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Veröffentlicht am 26.01.2019

Girlie-Gärtnern

Balkon Basics
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Das Titelbild zeigt es ja schon ein wenig - man will möglichst verspielt und locker rüberkommen. Vielleicht bin ich nicht die richtige Zielgruppe, denn mir ging dies nach einer Weile ziemlich auf die Nerven.

Aber ...

Das Titelbild zeigt es ja schon ein wenig - man will möglichst verspielt und locker rüberkommen. Vielleicht bin ich nicht die richtige Zielgruppe, denn mir ging dies nach einer Weile ziemlich auf die Nerven.

Aber der Reihe nach. Das Buch ist schön und hochwertig gestaltet, sehr ansprechend, und es macht Spaß, durchzublättern. Die Fotos sind gut gewählt und ebenfalls angenehm anzusehen, auch ist durch viel Farbe das ganze Buch gut aufgelockert. Ebenfalls gut und informativ: die "Best of"-Übersichten, in denen bestimmte Pflanzengruppen übersichtlich mit Kurzportraits, Pflanz- und Blütezeiten und guten Informationen aufgelistet sind. Übersichtlich und gut gestaltet, wenn auch leider etwas sehr selektiv. Keine Info zu Lavendel, zum Beispiel, und der ist nun wirklich eine beliebte Balkonpflanze.

Und das ist leider auch mein Problem mit dem gesamten Buch - zu manchen Themen fehlen Informationen oder sind nur ein paar oberflächliche Informationen zu finden. Ein Thema, zu dem ich mich ausführlich informieren wollte, war das richtige Zurückschneiden von Pflanzen. Einen kurzen Absatz gab es dazu, während das Setzen von Blumenzwiebeln mit einer Schritt-für-Schritt-Fotoserie gezeigt wird (was auch Schritt für Schritt gezeigt wird ist, wie man die natürliche Form eines Bäumchens in eine unnatürliche runde Kugel verwandelt). Überhaupt wird leider sehr viel Platz auf Dinge verwandt, die für die meisten Balkongärtner nicht so relevant sind: wie man seine Gießkanne mit lustigen Bildchen bemalt, wie man Eier färbt und putzige kleine Bastelarbeiten macht, daß man anstelle von Töpfen auch leere Konservendosen nehmen kann, wie man glamourösen (!) Zucker herstellen kann und Töpfe mit quietschbunten Mosaiksteinchen verziert. Das hat mit Gärtnern nur sehr bedingt etwas zu tun und mag vielleicht für eine kleine Zielgruppe witzig sein, für die meisten aber nur Platzverschwendung in einem immerhin nicht ganz günstigen Buch.

Zu diesem Girlie-Bild paßt dann leider auch der an vielen Stellen gewollt-lockere Schreibstil; alles ist easy (oder sogar super-easy), sexy und Power. Außerdem liest man Stilblüten wie "Chips oder Schoko, Baggersee oder Festival, Brad Pitt oder Hugh Jackman: Das Leben ist voller schwieriger Entscheidungen." Nun bin ich ganz froh, wenn ein Sachbuch nicht staubtrocken daherkommt, aber in diesem Buch wurde es (für meinen Geschmack) doch ein wenig übertrieben mit dem "schaut mal, wie easy und relaxed wir sind" (passend auch zu den Fotos der ausschließlich jungen Frauen).

Wenn der Text sich auf Informationen beschränkt, dann liest er sich gut und flüssig, und es sind auch gute Hinweise und Erklärungen dabei. Schön auch die Tips, wie man viele überteuerte Gartenwerkzeuge/Gerätschaften uä günstig selbermachen kann oder welche günstigen Alternativen es gibt. Ebenfalls interessant das Kapitel über Blumenerde, wie sie zusammengesetzt ist und welche Angaben hier relevant sind. Es steckt also defintiv Wissen in dem Buch und dieses wird auch überwiegend gut vermittelt, wenn mir leider nun manche Dinge (s.o.) fehlten. Man kann anhand des Buches die Grundbegriffe des Balkongärtnerns erfahren und hat auch eine gute Hilfe bei der Auswahl von Pflanzen. Ich persönlich hätte weitere relevante Informationen den putzigen kleinen Ideen vorgezogen, die leider mehr Raum einnehmen, als mir lieb ist. Das ist aber - wie der gesamte Stil des Buches - Geschmackssache. Ich werde mich jedenfalls nach einem etwas umfassenderen Gartenbuch umsehen.

