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Veröffentlicht am 13.12.2018

Die Fotografin

Die Fotografin - Am Anfang des Weges
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Die Fotografin

Wir befinden uns im Jahr 1905. Eine Zeit, in der das Frauenbild noch in einem ziemlich engen Korsett steckt; die gutbürgerliche Frau ist von Beruf Gattin, sie darf ohne Erlaubnis ihres ...

Die Fotografin

Wir befinden uns im Jahr 1905. Eine Zeit, in der das Frauenbild noch in einem ziemlich engen Korsett steckt; die gutbürgerliche Frau ist von Beruf Gattin, sie darf ohne Erlaubnis ihres Mannes weder einem Broterwerb nachgehen noch über eigenes Geld verfügen, sie hat keinen Anspruch auf ihre eigenen Kinder - einzig die Gewalt über den Schlüssel der Speisekammer obliegt ihr.

In dieser Zeit lebt Minna – Mimi – Reventlow. Als eine der wenigen Frauen hat Mimi Abitur und eine abgeschlossene Berufsausbildung. Als sie an ihrem 26. Geburtstag einen Heiratsantrag von Heinrich Grohe bekommt, tut sie etwas schier unglaubliches: Sie lehnt diesen Antrag ab und entschließt sich dazu, in die Fußstapfen ihres Onkels zu treten. Sie möchte Wanderfotografin werden und das langweilige Feld der eingefahrenen Studio-Portrait-Fotografie verlassen. Ihr Kopf steckt voller neuer Ideen.

Mimi muss viele Klinken putzen bis ihr ein Zufall dazu verhilft, Bekanntschaft als Fotografin zu erlangen und sie reist eine Zeit lang durchs ganze Land. Als ihr großes Vorbild, Onkel Josef, erkrankt, reist sie zu ihm nach Laichingen. Schnell wird ersichtlich, dass es hier mit „Kurzzeitpflege“ nicht getan ist und Mimi beschließt, bei Josef zu bleiben und ihn zu pflegen. Um ihren Unterhalt zu verdienen eröffnet sie das seit Jahren geschlossene Foto-Atelier ihres Onkels aber mit ihrer offenen und modernen Art und ihrem zielgerichteten Auftreten trifft sie bei den konservativen Laichingern jedoch nicht überall auf Wohlwollen – schon gar nicht bei Herrn Gehringer, dem größten Arbeitgeber Laichingens.


Petra Durst-Benning hat es wieder einmal geschafft – sie hat es geschafft, mich einzufangen mit ihrer Geschichte. Ich liebe ihre Bücher; egal ob die zeitgenössische Maierhofen-Reihe oder die historischen Romane. Zum einen erschafft sie immer starke Protagonistinnen, die ihrer Zeit meist weit voraus sind, zum anderen sind ihre Themen/Schauplätze immer hervorragend recherchiert und gekonnt in einer wunderbaren Geschichte in Szene gesetzt.

„Ich möchte den Menschen Schönheit schenken! Sie in der freien Natur fotografieren, von mir aus auch mit Requisiten. Aber um Himmels willen nicht mit Kopf- und Körperstützen und immer in denselben Posen! Ich möchte mit Licht und Schatten spielen, ich möchte die Menschen mithilfe meiner Fotografien verzaubern …..“

Mimi war mir von der 1. Seite an sympathisch. Wenn es diese starken Charaktere nicht wirklich gegeben hätte (und heute nicht auch noch geben würde), dann wären wir Frauen wahrscheinlich noch immer brave Heimchen am Herd, die sich um nichts anderes als die 3 K (Küche, Kinder, Kirche) kümmern würden.

Petra Durst-Benning hat den Schauplatz ihres neuesten historischen Romans auf die schwäbische Alb gelegt, genauer gesagt nach Laichingen. Dort lebten die Menschen lange Zeit nach festgefahrenen Traditionen: Ganze Generationen von Männern arbeiteten als Weber in den Fabriken der Tuchindustrie, die Frauen fertigten Stickereien in Hausarbeit; es gab nichts anderes und über den Tellerrand zu schauen war damals nicht üblich oder man konnte es sich schlichtweg nicht leisten. Trotz harter Arbeit lebten die meisten Familien in Armut und ihr Hauptnahrungsmittel war „schwarzer Brei“, ein Brei aus Musmehl, den es heute noch in einer deftigen und einer süßen Variante gibt. Die Autorin schafft es mit ihren Beschreibungen, dass man sich als Leser ganz in die damalige Zeit zurückversetzt fühlt.

