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Veröffentlicht am 25.01.2019

Mach mit, mach was Eigenes, mach‘s besser

Triumph des Wissens
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Aus der Befürchtung heraus mich zu lange mit unwichtigen Dingen der täglichen Soap im Netz zu beschäftigen, bin ich ein sogenannter Facebook-Verweigerer. Wie mir das Buch der Hooligans gegen Satzbau zeigt, ...

Aus der Befürchtung heraus mich zu lange mit unwichtigen Dingen der täglichen Soap im Netz zu beschäftigen, bin ich ein sogenannter Facebook-Verweigerer. Wie mir das Buch der Hooligans gegen Satzbau zeigt, ist das zumindest keine falsche Strategie, um sich zumindest teilweise der „Rechtsschreibung“ zu entziehen.

Die zahlreich aufgeführten Negativbeispiele lassen mich an Einzeltaten oder Ausnahmen zweifeln, würden mich im täglichen Kontakt maximal und immer wiederkehrend aufregen. Dass und das sowie seit und seid werden gleichgeschaltet, Komata werden beliebig in den Text eingestreut oder scheinen ganz verzichtbar zu sein.

„Triumph des Wissens“ ist ein Mitmachbuch für alle, die sich eine „bessere“ Gesellschaft wünschen. Der Leser kann und soll Aufgaben lösen, sich aber auch an der freien Gestaltung des Buches beteiligen. Er wird zu professioneller Recherche aufgefordert. Leseempfehlungen zu weiterführender Literatur werden gegeben.

Obwohl es ganz schön hart ist, derart ins Spiegelbild unserer Gesellschaft zu blicken, glaube ich nicht, dass diese Satire die Urheber des rechts geschriebenen Gedankenguts erreichen kann. Lediglich die Verfechter eines fairen und vernünftigen Umgangs miteinander innerhalb und außerhalb des Netzes kann „Triumph des Wissens“ in ihrer Einstellung bestärken. Gut gefallen haben mir persönlich die Fakten und Definitionen, die Fehlerbilder und die Auseinandersetzung mit den Äußerungen einschlägiger AfD-Politiker. Negativ bewerte ich Dinge, die Witz versprühend wirken, aber überhaupt nicht lustig sind, wie die kaum zu korrigierenden Rechtsschreibbeispiele (war mir zu penetrant einseitig auf nur eine Schwäche abgestellt) und das abgewandelte Schiffe-Versenken-Spiel. Das Abstoßungsempfinden war vielleicht beabsichtigt, für mich allerdings zu viel.

Veröffentlicht am 25.01.2019

Top Marketing, aber „Ich sah nichts als Blätter“

Hazel Wood
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Selten war ich bei einem Buch dermaßen hin- und hergerissen wie bei Hazelwood. Begeistert durch Optik und Klappentext hatte ich hohe Erwartungen an das Buch, die zunächst nicht erfüllt wurden. Melissa ...

Selten war ich bei einem Buch dermaßen hin- und hergerissen wie bei Hazelwood. Begeistert durch Optik und Klappentext hatte ich hohe Erwartungen an das Buch, die zunächst nicht erfüllt wurden. Melissa Alberts fantastische, märchenhafte Figuren und Handlungsspielräume für die Charaktere können lange Zeit ihre Wirkung nicht umfänglich genug entfalten. Dafür irrte ich gemeinsam mit den Protagonisten irgendwie kopflos durch New York verließ die Stadt schließlich in nördlicher Richtung. Es hat mich enttäuscht, dass die Autorin über weite Strecken das Potential ihrer brillanten Ideen in meinen Augen verschenkt. Erst mit der Wendung in der Geschichte kam auch meine Begeisterung zurück und blieb dann auch bis zum Schluss. Deshalb muss es auch richtigerweise heißen: „ Ich sah lange Zeit nichts als Blätter“.