Veröffentlicht am 24.01.2019

Recht unterhaltsamer Krimi mit einigen enervierenden Aspekten

Schandpfahl
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Dieser Krimi liest sich recht unterhaltsam und ist größtenteils flüssig geschrieben. Wir begleiten den jungen Kriminaler Jan bei seinem ersten Mordfall und erleben sein ständiges Zweifeln an seinem eingeschlagenen ...

Dieser Krimi liest sich recht unterhaltsam und ist größtenteils flüssig geschrieben. Wir begleiten den jungen Kriminaler Jan bei seinem ersten Mordfall und erleben sein ständiges Zweifeln an seinem eingeschlagenen Berufsweg. Jan war einst Philosophiestudent und hat sich dieses Interesse an der Philosophie erhalten. Das wird zeitweise etwas anstrengend, wenn wir immer wieder philosophische Exkurse lesen müssen, die nicht unbedingt interessant sind und die Geschichte eher unterbrechen, zusammen mit Erklärungen, die sich ein wenig wie ein Wikipediaeintrag lesen. Jans ständiges Hin und Her, ob er nun Polizist bleiben soll oder nicht, ist ebenfalls etwas anstrengend. Bei jedem Rückschlag will er hinwerfen, bei jeden Erfolg ist er voller Motivation – das nutzt sich ab. Überhaupt scheint er emotional ziemlich überbordend zu sein; nach einigen Tagen mit einer neuen Frau (Krimi ohne Romanze scheint kaum noch möglich) werden schon tiefe Liebeserklärungen gemacht und auch sonst bekommen wir viele starke, für mich teils übertriebene Emotionen und Gedanken mit. Im Klappentext wird er als Schöngeist bezeichnet, ich würde es überspannt nennen.

Der Fall selbst ist recht gut ausgedacht, bringt gute Wendungen mit sich und liest sich auch ganz unterhaltsam. Das Ende war nicht unbedingt mein Geschmack, aber an sich gefielen mir Fall und Hintergründe ganz gut, es war auf der Skala meiner Krimierfahrungen solides Mittelfeld.

Während der Stil gut zu lesen ist und gelegentlicher Humor aufblitzt, fand ich die ständigen Wiederholungen enervierend. Das fängt damit an, daß Jans Kollege ihn in jedem Satz mit Namen anspricht und setzt sich darin fort, daß das bereits Geschehene, welches der Leser ja bereits gelesen hat, nochmal zusammengefaßt wird, oft mehrfach. Dies hat mein Lesevergnügen ziemlich beeinträchtigt.

Im Ganzen hat mir das Buch bei einer Zugfahrt die Zeit ganz unterhaltsam vertrieben, mehr würde ich von diesem Autor aber nicht unbedingt lesen.

Veröffentlicht am 23.01.2019

Eineinhalb spannende Lebensgeschichten und viel zähes Um-sich-Kreisen

Hannas Töchter
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Die Lebensgeschichten drei Generationen schwedischer Frauen verspricht der Klappentext, zusammen mit einem Einblick in die Entwicklung der schwedischen Gesellschaft über zwei Jahrhunderte. Das Versprechen ...

Die Lebensgeschichten drei Generationen schwedischer Frauen verspricht der Klappentext, zusammen mit einem Einblick in die Entwicklung der schwedischen Gesellschaft über zwei Jahrhunderte. Das Versprechen hat das Buch für mich nur etwa zu einer knappen Hälfte gehalten.

Die drei Generationen sind Hanna, die in den 1870er Jahren geboren wird, ihre Tochter Johanna (geboren 1902) und die in den 1930er Jahren geborene Anna. Die Beziehung zwischen der in den 1980ern im Sterben liegenden Johanna und ihrer Tochter formen eine Art Rahmenhandlung, die die drei Generationen verbindet. Die ist an sich eine gute Idee, weil so auch gezeigt werden kann, wie spätere Generationen die Erlebnisse ihrer Vorfahren betrachten, und eine neue Perspektive hineinkommt. Allerdings ist diese Rahmenhandlung und überhaupt alles, was mit Anna zu tun hat, so unglaublich zäh, daß ich das Buch fast schon relativ zu Anfang beiseite gelegt hätte. Anna grübelt und führt belanglose Unterhaltungen, tut belanglose Dinge und mißt ihnen, sowie ihren Gedanken, sehr viel Bedeutung bei. Das zieht sich und ist wenig interessant.