Mimi lernt in Laichingen das karge und harte Leben der Leinenweber kennen aber sie versteht es nicht, dass niemand der Alteingesessenen aus diesem Joch ausbrechen möchte oder, wenn schon die Eltern es nicht tun, sie nicht wenigstens ihren Kindern die Möglichkeit geben etwas anderes zu tun als Generationen vor ihnen. Mimi erkennt zum Beispiel, dass einer der Jugendlichen ein großes Talent zum Zeichen hat und sie möchte ihm gerne helfen, dass er die Zeichenschule in Stuttgart besuchen darf. Leider stößt diese Idee bei seinen Eltern auf Widerstand. Aber Mimi wäre nicht Mimi, wenn sie sofort aufgeben würde.

Neben dem Erzählstrang von Mimi, die dem Leser die Geschehnisse aus ihrer Sicht zeigt, erfahren wir von Anton und Alexander, wie das eingefahrene Leben in Laichingen sich für die Jugendlichen anfühlt und mit Eveline hat Petra Durst-Benning eine Protagonistin erschaffen, die aus „gutem Hause“ stammt und die Ehe mit einem Leinenweber eingegangen ist.

Alle Protagonisten sind sehr liebevoll und realistisch angelegt worden und es macht Spaß, ihnen als Leser über die Schulter zu schauen und an ihrem Leben teilzuhaben. Natürlich kommen auch die Gefühle nicht zu kurz, denn Mimi lernt auf ihrer Reise durch Deutschland einen Wander-Gewerkschafter kennen, zu dem sie sich gleich hingezogen fühlt. Leider trennen sich ihre Wege und niemand weiß, ob sie sich jemals wiedersehen werden. Vielleicht verhilft das Schicksal ihnen ja zu einem Treffen zu einer anderen Zeit, an einem anderen Ort, wer weiß?

Als 1. Teil einer Serie endet das Buch natürlich mit einem Cliffhanger (zumindest finde ich das natürlich, dass das Buch nicht in sich abgeschlossen ist). Die Wartezeit bis zu Band 2 wird schmerzlich, das weiß ich, aber umso schöner wird es im April dann sein, die Fortsetzung lesen zu können.

Zu einem Buch, auf dem Petra Durst-Benning drauf steht, greife ich bedenkenlos – weil ich weiß, dass ich für ein paar Lesestunden wirklich gut unterhalten werde.

Veröffentlicht am 30.10.2018

Die Frauen der Kamelien-Insel

Die Frauen der Kamelien-Insel
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Die Frauen der Kamelien-Insel

Sylvia und Mael besiegeln ihre Liebe und gemeinsam mit fast 300 Gästen feiern sie ihre Hochzeit auf der Kamelien-Insel. Auf der Gästeliste stehen selbstverständlich auch ...

Die Frauen der Kamelien-Insel

Sylvia und Mael besiegeln ihre Liebe und gemeinsam mit fast 300 Gästen feiern sie ihre Hochzeit auf der Kamelien-Insel. Auf der Gästeliste stehen selbstverständlich auch Sylvias beste Freundin Veronika mit ihrem Ehemann Laurent und ihrer kleinen Tochter Lilli. Dieses bezaubernde Wesen hat Sylvia und Mael total in ihren Bann gezogen und bei den Beiden wächst der Wunsch nach einem eigenen, gemeinsamen Kind. Während für den Ausbau der Kamelien-Insel ein Besucher-Zentrum geplant wird und die Gärtnerei insgesamt floriert, vergeht Monat um Monat, aber bei Sylvia stellt sich die erwünschte Schwangerschaft einfach nicht ein. Plötzlich taucht auf der Insel eine junge Frau auf, die behauptet, dass Mael der Vater ihres 7jährigen Sohnes Noah ist. Wird die noch junge Liebe von Sylvia und Mael tatsächlich schon auf die Probe gestellt?

Die Autorin Tabea Bach nimmt ihre Leser in diesem Jahr zum 2. Mal mit auf die (fiktive) Kamelien-Insel in der Bretagne. Der 1. Band der Trilogie erschien am 23.02.2018 unter dem Titel „Die Kamelien-Insel“. Es ist problemlos möglich dieses Buch unabhängig von Teil 1 zu lesen, macht aber für mich – bei einer Trilogie – nicht unbedingt Sinn, da die Geschichte aufeinander aufbaut. Leider verrät der Klappentext auch hier wieder sehr viel von der Handlung des Buches.

