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Veröffentlicht am 16.09.2016

Afrikas Mini-Detektiv ermittelt wieder

Thabo. Detektiv & Gentleman 2. Die Krokodil-Spur
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Eigentlich wollte Thabo bei einer Tasse Tee Miss Agatha zu einem Besuch des großen Fußballspiels überreden. Doch sein bester Freund Sifiso benötigt dringend Hilfe. Dessen große Schwester Delighty ist spurlos ...

Eigentlich wollte Thabo bei einer Tasse Tee Miss Agatha zu einem Besuch des großen Fußballspiels überreden. Doch sein bester Freund Sifiso benötigt dringend Hilfe. Dessen große Schwester Delighty ist spurlos verschwunden. Genau der richtige Fall für einen angehenden Detektiv und natürlich Ehrensache dem besten Freund zu helfen. Auf die Hilfe der Polizei wollen sie nicht warten, denn es gibt Hinweise, das bereits mehrere Kinder verschwunden sind. Sollte wirklich der Heiler Sandile etwas damit zu tun haben, sie müssen ihn unbedingt finden.

Kirsten Boie ist auch mit dem zweiten Buch aus der Thabo-Reihe ein besonderes Familienbuch gelungen. Man merkt, wie wichtig der Autorin das Thema ist. Handlungsort ist das kleine fiktive Dorf Hlatikulu in Afrika. In einem der ärmsten Länder, mit einer unvorstellbar hohen Anzahl an Waisen, in Swasiland. Doch anstatt mit düsteren Farben das Schicksal der Kinder zu erzählen, zeichnet die Autorin ein buntes, lebendiges Bild ohne die Dinge zu beschönigen. Die Mischung aus lehrreichen Informationen über Land und Leute, spannender Handlung und Humor ist gelungen. Das empfohlene Lesealter liegt bei 10 Jahren. Eine Karte zu Beginn zeigt, an welchen Orten die Handlung spielt und am Ende des Buches findet sich ein ausführliches Glossar mit afrikanischen Begriffen, die innerhalb der Geschichte verwendet werden.

Thabo, der Erzähler, der sein eigentliches Alter nicht verraten möchte, besticht durch seine charmante Art die Dinge zu betrachten. Er vermittelt den Lesern durch direkte, höfliche Ansprache (er ist schließlich angehender Gentleman), was es bedeutet, in Afrika zu leben. Man sieht förmlich die lauernden Krokodile, die in der Dunkelheit auf unachtsame Menschen warten und fühlt die unerträgliche Hitze am Mittag, die nur Touristen vor die Tür lockt. Auch schwierige Themen werden sehr kindgerecht und undramatisch eingebunden. Aufmerksame Kinder werden dazu angeregt, Dinge zu hinterfragen und mit ihren Eltern darüber zu sprechen.

Die Charaktere werden sehr liebevoll ausgearbeitet. Kleine Details lassen sie so sympathisch und echt wirken. Reverend Hlophe, der nur dank seiner Schutzengel so schnell wie ein Rennfahrer unterwegs sein kann. Inspectur Gwebu, der durch seine vielen Verwandten eigentlich immer irgendwo auf einer Feier Tjwala trinkt. Onkel Vesu, der zwar langsam denkt, aber ein großes Herz hat oder Emma, die eigentlich für ein englisches Mädchen, viel zu unhöflich ist. Besonders Sifisos kleine Schwester Lemonade, die selbst Inspector Gwebu um den Finger wickelt, hat uns sehr gefallen.

Es macht einfach Spaß Thabo und seine Freunde bei ihrem Abenteuer zu begleiten. Gekonnt werden falsche Spuren gelegt und man ist ständig am Rätseln, wo denn nun die verschwundenen Kinder stecken und wer damit zu tun hat. Gut, dass Thabo zusammen mit Miss Agatha so viele Miss Marple Filme gesehen hat und eine gute Kombinationsgabe besitzt.


Wir können es gar nicht abwarten, bis der nächste Fall für Thabo erscheint.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Abenteuerliche Reise einer Gorilladame

Sally Jones - Mord ohne Leiche
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Maschinistin Sally Jones reist zusammen mit ihrem Chef und Freund Henry Koskela um 1900 auf einem kleinen Frachtschiff über die Meere. Hier fühlen sich beide frei und genießen ihre Arbeit. Doch im Hafen ...