Einen abrupten Aufschwung nimmt das Buch dann mit der Lebensgeschichte von Hanna. In schnörkellos angenehmem Stil wird hier über das harte Schicksal einer wirklich starken Frau berichtet. Im Alter von 12 wird Hanna vergewaltigt, bringt mit 13 ein Kind zu Welt und ist Opfer der Zeit und der engstirnigen Umgebung - sie wird als Hure verunglimpft, ihr Kind als Hurenkind. Stoisch erträgt sie Demütigungen und harte Arbeit und gerade weil dies so lakonisch berichtet wird, ohne großes Drama, ist der Eindruck stark und man kann nur Bewunderung für Hanna empfinden. Als sie aus praktischen Gründen ein Ehe mit John eingeht, der ebenfalls eher aus Pragmatismus heiratet, erleben wir Leser eine interessante vielschichtige Beziehung zwischen zwei Menschen, die die Lasten ihrer jeweiligen Vergangenheit und ihrer Familien tragen und irgendwie zusammenfinden. Es gibt hier keine dramatischen Geschehnisse, es geht um den ganz normalen Alltag - normal für die Zeit und die ländlich-abgeschiedene Gegend - die Sorgen, Ängste, aber auch zaghaften Glücksmomente. Ich fand dieses Alltagsleben sehr interessant zu lesen und habe auch einiges gelernt. Die Charaktere sind hier größtenteils gut gezeichnet, auch hier ohne große Worte, ohne Details, aber man spürt sie.

Nach der Hälfte des Buches ist dieser Aufschwung dann leider auch schon vorbei. Das Witwenleben Hannas wird sehr summarisch abgehandelt, viel gibt es hier auch nicht mehr zu erzählen. Das ist schade, weil ich gerne mehr von Hanna gelesen hätte, aber durch Andeutungen über ihre Tochter Johanna wird eine zweite interessante Lebensgeschichte versprochen - sehr schön ist sie, ungewöhnlich intelligent, sie marschiert mit den roten Fahnen und schafft es, anders als ihre Mutter, sich gegen die versuchte Vergewaltigung ihres Dienstherren, zu wehren. Bevor wir in Johannas Leben eintauchen können, müssen wir erst durch ein weiteres zähes Zwischenspiel mit Anna kämpfen. Anna kreist mit großer Konzentration um sich selbst, was nicht lesenswert ist.

Johannas Lebensgeschichte beginnt unterhaltsam - die Hungerzeit des Ersten Weltkrieges, der allmähliche Aufschwung der 20er Jahre, der Eintritt der modernen Welt, dies alles erlebt sie. Da ich wenig über Schwedens Geschichte weiß, liest sich das gut, wenn mir auch ein wenig Details zum geschichtlichen Hintergrund fehlten. Aber auch das ändert sich leider. Irgendwann heiratet Johanna und ab dann wird es - und sie - banal. Ist das Alltagsleben Hannas noch interessant, so liest sich Johannas Alltag der Gartenarbeit, der Klatschereien mit Nachbarn uä einfach langweilig. Nazizeit und Krieg - Schwedens Haltung im Zweiten Weltkrieg würde viel Material bieten und ich hatte mir auch erhofft, darüber mehr zu lesen - werden rasch abgehandelt (ein historischer Fehler ist mir auch aufgefallen - die abscheuliche Ermordung psychisch Kranker in der Nazidiktatur begann in den Kriegsjahren, nicht bereits in den mittleren 30ern) und auch hier geht es fast nur um Banalitäten. Die Reichhaltigkeit dieses Themas bleibt völlig ungenutzt - sehr enttäuschend.

Ab dann versinkt das Buch im Um-sich-Kreisen von Johanna und Anna. Sie bestärken sich darin, wie unglaublich duldam sie doch sind und feiern diese von niemandem verlangte Duldsamkeit regelrecht, bestärken sich gegenseitig im jahrhundertelangem Leiden der Frauen und suhlen sich in Selbstmitleid über ihre Wehrlosigkeit und Machtlosigkeit, die gar nicht so besteht, wie sie sie sehen. Dies zeigt sich schon sehr gut in einer Szene, in der Johanna ihren Mann mit völlig unbegründeten Vorwürfen überschüttet und dieser den erwachsenen Vorschlag macht, sie könne ja schlichtweg mal mit ihm reden, anstatt sich in ihrer vermeintlichen Unterdrückung zu suhlen. Gerade weil Hannas Lebensgeschichte durch die Stärke Hannas ihre schwierige und oft ungerechte Lebenssituation so gut vermittelte, erscheinen Johanna und Anna weinerlich und selbstbezogen. Über die weitere Entwicklung der schwedischen Gesellschaft erfahren wir weitaus weniger, als über die sich kaum ändernden Gedanken von Mutter und Tochter, die mir vermehrt auf die Nerven gingen. So versickert der herrliche Erzählfluß von Hannas Lebensgeschichte in dem kraftlosen Bächlein der endlosen Selbstbetrachtungen der ihr nachfolgenden Generationen und ich lege das Buch am Ende enttäuscht beiseite.