Wie auch schon in Band 1 liegt das Hauptaugenmerk auf Sylvia. Im Gegensatz zu ihrer 1. Ehe hat sie Mael aus Liebe geheiratet und deswegen wirkt sie nicht mehr so kühl und unnahbar, wie im 1. Buch. Sie treibt den Ausbau der Kamelien-Gärtnerei voran und plant den Bau eines sehr großen Besucherzentrums während ihr Mann sich, wie gewohnt, um die Zucht der edlen und auch teuren Kamelien kümmert. Ab dem Zeitpunkt, an dem Chloe mit Noah auf der Insel erscheint, weiß ich jedoch nicht, ob ich Sylvia bemitleiden oder bewundern soll, ich mache abwechselnd beides. Auf der einen Seite lässt sie sich von Mael sehr viel gefallen, was in meinen Augen der großen Liebe zu ihrem Mann geschuldet ist, auf der anderen Seite springt sie in den richtigen Momenten problemlos über ihren eigenen Schatten. Eine starke Frau, ohne überheblich zu wirken.

Mael erfüllt in diesem Buch für mich das typische Klischee eines Mannes. Sobald er hat was er sich wünscht, lehnt er sich zurück und stellt alle weiteren Anstrengungen in dieser Sache ein. Mit Noah bekommt Mael das Kind, das er haben möchte. Leider vergisst er bei dieser Sache, dass seine Frau ebenso ein Kind haben möchte – aber sicherlich nicht das einer anderen Frau, sondern ihr eigenes, gemeinsam mit ihrem Ehemann. In seiner Freude Vater geworden zu sein, behandelt er seine Frau manchmal ziemlich rücksichtslos und ich würde ihm gerne ab und zu den Kopf in die richtige Richtung rücken. Sylvia verzeiht ihrem Mann vieles, schluckt ihren Kummer oft auch einfach runter. Vielleicht ist es das, was ihre Liebe ausmacht, ich weiß es nicht. Bei mir würde die ein oder andere Situation einen handfesten Disput auslösen. Als Gärtner ist Mael nach wie vor ein Ass, er lebt für die Kamelien-Zucht.

Noah ist für mich die leidtragende Person in dieser Geschichte. Statt Pariser Luxuswohnung wird er auf eine Insel in der Bretagne verpflanzt und bekommt mal eben einen neuen Vater vorgesetzt. Mit 7 versteht man zwar viele Dinge schon ganz gut, aber dass sein bisheriger Vater nun auf einmal nicht mehr sein Vater sein soll, das löst bei Noah die ein oder andere Kurzschluss-Reaktion aus. Gott sei Dank hat er einen Schutzengel – und das ist ganz sicher nicht seine Mutter.

Zu Chloe, Noahs Mutter, möchte ich gar nicht viel schreiben. Sie ist unsympathisch und handelt vollkommen opportunistisch. Es drängt sich mir als Leserin gleich der Gedanke auf, dass mehr hinter ihrem Handeln steckt als nur die Tatsache, dass sie Mael darüber in Kenntnis setzen möchte, einen Sohn zu haben. Sie ist es auch, die die Kamelien-Insel ernsthaft in Gefahr bringt.

Zum Schluss des Buches begegnet man dann auch einem alten Bekannten wieder – Sir James Ashton-Davonport. Was er wieder aushecken mag um die Insel doch noch in seinen Besitz zu bringen …. das verrate ich nicht.

Neben den Hauptakteuren werden auch alle anderen Darsteller von der Autorin wieder liebevoll in Szene gesetzt. Der Leser trifft sowohl auf bekannte Personen aus Teil 1 sowie auf neue Charaktere, die in der einen oder anderen Art und Weise für den Fortgang der Geschichte wichtig sind.

Die Schreibweise von Tabea Bach ist angenehm und durch die nebenbei einfließenden Schilderungen von typisch bretonischen Gebräuchen oder Spezialitäten, verleiht sie der Geschichte ihre Authentizität.

Im Frühjahr 2019 (29.03.2019) erscheint der 3. und letzte Teil der Trilogie unter dem Namen „Heimkehr auf die Kamelien-Insel“, worauf ich mich schon sehr freue.