Maschinistin Sally Jones reist zusammen mit ihrem Chef und Freund Henry Koskela um 1900 auf einem kleinen Frachtschiff über die Meere. Hier fühlen sich beide frei und genießen ihre Arbeit. Doch im Hafen von Lissabon wird Koskela verhaftet und zu 25 Jahren Gefängnis verurteilt, weil er einen Mann getötet haben soll. Gorilladame Sally Jones flieht und muss um ihr eigenes Leben fürchten, doch die Angst um ihren Freund ist größer. Sie begibt sich auf eine ungewisse Reise, um die Unschuld Koskelas zu beweisen.

Jakob Wegelius hat mit Sally Jones endlich wieder eine Abenteuerfigur geschaffen, die sich mit Klassikern messen kann. Ein Hauch von Huckleberry Finn, eine Spur von Sherlock Holmes und die Abenteuerlust von Jim Hawkins scheint für Sally Jones Pate gestanden zu haben. Dabei handelt es sich bei Sally Jones um keinen Menschen, sondern um eine liebevolle Gorilladame, die zwar lesen und schreiben kann und die Menschen versteht, aber natürlich nicht sprechen kann. Sie ist die Erzählerin dieser spannenden Geschichte.

Die passend zum Zeitalter um 1900 gezeichneten nostalgischen Illustrationen des Autors lassen nicht nur die jugendlichen Leser in eine andere Zeit reisen. Besonders schön die einleitenden Portraits der handelnden Personen und Sallys Reiseroute auf einer Karte. Der Verlag empfiehlt ein Lesealter von 9 Jahren. Mein Sohn (12 Jahre alt) meint aber, dass die Handlung vielleicht eher ab 11 Jahre geeignet ist, da einige Fremdwörter, z. B. Anarchie, auftauchen, die für jüngere Leser schwierig sein könnten.

In Lissabon ist Sally Jones plötzlich auf sich allein gestellt. Die Menschen begegnen ihr mit Hass und verfolgen sie. Verängstigt und hungrig sieht es aussichtslos für die Gorilladame aus, bis die freundliche unvoreingenommene Ana Molina Sally aufnimmt. Melancholisch, wie die Fados, die sie singt, ist die Stimmung. Die Schilderung der Stadt und deren Einwohner ist so anschaulich beschrieben, dass man sich gut in die Zeit zurückversetzen kann. Es gibt wenig Hoffnung Koskela aus dem Gefängnis zu holen. Erst ein freundlicher Friedhofswärter bringt Sally auf die Spur des vermeintlichen Mordopfers.
Wie in Tausend und einer Nacht fühlt man sich bei den Beschreibungen des Palastes des Maharadschas von Bhapur, in dem Sally schließlich landet. Und trotz allem Prunk stehen Neid und Missgunst hier im Vordergrund.

Sally Jones muss erkennen, dass man nicht jedem freundlichen Gesicht trauen kann und dass verschlossene Menschen ein großes Herz besitzen können. So lernt man durch einen feinfühligen Gorilla die Menschen zu durchschauen. Beispiellos, wie Sally ihrem Freund Henry die Treue hält und auch die härtesten Prüfungen übersteht, um ihm zu helfen. Ihre Emotionen werden so bildlich transportiert, dass man ihren Schmerz und die Einsamkeit förmlich spüren kann.

Wir haben die warmherzige Gorilladame in unser Herz geschlossen und hoffen, dass es ein Wiederlesen geben wird.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Blutiger Wettlauf mit der Vergangenheit

Todesmärchen
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Wenn Maarten S. Sneijder zu einem Fall in der Schweiz hinzugezogen wird, dann muss es schrecklich sein. Eine Frau, grausam getötet und mit einem Zeichen markiert, hängt von der Berner Brücke. Bevor Sneijder ...

Wenn Maarten S. Sneijder zu einem Fall in der Schweiz hinzugezogen wird, dann muss es schrecklich sein. Eine Frau, grausam getötet und mit einem Zeichen markiert, hängt von der Berner Brücke. Bevor Sneijder und Teamkollegin Nemez dem Täter auf die Spur kommen, hat dieser schon sein nächstes Opfer im Visier. Eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher ist für die junge Psychologin Hannah ein interessantes neues Aufgabenfeld. Hier hofft sie auf den hochintelligenten Insassen Piet van Loon zu treffen, den einst Sneijder verhaftet hatte.