Als ich Hazelwood zum ersten Mal online sah, hat es mich mit seinem wunderbaren Cover direkt angesprochen. Da wusste ich allerdings noch nicht, dass man dieses perfekte Look and Feel nur wahrnehmen kann, wenn man Hazelwood in die Hand nehmen darf. Dabei gefällt mir nicht nur der Umschlag, bei dem es so aussieht als wäre der Buchtitel bei Nacht in einen nassen Blätterhaufen gefallen. Der Mond und die Sterne bescheinen die Blätter, was durch den verwendeten Glitzer sehr schön zur Geltung kommt. Nimmt man den Umschlag ab, ist das Buch nicht nackt. Die Blätter bleiben erhalten. Auch das Format finde ich passend. Das Buch lässt sich ganz weit aufschlagen und wirkt dadurch irgendwie breiter als normal, wie ein richtiges Märchenbuch halt.

Ella ist in meinen Augen die kritischste Figur in Hazelwood. Sie bewirkt durch ihrem einzigen, stets gewählten Ausweg der Flucht Alices Unfähigkeit sich mit vorhandenen Problemen auseinanderzusetzen. Dabei hat Ella mit ihrem Tun selbst dafür gesorgt, dass beide vom Unheil verfolgt werden. Obwohl ich Ella anfangs ziemlich cool fand, fing meine Sympathie für sie im Verlauf an zu bröckeln.

Mit Alice, Enkeltochter der sagenumwobenen Märchenerzählerin Althea Proserpine, wurde ich lange Zeit nicht warm. Sie kam trotzig, gleichzeitig schüchtern, vorlaut jedoch ohne eigene Ideen und damit hilflos, aber nervig rüber. Insgesamt empfand ich Alice irgendwie undankbar. Das änderte sich erst, als sie auf dem Weg nach Hazelwood auf sich allein gestellt war. Alice musste aus ihrer Komfortzone heraustreten, ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen. Das hat ihrem Charakter unheimlich gut getan. Nach anfänglichen Schwierigkeiten kam sie nun Schritt für Schritt voran. Endlich kam ich ihr näher, konnte Sympathie für Alice aufbauen.

Mein heimlicher Favorit in Hazelwood ist Finch, auch wenn oder auch gerade weil sein nerdiger Charakter etwas klischeehaft angelegt ist. Er ist von Beginn an aktiv, weiß scheinbar intuitiv in jeder noch so misslichen Lage, was zu tun ist. Er ist bereit, Annehmlichkeiten hinter sich zu lassen, um seine eigenen Wünsche und Träume Wirklichkeit werden zu lassen. Mit Finch habe ich am meisten mitgefiebert. Es wäre mir eine Freude, wenn er bei einer Fortsetzung von Hazelwood auch wieder mit von der Partie wäre.

Neben der grandiosen Aufmachung des Buches haben mir die phantasievollen Figuren und auch die mystisch anmutende, etwas dunklere Märchenwelt sehr gut gefallen. Weniger erbaut war ich von dem für mein Gefühl zu langgezogenen Start ins Geschehen. Gerade auch zu Beginn hätte ich mir eine tiefere Beschreibung der Charaktere gewünscht. So ist mache von ihnen ausgehende Wirkung bei mir eher lautlos verpufft. Zum Ende hin wurde aber auch ich abgeholt und von Hazelwood in den Bann gezogen. Sollte es weitere Bände geben, würde ich ihnen gern eine Chance geben.

Veröffentlicht am 25.01.2019

Lügen haben kurze Beine

Wie ich fälschte, log und Gutes tat
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Thomas Klupp begleitet mit seinem temporeichen, humorvollen Roman den Zehntklässler und Tennisspieler, Benedikt Jäger, vier Monate lang. Dessen Leben in der Oberpfälzer Kleinstadt Weiden als Sohn eines ...

Thomas Klupp begleitet mit seinem temporeichen, humorvollen Roman den Zehntklässler und Tennisspieler, Benedikt Jäger, vier Monate lang. Dessen Leben in der Oberpfälzer Kleinstadt Weiden als Sohn eines Chirurgen und einer angesehenen „Event-Managerin“ der Lady-Lions könnte so schön sein, wäre da nicht der alltägliche Stress, den Tennismatches, Mädchen, Butterhof-Partys und vor Allem der Leistungsdruck am Kepler-Gymnasium auslösen.

