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Veröffentlicht am 22.03.2019

Eine süße Geschichte, die den Kleinen Vertrauen, Liebe und Geborgenheit vermittelt

Kaspar kann das schon!
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Der kleine Kaspar ist ein unternehmungslustiges Kängurukind, das sich für groß und stark hält und am liebsten die Welt erkunden würde. Seine Mama hält ihn aber zurück, denn sie ist der Meinung, dass ihr ...

Der kleine Kaspar ist ein unternehmungslustiges Kängurukind, das sich für groß und stark hält und am liebsten die Welt erkunden würde. Seine Mama hält ihn aber zurück, denn sie ist der Meinung, dass ihr Sohn für vieles noch zu klein ist. Als seine Mutter einen kurzen Moment nicht auf ihn achtet, schleicht er sich heimlich weg, um mit den anderen Tierkindern zu spielen. Er findet sie auf einer Lichtung und verbringt einen lustigen Nachmittag, und als es dunkel wird, betrachtet Kaspar begeistert die Sternbilder am Himmel. Plötzlich merkt er, dass inzwischen alle anderen Tierkinder nach Hause gegangen sind. Er ist völlig allein und weiß nicht mehr, in welche Richtung er gehen soll, um nach Hause zu kommen. In den Bäumen raschelt es unheimlich, und Kaspar hat Angst. Aber als das kleine Känguru in seiner Verzweiflung zu weinen beginnt, ist plötzlich seine Mama da. Sie tröstet ihn und verspricht ihrem Sohn, dass er nun groß genug ist, in den Kindergarten zu gehen. Für Kaspar ist die Welt wieder in Ordnung, denn er weiß sicher, dass er sich auf seine Mama stets verlassen kann und dass sie ihn immer lieb hat.
Mit warmherzigen, kurzen Texten und liebevollen Illustrationen vermittelt dieses Bilderbuch einerseits das Gefühl von Geborgenheit und Urvertrauen, denn die Erlebnisse des kleinen Kängurus Kaspar lassen sich eigentlich auf alle Kinder übertragen, denn die meisten Kleinen wollen gerne groß und selbständig sein und überschätzen sich dabei oft selbst. Die Geschichte zeigt, dass sich kleine Kinder auf ihre Mama verlassen können und von ihr auch geliebt werden, wenn sie einmal unartig waren oder etwas angestellt haben.
Daneben erfahren die Kleinen auch etwas über ein fremdes Land, denn die schön gezeichneten Bilder zeigen nicht nur Kängurus, sondern auch andere Tiere Australiens.
Ich finde dieses Bilderbuch insgesamt sehr gelungen, nur zwei kleine Kritikpunkte habe ich dazu. Zum einen stimmen die Größenverhältnisse auf einem Bild nicht ganz, wo Kaspar vor seiner Mutter steht und ich beim Betrachten Zweifel habe, wie so ein großes Kängurukind noch in den Beutel der Mutter passen soll. Außerdem hätte ich mir gewünscht, dass Text und Bild auch in kleinen Details aufeinander abgestimmt sind. Als Kaspar die Sterne betrachtet, erkennt er am Himmel ein Sternbild, das aussieht wie eine Honigbiene und ein anderes sieht aus wie ein Känguru. Das Känguru ist auch am Himmel zu erkennen, die Honigbiene jedoch nicht. Ich höre an dieser Stelle schon meine kleine Nichte fragen, wo denn die Biene steckt. Kinder sehen erfahrungsgemäß immer sehr genau hin.
Das Bilderbuch wird für Kinder ab vier Jahren empfohlen, vermutlich, weil erst Vierjährige erfassen können, dass die Geschichte in einem anderen Land spielt, aber ich denke, an den liebevollen Bildern in naturgetreuen Farben und an der süßen Geschichte werden auch Dreijährige bereits ihre Freude haben und die Botschaft, die dieses Buch vermittelt, verstehen können.
Alles in allem kann ich dieses schöne Büchlein wirklich empfehlen.

Veröffentlicht am 19.03.2019

Ein facettenreicher historischer Roman um eine ungewöhnliche Freundschaft

Dragonerkind
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Man schreibt das Jahr 1758; die Welt befindet sich mitten im Krieg. Die arme Bauernfamilie Malparnasse aus dem kleinen Dorf Montmilcent leidet Hunger. Das Essen reicht hinten und vorne nicht für ihn selbst, ...