Todesmärchen ist der dritte Band der Trilogie rund um den niederländischen Ermittler Maarten S. Sneijder. Dramatisch, temporeich und abgründig inszeniert Andreas Gruber einen Thriller, der mich von der ersten Seite bis zum Ende gefesselt hat. Für mich der beste Band der Trilogie, weil der Ermittler hier sehr persönliche Züge zeigt. Die Handlung spielt in drei unterschiedlichen Zeitebenen, die gekonnt aufeinander abgestimmt sind. Der Rückblick auf alte Fälle von Sneijder lässt kleine Puzzlesteine hervortreten, die viel Raum zum Spekulieren geben.

Die inszenierten Morde, die sich an Märchen orientieren, sind nichts für schwache Nerven und lebhafte Fantasien. Eine erschütternde Mordserie zieht sich durch die Schweiz, Deutschland und die Niederlande. Maarten S. Sneijder sollte in Topform sein, um sich diesem Monster zu stellen, doch gerade jetzt, verlassen ihn seine Kräfte. Der sonst so menschenverachtende, grantelnde Eigenbrötler zeigt plötzlich Emotionen und ist selbst Kollegin Nemez gegenüber fast schon freundlich.

Der zweite Erzählstrang in der Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher ist nicht minder spannend. Hannahs Therapiestunden mit drei Häftlingen zeigen Abgründe, die man sich nicht vorstellen mag. Besonders der geheimnisvolle und Gänsehaut verursachende Piet van Loon ist so greifbar beschrieben, dass man mit diesem Menschen keine Sekunde in einem Raum allein sein möchte.

Allzu viel möchte ich gar nicht mehr verraten, denn diesen Thriller muss man erleben, denn diesmal hat Maarten S. Sneijder das Schlusswort:

"Ich musste es richtig machen"


Dramatisch, temporeich, abgründig und fesselnd. Maarten S. Sneijder in Topform. LESEN und nicht mehr aus der Hand legen.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Rückzugsort einer Familie aus der realen Welt

Die Sommer der Porters
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Der Sommersitz auf Ashaunt an der Küste Neuenglands ist für die gut situierte Familie Porter ein wichtiger Rückzugsort. Hier trifft sich die Familie jeden Sommer für viele Wochen und lässt den Alltag hinter ...

Der Sommersitz auf Ashaunt an der Küste Neuenglands ist für die gut situierte Familie Porter ein wichtiger Rückzugsort. Hier trifft sich die Familie jeden Sommer für viele Wochen und lässt den Alltag hinter sich. Im Jahr 1942 macht der Krieg aber auch hier Station und beeinflusst nachhaltig das Leben der Porters. Über 50 Jahre und Generationen hinweg bleibt der Küstenort Mittelpunkt ihres Sommers.

Elizabeth Graver ist es gelungen, einen Generationenroman mit einer eindrucksvollen Leichtigkeit zu schreiben. Unterteilt in vier Zeitabschnitte mit wechselnden Perspektiven und Erzählstilen, die jeweils einem Protagonisten gewidmet sind, erlebt man die Sommer auf Ashaunt. Nicht jeder Abschnitt ist flüssig zu lesen und es bedarf an manchen Stellen hoher Aufmerksamkeit, um den Passagen folgen zu können. Vieles wird nur angedeutet, bleibt im Raum stehen. Lässt dem Leser dadurch aber auch Raum für eigene Gedanken. Desto länger man liest, um so mehr wird man in die Geschichte hineingezogen, genießt das Geschehen.

Der Einstieg im Jahr 1942 beginnt mit Bea, dem schottischen Kindermädchen. Ihre Geschichte steht stellvertretend für viele Auswanderer, die ihre Heimat aus Not verlassen mussten. Sie schildert die Begegnungen mit den stationierten Soldaten, das Verhältnis der Mutter zu den Kindern, die Freiheit des Sommers.

Von 1947 bis 1961 erzählt Helen in Briefen und Tagebucheinträgen ihre Erlebnisse. Sie ist zerrissen zwischen Familienleben und Lehrbegierigkeit. Es gibt wenig Handlung und viele Gedankensprünge. Dieser Abschnitt ist für mich der einzige Schatten in der Erzählung und konnte mich nicht abholen.

