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Veröffentlicht am 12.03.2019

Ganz verschiedene Träume in Angola

Die Gesellschaft der unfreiwilligen Träumer
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Der angolanische Journalist Daniel Benchimol lebt schon lange getrennt von seiner Frau Lucrécia. Der Bruch erfolgte, weil er kritische Artikel zur politischen Lage im Ausland veröffentlichte und Lucrécia ...

Der angolanische Journalist Daniel Benchimol lebt schon lange getrennt von seiner Frau Lucrécia. Der Bruch erfolgte, weil er kritische Artikel zur politischen Lage im Ausland veröffentlichte und Lucrécia sich auf die Seite ihres Vaters, eines reichen Unternehmers, stellte. Daniel strebt nach journalistischen Erfolgen und führt seine Interviews nicht nur in der Realität, sondern auch im Traum. Doch Lucrécias Vater stellt sich seiner Karriere aktiv in den Weg, und nun ist auch die Scheidung vollzogen. Als Daniel kurz darauf schwimmen geht, findet er einen Fotoapparat mit Aufnahmen einer ihm unbekannten einer Frau, die schon mehrfach in seinen Träumen vorkam. Seine Recherche bringt Erstaunliches zutage…

Als ich mit der Lektüre begann, war ich vor allem neugierig auf das Setting des Romans. Ich habe bislang kein Buch über Angola gelesen und kannte mich auch mit der politischen und gesellschaftlichen Situation vor Ort nicht detailliert aus. Dieses Wissen hilft jedoch, um gewisse Dynamiken im Buch zu verstehen, weshalb ich mich parallel zur Lektüre damit beschäftigte. Die wichtigsten Ereignisse findet man als Leser auch hinten im Buch.

Daniel ist ein Charakter, der durch sein Schreiben etwas bewegen will, sich mit Taten aber gleichzeitig zurückhält. Dass er ständig von Interviews träumt beschäftigt ihn, vor allem, als er Fotos einer Frau findet, die ihm bislang nur im Traum begegnet ist. Es handelt sich um Moira, die sich selbst intensiv mit ihren Träumen beschäftigt und diese in Kunstwerken verarbeitet. Auf Daniels Kontaktaufnahme reagiert sie mit Interesse.

Wie der Titel schon sagt spielen Träume in diesem Buch eine zentrale Rolle. Daniel flieht oft aus der Stadt zu seinem Freund, dem Hotelbetreiber Hossi. Dieser erinnert sich nie an seine Träume, doch er selbst erscheint immer wieder in den Träumen von Menschen in seiner Umgebung. Seine Zeit als Guerillo holt ihn gedanklich immer wieder ein, und er hat das Gefühl, dass gewisse Personen noch immer nach ihm suchen. Daniels Tochter, die behütet und von Reichtum umgeben bei ihrer Mutter aufgewachsen ist, träumt von einer anderen Zukunft, seit sie sich mit der Situation im Land auseinandergesetzt hat. Sie wird bei einer Protestaktion gegen den Präsidenten festgenommen und trifft eine folgenschwere Entscheidung.

Der Roman beleuchtet die Situation in Angola sowohl der letzten Jahrzehnte als auch heute. Er spielt sich im wohlhabenderen Umfeld ab und thematisiert vor allem die politische Situation, während die extreme Armut eher eine Nebenrolle spielt. Die vergangenen Bürgerkriege und der Traum von echter Freiheit bewegt die Handelnden. Sie alle haben ein Thema, das sie in besonderem Maße antreibt: Selbstverwirklichung und Wahrheitssuche, das Aufarbeiten der Vergangenheit, Klarheit erlangen über den weiteren Weg und selbst ein Zeichen setzen für eine bessere Zukunft.

