buch aus (fast) ganzem Herzen weiter!

Veröffentlicht am 31.12.2018

Ein mörderisches Weihnachtsfest

Miss Daisy und der Mord unter dem Mistelzweig
0

wird Miss Daisy, die mittlerweile Mrs. Fletcher ist, und den ihren auf Brockdene, einem Landsitz in Cornwall beschert, wo sie friedliche Weihnachten verbringen wollen. Wobei Daisy dort eigentlich zum ...

wird Miss Daisy, die mittlerweile Mrs. Fletcher ist, und den ihren auf Brockdene, einem Landsitz in Cornwall beschert, wo sie friedliche Weihnachten verbringen wollen. Wobei Daisy dort eigentlich zum Schreiben hin ist, aber ihre überaus vereinnahmende Mutter, Lady Dalrymple hat ihr einen Strich durch die Rechnung gemacht und sich und den Rest der Familie gleich mit eingeladen.

Wobei es nicht ganz so kommt, wie sie wollte: der Besitzer des Hauses, Lord Westmoor, weilt nicht dort und sie muss mit dessen buckeliger Verwandtschaft vorliebnehmen. Und bald auch mit einer Leiche - ein Anwalt, der aus einem ganz bestimmten Grund geladen wurde, wird tot aufgefunden. Ermordet, wie Daisys Ehemann, der Scotland-Yard-Ermittler Alec Fletcher, alsbald feststellt. Und gegen seinen Willen wird er in die Ermittlungen hineingezogen. Ganz im Gegensatz zu Daisy, die absolut freiwillig - und nicht gerade erwünscht - mit einsteigt.

Trotz des in allen Nuancen erörteten Mordfalls ist dies ein ausgesprochen humorvoller und unterhaltsamer Krimi - einer der leichten Art. Er spielt im Jahre 1923 und das sollte man berücksichtigen, wenn man sich beim Lesen an dem längst überholten Frauenbild stört.

Was mir gefällt: die Autorin weist in kleinen Nebensätzen durchaus auf die Folgen des großen Krieges, also des Ersten Weltkriegs hin, so besitzt der Sohn des Hauses seitdem nur einen Arm und auch andere Veränderungen, meist sozialer Art, gehen darauf zurück. Was man allerdings nur mitbekommt, wenn man sich wirklich auf jeden Nebensatz einlässt, aber ich finde, das ist es wert!

Trotz des manchmal ein wenig umständlichen und behäbigen Stils und einer ziemlich anstrengenden Protagonistin habe ich das Buch mit Genuss gelesen. Etwas für die leichten Stunden des Lebens!

Veröffentlicht am 26.12.2018

Angst und Schrecken im beschaulichen Münster

Kälter als die Angst
2

erleiden zunächst einmal die Bewohner eines Mehrfamilienhauses durch die Zustellung gruseliger Briefe, die man als Morddrohungen interpretieren könnte. Dabei ist auch die gerade frisch eingezogene Katrin ...

erleiden zunächst einmal die Bewohner eines Mehrfamilienhauses durch die Zustellung gruseliger Briefe, die man als Morddrohungen interpretieren könnte. Dabei ist auch die gerade frisch eingezogene Katrin Ortrup, Charlotte Schneidmann und ihren Leuten (und natürlich den Stammlesern dieser Reihe) seit der Entführung ihres Sohnes bereits bestens bekannt. Sie ist die Einzige, die in die Offensive geht und die Polizei hinzuzieht. Und es wird immer bedrohlicher.

Zumal Opernsängerin Carla, bis vor kurzem noch Bewohnerin des besagten Mehrfamilienhauses in ihrem neuen Heim brutalst ermordend aufgefunden wird.

Spannungsreich und stellenweise auch blutig beschreibt Autorin Christine Drews in ihrem nunmehr fünften Band um das bereits erwähnte Ermittlerteam die Gegebenheiten - mehr und mehr werden Zusammenhänge deutlich, von denen man nie zu träumen gewagt hätte - nicht einmal in seinen tiefsten Albträumen - wie es eines ordentlichen Krimis eben würdig ist. Und dies ist ein ziemlich harter, der auf der Schwelle zum Thriller steht, auch wenn ein ganz klassisches Team ermittelt. Die diversen Schlachten, sowohl mit Wort- als auch und vor allem mit Körpereinsatz - potentielle Leser dürfen sich auf einiges gefasst machen - waren mir fast des Guten - bzw. des Bösen - zu viel. Ganz klar eher etwas für Leser, bei denen es gern etwas heftiger zugehen kann: Wobei es im Vergleich zu anderen Krimis dieser Reihe noch eher ruhig zugeht, was nicht zuletzt etwas mit den Entwicklungen im Polizeipräsidium zusammenhängt. Die Leser dürfen gespannt sein!

