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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 30.09.2019

Eine Studie über menschliche Abgründe statt Schauermärchen

Melmoth
1

Speziell für die Herbstzeit schien mir dieser „fesselnde und wunderbar unheimliche Roman“ bestens geeignet. Doch leider weckt der Klappentext vollkommen falsche Erwartungen. Prag – die Goldene Stadt – ...

Speziell für die Herbstzeit schien mir dieser „fesselnde und wunderbar unheimliche Roman“ bestens geeignet. Doch leider weckt der Klappentext vollkommen falsche Erwartungen. Prag – die Goldene Stadt – war einstmals kulturelles und politisches Zentrum. Mit seinen verwinkelten Gässchen, den historischen Bauten, unzähligen Kirchen und Brücken und einer bewegenden Vergangenheit bietet sich die Stadt als Schauplatz einer Schauergeschichte geradezu an. Und dann wird einem auch noch die Legende um eine Frau in Schwarz versprochen, die auf ewig dazu verdammt ist, auf Erden zu wandeln. Ich war sehr begierig darauf, mich gruseln zu lassen und wollte mich total auf die Handlung einlassen. Allerdings erwies sich dieses Vorhaben als nicht ganz leicht.

Zuerst einmal ist Melmoth keine tschechische Legende. Davon bin ich fälschlicherweise ausgegangen und hatte gedacht, dass Prag daher eine gewichtigere Rolle in der Handlung einnehmen würde. Aber eigentlich hätte die Handlung auch an jedem anderen beliebigen Ort auf der Welt spielen können. Es geht hauptsächlich um ein Manuskript, in dem verschiedene Berichte, Aufzeichnungen und Briefe über die Begegnung mit Melmoth zusammengetragen wurden. Diese Berichte stammen aus unterschiedlichen Ländern und Epochen. Helen Franklin wurde das Manuskript unter unheimlichen Umständen ausgehändigt. Helens Lektüre der Aufzeichnungen nimmt einen Großteil des Buches ein. Immer geht es um Menschen, die eine besonders schwerwiegende Schuld auf sich geladen haben und von Melmoth, der Zeugin, beobachtet wurden, bis sie der Sagengestalt mit den blutigen Füßen tatsächlich begegnet sein sollen. Da auch Helen ein Geheimnis aus der Vergangenheit mit sich herumträgt, verfällt sie bald der paranoiden Vorstellung, selbst in Melmoths Visier geraten zu sein.

Die verschiedenen Figuren und ihre Schilderungen über ihr Leben bis Melmoth sich ihnen offenbart haben soll, sind sehr ausschweifend beschrieben. Insbesondere der Bericht über die Nazizeit und Judenverfolgung wird in allen Schrecknissen ausgeschlachtet und nimmt einen derart hohen Stellenwert ein, dass ich mittendrin dachte, ich bin in einem Buch über den 2. Weltkrieg gelandet. Hier ist die Autorin ziemlich vom Thema abgekommen.

Jedenfalls wartet man mehr oder minder gespannt darauf, mehr über Helen zu erfahren und welche Schuld sie auf sich geladen hat. Die Enthüllung dessen haut einen nach den Bildern der Judenverfolgung echt nicht mehr von den Socken. Dagegen nimmt sie sich sogar ausgesprochen banal aus und erst recht das (Happy) End wirkt schon fast ein bisschen lächerlich.

Ein anderer Kritikpunkt ist für mich der Schreibstil. Bei Sätzen wie „Schauen Sie!“ oder „Haben Sie den Schatten hinter Helen bemerkt?“ hatte ich das Gefühl, als würde die Autorin mein Kinn packen und in die Richtung rucken, in die ich zu gucken hatte. Es ist definitiv nicht leicht in „Melmoth“ einzutauchen und derartige Wendungen haben mich immer wieder aus der Handlung gerissen. Auch die vielen Figuren, die im Buch vorkommen, sind abstoßend. Selbstverständlich, denn sonst wären sie ja keine Zielscheibe für Melmoth.

Zwar sehe ich den roten Faden, den die Autorin gesponnen hat, aber leider wird der häufig überlagert von den zu ausführlichen Berichterstattungen in den Manuskriptseiten, den zahlreichen Figuren und ihren Problemen, die teils absolut nichts mit Melmoth zu tun haben. Und letztendlich der Schreibstil, der mir die Lektüre einfach zusätzlich erschwert hat.