Man schreibt das Jahr 1758; die Welt befindet sich mitten im Krieg. Die arme Bauernfamilie Malparnasse aus dem kleinen Dorf Montmilcent leidet Hunger. Das Essen reicht hinten und vorne nicht für ihn selbst, seine Frau und die neun Kinder. In seiner Verzweiflung bringt Jacques Malparnasse seine beiden ältesten Kinder aus dem Haus. Der zwölfjährige Jean kommt als Bursche zu Leutnant Philippe de Belsace nach Argentan. Auch wenn Jean immer wieder das Heimweh packt, so merkt er doch schnell, dass er es mit seinem Herrn gut getroffen hat, denn Leutnant Belsace versorgt ihn nicht nur mit Kleidung und Essen, sondern er behandelt ihn freundlich, und als er spürt, wie wissbegierig sein Bursche ist, bringt er ihm das Lesen, Schreiben, Rechnen und vieles mehr bei. Philippe ist viel mehr für Jean als sein Herr, denn der Junge verehrt und liebt den Mann, der für ihn sorgt. Aber auch für Philippe wird Jean bald viel mehr als ein Diener. Er bringt dem Jungen echte Zuneigung entgegen und behandelt ihn, wie ein guter Vater seinen Sohn behandeln würde. Bald sind die beiden ein eingeschworenes Team, sie können sich bedingungslos aufeinander verlassen. Als sie nach Deutschland ziehen müssen und die nächste Schlacht vor der Tür steht, wartet so manche Bewährungsprobe auf diese ungewöhnliche Freundschaft.

Ich gebe zu, ich habe sehr lange an diesem Roman gelesen, was mehrere Gründe hat. Zum einen ist es ein ganz schöner Wälzer mit einem stattlichen Gewicht, und die Geschichte von Philippe und Jean ist auf über 700 Seiten und zudem noch sehr klein gedruckt. Aus den genannten Gründen konnte ich das Buch immer nur in kleinen Etappen lesen, was aber keinesfalls an der Handlung oder der Schreibweise lag.
Die Geschichte über diese ungleiche Freundschaft ist nämlich sehr fesselnd, faszinierend und schön geschrieben. Egal ob es sich um das Kriegsgeschehen handelt oder darum, wie Jean sich bei seinem Leutnant einlebt, die Autorin beschreibt alles sehr detailreich. Gerade an Jeans Schicksal, an seinen Gedankengängen und Gefühlen nimmt man als Leser regen Anteil. Wenn Jean seine ersten Kriegserlebnisse seelisch verarbeiten muss, ist man quasi hautnah dabei. Ich würde diesen Roman nicht nur als historischen (Abenteuer-)Roman bezeichnen, sonder er ist viel mehr. Ich empfinde ihn auch als Entwicklungsroman, denn man erfährt sehr viel und in detaillierten Schritten über Jeans Bildung, und nicht nur der Junge macht im Lauf der Zeit einen Reifeprozess durch, sondern auch sein Herr, denn dieser macht sich viele Gedanken über Gott und die Welt und ist ein Suchender nach mehr Menschlichkeit.
Im Zusammenleben mit dem Leutnant stellt Jean bald fest, dass Philippe ein düsteres Geheimnis mit sich herumschleppt, das ihm schwer auf die Seele und aufs Gemüt drückt. So gerne würde er seinem Herrn helfen, aber der offenbart sich ihm lange Zeit nicht. Erst ziemlich am Ende des Romans erfährt man, was Philippe bedrückt. Diesen ganzen Enwicklungsprozess habe ich mit Spannung verfolgt. Herr und Diener gehen miteinander durch Dick und Dünn, sie retten sich gegenseitig den Hals und sind in Gesundheit und Krankheit füreinander da. Auch viele Abenteuer warten auf die beiden Helden.
Die Autorin bringt sehr viel historisches Wissen in ihren Roman mit ein, und ich kann mir nur ansatzweise vorstellen, wie aufwändig die Recherchearbeit für dieses Buch vermutlich war.
Faszinierend finde ich, dass Karola Briese im Verlauf der Handlung quasi immer wieder kleinere Geschichten in die Hauptgeschichte einbringt, beispielsweise wenn Philippes Freund, der Schotte James MacFarlane wieder einmal auftaucht und dringend Hilfe braucht, die ihm Philippe auch stets gewährt, auch wenn er dabei selbst viel riskiert. Während dieser gemeinsamen Unternehmungen erzählt James aus seinem Leben, und so kommen wieder ganz neue historische Aspekte dazu und erweitern das Informationsspektrum.
Es ist ein sehr emotionaler Roman, eine starke Geschichte mit wunderbaren Charakteren, mit viel Feingefühl und Empathie geschrieben. Für mich ist es kein Buch, das man mal so schnell nebenher liest, sondern ich habe mich sehr bewusst auf die detaillierten Schilderungen eingelassen.
In gewisser Weise ist die Handlung in diesem Buch abgeschlossen, aber es gibt noch einige offene Fragen, die jedoch schon wieder zu einer anderen Geschichte gehören, zu einem neuen Abenteuer, von dem Karola Briese sicher in der gerade erschienenen Fortsetzung „Dragonerblut“ erzählt.
Besonders erwähnenswert ist auch die sorgfältige Ausstattung des Buches, denn im Anhang finden sich die Liedtexte aus der Geschichte, und ein umfangreiches Glossar komplettiert den Roman.