Veröffentlicht am 27.08.2018

Integration ist keine Einbahnstraße

Eingedeutscht
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Die beiden Syrer Abdul Abbasi und Allaa Faham kamen 2015 – unabhängig voneinander – als Flüchtlinge nach Deutschland.

Die wohl größte Hürde die sie überwinden mussten, war das Erlernen der deutschen Sprache. ...

Die beiden Syrer Abdul Abbasi und Allaa Faham kamen 2015 – unabhängig voneinander – als Flüchtlinge nach Deutschland.

Die wohl größte Hürde die sie überwinden mussten, war das Erlernen der deutschen Sprache. Aber abgesehen von den Sprachschwierigkeiten klafft zwischen der arabischen und der deutschen Kultur eine riesengroße Lücke, die es zu überwinden galt. Der Papierkrieg in den deutschen Behörden, die Deutschen und ihre Liebe zum Haustier, Gastfreundschaft, was wir essen und trinken und wie unterschiedlich unsere Auffassung von Zeit ist; der Weg zur Integration ist steinig und schwer.

Per Zufall lernten sich Abdul und Allaa im Juni/Juli 2016 via Facebook kennen und sehr schnell stellten sie fest, dass sie die gleiche Art von Humor teilen. Warum also nicht gemeinsam ein Projekt starten? Unter dem Namen „German LifeStyle GLS“ wollten sie anfangs via Facebook und YouTube schlicht und einfach ihren syrischen Landsleuten Hilfestellung zur Integration in Deutschland geben, ihnen die Besonderheiten unseres Alltags näherbringen. Es kristallisiert sich heraus, dass Integration keine Einbahnstraße ist und man beide Seiten in den Prozess einbinden muss – am besten funktioniert das, indem man gemeinsam über etwas lacht.

Als wir, Abdul und Allaa, nach Deutschland kamen, waren wir voller Ängste. Angst vor den Menschen, vor Tieren, dem Wetter, vor neuen Situationen und vor Speisen, die wir nicht kannten. Wir hatten Angst vor allem, was uns fremd war. Und fremd war uns: alles. [….] Wir lernten, dass Fremdes nur so lange Angst macht, solange es im Dunkeln bleibt und wir nur Schemen wahrnehmen. Wir haben dieses Buch geschrieben, damit ihr Deutschen uns Syrer besser kennenlernt und wir Syrer euch Deutsche. [.…] Egal was unser Hintergrund ist: Uns verbindet mehr, als wir denken. Lasst uns alle das Licht anknipsen und genauer hinschauen.

Genau das tun Abdul und Allaa sowohl auf ihrem Facebook- oder YouTube-Profil als auch in ihrem Buch „Eingedeutscht“, das am 19.03.2018 im Goldmann Verlag erschienen ist. Sie knipsen das Licht an und schauen genauer hin – mit viel Humor erzählen sie die Geschichte ihrer Integration und auf welche Hindernisse sie dabei gestoßen sind bzw. welche Missverständnisse teilweise aus den verschiedenen Situationen entstanden sind.

So ist es in Syrien (oder in arabischen Ländern allgemein) üblich, dass man angebotenes Essen zuerst einmal freundlich aber bestimmt ablehnt. Der Gastgeber wird jedoch nicht müde, sein Essen trotzdem an den Mann (oder die Frau) bringen zu wollen. Dieser Verhaltenskodex wird den Syrern quasi in die Wiege gelegt.

Nein sagen, auch wenn wir Ja meinen – das ist höflich. Und gerade wenn wir Jajaja meinen (so wie Allaa, wenn es Schokolade gibt), müssen wir unser Nein besonders oft und vehement wiederholen. Das signalisiert unserem Gegenüber unmissverständlich den Grad der Gier beziehungsweise der Verzweiflung.

Während man in Syrien mitunter eine halbe Stunde darüber palavert bis jemand das angebotene Essen dann doch endlich nimmt, spielt sich in Deutschland in Minutenschnelle folgende Szene ab:

-Ich sah, wie ein Mitarbeiter des Migrationszentrums seinen Servierwagen am Tisch einer mir bisher unbekannten syrischen Flüchtlingsfamilie parkte: „Möchten Sie etwas Suppe? Oder ein Brot?“ Der Vater winkte sofort ab: „Oh, nein danke, wir haben gar keinen Hunger, aber das ist nett von Ihnen“. Seine Frau und die Kinder nickten. Der Mitarbeiter fuhr mit dem Servierwagen und dem Essen weg.