Veröffentlicht am 08.07.2019

Leider nur drei Sterne für dich

Fünf Sterne für dich
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Dies ist mein erstes Buch von der Autorin, die unter dem Pseudonym Charlotte Lucas veröffentlicht. Zuerst einmal macht natürlich der Name neugierig. Alle Jane Austen Fans wissen, wovon ich rede. Man fliegt ...

Dies ist mein erstes Buch von der Autorin, die unter dem Pseudonym Charlotte Lucas veröffentlicht. Zuerst einmal macht natürlich der Name neugierig. Alle Jane Austen Fans wissen, wovon ich rede. Man fliegt also wie eine Biene zum Honig, angelockt von der süßen Erwartung auf Unterhaltung, die es vielleicht doch ansatzweise mit „Stolz und Vorurteil“ aufnehmen kann. Da auch die anderen Bücher derselben Autorin gute Rezensionen erhalten haben, war ich zu Beginn der Lektüre mehr als positiv eingestimmt.

Konrad ist alleinerziehend und mit seiner 12jährigen Tochter frisch nach Hamburg gezogen. Sein Talent, Rezensionen zu Produkten zu verfassen, die er weder benutzt noch benötigt, ist beeindruckend. Seine Rezensionen lesen sich amüsant … und ja, irgendwie geht einem ein Licht auf, wenn man sich selbst durch Produktbewertungen klickt und auf gewisse Standardformulierungen trifft. Ansonsten ist Konrad ein überfürsorglicher, absolut gluckenhafter Vater, der seine Tochter Mathilda wie ein Kleinkind behandelt. Alles und jeden packt er in sein Fünf-Sterne-Bewertungsschema. So auch die junge, unerfahrene Klassenlehrerin seiner Tochter, Pia, der selbstverständlich diese gering schmeichelhafte Bewertung ihrer selbst in die Finger fällt. Daraufhin schikaniert sie Konrad, der sich versehentlich als Elternsprecher aufstellen ließ, mit jeder Menge organisatorischer Aufgaben.

Diese Konstellation verspricht einiges an Unterhaltungswert, einen schlagfertigen Kleinkrieg zwischen Vater und Lehrerin, ehe sich die beiden auf romantische Weise einander annähern. Doch leider wird das Potenzial nicht ausgeschöpft. Die Handlung verliert sich in den schulischen Belangen der Klasse 7d, oberflächlichen WhatsApp-Gruppenchats und kindischen Mobbing-Aktionen. Viele Charaktere und Situationen sind überzeichnet. Wenn sie ansatzweise den Charme von „Fack ju Göhte“ gehabt hätte, wäre die Schulgeschichte vielleicht ansprechender gewesen.

So aber wartet man vergebens auf eine charmante Liebesgeschichte. Am Ende kommt kurz ein bisschen Dramatik auf, als das Geheimnis um Mathildas Mutter gelüftet wird. Allerdings finde ich diese Aufklärung nicht stimmig mit der Gesamthandlung. Das alles dominierende Thema ist nun mal die Schulgeschichte. Zwischendrin flammt zaghaft die Liebesgeschichte zwischen Konrad und Pia auf. Das Thriller-Element über den Verbleib von Mathildas Mutter ist zwar aufregend, aber es passt nicht richtig in einen Roman, der von banalen Pausenhofgeschichten beherrscht wird. Von daher frage ich mich am Ende, wer die Zielgruppe von „Fünf Sterne für dich“ sein sollte? Offenbar sollte die ziemlich breit gefächert sein. Leider gibt es von mir nur drei Sterne, die sich hauptsächlich auf die liebevoll gestaltete Aufmachung des Buches beziehen.

Veröffentlicht am 07.01.2019

Die Geschichte eines Stalkers

YOU – Du wirst mich lieben
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Er ist der nette Typ hinter der Ladentheke in der Buchhandlung. Ein smartes Lächeln, ein paar charmante Sprüche; er ist intelligent und gutaussehend. Als Joe die junge Studentin Guinevere Beck kennenlernt, ...