Während die Geschichte mehrfach die Perspektive wechselt und durch die Zeit springt bleibt Daniel der Dreh- und Angelpunkt der Handlung. Dennoch fiel es mir immer wieder schwer, den roten Faden zu finden, denn die Kapitel hängen nur lose zusammen und die Handlung bewegt sich mal hierhin, mal dorthin. Dabei sammelt man als Leser Informationen, die man selbst zusammensetzen muss, um einen Blick aufs große Ganze zu erhaschen. Die Geschichte steckt voller Symbolik, die sich mir nur langsam erschloss. Insgesamt fand ich den Ansatz spannend, sich über das Thema Träume mit der politischen und gesellschaftlichen Lage in Angola zu beschäftigen!

Veröffentlicht am 21.02.2019

Gegen das Vergessen: Liens Geschichte

Das Mädchen mit dem Poesiealbum
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Bart van Es wusste schon immer, dass seine Großeltern während des Zweiten Weltkriegs in den Niederlanden jüdische Kinder versteckt haben. Doch nach den Einzelheiten hat er nie gefragt, und niemand erzählte ...

Bart van Es wusste schon immer, dass seine Großeltern während des Zweiten Weltkriegs in den Niederlanden jüdische Kinder versteckt haben. Doch nach den Einzelheiten hat er nie gefragt, und niemand erzählte sie ihm. Der Tod seines Onkels bringt ihn schließlich ins Nachdenken. Er möchte mehr über seine Großeltern herausfinden, vor allem aber über die Geschichte des Mädchens, das sie versteckten: Lien. Über seine Mutter erhält er ihre Mailadresse und trifft sie kurz darauf in Amsterdam. Der Professor für englische Literatur lauscht ihren Erinnerungen, beginnt zu recherchieren und begibt sich auf eine Spurensuche.

Im Prolog des Buches berichtet der Autor von seinem allerersten Treffen mit Lien in Amsterdam. Er ist neugierig auf die Frau, die scheinbar lange ein Teil seiner Familie war und zu welcher der Kontakt vor fast dreißig Jahren abgebrochen wurde. Ein Mailaustausch ging dem Treffen voraus, und Lien ist bereit, ihre Geschichte mit ihm zu teilen. Auch einige Fotos hat sie aufbewahrt, und einen ganz besonderen Schatz: Ihr altes Poesiealbum.

Liens Geschichte wird in diesem Buch chronologisch erzählt und beginnt im Jahr 1941 in Den Haag. Zu dieser Zeit ist der Krieg in den Niederlanden angekommen und Lien erfährt als jüdisches Mädchen die ersten Schritte der Ausgrenzung: Sie muss einen Judenstern tragen, auf eine jüdische Schule gehen und darf die meisten öffentlichen Orte nicht mehr betreten. Als sich die Lage immer weiter zuspitzt, möchten ihre Eltern sie retten und geben sie fort. Sie soll bei einer anderen Familie und an einem anderen Ort leben kann, wo niemand weiß, dass sie Jüdin ist.

Liens Geschichte ist ein Beispiel für das Schicksal vieler jüdischen Kinder, die während des Zweiten Weltkriegs in den Niederlanden versteckt wurden. Im Gegensatz zur bekanntesten von ihnen, Anne Frank, muss Lien während des Krieges mehrfach das Versteck wechseln. Zum Glück findet sich immer jemand, der bereit ist, ihr Unterschlupf zu gewähren. Doch die Familien, die sie aufnehmen, gehen ganz unterschiedlich mit ihr um. So gibt es in den Kriegsjahren manche schöne, aber auch beklemmende und höchst traumatische Erlebnisse.