Ich konnte beim Lesen die Enttäuschung dieser Familie spüren, wussten sie doch nicht, was sie falsch gemacht haben. In Deutschland ist ein „Nein“ ein „Nein“, basta – und die Familie musste hungern.

Witzig fand ich die Gegenüberstellung der deutschen und syrischen Liebesschwüre. „Ich möchte auf Deinen Wimpern laufen“ … „Deine Schönheit hat meine Seele getötet“…. ich lache jetzt noch. Dem gegenüber steht unser deutsches „Du bist die Frau meiner Träume“ doch ziemlich langweilig da, oder?

Nachdenklich gemacht hat mich der Abschnitt über die Deutschen und ihre Liebe zum Tier.

„Obwohl so viele Tiere ausgesetzt werden, sieht man in Deutschland keinen einzigen Straßenhund. In Syrien gab es vor dem Krieg viele Straßenhunde, aber keine Menschen, die auf der Straße lebten. Es war neu für uns Syrer, hier in Deutschland Obdachlose zu sehen, aber keinen einzigen herren- und wohnungslosen Hund. Kein Wunder, wenn pro Jahr rund 300.000 Deutsche einen neuen Hund aufnehmen! Und wusstet ihr, dass es im Jahr 2016 etwa 335.000 Obdachlose gab? Die Liebe der Deutschen zum Tier ist aus vielen Perspektiven eine besondere. Wie wäre es also, wenn die Hundeliebhaber einen Obdachlosen aufnehmen würden? Sie könnten ihn aus dem Urlaub anrufen, ihm etwas zu Weihnachten schenken und Postkarten schreiben. Und der Ex-Obdachlose könnte solange auf das Haustier aufpassen.“

Vorausgegangen ist diesem Abschnitt eine Aufzählung, dass 64 % der Deutschen ihrem Haustier etwas zu Weihnachten schenken, 14 % telefonieren aus dem Urlaub mit ihrem Hund, 6 % schicken ihm eine Postkarte.

Wenn man sich das Kapitel über „Zeit, Zahlen, Perfektion und Bürokratie“ durchliest, in welchem es um die Organisation einer Veranstaltung geht, dann stellt man mit Erschrecken fest, dass wir Deutschen doch ab und an mal (ich bitte um Entschuldigung für die nachfolgende Formulierung) den Stock aus dem Arsch nehmen sollten. Wogegen es bei uns wiederum in der Regel ziemlich locker zugeht, wenn man den Eltern der Freundin vorgestellt werden soll. Dazu muss man in Deutschland nicht gleich Heiratsabsichten haben.

So stellen sie auf 224 Seiten unsere deutsche der arabischen Kultur gegenüber – mal witzig und auch mal nachdenklich – und sie verfügen über die seltene Gabe, über sich selbst lachen zu können.

Ich bin schon lange Fan der GLS-Facebook-Seite und des YouTube-Kanals und ich werde es sicher noch lange bleiben. ِAktuell, Stand 27.04.2018, haben die Beiden auf ihrer Facebook-Seite 115.180 Follower und ihr Youtube-Kanal wird von 42.307 Leuten abonniert.

Abdul und Allaa, die zwischenzeitlich beide an einer deutschen Universität studieren, wünsche ich für ihre Zukunft alles Gute!

Auch in meinem Leben gibt es Syrer, die 2015 als Flüchtlinge in unser Land kamen. Wer sich integrieren möchte, der braucht auch jemanden, der ihn integriert bzw. ihm dabei hilft, sich zu integrieren.

In diesem Sinne

مع السلامة
maʿa as-salāma

Veröffentlicht am 27.08.2018

Wenn Du still bist, verstehen Dich nur Menschen, die Dich fühlen

Die Stille meiner Worte
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In der Nacht, in der ihre Schwester Izzy gestorben ist, hat die 17jährige Hannah ihre Sprache verloren. Hannah ist zutiefst traurig und verstört, sie fühlt sich unvollständig ohne ihre Schwester und schuldig ...