Veröffentlicht am 23.02.2019

Fesselnder Auftakt einer neuen Reihe von Silvia Stolzenburg

Die Meisterbanditin
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Dorf Brenz im Herzogtum Württemberg im August 1721:

Bisher schien die Welt der siebzehnjährigen Marie in Ordnung. Sie liebt den Bauernsohn Bartholomäus und freut sich auf eine gemeinsame Zukunft. Als ...

Dorf Brenz im Herzogtum Württemberg im August 1721:

Bisher schien die Welt der siebzehnjährigen Marie in Ordnung. Sie liebt den Bauernsohn Bartholomäus und freut sich auf eine gemeinsame Zukunft. Als sie erfährt, dass Bartholomäus sie nicht heiraten, sondern eine arrangierte Ehe mit einer anderen eingehen wird, sind nicht nur all ihre Hoffnungen zerstört, sondern ihr ganzes Leben im Dorf gerät aus den Fugen. Nicht nur die Nachbarn und Freunde wenden sich von ihr ab, sondern auch die eigene Familie.

Maries Schicksal steht für viele in der damaligen Zeit. Ohne eigenes Verschulden kommt sie plötzlich in Verruf und steht ohne Hoffnung auf ein gutes Leben und eine achtbare Zukunft da. In diesem Fall hat Marie die Wahl zwischen zwei Übeln. Entweder sie verdingt sich beim Schweinebauern oder sie geht nach Schloss Brenz und versucht, eine Anstellung als Dienstmagd zu finden. Sie wählt die zweite Möglichkeit. Zwar kann sie in die Dienste von Wilhelmine, der Mätresse des Herzogs von Württemberg treten, aber auch hier meint es das Schicksal nicht gut mit ihr, denn der herzogliche Jäger Hubertus stellt ihr nach. Da sie ihm nicht zu Willen ist, sondern sich verzweifelt wehrt, bezichtigt er sie des Diebstahls. Aber hier kommt ihr eine Fügung des Schicksals zur Hilfe, denn Wilhelmine durchschaut Hubertus und macht Marie den Vorschlag, für sie zu spionieren. Zu diesem Zweck schließt sich das Mädchen einer Truppe fahrender Schauspieler an. Aber auch dort wird ihr Leben nicht einfacher, denn nicht alle Mitglieder der Truppe sind ihr wohlgesonnen, und bei der Erfüllung ihrer Aufgabe gerät sie mehrmals in Gefahr.

Von Silvia Stolzenburg kenne ich bisher nur ihre historischen Romane um die Salbenmacherin Olivera. Diese Reihe verfolge ich von Anfang an mit Begeisterung. Aber die Autorin schreibt nicht nur historische Romane, sondern sie ist auch eine Meisterin in den Genres Krimi und Thriller. Im vorliegenden Buch hat sie die Genres geschickt verknüpft und lässt uns die ganze Bandbreite ihrer Schreibkunst erleben, denn sie konfrontiert ihre Leser mit einem fesselnden, brisanten Spionagefall aus dem 18. Jahrhundert. In diesem vielfältigen Roman gibt es jede Menge zu entdecken und zu erleben, denn durch Maries Augen lernt man das Leben der fahrenden Leute kennen und erhält auch einen interessanten Einblick in ihre Ausbildung zur Taschendiebin.