Die Rückblicke werden immer wieder unterbrochen durch Kapitel, in denen Bart van Es von seiner Recherche erzählt. Er besucht zahlreiche Orte, an denen Lien sich aufgehalten hat, und berichtet, wie es dort heute aussieht. Außerdem versorgt er den Leser mit Hintergrundinformationen zur Situation der Juden in den Niederlanden zu Beginn und während des Krieges, dem Kriegsverlauf und kurzen Einblicken in die Schicksale von weiteren Opfern, Helfern und Tätern. So lernt man zum einen die sehr persönliche Geschichte einer Überlebenden kennen, zum anderen erfährt man mehr über das Schicksal der niederländischen Juden im Allgemeinen. Mir hat diese Mischung gut gefallen, allerdings fand ich Abschnitte, in denen die geschichtlichen Fakten dargestellt werden, etwas überladen.

Der Autor versucht, möglichst neutral über Liens Schicksal zu berichten. Seine Großeltern stellt er nicht als unantastbare Helden hin, sondern setzt sich auch mit ihrer Rolle kritisch auseinander. Der Tonfall ist eher nüchtern, man merkt, dass er sonst wissenschaftliche Artikel verfasst und keine rührenden Storys. Für mich passte das gut zu dem, was er berichten möchte. Gleichzeitig machten die abgedruckten Fotos und Einträge aus Liens Poesiealbum ihre Geschichte für mich noch greifbarer.

In „Das Mädchen mit dem Poesiealbum“ erzählt der Professor Bart van Es die Geschichte der Jüdin Lien, die als Kind während des Zweiten Weltkriegs in den Niederlanden unter anderem von seinen Großeltern versteckt wurde. Dabei erhält der Leser sowohl Einblicke in Liens persönliches Schicksal als auch in die Geschichte der niederländischen Juden während des Krieges. Der Schreibstil ist nicht perfekt, doch ich bin froh, dass der Autor Liens Geschichte aufbereitet und aufgeschrieben hat. Ein gutes und wichtiges Buch gegen das Vergessen, dem ich noch viele Leser wünsche.

Veröffentlicht am 07.02.2019

Ein Roman über verborgene Ängste, Glück und Mitgefühl

Agathe
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Ein zweiundsiebzigjähriger Psychiater zählt die wenigen Tage bis zu seinem Ruhestand. Für seine Arbeit kann er sich schon lange nicht mehr begeistern, die Gespräche rauschen geradezu an ihm vorbei. Doch ...

Ein zweiundsiebzigjähriger Psychiater zählt die wenigen Tage bis zu seinem Ruhestand. Für seine Arbeit kann er sich schon lange nicht mehr begeistern, die Gespräche rauschen geradezu an ihm vorbei. Doch dann betritt mit Agathe eine neue Patientin seine Praxis, die unbedingt bei ihm in Behandlung gehen will und sich auch mit Hinweis auf die baldige Schließung nicht abweisen lässt. Ihre Sichtweisen bringen ihn ins Grübeln. Als sich dann auch noch seine Sekretärin nach dreißig Jahren auf unbestimmte Zeit entschuldigen lässt muss er endgültig seine strenge Routine unterbrechen.

Der Leser lernt den Psychiater in seinem Haus kennen, wo er wie jeden Tag im Wohnzimmer am Fenster sitzt und beobachtet. Als er sieht, dass sich ein kleines Mädchen am Knöchel verletzt, zieht er sich lieber zurück, als herauszufinden, wie sie auf seine Hilfe reagiert. Auch mit seinem Nachbarn, den er regelmäßig Klavier spielen hört, hat er noch nie geredet. Sein Tagesablauf ist routiniert, das Interagieren mit seiner Sekretärin eingeschliffen, das Mittagessen gibt es immer zur gleichen Zeit am selben Ort.

Als Agathe ins Leben des Protagonisten tritt, war ich neugierig, wie er reagieren wird. Mit ihrer beharrlichen Art erhält sie einen Termin und offenbart einen manisch-depressiven Charakter, der gleichzeitig höchst verunsichert ist und sich als über den Dingen stehend wahrnimmt. Ihre Aussagen darüber, wer man sein und was man schaffen könnte, bringen ihn ins Nachdenken. Er ist fasziniert von ihrer Persönlichkeit und will mehr über sie herausfinden.