Veröffentlicht am 23.01.2019

Etwas ziellos und leider auch langatmig

Eine Frage der Höflichkeit
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Amor Towles' "Ein Gentleman in Moskau" ist eines der besten Bücher, die ich je gelesen habe und so wollte ich nun auch sein Erstlingswerk kennenlernen. Dieses fand ich leider ausgesprochen enttäuschend.

Zu ...

Amor Towles' "Ein Gentleman in Moskau" ist eines der besten Bücher, die ich je gelesen habe und so wollte ich nun auch sein Erstlingswerk kennenlernen. Dieses fand ich leider ausgesprochen enttäuschend.

Zu Beginn wird recht gut Spannung aufgebaut. Auf einer Fotoausstellung in den 1960ern entdeckt die Hauptperson Kate zwei Fotos eines Mannes aus ihrer Vergangenheit, Tinker, der offensichtlich im Zeitraum zwischen den Fotos einen sozialen Abstieg mitgemacht hat. Wir begleiten Kate auf einen Rückblick in das Jahr 1938, das Buch berichtet über ihre Erlebnisse des gesamten Jahres. Dies geschieht leider ausgesprochen detailreich und ereignisarm. Durch "Ein Gentleman in Moskau" wußte ich bereits, daß Amor Towles zum ruhigen Erzählen neigt, sich dem Atmosphärischen, den Charakterstudien mehr widmet als einer aufregenden Geschichte. Da er dies im "Gentleman" so ausgesprochen gut gemacht hat, habe ich mir Ähnliches auch hier erwartet - leider vergeblich.

Zu Anfang gelingt es ihm noch recht gut, die New Yorker Welt Kates zu schildern. Sie wohnt in einer Pension, teilt ein Zimmer mit Eve, um Geld zu sparen. Das Geld ist generell knapp, die jungen Frauen in der Pension leihen sich gegenseitig Kleider, kalkulieren genau, in welchen Zeitabständen sie sich abends Drinks bestellen können, um mit der mageren Barschaft durch den Abend zu kommen. Eve, bildschön, eigensinnig und auch egoistisch, dem angenehmen Leben nicht abgeneigt, wird bildhaft charakterisiert, man kann sie sich gut vorstellen. Als die beiden jungen Frauen dann Tinker treffen, wird auch er mit wenigen treffenden Worten ausgezeichnet charakterisiert. Damit endet es aber leider auch schon - alle weiteren Charaktere bleiben blaß, unausgegoren, austauschbar. Dies beinhaltet seltsamerweise auch den Hauptcharakter Kate, die hier als Ich-Erzählerin fungiert. Ab und an blitzt bei ihr ein herrlich trockener Humor hervor, sonst aber erfährt man wenig über sie. Sie kann schnell tippen, liest gerne Klassiker, neigt manchmal zur Schroffheit - das war es dann letztlich. Sie wirkt nicht interessant, sondern eher langweilig. Das machte für mich dann auch einen Großteil des Buches nicht nachvollziehbar, denn seltsamerweise scheinen alle Menschen, die Kate begegnen, von ihr umgehend fasziniert zu sein. Problemlos wird sie in die eigentlich für Außenstehende nicht unbedingt offene Welt der Manhattener High Society aufgenommen. Jemand empfiehlt sie für eine anspruchsvolle Arbeitsstelle, ohne daß sie die nötige Erfahrung besitzt, jemand anderer vererbt ihr etwas, die Männer liegen ihr zu Füßen, Fremde starren sie in einem Restaurant an und suchen den Kontakt zu ihr. Das wirkt angesichts von Kates sprödem, etwas faden Charakter unglaubwürdig. Viele von diesen substanzlos rasch enstandenen Freundschaften und Bekanntschaften verschwinden dann kommentarlos wieder und man fragt sich, was hier überhaupt der Sinn war.