In der Nacht, in der ihre Schwester Izzy gestorben ist, hat die 17jährige Hannah ihre Sprache verloren. Hannah ist zutiefst traurig und verstört, sie fühlt sich unvollständig ohne ihre Schwester und schuldig an deren Tod. Ihre Eltern, selbst in ihrer Trauer gefangen, können Hannah nicht helfen. Im Gegenteil, sie können nicht einmal sich selbst helfen und deswegen schicken sie ihre Tochter in ein Sommercamp, das vom Internat St. Anna, einem Internat für traumatisierte Jugendliche, durchgeführt wird. Dort lernt sie u. a. Levi kennen, für den es das letzte Sommercamp sein wird, denn er wird St. Anna verlassen. Schafft Levi es, dass Hannah ihre Sprache wiederfindet?

Auf die Leserunde zu diesem Buch „Die Stille meiner Worte“ habe ich mich seit Wochen gefreut. Der Klappentext und diverse Rezensionen, die ich über Facebook & Co. gelesen habe, versprachen ein sehr emotionales Buch …. ich wurde nicht enttäuscht.

Izzy, Hannahs Schwester, ist bei einem tragischen Unglück gestorben. Warum, wieso, weshalb, das offenbart sich dem Leser erst ziemlich weit hinten im Buch. Fakt ist jedoch, dass Hannah sich am Tod ihrer Schwester die Schuld gibt und sie in der schrecklichen Nacht, die Nacht in der Izzy nicht gerettet werden konnte, ihre Sprache verliert. Diesen Zustand des nicht-Sprechen-könnens gibt es tatsächlich, er nennt sich Mutismus.

Hannah bräuchte in ihrem Zustand den Trost und den Halt ihrer Eltern, doch diese sind mit der Situation, mit Hannah und mit sich selbst überfordert. Deswegen beschließen sie, dass es das Beste ist, wenn Hannah eine Zeit lang ein Internat besucht. Bevor das Schuljahr beginnt, steht jedoch das alljährliche 3wöchige Sommercamp an. Und so fährt Hannah mit ihren zukünftigen MitschülerInnen in ein Zeltlager am See.

Ich muss gestehen, dass ich mich über Hannahs Eltern aufgeregt habe. Zum einen ist Hannah 17 Jahre alt und eigentlich ist das ein Alter, in dem die Eltern nicht mehr über ihren Kopf hinweg entscheiden sollten und zum anderen kann ich nicht verstehen, wie man nach dem Verlust des einen Kindes das andere Kind einfach so wegschicken kann. Aber es gibt da ja den schönen Spruch, dass man eine Zeit lang in den Schuhen des Anderen gehen soll, um dessen Tun und Handeln zu verstehen.

Das war jetzt auch schon die Überleitung zum Thema „Sprüche und Lebensweisheiten“. Das Buch ist voll davon. Jedes Kapitel wird von einem Spruch eingeleitet und Hannahs Gedanken sind ganz oft tiefsinnig. Für mich drücken diese bildhaften Aussagen etwas aus, was man meiner Meinung nach manchmal gar nicht auf andere Art und Weise beschreiben kann.

„Es ist diese Art von Schmerz, die so stark ist, dass man ihn nicht mehr zeigen kann, weil er eine Grenze überschritten hat. Die Art, die man nicht herauslassen kann, weil jeder Schrei, jedes Wort und jede Träne zu wenig wären für ihn.“ (Seite 11)

Man kann diese Sprüche lieben, sie können einen aber auch erschlagen. Die ersten Kapitel sind ziemlich dicht gespickt, nach hinten weg wird es weniger. Mir persönlich war es nicht zu viel, denn ich liebe solche Sprüche. In der Leserunde gab es dazu aber auch anderslautende Meinungen.

In den ersten Kapiteln kann ich noch keinen wirklichen Zugang zu Hannah finden. Ich lese ihre Geschichte, aber ich kann sie nicht fühlen. Das ändert sich jedoch als Hannah in diesem Camp angekommen ist. Sie ist dort nichts besonderes, alle Jugendlichen in diesem Camp schleppen ihre eigenen Dämonen mit sich herum. Hannah nennt dieses Camp den „Ort der kaputten Dinge“.

Neben den Betreuerinnen Jana und Pia lernen wir auch Levi, Sarah und Lina kennen. Die anderen Jugendlichen werden zwar teilweise erwähnt, sind aber nicht von großer Bedeutung. Außerhalb des Camps ist neben den Eltern von Hannah auch Ben eine wichtige Person. Er verbreitet Wärme und Vertrauen, das kann ich beim Lesen deutlich spüren.

