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Veröffentlicht am 03.05.2019

Einfach nur zauberhaft

Der Blumenladen der Mademoiselle Violeta
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Dominique Brulés Blumenladen in Saint-Germain ist ein ganz besonderes Kleinod. Der 74jährige führt in seit dem Tod seiner Frau ganz alleine und verschenkt mehr Blumen, als er verkauft. Als, auf seine Suche ...

Dominique Brulés Blumenladen in Saint-Germain ist ein ganz besonderes Kleinod. Der 74jährige führt in seit dem Tod seiner Frau ganz alleine und verschenkt mehr Blumen, als er verkauft. Als, auf seine Suche nach einer Aushilfe, die junge Violeta ins Geschäft schneit, ändert sich plötzlich alles und ein frischer Wind weht die verstaubten Regale frei.


Es gibt Bücher, die fangen mich schon von Anfang an ein. Maxim Huertas Roman ist eines davon. Er hat mich bereits mit seinem ersten Satz verzaubert.


"Ein Vogel, der wenige Minuten zuvor aus seinem Käfig entflohen ist, fliegt über Paris" 


Leben wir nicht alle ein wenig in einem Käfig und sind auf der Suche nach der Freiheit, der Liebe, dem Glück? Und gerade jetzt im Frühling ist diese Sehnsucht doch besonders groß. Man will raus aus dem Käfig und will wieder leben, will genießen, will einfach nur glücklich sein.


Der Autor hat einen wundervollen Schreibstil. Seine Sätze sind voller Poesie, voller Wehmut, aber gleichzeitig auch voller Hoffnung und Liebe. Bereits der in zarten Tönen gehaltene, leicht antiquiert wirkende Umschlag zeigt, dass wir hier ein ganz besonderes Buch vor uns haben. Und erst der Inhalt. Farben und Blumen ziehen sich, passend zum Thema, wie ein roter Faden durch das ganze Buch. Man sieht sie vor sich, riecht sie, spürt sie. Ich konnte ganz versinken in der Lektüre und wollte nur ungern wieder auftauchen. Dabei passiert gar nicht viel. Es ist eine ruhige, sanfte Geschichte, die wie ein kleiner Bach leise vor sich hinplätschert. Aber sie berührt uns, sie bleibt in unseren Köpfen. Man ist wie verzaubert und fühlt sich einfach angekommen. 


Ich mochte das Buch sehr. Es hat mir mit seiner Poesie ein wenig das ganz besondere Flair von Paris gebracht. Es hat mich traurig gemacht und glücklich. Es hat mich heiter gestimmt und meine Sehnsucht entfacht. Am liebsten würde ich noch heute losfahren, um durch die Straßen der Stadt der Liebe zu schlendern. Wer weiß? Vielleicht sehe ich ja den Vogel dort fliegen, hoch über den Dächern von Paris.

Veröffentlicht am 03.03.2019

Der Gesang der Bienen

Der Gesang der Bienen
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Es ist das Jahr 1152. Der Zeidler Seyfried lebt mit seiner Frau Elsbeth und seinen Kindern Anna, Jasper und Lise in den Wäldern des Münstertales. Als eines Tages die Tochter des Grafen zu Staufen, nach ...

Es ist das Jahr 1152. Der Zeidler Seyfried lebt mit seiner Frau Elsbeth und seinen Kindern Anna, Jasper und Lise in den Wäldern des Münstertales. Als eines Tages die Tochter des Grafen zu Staufen, nach einer missglückten Abtreibung, zu Elsbeth gebracht wird, ändert sich ihr bis dahin beschauliches Leben. Fronika überlebt nicht und man verurteilt Elsbeth zum Tode. Seyfried sieht nur eine einzige Chance, das Leben seiner Frau zu retten. Er muss zu Hildegard von Bingen, der Äbtissin des Klosters auf dem Rupertsberg, und sie um Hilfe bitten. Doch die Zeit läuft ihm davon und es ist fraglich, ob Seyfried rechtzeitig, vor Vollstreckung des Urteils, eine positive Antwort erhält.