Ich fand es schön, zu beobachten, wie der Protagonist in der Interaktion mit Agathe nicht nur neue Wege sucht, um ihr zu helfen, sondern auch seinen eigenen Lebenswandel hinterfragt. Etwas gerät in Bewegung. Das ist eigentlich genau das, was er zu vermeiden suchte, doch plötzlich steckt er mittendrin.

Themen wie verborgene Ängste, Glück und Mitgefühl werden behutsam thematisiert. Der Psychiater und sein Innenleben wurden mir immer vertrauter, während es mir auch nach entscheidenden Enthüllungen schwer fiel, den Charakter der Agathe zu greifen und zu verstehen. Den Abschluss fand ich schließlich absolut gelungen. Gerne empfehle ich diesen Roman weiter!

Veröffentlicht am 01.02.2019

Gelungener Reihenauftakt mit einer interessanten Protagonistin

Vanitas - Schwarz wie Erde
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Carolin lebt in Wien und arbeitet in einer Gärtnerei auf dem Zentralfriedhof. Eine Tätigkeit, bei der sie Ruhe finden und sich zurückziehen kann. Denn obwohl ihr altes Ich offiziell für tot erklärt wurde, ...

Carolin lebt in Wien und arbeitet in einer Gärtnerei auf dem Zentralfriedhof. Eine Tätigkeit, bei der sie Ruhe finden und sich zurückziehen kann. Denn obwohl ihr altes Ich offiziell für tot erklärt wurde, hat sie immer noch Angst, gefunden zu werden. Kein Wunder also, dass sie versucht, dem Polizisten Robert aus dem Weg zu gehen, als dieser sie sprechen will. Er drängt sie dazu, erneut als Spitzel tätig zu werden. In München soll sie sich mit der Tochter eines Bauunternehmers anfreunden, denn auf den Baustellen der Konkurrenz kommt es vermehrt zu Unfällen. Hat hier jemand die Finger im Spiel? Mit einem unguten Gefühl zieht Carolin München und versucht, möglichst zügig an brauchbare Informationen zu gelangen, um zurück nach Wien zu dürfen. Wie weit kann sie gehen, ohne aufzufliegen oder von den falschen Leuten erkannt zu werden?

Ich war sehr gespannt auf den Beginn dieser neuen Thriller-Reihe von Ursula Poznanski, in welcher keine Polizisten in den Hauptrollen sind. Stattdessen lernt der Leser Carolin kennen, deren Leben vor allen von einem geprägt ist: Angst. Gleich zu Beginn erfährt man, dass sie einst anders hieß und mit Unterstützung der Polizei ihren Tod vorgetäuscht hat – inklusive Beerdigung und dem ganzen drum herum. Nur so hat ein Frankfurter Clan, in den sie als Polizeispitzel eingeschleust wurde, aufgehört, nach ihr zu suchen. Aber hat er das wirklich? Trotz neuer Identität weit weg von Frankfurt ist Carolin immer auf der Hut.

Carolins neue Arbeit in einem Blumenladen ist nach ihrem Geschmack. Sie hat dafür die Sprache der Blumen gelernt und kennt inzwischen die meisten Bedeutungen. Das kommt ihr auch beim Kontakt zur Polizei zugute, denn so kann sie mit dem für sie zuständigen Polizisten Robert kommunizieren, ohne dass es jemandem auffällt. Diese Idee hat mir sehr gut gefallen. Dass Robert in der Stadt ist, bedeutet für Carolin jedoch nichts Gutes. Sie soll als Spitzel in München eingesetzt werden. Nachdem ich schon einige Einblicke in ihre psychische Verfassung und Gefühlswelt erhalten hatte konnte ich gut verstehen, dass sich alles in ihr sträubt, den Auftrag auszuführen. Doch eine Wahl hat sie nicht.