Die Zusammenhänge und Verstrickungen sind - meistens jedenfalls - durchaus schlüssig und vielschichtig dargestellt, auch ein Hauch von Humor blitzt stellenweise auf, freilich um gleich wieder von einem Blutbad, Schuss- oder Wortwechsel hinweggespült zu werden.

Charlotte Schneidmann und ihr Kollege Peter Käfer sind gleichwohl angenehme Gesellen, die sich gut verstehen, ein unschlagbares -allerdings im Moment nicht existentes - Team bilden und deren Charaktere sehr gut herausgearbeitet sind. Dies ist definitiv eine Stärke der Autorin und aus meiner Sicht ein Highlight in der deutschen Ermittlerszene und ihren Münsteraner "Kollegen" Frank Thiel und Prof. Karl-Friedrich Boerne aus dem Tatort mindestens ebenbürtig! Etwas für Leser, die Münster als Schauplatz von Mordfällen erleben und dabei abseits der üblichen beschaulichen Regionalkrimis lesen wollen!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Spannung
  • Geschichte
  • Erzählstil
  • Figuren
Veröffentlicht am 11.12.2018

Üblicherweise werden Mütter an "ihrem" Tag gefeiert

Muttertag (Ein Bodenstein-Kirchhoff-Krimi 9)
0

Hier geschieht sozusagen Gegenteiliges, die Mütter verschwinden, und zwar immer an oder um "ihren" Tag im Jahr, dem Muttertag nämlich! Seit Jahrzehnten schon - nicht jedes Jahr, aber immer wieder.

All ...

Hier geschieht sozusagen Gegenteiliges, die Mütter verschwinden, und zwar immer an oder um "ihren" Tag im Jahr, dem Muttertag nämlich! Seit Jahrzehnten schon - nicht jedes Jahr, aber immer wieder.

All diese Frauen haben eine Gemeinsamkeit, die sich wie ein rotes Band durch die Fälle zieht - und dann macht die hessische Kriminalpolizei durch Zufall einen grausigen Fund. Und zwar im Garten eines alten Mannes, der vor vielen Jahren gemeinsam mit seiner Frau Pflegekinder aufnahm. Angeblich lief dahingehend alles wunderbar, nach seiner Frau sollte sogar eine Straße benannt werden, eine wahre Samariterin. Die im Übrigen vor vielen Jahren auf geheimnisvolle Art verschwand.

In Gesprächen mit einigen der ehemaligen Pflegekinder des Paares tun sich Facetten auf, die man so weder erwartet noch sie sich in das Leben von Kindern und Jugendlichen wünscht. Wie hängt das alles mit den Funden zusammen? Bald schon stecken Pia Sander und Oliver von Bodenstein mitten in den Ermittlungen und sind so involviert, dass sie und auch einige ihrer Kollegen die Nächte auf dem Polizeirevier verbringen.

Na, neugierig geworden? In der Tat ist "Muttertag" eine weitere Perle in der Taunus-Reihe der unnachahmlichen Nele Neuhaus. Die Serie um die Kommissarin Pia Sander und ihren Chef Oliver von Bodenstein hat mit herkömmlichen, oft etwas behäbigen deutschen Regionalkrimis à la Manfred Bomm und Regine Kölpin nichts zu tun. Dagegen kann die Autorin mit den skandinavischen Krimiserien von Autorinnen wie Helene Tursten und Anne Holt sowie mit angelsächischen Vorbildern wie Marcia Muller locker konkurrieren - der neue, mittlerweile neunte Band reiht sich vielversprechend in diese Serie ein und kann aus meiner Sicht von der Spannung her fast mit den Glanzlichtern der Serie "Tiefe Wunden" und "Schneewittchen muss sterben" mithalten.