Der Autor schreibt wunderbar detailliert und so bildhaft, dass man das Buch nur schwer aus der Hand legen kann. Bei fast 500 Seiten ein anstrengendes Unterfangen. Aber die Mühe lohnt sich, denn Ralf H. Dorweiler weiß, wie er seine Leser packt. Man wird mitgerissen, ob man will oder nicht und fiebert mit dem Protagonisten mit. Bei Seyfrieds verzweifelter Suche nach Rettung werden ihm immer und immer wieder scheinbar unüberwindbare Steine in den Weg gelegt, so dass es bis zum Ende fragwürdig ist, ob es ihm gelingen wird, seine Frau zu retten. Das erhöht die Spannung natürlich enorm und als Leser hat man nur eine Möglichkeit, seine Qualen zu lindern. Weiterlesen.

Das Leben im Mittelalter hat Dorweiler anschaulich dargestellt, so dass man sich schnell mitten im Geschehen meint. Der Autor hat außerdem interessante Aspekte zu Bienenzucht und Hildegard von Bingens Leben und Werk in seinen Roman eingebaut. Man erfährt viel über die politischen Hintergründe zu jener Zeit, die manches Verhalten der Charaktere erst verständlich machen.

Ich kann das Buch nur weiter empfehlen. Jeder, der Spaß an historischen Romanen hat, der nicht nur eine spannende Geschichte sucht, sondern auch noch Wert auf fundierte Recherche legt, ist hier gut aufgehoben.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Geschichte
  • Stil
  • Figuren
  • Atmosphäre
Veröffentlicht am 10.02.2019

Liebesreigen

Die zehn Lieben des Nishino
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Zehn Kapitel, zehn unterschiedliche Frauen, zehn unterschiedliche Geschichten, die nur ein Thema haben. Die Liebe. 

Nishino ist ein Mann, der gerne von einer Frau zur anderen wechselt. Unfähig für die ...

Zehn Kapitel, zehn unterschiedliche Frauen, zehn unterschiedliche Geschichten, die nur ein Thema haben. Die Liebe. 

Nishino ist ein Mann, der gerne von einer Frau zur anderen wechselt. Unfähig für die wahre Liebe, unfähig auch für das Leben. In ihrem kleinen Buch lässt die Autorin Hiromi Kawakami die Frauen zu Wort kommen. Sie erzählen, jede für sich, ihre Liebesgeschichte mit Herrn Nishino. Sie erzählen davon, wie sie lieben und davon, wie wenig zurückkommt. Man spürt die große Traurigkeit, die sich wie ein roter Faden durch das Buch zieht. Dabei meint man es mit zehn Autorinnen zu tun zu haben, so unterschiedlich sind Ton und Sprachmelodie. 

Die Autorin hat einen sehr eigenwilligen Schreibstil, den ich als typisch japanisch bezeichnen möchte. Ihre einzigartige Sprache ist voller Poesie und Wehmut. Man möchte sich am liebsten jeden ihrer einprägsamen und wunderschönen Sätze in Stein meißeln, damit man ihn nicht so schnell vergisst. Man bekommt einen tiefen Einblick in die japanische Kultur und Sprache. 

Abgerundet wird das wunderbare Buch noch durch das stimmige Cover, das eine wahre Augenweide ist.

Veröffentlicht am 31.01.2019

Krimi und Familiengeschichte in einem

Der Verrat
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Nane wurde gerade aus dem Gefängnis entlassen. Ihre Schwester Birgit unterstützt sie dabei, wieder im normalen Leben Fuß zu fassen. Die dritte Schwester Pia jedoch, will nach den Ereignissen vor 20 Jahren ...

Nane wurde gerade aus dem Gefängnis entlassen. Ihre Schwester Birgit unterstützt sie dabei, wieder im normalen Leben Fuß zu fassen. Die dritte Schwester Pia jedoch, will nach den Ereignissen vor 20 Jahren nichts mehr mit ihr zu tun haben. Denn Nane wurde wegen Mordes an Henning, dem Stiefsohn Pias verurteilt. Aber was ist damals wirklich geschehen?