In München angekommen läuft zunächst alles wie am Schnürchen. Carolins Nachbarin Tamara, mit der sie sich anfreunden soll, kommt proaktiv auf sie zu und legt eine große Offenheit an den Tag. Die beiden verbringen viel Zeit miteinander, sodass Carolin bald schon den Rest der Familie kennenlernt, der unter Verdacht steht, die Konkurrenz zu sabotieren. Während sie die einzelnen Familienmitglieder und auch die Erben der konkurrierenden Bauunternehmen besser kennenlernt, kommt es zu weiteren Vorfällen, ohne dass ihr etwas aufgefallen wäre. Doch sie will unbedingt brauchbare Informationen liefern und nach Wien zurückkehren. Also wird sie bald mutiger und beginnt auf eigene Faust, zu recherchieren. Zu spät merkt sie, dass sie sich auf gefährliches Terrain vorgewagt hat. Durch ihren engen Kontakt zu Tamaras Familie erhält sie gleichzeitig mehr Aufmerksamkeit, als ihr lieb wäre.

Das Buch schlägt ein ruhiges Tempo an und gibt dem Leser Zeit, die einzelnen Charaktere besser kennenzulernen. Dabei rätselt man, wer von ihnen etwas verbirgt und warum. Auch Carolin selbst erschließt sich dem Leser nur Stück für Stück, denn sie denkt nicht gern daran zurück, was in ihrem alten Leben in Frankfurt vorgefallen ist. Man erfährt zum Beispiel, dass sie mehrere große Narben hat, aber nicht, wie es dazu kam. Zwischen den Kapiteln wird der Leser Zeuge schrecklicher Taten, die jedoch keine allzu große Unruhe auslösen, da sie wie Unfälle aussehen. Die Situation spitzt sich eher schleichend zu und so realisiert man gemeinsam mit Carolin erst spät, wie tief sie schon in allem drin steckt. Es gibt einige gelungene Überraschungen, die Auflösung konnte mich jedoch nicht voll überzeugen. Auf den letzten Seiten wird klar, dass Carolins Geschichte noch nicht zu Ende erzählt ist. Ich freue mich schon darauf, mehr von ihr zu lesen!

In „Vanitas“ muss Carolin ihr sicheres Versteck in Wien verlassen, um sich in München als Polizeispitzel mit der Tochter eines Bauunternehmers anzufreunden und nach Hinweisen auf eine Verbrechensserie zu suchen. Die Autorin hat eine interessante Protagonistin geschaffen, die meine Vorfreude auf weitere Fälle weckt. Auch die Idee, mit ihrem Polizeikontakt über Blumen zu kommunizieren, fand ich gelungen. Phasenweise hätte ich mir noch mehr Tempo gewünscht. Insgesamt ein toller Reihen-Auftakt für alle Fans psychologischer Thriller!

Veröffentlicht am 20.01.2019

Eine Geschichte, die sich langsam entfaltet

Der Verrat
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Seit zwanzig Jahren lebt Pia von Manthey mit ihrem Mann Thomas auf dem Weingut Graven. Sie arbeitet dort als Restauratorin, während Thomas als Weinbauer den Familienbetrieb führt. Ihr geordnetes Leben ...

Seit zwanzig Jahren lebt Pia von Manthey mit ihrem Mann Thomas auf dem Weingut Graven. Sie arbeitet dort als Restauratorin, während Thomas als Weinbauer den Familienbetrieb führt. Ihr geordnetes Leben gerät völlig durcheinander, als Thomas einen Herzinfarkt erleidet und im Krankenhaus das Bewusstsein verliert. Ausgerechnet Pias Schwester Nane hat ihn im Prälatengarten gefunden. Nane, die Mörderin, die nach zwanzig Jahren gerade auf Bewährung freigelassen wurde. Während Birgit, die dritte Schwester, sich um Nane kümmert, macht Pia energisch klar, dass sich Nane von ihr und ihrer Familie fernhalten soll. Doch Nane will Thomas unbedingt sprechen und etwas klären, das sie seit Jahren nicht loslässt. Warum wehrt sich Pia so strikt gegen jeglichen Kontakt? Wie kann es für Graven weitergehen, wenn Thomas im Krankenhaus liegt? Und gibt es wirklich offene Fragen im Hinblick auf die Nacht vor zwanzig Jahren, in denen Nane zur Mörderin wurde?