Von seiner Mutter hat Benedikt gelernt, dass kleine Schummeleien, einen einfach besser aussehen lassen. Nach diesem Schema lässt es sich prima heimlich kiffen und Schulnoten frisieren. Wie im Rausch perfektioniert Benedikt seine Fälschungen bis er im Adrenalin-Strudel hängenbleibt. Als Benedikt versucht, dem Wahn zu entkommen, beginnt ein amüsantes Abenteuer voller Irrungen und Wirrungen. Die Gefahr, erwischt zu werden, steigt exponentiell an.

Sprachlich richtet sich der Roman (hoffentlich überspitzt) an der Jugend aus. Durchgehend im WhatsApp-Style kommunizieren Benedikt und seine Kumpels Vince und Prechtl miteinander. Sie ziehen über ihre Lehrer her, planen ihre Partybesuche und werten ihre Trefferquote an der Mädelsfront aus. Der Roman thematisiert aus Erwachsenensicht nur belangloses Zeug, welches allerdings während jeder Pubertät wichtig erscheint. Auch wenn die Story weniger durch Tiefgang, sondern mehr durch Witz und Situationskomik getragen wird, hat sich aus meiner Sicht das Lesen gelohnt.

Fazit: Dauerhaftes exzessives Lügen und Schummeln lohnt sich nicht, weil es einen letztendlich wahnsinnig macht. Es ist ein Riesen-Aufwand, der nicht mal nachhaltig ist, sprich langfristig kommt nichts dabei raus.

Veröffentlicht am 25.01.2019

Etwas zu seicht

Königskinder
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Max und Tina sitzen in ihrem Auto in einem Schneesturm fest, weil sie mit der Arroganz einheimischer Kenner unbedingt bei drohendem Unwetter einen gesperrten Alpenpass überqueren mussten. Bevor die beiden ...

Max und Tina sitzen in ihrem Auto in einem Schneesturm fest, weil sie mit der Arroganz einheimischer Kenner unbedingt bei drohendem Unwetter einen gesperrten Alpenpass überqueren mussten. Bevor die beiden in den Straßengraben rutschen, ist ihre Kommunikation ein stetiges Gezeter über die Nichtigkeiten des Alltäglichen. In dem Moment, wo sie festsitzen und bis zum nächsten Morgen über Stunden ausharren müssen, ändert sich der Umgangston, insbesondere der von Max.

Um die Zeit zu überbrücken, seiner Frau die Angst vor Kälte und Hunger zu nehmen, erzählt er Tina die Geschichte über den jungen Kuhhirten, Jakob, und seiner Liebe zu Marie, der Tochter eines reichen Bauern. Das Ganze spielt zur Zeit der Französischen Revolution und klingt phasenweise wie ein Märchen.

Ich muss allerdings feststellen, dass Max kein wirklich guter Märchenerzähler ist. Seine Formulierungen stammen aus Politik und Wissenschaft und klingen somit etwas hölzern. Anstatt „ So lebten sie lange glücklich und zufrieden...“ sagt er Dinge wie „Sie haben ein schönes Obdach, ein bedingungsloses Grundeinkommen und reichlich zu essen, und das bisschen Arbeit, das sie dafür zu leisten haben, ist zu zweit nun endgültig nicht mehr der Rede wert.“(S. 158). Ohne diese, ein Schmunzeln erzeugenden, Formulierungen wäre mir sein Märchen letztlich auch zu vorhersehbar und schnulzig.

Das Wechselspiel zwischen der Szenerie im Auto und der Geschichte zu Zeiten der Französischen Revolution ist Alex Capus gut gelungen. Max führt uns dabei in die Märchenwelt, Tina holt uns in die Realität zurück. Die zwei Handlungsstränge sind so auch ganz ohne Kapitel schön von einander abgegrenzt. Gefallen hat mir auch seine Auseinandersetzung mit Regeln und Gesellschaftsnormen, die, ohne den Lauf der Geschichte zu stören, mit ihr verwoben ist.