Auch das Atmosphärische läßt leider schnell nach. Zu Beginn wirkt der Einblick in das Manhattan der 30er Jahre noch abwechslungsreich, aber irgendwann haben wir die schäbigen Kneipen und Diners zur Genüge beschrieben bekommen, ebenso wie die schicken Apartmentgebäude, exklusiven Clubs und Bars. Die Geschichte um Kate und Tinker findet letztlich fast nur im ersten und letzten Viertel des Buches statt. Dazwischen lesen wir einen Barbesuch nach dem anderen, eine Party nach der anderen und insbesondere: eine detaillierte belanglose Unterhaltung nach der anderen. Die Unterhaltungen sind von entsetzlicher Langweiligkeit und bei den meisten Szenen habe ich mich gefragt, warum diese überhaupt im Buch ist und warum sie zudem noch so detailliert beschrieben wurde. Dauernd denkt man beim Lesen, daß sicher gleich etwas Bedeutendes passiert, aber das tut es fast nie.

So bleibt also letztlich alles blaß und unentschlossen. Die von George Washington aufgezeichneten Regeln der Höflichkeit, nach denen das Buch benannt ist und die im Buch häufiger erwähnt werden, spielen letztlich für die Geschichte auch kaum eine Rolle. Warum der Autor sie für sein Buch als Aufhänger nimmt, erschließt sich beim Lesen nicht. Am Ende frage ich mich, was der Autor mit diesem Buch eigentlich erreichen, sagen wollte. Die Geschichte um Kate und Tinker ist nicht uninteressant, aber auch nicht mitreißend. Sie hätte in 50 Seiten erzählt werden können. Als Gesellschaftsroman kann man das Buch auch nicht sehen, dafür bleiben Charaktere und Umfeld zu vage. Eine Art Entwicklungsroman könnte es sein, aber dafür sind Kates Erfahrungen zu unglaubwürdig und zu wenig nachvollziehbar. Mädchen einfacher Herkunft ohne sonderliche charakterliche Vorzüge gelingt es, diverse Mitglieder der New Yorker Society auf den ersten Blick um den Finger zu wickeln....das ist als Geschichte einfach nicht überzeugend.

Nun hat die Geschichte ab und an interessante Momente, der Blick ins damalige New York ist an mehreren Stellen gut gelungen und der Schreibstil oft sehr schön (aber nicht annähernd so gut wie im "Gentleman"). Anfang und Ende sind nicht übel, ein strafferer plausiblerer Mittelteil hätte zu einem guten Buch geführt. Für diese Punkte drei knappe Sterne.

Veröffentlicht am 01.02.2025

Tolle Idee, die leider zäh und konstruiert umgesetzt wurde

Das Dinner – Alle am Tisch sind gute Freunde. Oder?
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Der Klappentext in Verbindung mit dem ausgesprochen gelungenen Titelbild hat mich gleich angesprochen. Ein Krimi-Dinner, das zum Aufbrechen alter Situationen und Einreißen freundschaftlicher Fassaden führt, ...