Dies ist zwar ein fiktiver Roman, jedoch mit einem wahren Kern, denn Wilhelmine, die Mätresse des Herzogs Eberhard Ludwig, ist eine reale historische Persönlichkeit und hat wirklich eine Zeitlang auf Schloss Brenz gelebt. Für die Autorin, die ihre ersten Kindheitsjahre in Brenz verbracht hat, war dieser Umstand natürlich von besonderem Reiz, und sie hat mit diesem Roman quasi der alten Heimat ein Denkmal gesetzt. Die vielschichtige Handlung zeugt von ausgiebiger Recherchearbeit. Mit farbigen Charakteren und einer fesselnden Geschichte sorgt Silvia Stolzenburg für Spannung und Abwechslung, und es ist ihr wieder ein Pageturner von Feinsten gelungen.

Der Epilog hat noch einige Überraschungen bereit, und es gibt einen Cliffhanger, der mich im ersten Moment irritiert hat, weil einiges offen bleibt. Ich habe nun aber erfahren, dass die Geschichte um Marie weitergehen wird und die Autorin bereits an der Fortsetzung arbeitet. Man darf also sehr gespannt sein.

Veröffentlicht am 12.01.2019

Luja sog i!

Das Ludwig Thoma Komplott
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Das ist bereits Hauptkommissar Tom Perlingers zweiter Fall. Das erste Buch „Die Montez-Juwelen“ habe ich zwar schon in meinem Regal, aber noch nicht gelesen. Als ich mit dem „Ludwig Thoma Komplott“ angefangen ...

Das ist bereits Hauptkommissar Tom Perlingers zweiter Fall. Das erste Buch „Die Montez-Juwelen“ habe ich zwar schon in meinem Regal, aber noch nicht gelesen. Als ich mit dem „Ludwig Thoma Komplott“ angefangen habe, war es für mich quasi ein erstes Kennenlernen, nicht nur der neuen Charaktere, sondern auch der Personen, die wohl schon im ersten Band dabei waren. Sehr schnell war ich jedoch in der Handlung gefangen, denn es geht von Anfang an gleich heftig zur Sache. Dazwischen hatte ich die Gelegenheit, auch Tom Perlingers persönliches Umfeld zu erkunden und mich mit seiner Familie und seinen Freunden vertraut zu machen. Die vielen Schauplätze, die ich gut kenne und schon persönlich besucht habe, machten es mir leicht, mir alles bildlich vorzustellen. Sabine Vöhringer führt die Leser in ihrem Krimi an bekannte, idyllische Münchner Plätze, in deren Umfeld jedoch gerade ein brutaler Mord geschehen ist. Die Kombination aus faszinierender, mitreißender Krimihandlung und viel Lokalkolorit ist der Autorin hervorragend gelungen. Das Außergewöhnliche an dieser Geschichte ist, dass das Mordopfer eine alte Schulfreundin von Tom Perlinger war, und im Lauf der Recherchen stellt der Hauptkommissar fest, dass seine ganze Clique aus der Schulzeit in irgend einer Form in den Fall verstrickt zu sein scheint. Für Tom ist dies eine besondere Herausforderung, denn er weiß nicht mehr, wem seiner Freunde er eigentlich noch vertrauen kann, und er gerät dabei in einen gewaltigen Gewissenskonflikt. Privatleben und Beruf mischen sich auf sehr unschöne Weise, was für ihn sicher nicht leicht ist, denn er muss seine eigenen Freunde verhören. Nicht nur er wird immer wieder auf eine falsche Spur gelockt, sondern der Leser gleich mit.
Ich liebe München, und an der Art, wie sie die Orte und die Atmosphäre beschreibt, merkt man, dass es der Autorin ebenso geht. Ich mag es sehr gerne, wenn ich in einem Roman über Orte lese, an denen ich bereits war. Darum habe ich beispielsweise die Szenen im Hackerhaus sehr genossen, denn dort bin ich in der Vergangenheit auch schon eingekehrt.
Gekonnt verwebt Sabine Vöhringer die Handlungsfäden der aktuellen Ereignisse mit einer Mordserie in der Vergangenheit, und nicht zuletzt spielt natürlich auch Ludwig Thoma mit seinem „Münchner im Himmel“ eine gravierende Rolle, denn im Krimi geht es um einen unveröffentlichten Nachfolger dieser humorvollen, satirischen Geschichte, und Tom muss die anfangs rätselhaften, verworrenen Zusammenhänge lösen. Das Ergebnis dieses Kriminalfalls bringt Tom in einen gewaltigen Gewissenskonflikt.
Der durchweg spannende und gut geschriebene Krimi hat ein rundes Ende, lässt aber doch einige offene Fäden zurück, so dass ich sehr auf eine Fortsetzung hoffe.