Er ist der nette Typ hinter der Ladentheke in der Buchhandlung. Ein smartes Lächeln, ein paar charmante Sprüche; er ist intelligent und gutaussehend. Als Joe die junge Studentin Guinevere Beck kennenlernt, sieht anfangs alles nach einem harmlosen Flirt aus. Doch für Joe ist es mehr. Da Beck ihren Einkauf mit Kreditkarte bezahlt, kennt Joe ihren vollen Namen. Routiniert beginnt er Nachforschungen über Becks Leben, Familie und Freunde im Netz anzustellen. Ihre öffentlichen Profile in den sozialen Medien machen es ihm leicht, ihre Adresse herauszufinden und ihre Gewohnheiten zu erforschen.

Es ist interessant, diese obsessive Verfolgung einer Person aus der Sicht des Stalkers zu erleben. Denn die einzelne Handlung, um mehr über Beck herauszufinden, kommt einem anfangs noch gar nicht so unheimlich vor. Jeder, der sich schon einmal durch die Profile anderer auf Instagram oder Facebook geklickt hat, wird das sicher auch so sehen. Allein die Summe dieser Taten macht sie so krank. Und letztendlich die deutliche Grenzüberschreitung, als Joe in Becks Wohnung einbricht und diverse Souvenirs mitnimmt. Ab diesem Zeitpunkt nimmt die Sympathie rasch ab und das restliche Verständnis, das man zuvor – mit Hühneraugen zukneifen – noch für Joe aufbrachte, ist dahin.

Dabei erscheint mir Joe wie ein Bilderbuch-Stalker. Er geht präzise und systematisch vor, versucht zunächst, alles und jeden aus Becks Umfeld kennenzulernen und die perfekte Situation zu konstruieren, ehe er sich ihr ein weiteres Mal nähert. Er will der perfekte Mann sein. Dass Joe bei all seinen Bemühungen auch Rückschläge einstecken muss, führt auch zu komischen Situationen und lockert die Geschichte zwischendrin immer wieder auf. Doch schließlich ist er ein hochintelligenter Charakter mit einer wirklich krankhaften Obsession, der andere Menschen lediglich als Hindernisse wahrnimmt, die beseitigt werden müssen. All sein Denken und Handeln ist auf das Objekt seiner Begierde ausgerichtet. Und dieses Thema dominiert das gesamte Buch. Was fehlt, ist ein Gegenpart zu Joe. Irgendjemand, der ihm auf die Schliche kommen könnte und die Spannung dadurch anfacht. Doch es gibt keine einzige Figur, die ihm gewachsen zu sein scheint. Über 500 Seiten lang manipuliert und mordet Joe vor sich hin.

So aufregend es ist, in die verzerrte Logik eines Stalkers abzutauchen und so sehr ich die psychoanalytische Leistung der Autorin auch bewundere, im Endeffekt war es eine langatmige Geschichte mit vielen Wiederholungen und einem leider vorhersehbaren Ende.

Veröffentlicht am 12.12.2018

Ein Abschluss, der nicht überrascht

Auf ewig uns
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Band 3 der Time-School-Reihe beziehungsweise Band 6, wenn man die Zeitenzauber-Reihe dazu zählen möchte. Sechs Mal prinzipiell dasselbe Schema, wenn ich ehrlich sein soll. In den Zeitenzauber-Büchern empfand ...

Band 3 der Time-School-Reihe beziehungsweise Band 6, wenn man die Zeitenzauber-Reihe dazu zählen möchte. Sechs Mal prinzipiell dasselbe Schema, wenn ich ehrlich sein soll. In den Zeitenzauber-Büchern empfand ich den sich ständig wiederholenden Ablauf der Handlung und die gleiche Figurenkonstellation noch nicht so störend. Doch da nun auch der Abschluss der Time-School-Reihe wenig abwechslungsreiche Wendungen bietet, bin ich im Endeffekt echt enttäuscht.