Der Klappentext in Verbindung mit dem ausgesprochen gelungenen Titelbild hat mich gleich angesprochen. Ein Krimi-Dinner, das zum Aufbrechen alter Situationen und Einreißen freundschaftlicher Fassaden führt, das klang originell und versprach psychologische Raffinesse.
An Originalität mangelt es dem Buch dann auch nicht, selbst wenn der Anfang nicht darauf hindeutet. Dort findet sich nämlich der ewiggleiche öde Prolog, der Bücher dieses Genres mittlerweile mit solcher Vorhersehbarkeit einleitet, als ob sein Vorhandensein und Inhalt gesetzlich vorgeschrieben wären. Nach diesem absoluten 08/15-Einstieg wird es dann aber um einiges besser. Wir lernen die fünf Protagonisten kennen, im momentan so beliebten multiperspektivischen Erzählen. Leider klingen alle Erzählstimmen komplett gleich. Das stört anfänglich noch nicht, weil die Geschichten und Situationen unterschiedlich sind. Später im Buch führte das bei mir aber gelegentlich zu Verwechslungen. Es ist schade, daß so viele Autoren gerne multiperspektivisch schreiben, ohne ihre Erzählstimmen hinreichend unterschiedlich zu gestalten.
Insgesamt ist der Schreibstil aber flüssig. Er ist eher einfach gehalten, aber für das Genre ausreichend. Erfreut haben mich einige treffende Vergleiche und gelungene Schilderungen der Umgebung. Weniger erfreut hat mich die teilweise Verwendung des Kunstbegriffs „Mitarbeitende“. Dieser wird dann auch in einem Dialog verwendet und das ist sehr unrealistisch, denn die Anzahl der Leute, die diesen Begriff in einer Unterhaltung mit Freunden verwenden, ist – zum Glück – verschwindend gering und bei dem Charakter, um den es hier geht, ist es äußerst unglaubwürdig, daß er den Begriff benutzen würde. Hier wurde also leider die Plausibilität zugunsten der Sprachbevormundung aufgegeben.
Ebenfalls störten mich mehrere unbeholfen wirkende Satzstellungen (die mich bei diesem renommierten Verlag auch erstaunten) und der falsch verwendete Begriff „echote“. Wenn man etwas echot, wiederholt man es. Hier wird aber nichts wiederholt, sondern auf eine Frage geantwortet – ein ziemlich plumper Fehler.
Trotz dieser kleineren stilistischen Mankos gefiel mir das erste Drittel des Buches sehr gut. Während man die Charaktere kennenlernte, gab es schon mehrere Andeutungen, wie viel zwischen den vermeintlichen Freunden im Argen liegt. Das Spannungsniveau war hier hervorragend, ich las gebannt und sah den so ausgezeichnet geschilderten Handlungsort regelrecht vor mir. Man spürte das in der Luft liegende Unheil geradezu und ich war äußerst gespannt und freute mich auf das, was kommen würde. Der Beginn des Krimidinners und der immer stärker werdenden unterschwelligen Spannung war ausgezeichnet. Vorne im Einband finden sich ein Sitzplan und eine Namensübersicht, so daß man nicht durcheinander kommt, wenn alle Protagonisten ihre Krimi-Dinner-Persönlichkeit annehmen – ausgezeichnete Idee.
Dann aber fiel das Buch rapide ab. Mit Beginn des Krimidinners wurde auf zwei Zeitebenen geschildert (ebenfalls ein sattsam benutztes Stilmittel, das aber durch die Krimidinner-Perspektive trotzdem etwas Frisches hat). Die Geschehnisse um das damalige Verschwinden der sechsten im Bunde, Maria, spielen sich auf einem Musikfestival ab und werden in quälender Zähigkeit und ad nauseam aus mehreren Perspektiven geschildert. Jede Einzelheit wird ausführlich dargelegt, jede Information mehrmals erwähnt, dazwischen führen die Charaktere ausführliche Dialoge voller Mutmaßungen. Letzteres mag realistisch sein, aber als Lektüre ist es unendlich langweilig, vor allem, wenn es unablässig vorkommt. Ich versank beim Lesen in Einzelheiten und Wiederholungen. Viele Geschehnisse ähnelten sich, vorwiegend wird getrunken und rumgemacht, werden Drogen genommen und Handys hochgehoben und wieder weggelegt. Irgendwann wurde es zu einem zähen Einheitsbrei, der mich mit jeder Seite weniger interessierte.
Hinzu kommt, daß die Geschichte immer konstruierter wird. Auch das fast krampfhafte Bemühen der Autorin, jedem Protagonisten ein Motiv gegen Maria zu geben und alle gewissermaßen fast im selben Moment mit Rachegedanken losziehen zu lassen, führt zu zunehmend seltsamen, übertriebenen Konstruktionen. Was da in einem Tag alles zufällig ans Licht kommt, ist schon abstrus. Auch die Gegenwartshandlung kippte genau in dem Moment, in dem ich mich auf ein psychologisch ausgefeiltes Kammerspiel freute, ins Übertriebene und Platte. Anstatt von Raffinesse bekam ich dann so etwas zu lesen: „Ich höre Knochen brechen, dann spritzt das Blut in alle Richtungen wie bei einer kaputten Sprinkleranlage.“
Diese Mischung aus viel zu langgezogen, viel zu übertrieben und viel zu plump traf meinen Geschmack überhaupt nicht und wirkte für mich wie eine verschenkte Möglichkeit.
Trotzdem gelang es der Autorin, mich mit zwei Wendungen zu überraschen, die ich gelungen fand. Besonders das Ende konnte vieles wieder wettmachen. Dieses war unerwartet, originell und größtenteils plausibel. Man könnte also sagen: eine ausgezeichnete Vorspeise, köstlich mundend und Appetit machend. Dann leider gefolgt von einem völlig überwürzten, zähen und schwer im Magen liegenden Hauptgang, dem aber immerhin ein kreatives Dessert folgt. Man hätte aus dieser originellen Idee wesentlich mehr machen können. So bleibt sie halbgar.

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