Obwohl ich den Schwerpunkt eher auf Seiten von Max und Tina erwartet hatte, hat mir „Königskinder“ als Lektüre für zwischendurch insgesamt ganz gut gefallen. Der Roman wird bei mir keinen bleibenden Eindruck hinterlassen und ist daher aus meiner Sicht ein „Kann“, aber kein „Muss“.

Veröffentlicht am 22.01.2019

Durch Charakterstudie gehemmt

Kleine Feuer überall
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Shaker Heights ist als Vorort von Cleveland, Ohio, eine Reißbrett-Idylle für wohlhabende Leute. Das Leben dort unterliegt gesellschaftlichen Zwängen, es wirkt vorbestimmt, ist geprägt von einer gewissen ...

Shaker Heights ist als Vorort von Cleveland, Ohio, eine Reißbrett-Idylle für wohlhabende Leute. Das Leben dort unterliegt gesellschaftlichen Zwängen, es wirkt vorbestimmt, ist geprägt von einer gewissen Gleichmacherei, alles ist darauf ausgerichtet, dass die nächste Generation ebenfalls eine Karriere hat. Also, Highschool, Elite-College und Elite-Uni. Auf diesem Weg wird man maximal unterstützt. Aber wehe, man passt nicht ganz ins Schema. Als Blitzableiter erntet man dann sämtlichen Groll, den alle unterschwelligen Probleme verursachen.

Mich hat die Konstellation der vielen Hauptcharaktere sehr stark die 90er Jahre Serie „Beverly Hills 90210“ erinnert. Es gab jeweils einen männlichen und einen weiblichen Schönling, einen Nerd und und eine Rebellin. Allesamt sind sie Kinder der Familie Richardson. Um das 90210-Bild zu vervollständigen gibt es noch Pearl, die in einer Mietwohnung lebt. Sie vervollständigt die Gruppe als finanziell gesehen „Arme“, aber intellektuelle Persönlichkeit. Lange Zeit schien es, als würde sich Celeste Ng in der Beschreibung dieser Charaktere und ihrer täglichen Handlungen verlieren. Deshalb habe ich mich auch eine ganze Weile mit der Geschichte schwer getan.

Nach meinem Empfinden nimmt die eigentliche Handlung erst in der zweiten Hälfte des Buches Fahrt auf, die mir dann auch ziemlich gut gefallen hat. Celeste Ng spricht gesellschaftspolitische Probleme wie Rassismus und Ungleichverteilung von arm und reich an. Sie zeigt auf, wie Menschen aus unterschiedlichen Gesellschaftsschichten mit einer Notlage umgehen, was sie als Notlage empfinden und was sie zu tun bereit sind, um ihr Problem zu lösen. Sie beleuchtet dabei sehr intensiv die jeweiligen Gefühlslagen der Charaktere.

Am nächsten bin ich Mia gekommen. Als Künstlerin ist sie ständig auf der Suche nach neuen Inspirationen. Mit ihrer Tochter Pearl zieht sie quer durchs Land von Ort zu Ort. Sie lebt so viel wie möglich ihren Traum, mit künstlerischer Fotografie Statements zu setzen. Dafür ist sie bereit, mehreren schlecht bezahlten Nebenjobs nachzugehen. Durch ihr Geheimnis ist sie allerdings auch immer ein bisschen auf der Flucht.

Die Charaktere der Familie Richardson haben mich bis auf die rebellische Izzy überhaupt nicht berührt. Izzy mit ihren „Macken“ ist für mich das Ergebnis von zu viel Liebe und Zuneigung. Ihre Eltern sind kurz davor, ihr eigenes Kind damit zu erdrücken. Das alles nur aus Angst, Izzy könnte etwas zustoßen.

Insgesamt war „Kleine Feuer überall“ okay, aber auch nicht mehr. Die Charakterstudie war mir einfach zu umfangreich. Die Parallelen zu Beverly Hills 90210 waren mir persönlich zu stark.