Veröffentlicht am 15.10.2018

Die Ärztin - Das Licht der Welt

Die Ärztin: Das Licht der Welt
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Mark Brandenburg im Jahr 1876: Ein tragisches Unglück, das sich an Weihnachten auf Gut Freystetten ereignet und bei dem die Gärtnerstochter Ricarda Petersen der gleichaltrigen Flora von Freystetten das ...

Mark Brandenburg im Jahr 1876: Ein tragisches Unglück, das sich an Weihnachten auf Gut Freystetten ereignet und bei dem die Gärtnerstochter Ricarda Petersen der gleichaltrigen Flora von Freystetten das Leben rettet, wird für die 13-jährige Rica zum Schlüssel in eine andere Welt. Komtess Henriette, Floras Tante, nimmt das junge Mädchen zum Dank in ihre Obhut und mit sich nach Berlin, wo sie als eine der ersten Ärztinnen praktiziert. Hier ermöglicht sie Rica eine gute Schulbildung. Ich habe regen Anteil an Ricas Schicksal genommen, die im fernen Berlin eine ganz andere Welt kennenlernt. Je mehr sie vom Elend der armen Bevölkerung erfährt, umso mehr wächst ihr Wunsch, in die Fußstapfen der Komtess zu treten und ebenfalls Ärztin zu werden. Aber eigentlich ist diese Ausbildung Mädchen ihres niederen Standes verwehrt und das Medizinstudium in Deutschland für Frauen nicht gestattet. Rica arbeitet jedoch hartnäckig, mit großem Fleiß und Durchhaltevermögen auf ihren Traumberuf hin. Der Weg ist nicht immer eben, und vor allem kurz vor dem Ziel fürchtet Rica, dass alles umsonst gewesen sein könnte.

Dies ist ein Entwicklungsroman, der das Schicksal von Rica über die Jahre hin ausführlich und mit viel Feingefühl beleuchtet. Man lernt Ricarda als starken Charakter kennen, aber sie ist nicht nur strebsam und ehrgeizig, sondern sie hat auch viel Herz, und sie war mir von Anfang an sympathisch. Umso mehr habe ich mit ihr gelitten, als sie in eine schier ausweglose Situation gerät.
Auch Ricardas Umfeld und die anderen Charaktere haben mir sehr gefallen. Man erfährt sehr viel über Berlin Ende des 19. Jahrhunderts, vor allem über die Situation der armen Menschen und die Benachteiligung der Frauen. Komtess Henriette, eine starke Persönlichkeit, widersetzt sich allen Konventionen und arbeitet als Ärztin. Ihr wachsender Erfolg wird nicht überall gerne gesehen, und sie braucht viel Durchsetzungsvermögen, um in dieser damaligen Männerdomäne zu bestehen. Mit ihr und Ricarda prallen zwei willensstarke Charaktere aufeinander, was nicht immer harmonisch ausgeht, aber ich finde es toll, wie emanzipierte Frauen der damaligen Zeit ihren Weg gingen. Sowohl in Henriettes Haus als auch in Zürich, wo Rica später studiert, begegnet man im Lauf der Handlung immer wieder engagierten Ärztinnen, historischen Persönlichkeiten, die es real gegeben hat. Es ist spannend, zu verfolgen, welche medizinischen Erkenntnisse damals vorherrschten bzw. gewonnen wurden.
Der Cliffhanger am Ende dieses ersten Teils ist für die Leser ganz schön hart, denn er stellt unsere Geduld auf eine starke Probe. Auf den zweiten Band müssen wir noch bis Ende November warten.
Aufmerksamen Lesern des Klappentextes wird zwar nicht entgangen sein, worauf die Handlung im zweiten Band wohl hinausläuft, aber wie es dazu kommt und was Rica auf ihrem Weg zum Ziel noch so alles erlebt, darauf bin ich sehr gespannt.