Hannah schreibt ihrer Schwester Izzy immer wieder Briefe, die sie anschließend verbrennt – in der Hoffnung, dass der Inhalt des Briefes ihre Schwester auf diese Art erreicht. Die Briefe enthalten immer irgendwelche Andeutungen darauf was passiert ist, ohne zu sehr ins Detail zu gehen. Sie zeigen aber auch die Schuldgefühle von Hannah und man möchte gerne wissen, was denn in dieser Nacht passiert ist. Es gibt keinen großartigen Spannungsaufbau ….. die Geschichte trägt sich einfach selbst, bis zum Schluss die Auflösung präsentiert wird.

Die Beziehung zwischen Hannah und Levi entwickelt sich eher zufällig als geplant, da beide den gleichen „Lieblingsplatz“ am See haben. Anfangs weicht Hannah noch verschreckt zurück, wenn Levi sie anspricht. Nach einem gemeinsamen Erlebnis bricht das Eis jedoch langsam und Levi schafft es, an Hannah heran zu kommen. Kater Mo, den Hannah unerlaubterweise ins Camp mit eingeschleust hat, trägt seinen Teil dazu bei, dass die 2 miteinander kommunizieren (reden kann Hannah ja nicht).

Die Autorin Ava Reed hat es geschafft, zwischen Hannah und Levi eine Vertrauensbasis zu schaffen, ohne die Beiden zum Liebespaar werden zu lassen. Diese Entwicklung hätte nicht wirklich zur Geschichte gepasst. Da sind 2 junge Menschen, die sich einfach gut tun. Punkt. Sie wachsen gemeinsam an ihrer Vergangenheit aber sie sind noch lange nicht geheilt.

„Weil sie nicht wissen, wie es ist, wenn man nicht aufgefangen werden will und unter einem das Netz gespannt wird, und weil sie nicht wissen, wie es ist, wenn man aufgefangen werden will, aber einfach weiterfällt. Weil ich einfach manchmal nicht okay sein möchte, weil auch das einfach mal okay ist.“ (Seite 247)

Es gibt einige kleine Szenen, die im richtigen Leben so nie passieren dürften, weil die Betreuer im Camp damit ihre Aufsichts- und Fürsorgepflicht vernachlässigen würden. Für den Fortgang der Geschichte waren diese Szenen aber gerade so notwendig wie sie geschildert wurden, weswegen ich das der künstlerischen Freiheit der Autorin zugerechnet habe.

Der Schreibstil von Ava Reed ist sehr angenehm zu lesen. Für die Erzählung hat sie die Ich-Perspektive gewählt, so dass der Leser immer dicht an den Gedanken der Protagonisten ist. Das Buch ist in 43 Kapitel eingeteilt und diese werden mal von Hannah und mal von Levi erzählt. Das Ende des Buches ist in sich stimmig und es bleiben keine Fragen offen.

Für mich hatte das Buch genau den Sog, den ich mir davon versprochen hatte und ganz sicher werde ich mir die anderen Bücher von Ava Reed genauer anschauen.

Veröffentlicht am 26.08.2018

Mein Bild von Dir

My Image of You - Weil ich dich liebe
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Mein Bild von Dir

Für „das beste Foto“ ist Auftragsfotograf Adam Kincaid schon mal bereit, sein Leben zu riskieren. Als er bei einem solch waghalsigen Unternehmen vom Dach stürzt, wacht er im Krankenhaus ...

Mein Bild von Dir

Für „das beste Foto“ ist Auftragsfotograf Adam Kincaid schon mal bereit, sein Leben zu riskieren. Als er bei einem solch waghalsigen Unternehmen vom Dach stürzt, wacht er im Krankenhaus auf, wo er von Krankenschwester Alexandra Robbins betreut wird. Ihre roten Haare in Kombination mit blauen Augen, aber auch ihre Art, wie sie sanft und doch bestimmt mit ihm umgeht, fasziniert Adam. Sofort fällt ihm der Vergleich zu Florence Nightingale ein. Als er feststellt, dass Alexandra Feierabend gemacht hat, ohne sich von ihm zu verabschieden, entlässt er sich selbst aus dem Krankenhaus und trifft vor dem Krankenhausportal seine „Nachtigall“. Geschickt und auf eine liebenswerte Art und Weise nutzt er ihr „Helfersyndrom“ aus und als Dankeschön lädt er sie am nächsten Abend zum Essen ein. Das ist der Beginn einer großen - aber bei weitem nicht unkomplizierten – Liebe.