Was aus meiner Sicht nicht unbedingt nötig gewesen wäre: der oder die Täterin zeichnet sich schon relativ früh ab, aus meiner Sicht geschieht auf den letzten fast hundert Seiten wenig Überraschendes, auch wenn sich alles gut und stimmig zusammenfügt und es im Gegensatz zum letzten Band "Im Wald" kaum offene Erzählstränge gibt, jedenfalls keine, die von zentraler Bedeutung wären.

Dennoch: Nele Neuhaus schreibt packend und fesselnd und zeigt diesmal vor allem Pia Sander von einer sehr persönlichen Seite: dadurch, dass sie tief in ihre Vergangenheit taucht, offenbart sie Erfahrungen und Empfindungen dieser Figur, die zumindest mir in diesem Ausmaß noch nicht bekannt waren.

Auch wenn dieser Band aus meiner Sicht nicht ganz so stark ist wie einige der Vorgänger: Diese Serie ist ein absolutes Muss für alle Freunde und Freundinnen hochkarätiger deutscher Krimis mit einer ähnlichen Spannungsgarantie wie der Reihe um den auch in räumlicher Nähe - nämlich in Frankfurt - angesiedelten Hauptkommissar Marthaler von Jan Seghers. Man kann "Muttertag" sicher isoliert von den anderen Krimis dieser Reihe lesen, doch wird es nur wenige geben, die sich nach dem Genuss dieser Lektüre nicht auch die vorherigen Bände gönnen möchten.

Veröffentlicht am 05.12.2018

Von der Kochsendung zur Familiengeschichte

Das Geheimnis der letzten Schäferin
0

Nina Ludwig hat - so scheint es - alles: sie ist jung, ihr Restaurant "Ludwig" in Salzburg ist ein absoluter Schlager, sie hat eine Kochsendung im Fernsehen und dazu noch Eltern und Freunde, die für sie ...

Nina Ludwig hat - so scheint es - alles: sie ist jung, ihr Restaurant "Ludwig" in Salzburg ist ein absoluter Schlager, sie hat eine Kochsendung im Fernsehen und dazu noch Eltern und Freunde, die für sie durchs Feuer gehen.

Doch nun wird Unmögliches von ihr verlangt: sie soll mit Julian Leroy, dem jungen Münchner Szenekoch, eine gemeinsame Sendung drehen. Ausgerechnet mit Leroy, von dem sie so gar nichts hält - ein oberflächlicher Kerl und ein Aufschneider. Doch sie wird vom Sender unter Druck gesetzt...

Für Nina stehen einige Überraschungen parat: die größte davon ist die, dass der Drehort in Bayern der Geburtsort ihrer geliebten, leider schon längst verstorbenen Oma Lieselotte ist. Und offenbar kannte der Besitzer des denkmalgeschützten Hofes, auf dem die Dreharbeiten stattfinden, Lieselotte näher. Bei dem Versuch, mehr über die Jugend ihrer Großmutter, die als Schäferin tätig war, zu erfahren, blockt er jedoch ab. Schnell wird Nina neugierig und versucht, dies zu ergründen.

Dabei ist der Leser immer mindestens auf derselben Ebene wie Nina, oft auch schon einen Schritt voraus, denn die Handlung findet auf zwei Zeitebenen statt, wovon eine Ninas Welt und damit die Gegenwart behandelt, die andere das Leben und die Geschicke von Lieselotte beleuchtet.

Und es zeigt sich, dass die Großmutter Lieselotte, der Nina ihre Liebe zum Kochen verdankt, so einiges erlebt hat. Wobei der Titel "Das Geheimnis der letzten Schäferin" nicht so ganz zutrifft, denn es wird nie ganz klar, ob Lieselotte selbst es überhaupt kannte.

Ein spannender und atmosphärischer Roman mit einigen ungewöhnlichen Aspekten: so kennt man die Autorin Beate Maxian und in dieser Hinsicht hat sie auch diesmal nicht enttäuscht. Allerdings sind einige Entwicklungen, allen voran die von Ninas Einstellung gegenüber Julian Leroy, von Anfang an abzusehen und verkleinern dadurch das Füllhorn der Überraschungen, das über den Leser ausgeschüttet wird, doch um einiges. Dennoch: ein unterhaltsames, lesenswertes Buch für verdiente Mußestunden, das ich gerne weiterempfehle!