"Sie hat eine Menge Energie damit verschwendet, zu viel von sich und allen anderen zu erwarten.“

1970 wird Charlies Aufenthalt in Ashaunt beschrieben. Anders als alle anderen Familienmitglieder zieht er es vor, dauerhaft in einer kleinen Hütte neben dem Haupthaus zu leben. Er scheint sich selbst zu zerstören, droht zu verwahrlosen. Ein wichtiger Punkt ist hier wohl Helen, seine Mutter, die ihn überbehütet und zu hohe Erwartungen an ihn gestellt hat.
1999 schließt sich der Kreis und Beas Weg beendet sehr gefühlvoll, leise und bewegend die Geschichte.

Das Gefühl, das ich beim Lesen hatte, ist schwer in Worte zu fassen. Für mich war es eine Auszeit aus dem Alltag, eine Reise an einen besonderen Ort. Mir hat dieses Familienepos mit vielen berührenden Momenten, einem Hauch Melancholie und Lebenshoffnung sehr gefallen.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Aktuell, bedrückend, eindrucksvoll

Baumgartner kann nicht vergessen
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Ein furchtbarer Fund in einem Grazer Schotterteich erschüttert die Mordgruppe. Ein Lieferwagen mit sechs nicht identifizierten Toten, die gleichzeitig starben. Flüchtlinge? Mordgruppen-Leiterin Caroline ...

Ein furchtbarer Fund in einem Grazer Schotterteich erschüttert die Mordgruppe. Ein Lieferwagen mit sechs nicht identifizierten Toten, die gleichzeitig starben. Flüchtlinge? Mordgruppen-Leiterin Caroline Meier gerät an ihre Grenzen, denn der Druck von oben ist immens. Ihr fehlt der Instinkt von Franz Baumgartner, doch dieser ist suspendiert und durch seinen Alkoholkonsum nicht einsatzfähig.

Baumgartner ermittelt zum dritten mal. Für mich war es die erste Bekanntschaft, mit diesem untypischen Ermittler. Die Rückblenden und Hinweise reichen völlig aus, um sich im Geschehen zurecht zu finden.

Der Schreibstil von Reinhard Kleindl hat eine Sogwirkung. Man ist gleich zu Beginn gefesselt und gleichzeitig geschockt. Drei Handlungsstränge die aufeinanderzulaufen und nichts Gutes ahnen lassen.

Zu Beginn eine Gruppe Menschen, die in einem Lieferwagen unterwegs sind. Hani, ein kleines, verzweifeltes Mädchen, die Erzählerin. Ihr Schicksal ist besonders bewegend und rührt einen. Man stellt Parallelen zu Fernsehbildern und Berichten her, kommt ins Grübeln. Flüchtlingsschicksale sind plötzlich gar nicht mehr so fern.

Dann der Fund eines Lieferwagens mit sechs Toten. Selbst für die Mordgruppe ein schockierender Fall, der alle an ihre Grenzen bringt. Sehr gelungen sind hier die Charakterbeschreibungen, die sehr intensive Bilder der agierenden Ermittler zeichnen. Man spürt die Erschöpfung der Leiterin Caroline Meier, sieht die Angst, des Neulings Kevin Hiebler. Über allem die Machtkämpfe der Führungsspitze. Versagen oder Anerkennung liegen nah beieinander und behindern die eigentlichen Ermittlungen.

Der dritte Handlungsstrang ist der persönlichste. Baumgartner, suspendiert, alkoholabhängig, lebensunfähig kämpft sich von Tag zu Tag. Sein privater Feldzug gilt dem Aufspüren seines Jugendfreundes Paul, denn eine Ahnung lässt ihn einfach nicht mehr los. Mehr Wrack als Mensch ist es schwierig, in ihm den brillanten Ermittler zu erkennen.

"Baumgartner sah aus wie jemand, der alles gegeben hatte - und nun war nichts mehr übrig."

Für mich ist dies mehr als nur ein Krimi. Eine emotionale Achterbahnfahrt, die gesellschaftskritisch und dramatisch aufzeigt, dass es mehr als Schwarz und Weiß gibt.
Absolute Leseempfehlung.