Das Buch beginnt mit einem kurzen Prolog, in dem in einer Sommernacht im Jahr 1998 ein vom Weingut Graven kommendes Auto in die Tiefe stürzt. Danach springt das Buch in die Gegenwart und der Leser lernt die Schwestern Pia, Nane und Birgit kennen. Die drei sind sehr verschieden: Pia führt ein gehobenes Leben an der Seite ihres wohlhabenden Manns, während Birgit das Kunst- und Antiquitätengeschäft der Eltern über die Runden bringt und Nane nach zwanzig Jahren frisch aus dem Gefängnis entlassen wurde.

Schnell wird deutlich, dass zwischen Pia und Nane eine tiefe Kluft besteht. Nane sieht Pia als Konkurrentin, gegen die sie schon seit ihrer Kindheit rebelliert. Und Pia kann kaum glauben, dass Nane wirklich die Frechheit besitzt, auf dem Weingut aufzutauchen – vielleicht hat die Thomas nicht gerettet, indem sie den Notarzt gerufen hat, sondern ihn mit ihrem Auftauchen überhaupt erst zu Tode erschreckt? In der Nähe der Angehörigen ihres Opfers hat sie wirklich nichts zu suchen!

Langsam erhält der Leser erste Hinweise darauf, was vor zwanzig Jahren passiert ist und wen Nane umgebracht hat. Hier wird der Leser häppchenweise mit Informationen versorgt. Rückblenden ins Jahr 1998, die ähnlich viel Raum einnehmen wie die Handlung in der Gegenwart, nehmen den Leser mit in eine Zeit, in der das Verhältnis der drei Schwestern noch ein anderes war. Hier erfährt man viel darüber, welche Pläne sie damals hatten und wie sie darauf reagiert haben, dass manches anders kam als gedacht. Dabei holt die Geschichte weit aus und erzählt beispielsweise von Nanes Trennung von ihrem ersten Mann und Birgits verhängnisvoller Liebschaft.

Das Buch baut psychologische Spannung auf durch das schwierige Verhältnis der drei Schwestern, bei dem man sich fragt, was wirklich alles dahinter steckt. Aber auch andere Charaktere rücken zeitweise in den Fokus: Welche Rolle spielt Thomas? Wie weit wird Margot gehen, die seit ihrer Kindheit auf dem Weingut lebt und mit Pias Entscheidungen nicht einverstanden ist? Wird Pias Tochter in die Fußstapfen ihres Vaters treten? Und welche Informationen wird Thomas‘ Enkelin Sonja zusammentragen beim Versuch, ein Buch über ihren Vater zu schreiben?

Auf beiden Zeitschienen nähert man sich schließlich der verhängnisvollen Nacht, die alles verändert hat. Mir war das Tempo des Buches dabei zu ruhig. Das Offenlegen der einzelnen Puzzlestücke zog sich in die Länge und die Nebenhandlungen nehmen viel Raum ein und zögern die Auflösung hinaus. Schließlich offenbart sich ein komplexes Gefüge aus Verstrickungen, Fehlentscheidungen und Geheimnissen. Dabei war es für mich in Ordnung, dass mir kein einziger Charakter wirklich sympathisch wurde, denn die Geschichte lebt davon, dass niemand perfekt ist und sich anders hätte verhalten können. Wer Geschichten mag, die sich langsam entfalten und in denen stückweise neue Erkenntnisse gewonnen werden, für den ist diese Mischung aus Krimi und Familiendrama sicherlich interessant!