Mit Adam und Alexandra (die von Adam liebevoll Ally genannt wird), hat die Autorin 2 liebevolle Charaktere erschaffen, die mir von Anfang an sympathisch waren.

Obwohl Adam im Krankenhaus eher stur und dickköpfig erscheint, besitzt seine Art mit Alexandra umzugehen einen ganz eigenen Humor.

Während sie ihre Arbeit machte, plauderte sie mit mir; zweifellos, um mich abzulenken, obwohl mir ihre Nähe bereits Ablenkung genug war. Meine Hand ruhte währenddessen an ihrer Hüfte. Als sie fragend eine Augenbraue hochzog, erklärte ich ihr, dass ich dies tat, damit sie nicht wackelte. Ihr Augenrollen entlockte mir ein Lächeln.

Ganz schnell stellt sich heraus, dass Adam außerhalb des Krankenhauses ein sehr sensibler Mensch mit einem hohen Maß an Einfühlungsvermögen ist. Gerade im 2. Teil des Buches fand ich es sehr schön, wie Adam auf Ally eingegangen ist. Das war für mich eigentlich der emotionalste Teil des ganzen Buches.

Alexandra führt nach außen hin ein selbstbestimmtes Leben. Ihr Auftreten als Krankenschwester ist selbstsicher und souverän aber im privaten Bereich lässt sie sich seit Jahren von ihrer Mutter und deren Ehemann beeinflussen und steuern, weil sie ihr die Schuld an einem Vorfall geben, der vor vielen Jahren passiert ist.

Die Autorin legt von Anfang an ein hohes Tempo vor. Es erscheint zuerst befremdlich, dass Ally sich Adam gegenüber so schnell öffnet und ihm von ihren privaten Problemen erzählt. Da das Tempo jedoch fast durch das ganze Buch hindurch so hoch gehalten wird, relativiert sich dieser Eindruck bald wieder. Manche Szenen, die einer langsameren Gangart bedurft hätten, werden deswegen aber auch zu schnell abgehandelt, was zu Lasten der Glaubwürdigkeit gehen könnte.

Ungewöhnlicherweise wird das Buch zu 2/3 alleine aus der Sicht des männlichen Protagonisten erzählt, erst im letzten Drittel erfährt man die Dinge auch aus der Sicht von Ally, damit man einige Vorkommnisse in ihrem Leben besser verstehen kann.

Auch die anderen Charaktere wurden von der Autorin realistisch dargestellt.

Elena, die alte Dame, hat eine herzerfrischende Art mit Adam umzugehen. In der Leserunde gingen zu ihr die Meinungen weit auseinander – ich fand sie einfach nur toll.

Emma ist eine gute Freundin von Ally und auch für Adam wird sie sehr wichtig.

Sarah und Ronald, Allys Mutter und Stiefvater … zu ihnen möchte ich gar nicht so viel schreiben. Es ist schrecklich, befremdlich und unmenschlich, was sie Ally aufbürden und wie sie sie behandeln. Ich kann mir nicht vorstellen, wie man als Mutter so zu seinem Kind sein kann.

Auf das Verhältnis zwischen Bradley und Ally möchte ich hier auch nicht näher eingehen, das käme einem Spoiler gleich. Sein Verhalten war für mich nicht immer nachzuvollziehen, am Ende des Buches habe ich ihm aber vergeben, denn letztendlich wurde auch er manipuliert und benutzt.

Alles in allem hat mir die Geschichte sehr gut gefallen. Auch durch das hohe Tempo oder gerade deswegen hat das Buch mich von Anfang an gefesselt. Ohne Leserunde hätte ich es sehr viel schneller gelesen. Der Schreibstil der Autorin ist sehr angenehm und das Buch wurde durch Britta Lüdemann sehr gut und flüssig übersetzt.

Ich habe dieses Buch bei Lesejury.de in einer Vorab-Leserunde gelesen und möchte mich an dieser Stelle bei Lesejury.de und dem LYX-Verlag recht herzlich für das kostenlos zur Verfügung gestellte Leseexemplar bedanken.

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