Ellen Sandbergs Buch hat mich sehr beeindruckt. Ihr Schreibstil ist äußerst angenehm zu lesen und er fesselt von der ersten Seite an. Geschickt verknüpft die Autorin Gegenwart und Vergangenheit und baut so eine große Spannung auf, die sich wie ein roter Faden durch das ganze Buch zieht. Dabei gibt sie dem Leser nie zu viel preis, sondern füttert ihn immer nur mit kleinen Häppchen an Informationen. Was dann Stück für Stück zum Vorschein kommt ist beklemmend und fast nicht vorstellbar. Die endgültige Auflösung der Geschichte war nicht vorhersehbar und hat mich am Ende noch einmal überrascht.

Ihre Protagonisten hat Ellen Sandberg so realistisch gezeichnet, dass sie, obwohl sie größtenteils nicht unbedingt als Sympathieträger auftreten, trotzdem sehr lebendig und lebensnah wirken. Dabei blicken wir tief in die Seele der Charaktere. und bleiben mehr als einmal erschüttert zurück. Ich konnte kaum glauben, wie schnell man sich in einer Lüge so verstricken kann, dass man nicht mehr aus diesem Teufelskreis heraus findet.

Der Roman hat mir richtig gut gefallen und bekommt von mir eine klare Weiterempfehlung.

Veröffentlicht am 12.01.2019

Ein Buch, dass unter die Haut geht

Schatten ohne Licht
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Die beiden Geschwister, Seonghan und Jeongah, wachsen in Nordkorea auf. Der Hunger ist Alltag, der Verzicht gewohnt, anders kennen die beiden es nicht. Aber woanders ist es noch viel schlimmer, so sagt ...

Die beiden Geschwister, Seonghan und Jeongah, wachsen in Nordkorea auf. Der Hunger ist Alltag, der Verzicht gewohnt, anders kennen die beiden es nicht. Aber woanders ist es noch viel schlimmer, so sagt man. Erst als Seonghan zum Militär einberufen wird und ihm ein Kamerad heimlich Fotos zeigt, Satellitenaufnahmen von Südkorea und China, nagen die ersten Zweifel an ihm und er spielt mit dem Gedanken an Flucht. Doch ist das die Lösung?

Dieses Buch ist keine leichte Lektüre. Es hat mich sehr berührt und hallt heute noch, Tage nach der Lektüre, in mir nach. Marcus S. Theis hat ein großartiges, aufwühlendes Werk geschaffen, dem ich viele Leser wünsche. 

Es würde mir schwer fallen, die ganzen Grausamkeiten in Worte zu fassen, die hier geschildert werden. Theis schafft das. Ohne Effekthascherei. Ohne Emotionen. Klar und nüchtern erzählt er, lädt den Leser als stillen Beobachter ein. Und der muss viel aushalten. Denn jeder Satz, jedes Wort ist so intensiv, dass man es kaum aushalten kann. Wir erleben alles hautnah mit und leiden still mit den Protagonisten. Diese sind zwar erfunden, aber der Autor hat wahre Berichte von Nordkoreaflüchtlingen eingebaut und das macht das Ganze nur noch schlimmer. Das Buch hat mich sehr traurig und betroffen zurückgelassen. Und gleichzeitig dankbar, dass ich die Gnade habe, nicht in einem solchen Regime leben zu müssen. Und gleichzeitig wütend, dass wir nichts dagegen tun (können?). Niemand auf der Welt sollte ein solches Leben haben. Aber auch die "Freiheit" in Südkorea, ist alles andere als erstrebenswert. Hier herrscht ein Leistungs- und Schönheitswahn, der nicht zu unterschätzen ist.

Ein zutiefst erschütterndes Buch, das in all seiner Traurigkeit, doch einen Funken Hoffnung zeigt. Denn nur wo Licht ist, kann es auch Schatten geben.