Manche Leser lieben das altbewährte Muster ja und könnten sicherlich noch einmal so viele Bände über Anna und Sebastiano mit Begeisterung verschlingen. Nicht grundlos, wie ich durchaus nachvollziehen kann. Zeitreisen in der Lagunenstadt Venedig, erzählt in dem wunderbaren Schreibstil von Eva Völler. Natürlich sind die Bücher gut! Aber es lässt sich ebenfalls nicht leugnen, dass ‚Auf ewig uns‘ erhebliche Parallelen zu ‚Zeitenzauber – Die goldene Brücke‘ aufweist mit nur geringfügigen Abweichungen. Sebastiano hat mal wieder sein Gedächtnis verloren und Anna muss seine Erinnerung zurückbringen. Diesmal allerdings mit Babybauch. Bei vielen Dialogen hatte ich das Gefühl, sie schon einmal gelesen zu haben. Anna verliert sich ständig in schmachtender Bewunderung, sobald sie Sebastianos ansichtig wird, was nach meinem Empfinden einfach zu viel des Anschmachtens war. Auch das ewige Gezänk zwischen Fatima und Ole verliert seinen Reiz, je häufiger es vorkommt.

Die Figuren sind mittlerweile eine richtig große Gruppe geworden. Schwierig, sich da noch an jede Einzelheit aus der Vergangenheit zu erinnern und sie auseinander halten zu können. Das Zeitreisemysterium mit den sogenannten Alten, die unsterbliche Wesen sind und in verschiedenen Universen mitmischen, ist schon komplex genug. Mich haben die Nebencharaktere und ihre eigenen Geschichten nur noch verwirrt.

Der große Kampf gegen den Endgegner ist ziemlich spannend und schlägt noch einmal einen guten Bogen zur Zeitenzauber-Trilogie. Das Ende wird die Fans definitiv glücklich machen, ich persönlich hätte mir aber einfach mehr Abwechslung gewünscht.

Veröffentlicht am 18.06.2018

Mängelexemplar, trotz guter Grundidee

Ein halbes Jahr zum Glück
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Markie kann die Fassade eines Bilderbuchlebens nicht länger aufrecht erhalten, als herauskommt, dass ihr Mann eine Affäre hat. Plötzlich alleinerziehend und hoch verschuldet, versucht sie sich vor der ...

Markie kann die Fassade eines Bilderbuchlebens nicht länger aufrecht erhalten, als herauskommt, dass ihr Mann eine Affäre hat. Plötzlich alleinerziehend und hoch verschuldet, versucht sie sich vor der Welt zu verstecken. Doch ihre Nachbarin Mrs Saint drängt sich mit ihren gutgemeinten, aber nicht unbedingt erwünschten Ratschlägen immer wieder auf.

An dieser Stelle haben Cover und Klappentext bei mir vollkommen andere Erwartungen geweckt, worum es im weiteren Verlauf der Handlung geht. Ich dachte an eine Sommerlektüre über eine starke Frau, die zu sich selbst findet und einen Neuanfang wagt, aufgemuntert von der schrulligen alten Nachbarin, die das schwermütige Thema der Selbstfindung auf amüsante Art auflockert. Aber Markie ist ein durchweg träger Charakter, mit dem man als Leser nicht warm wird. Sie badet im Selbstmitleid und lässt an keiner Stelle die Stärke durchblicken, von der man lesen möchte. Dagegen fällt Mrs Saint schon tiefgründiger aus. Sie ist schwierig und komplexer angelegt, natürlich vor allem aufgrund ihrer Vergangenheit, die am Ende aufgeklärt wird. Dennoch ist es im Verlauf des Romans nicht immer eindeutig, warum Mrs Saint die Dinge tut, die sie tut. In ihrem Haus nimmt sie Menschen auf, die auf irgendeine Weise am Leben gescheitert sind und die auch – so vermittelte es jedenfalls der Roman – nirgendwo in der Welt einen neuen Platz finden würden, wenn nicht als Hilfskräfte auf Mrs Saints Anwesen. Dann werden diese Menschen auch noch als ‚Mängelexemplare‘ bezeichnet. Angesichts des Hintergrundes von Mrs Saint ist diese Bezeichnung unglücklich gewählt und hat mir auch überhaupt nicht gefallen.

Die Handlung zieht sich zäh in die Länge bis am Ende die große, dramatische Wendung beziehungsweise Enthüllung kommt. Die versetzt einen umso mehr in Erstaunen, da sie nicht zum übrigen Roman passt. Aus Mrs Saints Geschichte hätte ein eigenes Buch gemacht werden können oder zumindest hätten Rückblicke, die Licht in ihr bewegtes Leben bringen, schon eher in die Handlung eingestreut werden können.

‚Ein halbes Jahr zum Glück‘ hat mich leider nicht überzeugen können, auch wenn die Grundidee gar nicht so übel war.